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Einhundertvier

Ein Film von Jonathan Schörnig. 

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Seenotrettung taucht in der Öffenlichkeit und der Agenda der EU-Staaten der­zeit fast nur noch als Schleusungskriminalität auf, wäh­rend viel Fantasie, Geld und Unmoral auf­ge­bracht wird, um Geflüchtete mög­lichst weit außen vor zu hal­ten – wie uns die IMK am, man könn­te es zynisch nen­nen, Weltflüchtlingstag in Potsdam gera­de vor Augen führ­te.
Wie wenig Lebensrettung im Meer mit dem zu tun hat, wie sie poli­tisch behan­delt wird, zeigt Jürgen Schörnigs Echtzeitdokumentation Einhundertvier. Sie zeugt davon, wie lan­ge es dau­ert und wie schwie­rig es ist, 104 Menschen schon allein bei ruhi­ger See aus einem defek­ten, sin­ken­den Gummischlauchboot zu ber­gen. Nicht nur das: die plötz­lich auf­tau­chen­de Libysche Küstenwache bringt zusätz­lich erheb­li­che Unruhe ins Spiel – eini­ge Männer vom Boot wür­den lie­ber ster­ben, als zurück nach Libyen zu müs­sen. Auch wenn der nur halb­wegs glück­li­che Ausgang, alle Männer wur­den geret­tet, aber ein wei­te­res Schlauchboot in der Nähe, mit Frauen und Kindern, konn­te in der Weite des Meeres nicht mehr gesich­tet oder geor­tet wer­den, bekannt ist, bleibt doch eine dem Sujet inne­woh­nen­de Spannung. Die Hochachtung für die unei­gen­nüt­zi­ge risi­kan­te Arbeit der Retter*innen wech­selt ab mit dem Unglauben über den unfass­ba­ren Mut der Ausweglosigkeit, mit dem sich Menschen dicht gedrängt auf ein see­un­taug­li­ches Gefährt set­zen, und eine sol­che Überfahrt wagen.
Den Kaptän des agie­ren­den Rettungsbootes „Eleonore”, Claus-Peter Reisch, ken­nen wir bereits aus dem Dokumentarfilm Nichts Neues von Lennart Hüper. Dort geht es um die mona­te­lan­ge Festsetzung „sei­nes“ vor­he­ri­gen Rettungsbootes auf Malta, und die – in letz­ter Instanz dann doch gewon­ne­nen – unver­schäm­ten Gerichtsverfahren gegen ihn.

Credits:

DE 2023, 93 Min., engl., dt. OmU
Regie & Schnitt
: Jonathan Schörnig
Kamera
: Jonathan Schörnig, Johannes Filous

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Einhundertvier | Kinotrailer ᴴᴰ | NONFY Documentaries
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Exile never ends

Ein Film von Bahar Bektaş. 

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Bahars Bruder Taner sitzt in Deutschland im Gefängnis und steht kurz vor der Abschiebung in die Türkei. Bahar nutzt die Zeit des Wartens, um die Kamera auf ihre Familienangehörigen zu rich­ten. In ruhi­gen und ein­fühl­sa­men Bildern erkun­det sie die emo­tio­na­len und geo­gra­fi­schen Welten der Familie von Entwurzelung und Neubeginn zwi­schen Deutschland und der Türkei.
In Gesprächen mit ihren Eltern sowie ihren bei­den ande­ren Brüdern begibt sie sich auf eine schmerz­haf­te Reise in die Vergangenheit. Politische Verfolgung der ale­vi­tisch-kur­di­schen Familie in der Türkei, die Flucht nach Europa 1989, ras­sis­ti­sche Übergriffe, Depressionen und Überforderung der Eltern – all das traf die Kinder, die damit unter­schied­lich umge­hen. Die Ungewissheit über Taners Schicksal in der Türkei ist nur ein Spiegel ihrer Lebenserfahrung als Familie im Exil. Die Verzerrung von Vergangenheit und Gegenwart sowie unter­schied­li­cher Geografien kon­fron­tiert die Zuschauenden mit einer der Eigenschaften des Exils, näm­lich dem Verlust der Orientierung in Zeit und Raum.
Ausgezeichnet mit dem FFF-Förderpreis Dokumentarfilm bei Dokfilm München: „Es ist sel­ten, dass ein Dokumentarfilm die gan­ze Kom­plexität abbil­det, die das Exil mit sich bringt. Exile never ends ist eine bemer­kenswerte Ausnahme, denn der Film erforscht zwei Arten von Exil: das einer kur­di­schen Familie, die vor Verfolgung aus der Türkei nach Deutschland floh, und das der bei­den Söhne, die ihre Beziehung zu dem Land, in dem sie aufge­wachsen sind, in Frage stel­len. Der Film themati­siert Generationenkonflikte und die Herausforderungen von Integration – ohne dabei eine eige­ne Agenda zu ver­fol­gen. Bahar Bektaş erzählt die­se viel­schich­ti­ge, inti­me Geschichte, zeich­net ein­fühl­sam die kom­ple­xen Ge­fühlslagen ihrer Familienmitglieder nach und taucht auf ganz eige­ne Wei­se in die emo­tio­na­len und geo­gra­phi­schen Räume von Vertreibung und Neuanfang ein. Die Jury ent­schied sich ein­stim­mig für den Film und wür­digt die Sensibilität und Beobachtungsgabe einer sehr talen­tier­ten Regisseurin.“

Credits:

DE 2024, 100 Min., Deutsch, Türkisch mit deut­schen Untertiteln
Regie: Bahar Bektaş
Kamera: Antonia Kilian und Meret Madörin
Schnitt: Arash Asadi

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Exile never ends | offi­zi­el­ler deut­scher Trailer
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Lacci - Was uns hält

Was uns hält

Ein Film von Daniele Luchetti. 

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Neapel Anfang der 1980er Jahre. Aldo (Luigi Lo Cascio) hat gera­de sei­ne Kinder Anna und Sandro ins Bett gebracht und ihnen eine Gutenachtgeschichte erzählt. Nun steht er in der Küche neben sei­ner Frau Vanda (Alba Rohrwacher) und gesteht ihr, dass er sie betro­gen hat. Vanda ver­liert den Boden unter den Füßen und weiß nicht, wie sie reagie­ren soll.
Was bedeu­tet das für sie und die Kinder?
Dreißig Jahre spä­ter leben Vanda (Laura Morante) und Aldo (Silvio Orlando) immer noch zusam­men, aber viel­leicht haben sie und ihre Kinder, Anna (Giovanna Mezzogiorno) und Sandro (Adriano Giannini) dafür einen hohen Preis gezahlt.

(…) Denn nicht um kon­kre­te Ereignisse geht es, nicht ums Verlieben oder Verlassen, son­dern um das Zusammenbleiben, trotz allem. Viel psy­cho­lo­gi­scher, viel unter­schwel­li­ger ist die­ser Ansatz eines Beziehungsfilms, viel weni­ger kon­kret, dadurch flüch­ti­ger und schwie­ri­ger in einer nur 100 Minuten kur­zen Erzählung zu fas­sen. Um den Umgang mit Untreue geht es in Was uns hält, um den Versuch, eine Beziehung trotz allem am Leben zu erhal­ten, auch um der Kinder wegen, um Kompromisse, um unvor­her­ge­se­he­ne Folgen, gera­de auch für die nächs­te Generation.“ M. Meyns

Basierend auf dem Roman «Auf immer ver­bun­den» von Domenico Starnone zeigt Regisseur Daniele Luchetti (Mein Bruder ist ein Einzelkind), wie stark die Bindung der Familie im Guten wie im Schlechten ist – auch wenn die Liebe in neue Richtungen zieht.

Eine leben­di­ge Ehegeschichte im Ferrante-Stil, das emo­tio­nal har­te, aber raf­fi­niert kon­stru­ier­te Porträt einer Beziehung, die in Zeitlupe zer­bricht. Es ist wie die ita­lie­ni­sche Version von Marriage Story, nur über 40 Jahre gestreckt. Alba Rohrwacher und Luigi Lo Cascio sind als Vanda und Aldo außer­ge­wöhn­lich stark.” (The Times)

Credits:

Lacci
IT 2020, 100 Min., ital. OmU
Regie: Daniele Luchetti
Kamera: Ivan Casalgrandi
Schnitt: Aël Dallier Vega · Daniele Luchetti
mit Alba Rohrwacher, Luigi Lo Cascio, Laura Morante, Silvio Orlando, Giovanna Mezzogiorno

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Ivo

Ivo

Ein Film von Eva Trobisch. 

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Ivo arbei­tet als ambu­lan­te Palliativpflegerin. Täglich fährt sie zu Familien, Eheleuten und Alleinstehenden. In klei­ne Wohnungen und in gro­ße Häuser. In immer ver­schie­de­nes Leben und Sterben. In immer ver­schie­de­nen Umgang mit der Zeit, die bleibt. Zu Hause hat sich ihre puber­tie­ren­de Tochter längst selbst­stän­dig gemacht. Von früh bis spät ist Ivo in ihrem alten Skoda unter­wegs, den sie zu ihrem per­sön­li­chen Lebensraum gemacht hat. Hier nimmt sie ihre Mahlzeiten zu sich, arbei­tet, singt, flucht und träumt sie. Eine ihrer Patientinnen, Solveigh, ist zu einer engen Freundin gewor­den. Auch zu Solveighs Mann Franz hat Ivo eine Beziehung geknüpft. Tag für Tag arbei­ten sie bei der Pflege von Solveigh zusam­men. Und sie schla­fen mit­ein­an­der. Solveighs Kräfte schwin­den, bald ist sie bei den ein­fachs­ten Verrichtungen auf Unterstützung ange­wie­sen. Die letz­te Entscheidung will sie allei­ne tref­fen. Ivo soll ihr beim Sterben hel­fen.
„Trobisch spinnt die fik­ti­ve, nah am Halbdokumentarischen erzähl­te Geschichte, in der Schauspieler:innen und ech­tes Fachpersonal auf orga­ni­sche Weise inter­agie­ren, mit eher locke­rem Faden. Vieles bleibt ange­deu­tet, nichts drängt nach dra­ma­tur­gi­scher Zuspitzung. Auch die Affäre mit Franz muss nicht ver­kom­pli­ziert wer­den. Sie wird viel­mehr als eine selbst­ver­ständ­li­che und für bei­de stär­ken­de Verbindung gezeigt, die in einem ganz bestimm­ten Zeitfenster exis­tiert, in dem das Sterben der Freundin und Ehefrau immer auch mit anwe­send ist.
Ivo ist ein groß­zü­gi­ger und offe­ner Film. Er besteht nicht auf Antworten und Thesen, son­dern stellt viel­mehr unter­schied­li­che Beobachtungen, Fragen und Empfindungen, die mit dem Sterben zu tun haben, neben­ein­an­der: Pragmatismus und inne­rer Aufruhr, das Banale und das Erschütternde, Bewegung und Stillstand. Anders als Jessica Krummacher in Zum Tod mei­ner Mutter (2022) sucht Eva Trobisch nicht nach Abstraktion und Reduktion, son­dern nach Fülle und Gleichzeitigkeit. Gleichwohl ist ihr Realismus nicht auf das blo­ße Abbilden äuße­rer Handlungen beschränkt, son­dern impres­sio­nis­tisch auf­ge­bro­chen und von Ivos Empfindungen und Blicken durch­drun­gen. Die mit einem 16mm-Objektiv auf­ge­nom­me­nen Bilder sind licht­durch­flu­tet und hap­tisch; von den kör­per­li­chen Verfallsprozessen wir­ken sie gänz­lich unbe­rührt. Das Wissen um die Endlichkeit von Leben wirkt wie ein Wahrnehmungsverstärker.“ Esther Buss | Filmdienst

Credits:

DE 2024, 104 Min., deut­sche OmeU
Regie: Eva Trobisch
Kamera: Adrian Campean
Schnitt: Laura Lauzemis
mit Minna Wündrich, Pia Hierzegger, Lukas Turtur

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Ein Schweigen

Ein Schweigen

Ein Film von Joachim Lafosse. 

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Der Staranwalt François ver­tei­digt die Eltern der Opfer in einem auf­se­hen­er­re­gen­den Prozess gegen einen Serienkiller, der jah­re­lang Kinder und Jugendliche ent­führt hat­te, sie gefan­gen hielt, sexu­ell miss­brauch­te und schließ­lich ermor­de­te. Die Presse lagert vor dem aus­la­den­den Haus der Familie, sen­sa­ti­ons­lüs­tern und gie­rig nach mög­lichst schlüpf­ri­gen Informationen über den Fall, der das gan­ze Land in Atem hält.
Doch dann gerät François selbst unter Verdacht, auf sei­nem Computer fin­det sich kin­der­por­no­gra­fi­sches Material. Nur zur Recherche für den aktu­el­len Fall habe er sich mit die­sen Bildern beschäf­tigt, ver­tei­digt sich der Anwalt, doch sei­ne Frau Astrid weiß es bes­ser: Hinter der gut­bür­ger­li­chen, wohl­ha­ben­den Fassade ver­birgt sich ein dunk­les Geheimnis, eine lan­ge zurück­lie­gen­de Anschuldigung, die Astrid bis­lang meist für sich behal­ten hat. (…)
Zwar basiert Ein Schweigen in vie­len Aspekten auf dem Fall des bel­gi­schen Serienkillers Marc Dutroux, der wegen Entführung, Vergewaltigung und Mord zu lebens­lan­ger Haft ver­ur­teilt wur­de und vor allem auf Victor Hissel, ein Anwalt der Eltern zwei­er Opfer Dutroux, der selbst des Besitzes von Kinderpornographie schul­dig gespro­chen wur­de. Doch wie so oft in sei­nen Filmen, geht es Lafosse weni­ger um das wie, als um das war­um, weni­ger um das, was die Täter antreibt, als die Folgen für die Opfer.
Die sind im Fall von Ein Schweigen Astrid und Raphael, die eine, die viel zu lan­ge geschwie­gen hat, der ande­re, der nicht mehr schwei­gen kann und will. Dass der Täter, dass François dabei von Daniel Auteil gespielt wird, einem der belieb­tes­ten Schauspieler Frankreichs, erweist sich als beson­ders effek­ti­ver Schachzug. Meist hat Auteil in sei­ner lan­gen Karriere umgäng­li­che, sym­pa­thi­sche Figuren gespielt, die ein wenig ver­schlos­sen sein mögen, aber doch auf der Seite des Rechts stan­den, sich für das Gute ein­ge­setzt haben. So fragt man sich lan­ge, was den Sohn nur dazu gebracht haben kann, sei­nen Vater anzu­grei­fen, ver­sucht, Erklärungen für den Besitz der Kinderpornographie zu fin­den, auch Gründe dafür, dass Astrid jah­re­lang geschwie­gen hat, nicht aus der Ehe floh. Und genau dar­um geht es Lafosse in sei­nem Drama, das ohne fal­sche, auf­ge­setz­te Emotionen von einer Familie erzählt, die es sich in einem Lügengeflecht bequem gemacht hat und nun nicht mehr her­aus­kommt. Die Schuldfrage mag am Ende zwar ein­deu­tig sein, doch die Ambivalenz über­wiegt.“
Michael Meyns | programmkino.de

Credits:

Un Silence
FR 2023, 99 Min., franz. OmU
Regie: Joachim Lafosse
Kamera: Jean-Francois Hensgens
Schnitt: Damien Keyeux
mit Emmanuelle Devos, Daniel Auteuil, Matthieu Galloux

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Sleep With Your Eyes Open

Ein Film von Nele Wohlatz.

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Die Erfahrungen, die sie in ihren Jahren in Argentinien und bei ihrem Filmdebut (nach ver­schie­de­nen Werken als Ko-Regisseurin) , dem schö­nen Dokumentarhybrid El Futuro Perfecto mach­te, bil­den die Grundlage für Nele Wohlatz sanft-ver­spiel­ten, traum­haf­ten Spielfilm. Die jun­ge Kai fliegt der Liebe wegen von Taipeh in die bra­si­lia­ni­sche Küstenstadt Recife, aber der Geliebte scheint ver­schol­len. Statt des­sen trifft sie auf eine Vielzahl wei­te­rer Landsleute und auf eine Kiste vol­ler Postkarten mit Aufzeichnungen, die ihre Vorbewohnerin Xiao Xin für ein geplan­tes Buch notier­te.
Die Menschen hier las­sen sich trei­ben, trotz aller Zerrissenheit ist das Heimweh eben­so wenig aus­ge­prägt wie auf der ande­ren Seite der laten­te Rassismus, der ihnen auch enge­gen­schlägt.
Die lei­se Komödie vol­ler Missverständnisse folgt kei­ner tra­di­tio­nel­len Dramaturgie. Die Protagonist*innen tau­chen eben­so uner­war­tet auf, wie sie auch wie­der ver­schwin­den. Ihre Arbeit treibt sie manch­mal von einer ihnen unbe­kann­ten Stadt in die nächs­te. Im Laufe eines hei­ßen, lang­sa­men Sommers wach­sen den­noch zar­te Bande zwi­schen ihnen.
Ein „wun­der­bar spie­le­ri­scher Film über das Leben in der Fremde“ Andreas Busche, Tagesspiegel
„Meinen ers­ten Spielfilm habe ich mit chi­ne­si­schen Laiendarsteller:innen in Buenos Aires gedreht, aus­schließ­lich an Wochenenden, denn unter der Woche arbei­te­ten alle in chi­ne­si­schen Supermärkten und Importgeschäften. Oft fehl­te am nächs­ten Wochenende jemand, war in eine ande­re Stadt oder ein ande­res Land gezo­gen oder zurück nach China. Eine Darstellerin sag­te zu mir: Ich könn­te jetzt über­all hin­ge­hen und mich anpas­sen, wenn es sein muss. Aber es gibt kei­nen Ort mehr, an den ich gehö­re.“ Nele Wohlatz

Credits:

Dormir de olhos aber­tos
Brazil / Taiwan / Argentina / Germany 2024, 97 Min., Mandarin, Portugiesisch, Spanisch, Englisch OmU
Regie: Nele Wohlatz
Kamera: Roman Kasseroller
Schnitt: Yann-shan Tsai, Ana Godoy
mit Chen Xiao Xin, Wang Shin-Hong, Liao Kai Ro, Nahuel Pérez Biscayart, Lu Yang Zong

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Typhoon Club

Typhoon Club

Ein Film von Shinji Sōmai.

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Für die Retrospektive der Berlinale 2023 wur­den renom­mier­te Filmschaffende gebe­ten, ihre per­sön­li­chen Coming-of-Age-Favoriten aus­zu­wäh­len. Ryūsuke Hamaguchi (DRIVE MY CAR: EVIL DOES NOT EXIST) ent­schied sich für TYPHOON CLUB. Hamaguchi bewun­dert Regisseur Shinji Somai für sei­ne immer noch unnach­ahm­li­che Art, die Lebendigkeit, die in sei­nen Figuren steckt, her­vor­zu­ho­len und sagt, er gebe ihm trotz aller for­ma­len Unterschiedlichkeit Orientierung.
Fünf Tage, wäh­rend derer ein Taifun auf­zieht, wütet und schließ­lich wie­der abklingt, bil­den den zeit­li­chen Rahmen. In einem sich zuspit­zen­den Episodenreigen erzählt der Film von einem „Frühlingserwachen“ an einer Oberschule außer­halb von Tokio. Die Unbeschwertheit und Aufmüpfigkeit der 80er Jahre mischt sich mit jugend­li­cher Borniertheit und exis­ten­tia­lis­ti­schen Fragen wie mit gefähr­li­chen Spielen. Der Film gestal­tet eine aut­ar­ke Welt der Schüler:innen zwi­schen Überschwang und Depression, Übergriffigkeit und Zärtlichkeit, und die Kamera hält respekt­voll Distanz.
Ryūsuke Hamaguchi (DRIVE MY CAR, EVIL DOES NOT EXIST) bewun­dert Regisseur Shinji Somai für sei­ne unnach­ahm­li­che Art, die Lebendigkeit, die in einen Figuren steckt, her­vor­zu­ho­len und ‑heben. Deshalb ent­schied er sich für TYPHOON CLUB als sei­nen per­sön­li­chen Coming-of-Age-Favoriten, als die Retrospektive der Berlinale 2023 renom­mier­te Filmschaffende dazu bat.
Fünf Tage, wäh­rend derer ein Taifun auf­zieht, wütet und schließ­lich wie­der abklingt, bil­den einen zeit­li­chen Rahmen. Im sich zuspit­zen­den Episodenreigen erzählt der Film von einem „Frühlingserwachen“ an einer Oberschule außer­halb von Tokio. In die Unbeschwertheit und Rebellion der 80-er Jahre mischen sich jugend­li­che Überheblichkeit und exis­ten­tia­lis­ti­sche Fragen. Der Film gestal­tet eine aut­ar­ke Welt der Schüler:innen zwi­schen Überschwang und Depression, Übergriffen und Zärtlichkeit, und die Kamera hält respekt­voll Distanz. Eine schö­ne Entdeckung.

Credits:

JP 1985, 115 Min., japan. OmU
Regie: Shinji Sōmai
Kamera: Akihiro Ito
Schnitt: Isao Tomita
mit: Yuichi Mikami, Yūki Kudō, Tomokazu Miura

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War and Justice

Ein Film von Marcus Vetter und Michele Gentile.

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So wie Luis Moreno-Ocampo, der ers­te Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court – ICC) immer wie­der betont, bege­hen in einem Krieg alle Seiten Kriegsverbrechen, und des­halb ist dies nach den Regisseuren „ein Film, der den Krieg im Moment in Frage stellt, und ob es nicht ande­re Möglichkeiten der Konfliktbewältigung gibt“.
Der ICC bean­tragt indi­vi­du­el­le Haftbefehle bei schwers­ten Verstößen gegen Menschenrechte und huma­ni­tä­res Völkerrecht, wie gegen Putin und zuletzt gegen den israe­li­schen Ministerpräsidenten, den Verteidigungsminister und drei Anführer der Hamas.
War and Justice erzählt die 25-jäh­ri­ge Geschichte die­ser Institution, die unab­hän­gig von der UNO agiert und deren Statuten 122 Länder unter­zeich­net haben. Doch kön­nen Kriegsverbrechen im Krieg über­haupt ver­hin­dert wer­den, oder hat Ben Ferencz, ehe­ma­li­ger Ankläger der Nürnberger Prozesse recht, wenn er sagt, dass das größ­te Verbrechen der Krieg selbst ist? Im Mittelpunkt des Films ste­hen Benjamin Ferencz, Luis Moreno-Ocampo und Karim Khan, der aktu­el­le Chefankläger des ICC. Marcus Vetter und Michele Gentile fol­gen Ocampo um die Welt, wäh­rend er gemein­sam mit Ferencz und Khan gegen Kriege im Kongo, in Libyen, Palästina und der Ukraine kämpft.
„Es geht um Gerechtigkeit statt Krieg. Denn Krieg zieht Rache nach sich, Gerechtigkeit meist nicht. Die Idee dahin­ter ist, sich immer auf die Seite der Opfer zu schla­gen, egal wel­che Argumente dage­gen­spre­chen könn­ten.“
Marcus Vetter / Michele Gentile

Credits:

DE 2023 96 Min., engl. OmU
Regie +Schnitt: Marcus Vetter und Michele Gentile

Kamera: Christian Haardt, Marcus Vetter, Michele Gentile

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Landshaft

Ein Film von Daniel Kötter. 

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Während der Berlinale ver­lieh der Verband der deut­schen Filmkritik LANDSHAFT jüngst den Preis der deut­schen Filmkritik 2023 in der Kategorie Bester Dokumentarfilm. Die Jurybegründung: „Wie sich ein Krieg in die Landschaft zurück­zieht und sich dort als stum­me geo­po­li­ti­sche Formation abbil­det, wäh­rend die Menschen ihrem Leben wei­ter nach­ge­hen – davon erzählt in ein­drück­li­chen, aber immer auch respekt­voll Distanz wah­ren­den Bildern unser Gewinnerfilm. Hier ist nichts embedded, hier gibt es kei­ne gro­ßen Ereignisse und höchs­tens einen Aufruhr unter den Schafen. Auf trü­ge­ri­sche Weise scheint sich alles dem Zyklus der Natur unter­zu­ord­nen, wäh­rend der Konflikt jeder­zeit wie­der aus­bre­chen kann – so gesche­hen zuletzt im Spätsommer 2023. Für sei­ne glei­cher­ma­ßen sub­ti­le wie behut­sa­me Annäherung an die Menschen und Tiere, die im von Bergen ein­ge­heg­ten arme­nisch-aser­bai­dscha­ni­schen Grenzgebiet leben, geht der Preis für den Besten Dokumentarfilm an Daniel Kötter für sei­nen Film LANDSHAFT.“

In Form einer Reise folgt Daniel Kötters kon­tem­pla­ti­ve doku­men­ta­ri­sche Arbeit mensch­li­chen und nicht-mensch­li­chen Akteuren im Osten Armeniens vom Sewan See bis zur seit dem Karabach-Krieg 2020 aser­bai­dscha­nisch kon­trol­lier­ten Sotk-Goldmine. Landshaft ent­wirft die Psychogeographie einer geo­po­li­tisch auf­ge­la­de­nen Gegend und ihrer Bewohner zwi­schen Krieg und Vertreibung, zwi­schen einst und jetzt, noch vor dem im September 2023 eska­lier­ten der Konflikt um die Region Berg-Karabach, als Aserbaidschan die selbst­er­nann­te Republik mili­tä­risch ein­nahm und hun­dert­tau­sen­de Armenier flie­hen mussten.

Credits:

DE 2023 96 Min., arme­nisch mit deut­schen Untertiteln,
Regie, Buch, Kamera, Schnitt: Daniel Kötter 

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May December

Ein Film von Todd Haynes. 

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Zusammen mit Julienne Moore und Nathalie Portman gelingt Todd Haynes ein raf­fi­niert gebau­tes und gespiel­tes Psychodrama, des­sen Grundstein auf tat­säch­lich Geschehenem basiert, des­sen Schwerpunkt aber anders lagert.
Bei frü­he­ren TV-Verfilmungen stand das skan­dal­träch­ti­ge ver­bo­te­ne und geahn­de­te Liebesverhältnis, bzw. der sexu­el­le Missbrauch eines 13-jäh­ri­gen, der hier Joe heißt, durch eine drei­mal so alte ver­hei­ra­te­te zwei­fa­che Mutter, hier Gracie genannt, vor 20 Jahren im Mittelpunkt. Diesmal geht es zuvor­derst um die Auswirkungen des Besuchs von Fernsehstar Elisabeth und ihrer Beziehung zu Gracie. Die soll sie näm­lich in einem die­ser „TV-Movies“ ver­kör­pern und möch­te, so sagt sie, für die Rolle leib­haf­tig recher­chie­ren. Joe und Gracie haben nach ihrer Haft, in der sie das ers­te der drei gemein­sa­men Kinder zu Welt brach­te, und sei­ner Volljährigkeit gehei­ra­tet und sind noch immer glück­lich zusam­men. Um ein mög­lichst wahr­heits­ge­treu­es Bild zu pro­du­zie­ren, wird dem Eindringen der Schauspielerin in ihr Leben zuge­stimmt. Durch Elisabeths Einsatz, ihrem Befragen aller Beteiligten und der Auseinandersetzung mit Gracie bekommt die per­fek­te Oberfläche dann doch Risse und Verletzungen wer­den sicht­bar. Die bei­den Frauen ver­brin­gen viel Zeit mit­ein­an­der, aller­dings bleibt stets nebu­lös, was sie wirk­lich von­ein­an­der wol­len und wel­che Ziele sie ver­fol­gen. Während Gracie sich unbe­merkt in Widersprüche ver­strickt, ver­sucht sich Elisabeth in Manipulationen und Grenzüberschreitungen. Und viel­leicht war­tet der Mittdreißiger Joe auch nur dar­auf, ein neu­es Leben zu begin­nen, wenn die Kinder end­lich aus dem Haus sind.
„… die Geschichte einer ver­bo­te­nen Liebe als intri­gan­tes Verwirrspiel mit Humor und ver­füh­re­ri­schen Fallstricken. … Dass sich Todd Haynes der Verfilmung die­ser ver­bo­te­nen Liebesgeschichte ange­nom­men hat, klingt zunächst nicht unge­wöhn­lich. Filme wie Far From Heaven und Carol haben gezeigt, mit wie­viel Kunstfertigkeit und Leidenschaft der Regisseur in sei­nen Melodramen immer wie­der die Trugbilder des ame­ri­ka­ni­schen Traums plat­zen lässt.“ Pamela Jahn | RAY Magazin

Credits:

US 2023, 113 Min., engl. OmU
Regie: Todd Haynes
Kamera: Christopher Blauvelt
Schnitt: Affonso Gonçalves
mit Natalie Portman, Julianne Moore, Charles Melton, Piper Curda, Elizabeth Yu, Gabriel Chung

Trailer:
MAY DECEMBER – Trailer OmU German | Deutsch
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