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Nuestro tiempo

Ein Film von Carlos Reygadas.

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Carlos Reygadas hat schon die Protagonisten in STELLET LICHT mit den Mühen und Quälereien einer Dreiecksbeziehung kon­fron­tiert. Den Gegensatz dazu bil­de­te die Weite der mexi­ka­ni­schen Landschaft, vom Licht beseelt. Ein äuße­res Licht, im ful­mi­nan­ten Sonnenuntergang am Ende des Films zum lang­sa­men Verglühen gebracht, dass dem Inneren ent­sprach. In NUESTRO TIEMPO nimmt Reygadas das Thema wie­der auf, unter ganz ande­ren Bedingungen, obwohl auch die­ser Film wie­der auf dem Land spielt, näm­lich auf einer Ranch. Ester und Juan züch­ten Bullen, jene leicht reiz­ba­ren, gefähr­lich star­ken Tiere, die einen mit ihren lan­gen Hörnern auf­spie­ßen kön­nen. Beide reflek­tie­ren ihr Zusammenleben und beson­ders ihre Gemeinschaft, zu der auch die gemein­sa­men Kinder gehö­ren. Besonders Juan legt Wert auf die Offenheit der Beziehung, um der Freiheit wil­len, auch der Freiheit der Liebe. Dieser Weg erweist sich aber als dor­nig und arbeits­reich. Denn Ester fängt tat­säch­lich ein Verhältnis an: mit Phil, dem breit­är­schi­gen Gringo, der gele­gent­lich für die bei­den arbei­tet. Die Dreierbahn rum­pelt also los, in unge­ahn­te Höhen und Tiefen. Kaleidoskopartig ent­fal­tet die Handlung ihren Sog, oft aus der Sicht von Juan, der vor­gibt, die Freiheit zu ver­tre­ten, aber ein­for­dert, stän­dig alles über Esters Affäre und ihre Gefühle offen­ge­legt zu bekom­men. Sie beharrt auf ihrer Privatsphäre und wehrt sich gegen sei­ne selbst­ge­mach­ten Spielregeln. Und läßt ihr schlech­tes Gewissen an ihm aus. Beide wol­len ehr­lich mit­ein­an­der sein, viel­leicht eine zu gro­ße Herausforderung. Die drit­te Hauptrolle spielt die epi­sche Landschaft bzw. das Licht, das sie strah­len läßt. Darin scheint das Leben trotz aller Plackerei einen Sinn zu machen. In vie­len Momenten von NUESTRO TIEMPO beweist Reygadas sein Gespür dafür, mit Bildern modu­lie­ren zu kön­nen, was unter der Oberfläche pocht, und das macht den Reichtum des Films aus.

Es ist ein­fach, die erwi­der­te Liebe zu defi­nie­ren, wie bei­spiels­wei­se die Liebe, die uns an den Wald oder an ein Tier bin­det. Die Liebe, die man für einen Ort oder einen Freund oder auch für sei­ne Kinder und Eltern emp­fin­det. Aber sobald man von der Liebe in einer Paarbeziehung spricht, scheint das Feld der Gefühle sehr viel kom­ple­xer, selbst wenn wir die heik­len Fragen, was die Liebe vom Besitzanspruch und die Treue von der Lauterkeit unter­schei­det, beant­wor­ten kön­nen. Müssen wir sexu­ell mono­gam leben? Dauert die Liebe ewig? Endet die Ehe, die ein Paar eint, immer einer Gewohnheit gleich? Die am sel­tens­ten gestell­te Frage, wel­che die erwähn­ten Überlegungen zusam­men­fasst, lau­tet: Wenn man sei­ne Frau liebt, stellt man dann ihr Wohl wirk­lich immer über alles ande­re? Oder bloß so weit, als dass es unser eige­nes Wohl nicht beein­träch­tigt? Kurz: Ist die Liebe gegenseitig?”

(Carlos Reygadas)

 

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Credits:

Nuestro tiem­po
MX/FR/DE/DK/SE 2018, 175 Min., spa­ni­sche OmU
Regie, Buch: Carlos Reygadas
Kamera: Diego Garcia
Schnitt: Natalia López
mit: Carlos Reygadas, Natalia López, Phil Burgers, Yago Martinez, Eleazar Reygadas, Rut Reygadas

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Nuestro Tiempo (offi­zi­el­ler deut­scher Trailer)

 

 

Eine moralische Entscheidung

Ein Film von Vahid Jalilvand,

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Dr. Nariman muss auf der Straße aus­wei­chen und tou­chiert ein Motorrad, auf dem Moosa mit sei­ner Familie unter­wegs ist. Der Arzt ver­sucht, das alles ohne Polizei zu klä­ren, bie­tet dem Mann Geld an und will die Familie auch ins Krankenhaus brin­gen. Doch letz­te­res lehnt Moosa ab. Nariman arbei­tet in der Gerichtsmedizin und erfährt am nächs­ten Tag, dass ein Junge ein­ge­lie­fert wur­de: Moosas acht­jäh­ri­ger Sohn. Er ist in der Nacht ver­stor­ben. Die Todesursache scheint eine Fleischvergiftung gewe­sen zu sein. Aber das beru­higt Nariman nicht. Es könn­te auch der Unfall gewe­sen sein, der die direk­te Todesursache darstellt.
„Eine mora­li­sche Entscheidung“ ist ein beein­dru­cken­der Film, weil er eigent­lich eine sehr unschein­ba­re Geschichte erzählt. Eine, in die man sich hin­ein­ver­set­zen kann, denn im Kern geht es vor allem dar­um, dass jede Entscheidung zu Konsequenzen führt – und die sich immer dra­ma­ti­scher aus­wei­ten kön­nen. Es gibt eini­ge Momente in die­sem Film, in denen sich Menschen anders hät­ten ver­hal­ten kön­nen. Damit ein­her geht immer die Frage, ob der Ausgang bes­ser gewe­sen wäre, wenn eine ande­re Entscheidung getrof­fen wor­den wäre. Hätte das Kind über­lebt, wenn der Arzt dar­auf bestan­den hät­te, ins Krankenhaus zu fah­ren? Hätte der Vater es frü­her ins Krankenhaus brin­gen müs­sen, als er es getan hat? Hätte der Arzt mit dem Vater nach dem Tod des Kindes reden sol­len? Hätte das ver­hin­dert, dass er die Schuld bei dem Mann such­te, der ihm das ver­gam­mel­te Fleisch ver­kauft hat, durch das sich der Junge die Vergiftung zuge­zo­gen hat? Eine kon­kre­te Antwort gibt es auf all die­se Fragen nicht. Sie sind immer rei­ne Spekulation, aber sie quä­len die Hauptfigur.
Denn Dr. Nariman ist ein peni­bler, sehr kor­rek­ter Mann. Jemand, der den Dingen auf den Grund geht. Der ein­fach nicht locker­las­sen kann. Denn eigent­lich wäre er aus die­ser Angelegenheit fein her­aus­ge­kom­men, aber er selbst ist es, der die Untersuchung erneut begin­nen lässt. Weil der Zweifel dar­über, ob er es war, der am Tod des Jungen schul­dig ist, für ihn letz­ten Endes qual­vol­ler ist als jede kon­kre­te Erkenntnis, die kom­men könn­te, inklu­si­ve der Konsequenzen, die sich dar­aus ergeben.
Peter Osteried | programmkino.de

  • Beste Regie und bes­ter Hauptdarsteller – Venedig 2018

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Credits:

Bedoone tarikh, bedoo­ne emza 
IR 2017, 100 Min., Farsi OmU 
Regie: Vahid Jalilvand 
Kamera: Peyman Shadmanfar 
Schnitt: Vahid Jalilvand, Sepehr Vakili 
mit: Navid Mohammadzadeh, Amir Agha’ee, Hediyeh Tehrani, Zakiyeh Behbahani

Termine:

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Trailer:

EINE MORALISCHE ENTSCHEIDUNG Trailer HD

Im Kino in Farsi mit deut­schen Untertitlen.

 

Dene wos guet geit

Ein Film von Cyril Schäublin.

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Können wir uns noch ohne Zahlen und Ziffern, Nummern, Codes oder Passworte ver­stän­di­gen und über­haupt durchs Leben kom­men? Im Zürich des Films geht da nichts mehr. Permanent wer­den end­lo­se Verschlüsselungen, Preise, PINs, GPS-Daten, Telefon- Policen- und Kontonummern oder ande­re Zahlenkolonnen hin- und her gereicht. Das funk­tio­niert rei­bungs­los, alle Beteiligten agie­ren höf­lich, gesit­tet, ob es sich um die Bewachung eines Gebäudes nach einer Bombendrohung, um Bankgeschäfte, Betrugsversuche oder deren Aufklärung han­delt. Nichts Persönliches kann die­se Welt trü­ben, denn beim kleins­ten Anflug ver­sagt das Gedächtnis ad hoc.

Dene wos guet geit – der Titel kann für nicht-schwei­ze­ri­sche Ohren schnell Assoziationen mit länd­li­chem Lustspiel oder Bauerntheater wecken. Völlig falsch – es han­delt es sich viel­mehr um einen der eigen­wil­ligs­ten Filme, die in letz­ter Zeit hier ins Kino kom­men. Nicht, dass ihm der Humor abgeht; in Fassung einer fast ein­ge­fro­ren wir­ken­den Lakonie bahnt er sich durch die redu­zier­ten, zu nichts füh­ren­den Bewegungen und den mini­ma­len Plot sei­nen Weg. Die lose Handlung sieht so aus: Alice, eine Callcenterangestellte aus Zürich, muss ihren „Kunden“ neue Internetanbieter oder Krankenkassenverträge auf­schwat­zen, mög­lichst „mit Gefühl“, wie ihr Verkaufsleiter anweist. Mit den dadurch qua­si als Beifang erhal­te­nen Informationen ver­sucht sie, ihr Einkommen mit­tels „Enkelintrick“ auf­zu­bes­sern, und das erfolg­reich. Zwei Stadtpolizisten sind ihr aller­dings schon auf den Fersen. Woanders, in der gleich­för­mi­gen Umgebung ist eine Orientierung schwie­rig, muss eben das oben erwähn­te Gebäude gesi­chert wer­den, wobei die sich wie­der­ho­len­den Gespräche des Polizeipersonals über Mobilfon- Internet- und ande­re Tarife die Idee von Kommunikation ad Absurdum füh­ren. Während des Festivals avan­cier­te der Film in Locarno zum Geheimtip, und die Presse äußer­te sich enthusiastisch:

Wann zuletzt haben wir einen so bösen, radi­kal prä­zi­sen und in der Bildsprache so kon­se­quen­ten Schweizer Film gese­hen? Und war­um nur ver­lässt man das Kino so leicht­füs­sig beschwingt und mit einem Schmunzeln im Gesicht, das sich nur noch ver­tieft, wann immer man an den Film zurück­denkt? Cyril Schäublins «Dene wos guet geit» ver­stösst so ziem­lich gegen alles, was man von einem span­nen­den Film erwar­ten kann – und ver­zau­bert genau dadurch.” NZZ

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Credits:

CH 2018, 71 Min., OmU,
Regie & Buch: Cyril Schäublin
Kamera: Silvan Hillmann
Schnitt: Cyril Schäublin, Silvan Hillmann
mit: Sarah Stauffer, Nikolai Bosshardt, Fidel Morf

Termine:

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Erde

Ein Film von Nikolaus Geyrhalter.

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Jeden Tag ver­schiebt und bewegt unser Planet selbst rie­si­ge Mengen Erde, Schlamm, Gestein und Sedimente durch Wasserströme, Winde und Tektonik – in Tonnen aus­drückt ist das aller­dings nur die Hälfte des­sen, was der Mensch durch Baggern, Bohren und Sprengen im glei­chen Zeitraum schafft. Nikolaus Geyrhalter hat sie­ben teil­wei­se schwer zugäng­li­che Orte in Europa und Nordamerika besucht, wo auf der Oberfläche und dar­un­ter schwer gear­bei­tet wird oder wur­de: den Bau des welt­weit längs­ten Eisenbahntunnels am Brenner, die Marmorsteinbrüche im ita­lie­ni­schen Carrara, wo der Abbau in den letz­ten drei­ßig Jahren auf das Hundertfache gestie­gen ist, der als Atomzwischenlager genutz­te Salzstock in Wolfenbüttel oder das rie­si­ge Ölsandabbaugelände im kana­di­schen Alberta, mit­ten auf dem Gebiet einer First Nation. Von allen Plätzen lie­fert er wun­der­schö­ne und beein­dru­cken­de Bilder, die als Beweis einer Zerstörung zugleich eine gro­ße Beunruhigung in sich tra­gen. Im Zeitalter des Anthropozän, in dem der Mensch der ent­schei­den­de Faktor für die fun­da­men­ta­len Veränderungen des Planeten ist, stel­len sich dazu gewiss Fragen wie: Muss das sein? Wem nutzt es? Wem scha­det es? Dürfen wir das? Was wird der Preis sein? Dass er auch aus­führ­lich zeigt, wie sich eini­ge der dort arbei­ten­den Menschen schlaue Gedanken zu die­sen und ande­ren Fragen, wie die nach dem Wirtschaftssystem oder der Endlichkeit der Ressourcen, stel­len, und ande­re gleich­zei­tig und trotz­dem der Faszination ihrer Arbeit erlie­gen, ist eine wei­te­re beson­de­re Seite des Film.

Die Ökumenische Jury ver­leiht ihren Preis an ERDE für die Beschreibung der Verwüstung unse­res Planeten durch mensch­li­ches Eingreifen – ein drän­gen­des Thema unse­rer Zeit. Dieser Dokumentarfilm zeigt bren­nend schar­fe Bilder von der Zerstörung der Topographie der Erde und eben­so offen­her­zi­ge Gespräche mit Arbeitern, Ingenieuren und Wissenschaftlern. Die Jury hebt beson­ders das Klagelied einer indi­ge­nen Kanadierin für Mutter Erde am Ende des Films her­vor, das uns dazu ein­lädt, unse­re Verantwortung zu reflek­tie­ren.” Aus  der  Begründung  der  Jury –Preis  der  Ökumenischen  Jury,  Berlinale  Forum  2019

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Credits:

AU 2019, 114 Min., Englisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Ungarische OmU
Regie, Buch, Kamera: Nikolaus Geyrhalter
Schnitt: Niki Mossböc 

Termine:

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Das melancholische Mädchen

Ein Film von Susanne Heinrich.

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Und, wor­um geht es in dem Film? Eine häu­fig gestell­te Frage, die aller­dings in die fal­sche Richtung zielt. Bei Filmen (und nicht nur da) ist das Wie ent­schei­den­der als das Was. Eine Geschichte kann völ­lig sim­pel aus­fal­len. Erst wenn die Inszenierung eben­so sche­ma­tisch daher­kommt, wird es lang­wei­lig bis nichts­sa­gend und schlimms­ten­falls bei­des davon. „Das melan­cho­li­sche Mädchen“ führt den Effekt vor: Der Plot ist nicht mal sprung­haft, son­dern letzt­lich nicht vor­han­den. Die halb ver­kopf­te und theo­rie­schwan­ge­re, halb ver­spiel­te Inszenierung macht das Ganze aber zu glei­chen Teilen unter­halt­sam, eigen­wil­lig und interpretierfähig.

Im Mittelpunkt steht das titel­ge­ben­de melan­cho­li­sche Mädchen (pas­send besetzt: Marie Rathscheck), das wie sämt­li­che Figuren – dar­un­ter der Existentialist, die Clubfreundin, der Normalo – namen­los bleibt. Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz streift die selbst­er­nann­te Autorin mit Schreibblockade durch Berlin und trifft ver­schie­de­ne Männer, die sie schnell mit nach Hause beglei­tet und oft unver­mit­telt wie­der sit­zen lässt.

Der Film unter­teilt sich in 15 Episoden, die Titel wie „Feminismus zu ver­kau­fen“, „Die Gewalt der Liebesmärchen“ oder „Objekte der Begierde“ tra­gen. Es geht um Feminismus, die Rolle des Kapitalismus in die­sem Feld und das selbst­be­stimm­te Handeln der Streunerin. „Rambo is a pus­sy,“ lau­tet ein T‑Shirt-Aufdruck; an ande­rer Stelle meint die jun­ge Frau, dass ihr Körper allen ande­ren mehr gehört als ihr selbst. Mit Rosa und Blau setzt Susanne Heinrich leit­mo­ti­visch zwei Farben ins Bild, die qua­si sym­bo­lisch für die Geschlechterfrage ste­hen. Symbolcharakter haben auch die Penisse, die hier mit­un­ter direkt vor der Kameralinse rum­bau­meln. Heinrich wirft herr­lich scham­lo­se und daher unge­wohn­te Blicke auf männ­li­che Körper.

An einer schlüs­si­gen Story zeigt die Filmemacherin der­weil kein Interesse. Jeder Dialog, jeder Frame zwit­schert es her­aus: Je suis ciné­ma! Die Selbstbespiegelung fängt mit der Wahl des 4:3‑Formats an und setzt sich in der sti­li­sier­ten Bildästhetik, dem extro­ver­tier­ten Tondesign und dem geküns­tel­ten Schauspiel fort. Hinzu kom­men Motiv-Dopplungen und Wiederholungen, eine musi­ka­li­sche Trickfilmsequenz oder Retro-Wischblenden à la „Star Wars“. Heinrich hat ihren Schlegel gele­sen und trans­fe­riert des­sen Autonomiepostulat ins Filmische. Die Form pro­du­ziert den Inhalt, bis die Selbstbespiegelung im digi­ta­len Bandsalat abreißt.

Das Bemerkenswerte dar­an ist nicht das Artifizielle, son­dern der Glücksfall, dass der Film kein Stück lang­weilt. Das mit Filmseminarwissen voll­ge­pack­te Debüt ist kein markt­ge­rech­tes Thesengedöns, son­dern zuerst eine auf­ge­weck­te Gesellschaftskomödie mit einer schö­nen Form der Ironie – der vol­len Ironie näm­lich, die nicht nur plump das Gegenteil des Gesagten meint, son­dern gleich­zei­tig auch das Gesagte und man­ches dazwischen.

Christian Horn | programmkino.de

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Credits:

Deutschland 2019, 80 Min., Deutsch mit eng­li­schen Untertiteln
Regie & Buch: Susanne Heinrich
Kamera: Agnesh Pakozdi
Schnitt: Susanne Heinrich, Benjamin Mirguet
mit: Marie Rathscheck, Nicolai Borger, Malte Bündgen, Dax Constantine, Monika Freinberger, Yann Grouhel, Julian Fricker, Nicolo Pasetti

Termine:

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Trailer:

Das melan­cho­li­sche Mädchen – Trailer from Salzgeber & Co. Medien GmbH on Vimeo.

 

 

Burning

Ein Film von Lee Chang-dong,

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Es braucht Zeit, aus einer Kurzgeschichte einen 148-minü­ti­gen guten Film zu machen. Nach sei­nem letz­ten Werk, dem wun­der­ba­ren POETRY, hat sich Lee Chang-dong acht Jahre genom­men, und jetzt kommt der beein­dru­cken­de Nachfolger zu unse­rem Glück tat­säch­lich ins Kino. Die Vorlage, Haruki Murakamis Scheunenabbrennen ist schon genau­so mys­te­ri­ös wie der Palmen-Anwärter im Wettbewerb von Cannes 2018, nur gibt der Film der Geschichte zusätz­lich einen ruhig-lang­sa­men Spannungsaufbau und betö­ren­de Bilder. Jong Su liebt Geschichten von William Faulkner, so sagt er, und will als Schriftsteller in sei­ne Fußstapfen tre­ten. Erstmal aber lebt er von Lieferjobs. Haemi arbei­tet als Gelegenheits-Model und sucht Sinn in ihrem Leben. Als die bei­den sich zufäl­lig über den Weg lau­fen, behaup­tet sie, Klassenkameraden gewe­sen zu sein (er habe sie schlimm gemobbt), er kann sich nicht erin­nern. Die Affäre zwi­schen bei­den jun­gen Leuten ist zu Ende, kaum dass sie begon­nen hat, da Haemi zwecks Sinnsuche nach Kenia reist. Jong Su darf sich der­weil um ihre Katze küm­mern, die er und auch wir trotz der Winzigkeit der Wohnung aller­dings nie zu sehen bekom­men. Zurück aus Afrika hat Haemi den wohl­ha­ben­den, ele­gan­ten und ver­wöhn­ten Ben im Schlepptau, der auch spä­ter immer mit dabei ist. Jong Su, der sich neu­er­dings auch um den Hof des ver­haf­te­ten Vaters küm­mern muss, arran­giert sich trotz sei­ner Eifersucht gezwun­ge­ner­ma­ßen mit dem selt­sa­men Dreiecksverhältnis. Doch Ben ver­hält sich zuneh­mend merk­wür­dig, und eines Tages ist Haemi spur­los ver­schwun­den. Jong Su ver­liert lang­sam den Boden unter den Füßen.

Ein hoch intel­li­gen­tes und geheim­nis­vol­les Puzzlespiel, das mit den sagen­haft kla­ren Bildern von Kameramann Hong Kyung-Pyo nicht nur von Rachefantasien, Neid und sexu­el­ler Frustration erzählt, son­dern auch von der unzu­ver­läs­si­gen Kraft der Fiktion. Burning ist erwach­se­nes Kino. Klug, hin­ter­grün­dig und rät­sel­haft, ver­gleich­bar nur mit Michelangelo Antonionis Meisterwerk Blow Up.“ Patrick Wellinski | 14 films around the world

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Credits:

Beoning
Südkorea 2018, 148 Min., Koreanische OmU
Regie: Lee Chang-dong
Buch: Haruki Murakami, Lee Chang-dong, Jungmi Oh
Kamera: Kyung-Pyo Hong
Schnitt: Da-won Kim, Hyun Kim
mit: Ah-in Yoo, Steven Yeun, Jong-seo Jeon, Joong-ok Lee, Ja-Yeon Ok

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Zwischen den Zeilen

Ein Film von Olivier Assayas.

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Tatsächlich, es gibt sie noch, die fran­zö­si­schen Filme ohne Monsieur – Madame – Mademoiselle, Blumennamen oder Lebensmittel im Titel – und sie kön­nen auch anders. Statt es mit dem rech­ten Politikeinschlag so rich­tig lus­tig kra­chen zu las­sen, begnügt sich Regisseur Olivier Assayas mit poin­tiert tref­fen­den Dialogen, und anstel­le eines woh­lig-gefüh­lig-hei­me­li­gen Settings kon­zen­triert sich der Film auf die Verstrickungen und Auseinandersetzungen sei­ner her­vor­ra­gend dar­ge­stell­ten und pro­mi­nent besetz­ten Protagonist*innen: Selena (Juliette Binoche) ist eine bekann­te Schauspielerin, die sich mitt­ler­wei­le auch als Darstellerin in Action-TV-Serien ver­dingt. Ihr Mann Alain (Guillaume Canet) lei­tet einen Pariser Buchverlag, der sich mit der Digitalisierung her­um­schlägt. Leonard (Vincent Macaigne) ist als Schriftsteller, der zumeist sei­ne eige­nen Affären, not­dürf­tig ver­schlüs­selt, in Romane fasst, einer sei­ner lang­jäh­ri­gen Autoren. Seine Frau Valerie (Nora Hamzawi) ist in der Politik, im Büro eines sozia­lis­ti­schen Abgeordneten, tätig. Als im Verlag neu ange­stell­te Fachfrau für alle neu­en Medien ergänzt die jun­ge, smar­te Laure (Christa Théret) die Runde. Man trifft sich, geht aus, ist befreun­det – man­che dabei enger, als ande­re es wis­sen soll­ten. Allen ist jedoch gemein­sam, dass sie sich mit neu­en Entwicklungen in ihrem beruf­li­chen Umfeld aus­ein­an­der­set­zen müssen.

… Absolut nah an der Gegenwart wird hier in einem fort über Twitter, E‑Books, süch­tig­ma­chen­de Serien und Fake News gespro­chen, über den Untergang der Buchkritik, die digi­ta­le Transition und über Dichtung und Wahrheit. Aber Reden ist nicht alles: Mit sanf­ter, melan­cho­li­scher Heiterkeit ent­blößt der Regisseur die Doppelleben sei­ner Helden und zeigt dabei, wie vie­les sich doch auch gleich bleibt, selbst wenn stän­dig von Neuerungen und Umbrüchen die Rede ist.“ (Barbara Schweizerhof | Viennale)

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Credits:

Doubles vies
Frankreich 2018, 107 Min., frz. OmU
Regie +Buch: Olivier Assayas
Kamera: Yorick le Saux
Schnitt. Simon Jacquet
mit: Juliette Binoche, Guillaume Canet, Vincent Macaigne, Nora Hamzawi

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DOUBLES VIES ZWISCHEN DEN ZEILEN von Olivier Assayas – Deutscher Untertitel Trailer

Diamantino

Ein Film von Gabriel Abrantes + Daniel Schmidt.

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Der por­tu­gie­si­sche Fußballstar Diamantino – der Michelangelo des Fußballs – ist in einer Krise, er sieht kei­ne rosa Wolken und kei­ne rie­si­gen Hündchen mehr auf dem Spielfeld, die Magie ist weg und damit auch sei­ne Fußballkraft. Was ist pas­siert? Als er beim Sonnen auf der Yacht ein Flüchtlingsboot ent­deckt, beschließt er, etwas Gutes zu tun und einen jun­gen Mann aus Mosambik zu adop­tie­ren. Doch was Diamantino nicht weiß: der neue Freund ist eigent­lich eine Steuerfahnderin, die under­co­ver Daten sam­melt, um ihn der Geldwäsche und Steuerflucht zu über­füh­ren. Aber auch davon weiß Diamantino nichts, denn über das vie­le Geld und wo es hin­fließt ent­schei­den sei­ne Zwillingsschwestern, für die der Fußballstar nur Kapital ist, das sie gewinn­brin­gend ein­set­zen. – Das mit den rosa Wolken und rie­si­gen Hündchen klingt viel­leicht etwas schräg, alle ande­ren Motive des Films: Fußball und Startum, Steuerflucht, Rechtspopulismus, Wirtschaftskrise sind der Wirklichkeit abgeguckt.

Ein Film, so ver­rückt wie die Gegenwart.“ (critic.de)

Obgleich mit all sei­nen Themen und Andeutung ganz und gar zeit­ge­mäß, atmet der Film den fröh­li­chen und warm­her­zi­gen Geist der Anarchie der 1960er und 1970er Jahre, wie er einem im Gegenwartskino heu­te nur noch sel­ten bis nie begegnet.“
Joachim Kurz, kino-zeit.de

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Credits:

Portugal, Frankreich, Brasilien 2018, 92 Minuten, port. OmU
Regie: Gabriel Abrantes, Daniel Schmidt
Drehbuch: Gabriel Abrantes, Daniel Schmidt
mit: Carla Maciel, Carloto Cotta, Anabela Moreira, Filipe Vargas, Margarida Moreira, Cleo Tavares, Vítor de Almeida, Joana Barrios, Abílio Bejinha, Chico Chapas, Hugo Santos Silva

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DIAMANTINO – Trailer

Der Stein zum Leben

Ein Film von Katinka Zeune.

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Ein Zirkuswagen und ein Frachtcontainer die­nen dem Steinmetz Michael Spengler als Werkstatt. Hier emp­fängt er Menschen in Trauer. Gemeinsam gestal­ten sie Grabsteine, die von den Toten erzäh­len. Die Eltern Neustadt haben ihren 2‑jährigen Sohn ver­lo­ren. Im Dialog mit Michael fin­den sie Worte, die ihren Gefühlen Ausdruck ver­lei­hen. Aus Worten wer­den Material und Form. Der rau­schen­de Atem des Kindes soll sich in einem fra­gi­len Kalkstein wider­spie­geln. Hardburg Stolle ist kei­ne Frau der vie­len Worte. Unter Michaels Anleitung schwingt sie beherzt den Hammer, um einen Findling zu spal­ten und spürt eine Kraft, die lan­ge ver­gra­ben war. Familie Jacob ringt um die Essenz aus dem lan­gen Leben des Großvaters. Der Naturverbundene, Lebemann, Patriarch. Wie sieht ein Objekt aus, dass ihn im Kern trifft? Michael hilft ihnen über die Grenzen ihrer Vorstellungskraft hin­aus. Sensibel begeg­net er dem Material und den Menschen und beglei­tet jede Familie auf eige­ne Art auf dem oft mona­te­lan­gen Weg. Schritt für Schritt, Entscheidung für Entscheidung. Der Film erzählt von die­sem mühe­vol­len und inti­men Prozess und zeigt wie die Arbeit am Stein den Tod im wahrs­ten Sinne des Wortes be-greif­ba­rer macht. Die Steine neh­men Form an. Und in den Angehörigen reift ein neu­es Verhältnis zu ihren Toten – und zum Leben.

Mit dem Tod wird man nicht nur am Ende des Lebens kon­fron­tiert, son­dern auch mit­ten im Leben. Meine Mutter ist vor sechs Jahren gestor­ben. Der Tod war mit­ten in mein Leben geplatzt, und ich muss­te einen Weg fin­den, mit dem Verlust umzu­ge­hen. Damals habe ich gemein­sam mit Michael Spengler ein denk­werk für mei­ne Mutter gestal­tet. Der Prozess, den ich dort erlebt habe, und sei­ne Arbeit haben mich sehr beein­druckt. Als der Stein fer­tig war, habe ich ihn gefragt, ob ich einen Film über ihn machen kann.“ Katinka Zeuner

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Credits:

DE 2018, 77 Min., 
Regie & Kamera: Katinka Zeuner 
Schnitt: Anna Pesavento

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Oray

Ein Film von Mehmet Akif Büyükatalay.

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Es gibt wohl kaum ein Thema, was der­art umkämpft und gleich­zei­tig so beharr­lich im öffent­li­chen Interesse zu zir­ku­lie­ren scheint wie der Islam und Muslime. Ich muss­te mich als Muslim hier­zu ver­hal­ten. Als Sohn mus­li­mi­scher Eltern jener ers­ten Generation tür­ki­scher Einwanderer … hat der Islam seit­dem ich den­ken kann einen zen­tra­len Platz in der Regelung unse­res all­täg­li­chen Lebens ein­ge­nom­men. Was in tota­ler Affirmation – als Jugendlicher in der Rolle als Jugendbeauftragter, Prediger und gar als Vorbeter in der Gemeinde – anfing – wur­de spä­ter zur kri­ti­schen Auseinandersetzung und heu­te zu einer fas­zi­nier­ten Distanz und kri­ti­schen Beobachtung, ver­bun­den mit dem Willen, die­se Faszination und Auseinandersetzung mit dem Islam in mei­ne künst­le­ri­sche Arbeit zu trans­por­tie­ren und wei­ter­zu­ge­ben. Der Film ist in sei­ner Handlung nicht auto­bio­gra­fisch.“ (M. Büyükatalay) Oray und Burcu leben in Hagen, sind jung und glück­lich ver­hei­ra­tet. Manchmal jedoch gibt es auch bei ihnen Streit, und ein­mal geht Oray im Zorn so weit, Burcu die isla­mi­sche Scheidungsformel „Talāq“ auf die Mailbox zu schrei­en. Selbst völ­lig ent­setzt dar­über, sucht er als guter Muslim Rat beim ört­li­chen Imam, der eine 3‑monatige Kontaktpause für die rich­ti­ge reli­giö­se Lösung hält. Burcu hält das für Unsinn und kämpft dage­gen an, doch ihr Mann zieht nach Köln, um die Trennung zu ermög­li­chen. In der dor­ti­gen mus­li­mi­schen Gemeinde fühlt er sich gut auf­ge­ho­ben, der zustän­di­ge Imam ist jedoch wesent­lich stren­ger in der Auslegung der Scheidungsformel. Oray, der sei­ne Frau aber grund­sätz­lich nicht ver­las­sen will, zer­reißt es inner­lich. Zwischen eige­nen Ansprüchen, sei­nen neu­en, gläu­bi­gen Freunden, den weni­ger reli­giö­sen ehe­ma­li­gen Studienkollegen und der Liebe zu Burcu ver­fängt er sich in Widersprüche und Selbstzweifel.

Dank sei­ner sen­si­blen Kamera und der poin­tier­ten Dialoge, die stets durch und durch lebens­echt wir­ken, ist Oray ein beacht­li­ches Debüt gewor­den, das neue Blickwinkel und Einsichten ermög­licht ins Lebenswelten, die man sonst nur kli­schee­haft ver­zerrt auf der Leinwand oder im Fernsehen sieht. Ein Glücksfall, wie gesagt.” Joachim Kurz | kino-zeit

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Credits:

DE 2018, dt.türk.,romani OmU, 100 Min.
Regie, Buch: Mehmet Akif Büyükatalay
Kamera: Christian Kochmann
Montage: Denys Darahan
mit:
Zejhun Demirov (Oray)
Deniz Orta (Burcu)
Cem Göktaş (Bilal)
Faris Yüzbaşıoğlu (Tanju)

Termine:

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Trailer:

ORAY – Trailer from Pluto Film on Vimeo.