Ein Film von Carlos Reygadas.
Carlos Reygadas hat schon die Protagonisten in STELLET LICHT mit den Mühen und Quälereien einer Dreiecksbeziehung konfrontiert. Den Gegensatz dazu bildete die Weite der mexikanischen Landschaft, vom Licht beseelt. Ein äußeres Licht, im fulminanten Sonnenuntergang am Ende des Films zum langsamen Verglühen gebracht, dass dem Inneren entsprach. In NUESTRO TIEMPO nimmt Reygadas das Thema wieder auf, unter ganz anderen Bedingungen, obwohl auch dieser Film wieder auf dem Land spielt, nämlich auf einer Ranch. Ester und Juan züchten Bullen, jene leicht reizbaren, gefährlich starken Tiere, die einen mit ihren langen Hörnern aufspießen können. Beide reflektieren ihr Zusammenleben und besonders ihre Gemeinschaft, zu der auch die gemeinsamen Kinder gehören. Besonders Juan legt Wert auf die Offenheit der Beziehung, um der Freiheit willen, auch der Freiheit der Liebe. Dieser Weg erweist sich aber als dornig und arbeitsreich. Denn Ester fängt tatsächlich ein Verhältnis an: mit Phil, dem breitärschigen Gringo, der gelegentlich für die beiden arbeitet. Die Dreierbahn rumpelt also los, in ungeahnte Höhen und Tiefen. Kaleidoskopartig entfaltet die Handlung ihren Sog, oft aus der Sicht von Juan, der vorgibt, die Freiheit zu vertreten, aber einfordert, ständig alles über Esters Affäre und ihre Gefühle offengelegt zu bekommen. Sie beharrt auf ihrer Privatsphäre und wehrt sich gegen seine selbstgemachten Spielregeln. Und läßt ihr schlechtes Gewissen an ihm aus. Beide wollen ehrlich miteinander sein, vielleicht eine zu große Herausforderung. Die dritte Hauptrolle spielt die epische Landschaft bzw. das Licht, das sie strahlen läßt. Darin scheint das Leben trotz aller Plackerei einen Sinn zu machen. In vielen Momenten von NUESTRO TIEMPO beweist Reygadas sein Gespür dafür, mit Bildern modulieren zu können, was unter der Oberfläche pocht, und das macht den Reichtum des Films aus.
„Es ist einfach, die erwiderte Liebe zu definieren, wie beispielsweise die Liebe, die uns an den Wald oder an ein Tier bindet. Die Liebe, die man für einen Ort oder einen Freund oder auch für seine Kinder und Eltern empfindet. Aber sobald man von der Liebe in einer Paarbeziehung spricht, scheint das Feld der Gefühle sehr viel komplexer, selbst wenn wir die heiklen Fragen, was die Liebe vom Besitzanspruch und die Treue von der Lauterkeit unterscheidet, beantworten können. Müssen wir sexuell monogam leben? Dauert die Liebe ewig? Endet die Ehe, die ein Paar eint, immer einer Gewohnheit gleich? Die am seltensten gestellte Frage, welche die erwähnten Überlegungen zusammenfasst, lautet: Wenn man seine Frau liebt, stellt man dann ihr Wohl wirklich immer über alles andere? Oder bloß so weit, als dass es unser eigenes Wohl nicht beeinträchtigt? Kurz: Ist die Liebe gegenseitig?”
(Carlos Reygadas)
Nuestro tiempo
MX/FR/DE/DK/SE 2018, 175 Min., spanische OmU
Regie, Buch: Carlos Reygadas
Kamera: Diego Garcia
Schnitt: Natalia López
mit: Carlos Reygadas, Natalia López, Phil Burgers, Yago Martinez, Eleazar Reygadas, Rut Reygadas
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