The Souvenir – Part I

Ein Film von Joanna Hogg.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

 

London in den frü­hen 1980ern: Maggie Thatchers Regierung beginnt mit wirt­schaft­li­cher Umstrukturierung, die Troubles errei­chen die Stadt mit Bomben und Punk ist noch kein Begriff. Julie lebt mit ihrer Mutter in einer kom­for­ta­blen Maisonettewohnung in Knightsbridge, will Film stu­die­ren und hofft, so ihrer pri­vi­le­gier­ten Upper-Class-Blase ent­wei­chen zu kön­nen. Ihrer zukünf­ti­gen Liebschaft Anthony begeg­net sie auf einer Party. Er ist anders als ihre Freund*innen, char­mant und etwas älter, und sein Auftreten schwankt zwi­schen Dandytum und Blasiertheit. Julie lässt sich fas­zi­nie­ren, aber nach und nach muss sie fest­stel­len, dass ihr Geliebter sie belügt und ein gefähr­li­ches Geheimnis hat.
Die sanf­te jun­ge Frau, die zwi­schen Champagnerfrühstück und Rendevouz in lächer­lich-baro­cken hoch­prei­si­gen Cafes ihre künst­le­risch-poli­ti­schen Ambitionen und ihren Freundeskreis ver­liert, steht jedoch loy­al zu ihrem Geliebten, trotz leich­ten Widerstands auch von ihrer Mutter Rosalind, die von Tilda Swinton groß­ar­tig mit Faltenrock und Kopftuch inter­pre­tiert wird (und deren rea­le Tochter Honor Swinton Byrne ist).
Joanna Hogg hat nach eige­nen Erinnerungen einen sehr per­sön­li­chen Film gedreht. Die Verletzlichkeit und Unsicherheit Julies oder die Arroganz und Unehrlichkeit Anthonys wer­den dabei nie aus­ge­beu­tet oder über­dra­ma­ti­siert. Die Frage, war­um sie ihn nicht ver­lässt, darf gestellt, kann und soll­te aber aus dem Film her­aus beant­wor­tet werden.
Von der Berlinale, als »hoch­kon­zen­trier­te Betrachtung von Räumen, Landschaften, Abhängigkeitsverhältnissen und nicht zuletzt des Mediums Film« beschrie­ben, ist THE SOUVENIR aber auch, wie der Rezensent der NY Times sich begeis­ter­te, »einer der trau­rigs­ten Filme, die man sich vor­stel­len kann, und es ist eine abso­lu­te Freude, ihn anzu­schau­en.« In Sundance wur­de THE SOUVENIR mit dem Preis für den bes­ten Spielfilm ausgezeichnet.

 

Was bedeu­tet es, in einer Welt der Mittel- und Oberschicht zur Arbeiterklasse zu gehören?

In ihrem Buch The Melancholia of Class (Die Melancholie der Klasse) beschreibt Cynthia Cruz mit Klarheit, Präzision und Radikalität, was Klasse ist, war­um der Klassenbegriff im Neo-Liberalismus aus­ra­diert wur­de, und wel­che Auswirkungen die Anpassung an die obe­ren Schichten für Menschen aus den unte­ren Schichten bedeutet.

Ausgehend von Freuds Konzept der Melancholie unter­sucht Cruz für sie wich­ti­ge künst­le­ri­sche Werke der Popkultur, Musik, Bücher, Filme, auf die Melancholie, die ent­steht, wenn die Herkunft aus der Arbeiterklasse für den Aufstieg ver­las­sen wird, nur um am Ende fest­zu­stel­len, dass man dabei sich selbst verliert.

Einer der Filme, die im Buch eine gro­ße Rolle spie­len, ist THE SOUVENIR Part 1 von Joanna Hogg. Im Film hat eine Filmstudentin aus der Upperclass eine, ger­ne als „toxisch” beschrie­be­ne, Beziehung zu einen dan­dy­haf­ten, etwas undurch­sich­ti­gen Mann. Das halb­bio­gra­fi­sche Werk ist ganz aus Sicht der jun­gen Frau geschrie­ben. Cynthia Cruz‘ Perspektivwechsel, bei dem sie den Blick auf Anthony, den Liebhaber, rich­tet, bringt ganz ande­re Facetten der Rezeption ins Spiel als üblich.

Cynthia Cruz wird am 7.12. um 19:30 Uhr aus ihrem Buch lesen (auf engl.), und wir zei­gen den Film THE SOUVENIR Part 1 in der OmU-Fassung.

Credits:

GB 2019, 115 Min., engl. OmU
Regie, Buch: Joanna Hogg
Kamera: David Raedeker
Schnitt: Helle le Fevre
mit: Honor Swinton Byrne, Tom Burke, Tilda Swinton

Trailer:

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Corpus Christi

Ein Film von Jan Komasa.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

In der Logik des Christentums ist Gott nicht nur in der Kirche prä­sent, son­dern über­all. Auch in der Strafanstalt für jun­ge Männer, in der wir Daniel ken­nen­ler­nen – einen fra­gi­len Jungen mit kla­rem, unschul­di­gen Blick, der bei den Knast-Gottesdiensten auf­blüht und doch als Vorbestrafter kei­ne Chance hat, jemals Priester zu werden.

Beim Arbeitseinsatz in einem Karpatendorf bie­tet sich plötz­lich unver­hofft die Gelegenheit: Der jun­ge Mann wird für einen Geistlichen gehal­ten und schlüpft zuneh­mend bereit­wil­lig in die ersehn­te Rolle. Und es geschieht das Erstaunliche: Die Menschen hören ihm zu, wenn er im Freestyle zu ihnen spricht. Zunehmend beginnt er, sich in die Geschicke des Dorfs ein­zu­mi­schen. Wie lan­ge kann die­ses ris­kan­te Spiel gut gehen?

Komasa mischt Krimi mit Sozialstudie und Romanze mit Thriller. Dabei kann er sich vor allem auf sei­nen gran­dio­sen Hauptdarsteller Bartosz Bielenia ver­las­sen, der glaub­wür­dig den Spagat zwi­schen einem Straßenjungen mit Drogenerfahrung und einer bele­se­nen, wei­sen Respektperson schafft.

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Credits:

PL 2019, Regie: Jan Komasa, 115 min, OmU
Buh: Mateusz Pacewicz, Kamera: Piotr Sobociński jr., Schnitt: Przemysław Chruścielewski,
mit: Bartosz Bielenia, Aleksandra Konieczna, Eliza Rycembel, Tomasz Ziętek u.a.

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Trailer:

Corpus Christi | Offizieller deut­scher Trailer

40 Jahre AG DOK: Wie Erich seine Arbeit verlor

[Tickets & Termin]

Der jun­ge west­deut­sche Kameramann Kai von Westerman gerät mit­ten in die Ereignisse. 1989 arbei­te­te er für einen Korrespondenten des fran­zö­si­schen Fernsehens in der DDR. Als die Menschen auf die Straße gin­gen, bekam er den Auftrag, den Franzosen in knap­pen Beiträgen die Ereignisse zu erklä­ren. So doku­men­tier­ten bei­de die Kraft und Dramatik der Friedlichen Revolution, aber das meis­te Material wur­de nicht gesen­det. Erst jetzt, 20 Jahre nach der Wende, hat von Westerman dar­aus einen Film gemacht, der die Ereignisse des Herbstes 1989 beschreibt. Der Dokumentarfilm gibt in sub­ti­ler Weise ein­ma­li­ge Geschehnisse des Jahres 1989 wie­der. Er zeich­net das Lebensgefühl von DDR-Bürgern nach, die für Freiheit und Demokratie auf die Straße gin­gen, ohne zu wis­sen, wie es aus­ge­hen wür­de. Es ist ein Film, der zum Nachdenken anregt und durch die bestechen­de Sicht auf die Ereignisse des Herbstes ’89 ein wert­vol­les Zeitdokument darstellt.
Regie: Kai von Westerman, D 19891999, 90 Min. Zu Gast: Kai von Westerman

Zusammen mit:
Z mojego okna (From My Window)
Regie: Józef Robakowski, Polen 2000, 20 Min.
Der pol­ni­sche Filmemacher und Videokünstler Józef Robakowski film­te über 22 Jahre den sich ver­än­dern­den Blick aus dem Fenster sei­ner Wohnung in einem sozia­lis­ti­schen Wohnblock in Łódź. Er beob­ach­tet den Übergang Polens vom Sozialismus der Nachkriegszeit in die Zeit der Solidarność in den spä­ten 1980er Jahren und des­sen Übergang in die Dritte Republik, den Einstieg Polens in die Marktwirtschaft.

Wie Erich sei­ne Arbeit ver­lor – Trailer from Westermans Filme on Vimeo.

 

Sag‘ du es mir

Ein Film von Michael Fetter Nathansky.

[Credits]  [Trailer]

Mich über­rascht nichts. Wenn was Schlechtes pas­siert, dann hab‘ ich in der Regel damit gerech­net, und wenn was Gutes pas­siert, dann pas­sierts nicht.“ Silkes Sicht auf die Welt ist„ nach­dem ihr Freund sie ent­täusch­te und ein Fremder sie in die Havel warf„ recht illusionslos.
Silke, das Opfer, ihre gro­ße Schwester Moni, und René, der Täter – das sind die Protagonist*innen in Michael Fetter Nathanskys Debutfilm. Die mit lako­ni­schem Witz und sen­si­bler Figurenzeichnung erfri­schend ande­re Erzählung einer Tat und ihrer selt­sa­men Folgen ist ange­legt wie ein raf­fi­nier­tes Vexierspiel, bei dem die unter­schied­li­che Sicht der Beteiligten immer neue, über­ra­schen­de Einsichten gewährt.
Nachdem Silke ohne erkenn­ba­ren Anlass vom ihr unbe­kann­ten René übers Brückengeländer ins Wasser gesto­ßen wird, taucht Moni, mit der sie lan­ge kei­nen Kontakt hat­te, unge­fragt in ihrer Potsdamer Wohnung auf. Sie will Silke unbe­dingt zur Seite ste­hen, aber die will kei­ne Hilfe. Was pas­siert ist, ist vor­bei, auch die poli­zei­li­chen Ermittlungen wer­den rasch ein­ge­stellt. Moni aber gibt nicht auf. Sie will der Sache auf den Grund gehen, den Übeltäter fin­den und zur Rede stel­len. Den hat sei­ne schein­bar grund­lo­se und irra­tio­na­le Tat völ­lig ver­wirrt, ver­lief sein Leben bis­her doch eigent­lich in ordent­li­chen Bahnen.

»Michael Fetter Nathanskys for­mal erfin­dungs­rei­che Umsetzung sei­nes prä­zi­se struk­tu­rier­ten Drehbuchs, Leander Otts atmo­sphä­ri­sche Kamera und die gro­ße schau­spie­le­ri­sche Leistung von Marc Ben Puch und ganz beson­ders von Gisa Flake und Christina Große als star­kes Schwesternpaar ver­bin­den sich zu einer Reflexion über die trü­ge­ri­sche Eindeutigkeit von Realität und die mani­fes­te Magie des Kinos.« aus der Jurybegründung (Gewinner des Filmkunstpreises) beim 15. Festival des Deutschen Films Ludwigshafen (2019).

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Credits:

DE 2019, 104 Min., dt. OmeU
Regie & Buch: Michael Fetter Nathansky 
Kamera: Leander Ott 
Schnitt: Camila Mercadal
mit: Christina Große, Marc Ben Puch, Gisa Flake K Leander Ott

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Trailer:

Sag du es mir (Trailer ) | missingFILMs

Achtung Berlin 2020

Das Filmfestival für neu­es deut­sches Kino aus Berlin und Brandenburg kommt auch die­ses Jahr ins fsk (coro­nabe­dingt etwas spä­ter): 16. – 20. September 2020
www.achtungberlin.de

Die Filme außer YU GONG lau­fen in Anwesenheit des Filmteams:

Sebastian springt über Geländer

Drei Lebensabschnitte auf Sebastians Weg. Als Kind auf sich selbst gestellt, als Jugendlicher zwi­schen zwei Welten pen­delnd und als jun­ger Mann, der sich ent­schei­den muss.
DE 2019, 70 Min., OmeU, R/B/M Ceylan Ataman-Checa D Joseph Peschko, Finn Freyer, Ambar de la Horra, Frederieke Morgenroth K Albrecht von Grünhagen
(Do, 17.9. 18:30) [Tickets]

Yu Gong

Die Fabel des Narrs Yu Gong, der Berge ver­set­zen woll­te, als Metapher für die kom­ple­xen sino-afri­ka­ni­schen Beziehungen, wel­che der Film in einer Reise durch Afrika dokumentiert.
DE 2019, 84 Min., OmeU, R/B/K/M/P: Daniel Kötter
(Do, 17.9. 21:00) [Tickets]

Zustand und Gelände

Der Film han­delt von Orten, ihren Überschreibungen durch die Zeit und wie sich poli­ti­sche Erinnerungskulturen in sie ein­ge­schrie­ben haben; – aus­ge­hend von sog. ‘Wilden Konzentrationslagern’ der NS-Zeit.
DE 2019, 118 Min., OmeU, R/B/M/P Ute Adamczewski B André Siegers K Stefan Neuberger
(Fr, 18.9. 18:00) [Tickets]

Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewach­sen ist
Der Film beglei­tet die täg­li­che Arbeit von Künstler*innen der Spandauer Kunstwerkstatt für Menschen mit Behinderung. Die Idee von Kunst wird ganzheitlich.
DE 2020, 106 Min., OmeU, R/K/M/P: Sabine Herpich, P: Büchner Filmproduktion
(Fr, 18.9. 21:00) [Tickets]

30 Jahre, aber den Sinn des Lebens habe ich immer noch nicht rausgefunden

30 Jahre fil­mi­sche Selbstportraits an jedem Geburtstag, eine Super‑8 Rolle pro Jahr.
DE 2019, 91 Min., R/B/K/M Jan Peters
(Sa 19.9. 18:30) [Tickets]

Träume von Räumen

Der Film beglei­tet die ver­blie­be­nen Bewohner*innen eines Hauses im Herzen Berlins und stellt die Frage nach Leerstand als sub­ver­si­ven Akt gegen die Utopie des geord­ne­ten Raums.
DE 2019, 85 Min., OmeU, R/B/K Matthias Lintner K Francisco Medina, Matilda Mester, Carlos Andres Lopez, Christopher Aoun
(Sa 19.9. 21:00) [Tickets]

Sunburned

Von ihrer Familie im Spanien-Urlaub ver­nach­läs­sigt, sieht sich Claire mit den weit­aus grö­ße­ren Problemen des jun­gen afri­ka­ni­schen Strandverkäufers Amram konfrontiert.
DE/NL/PL 2019, 94 Min., OmeU, R/B Carolina Hellsgård D Zita Gaier, Gedion Oduor Wekesa, Sabine Timoteo, K Wojciech Staron M Ruth Schönegge
(So 20.9. 18:30) [Tickets]

Sag du es mir

Silke wird in Potsdam von der Brücke gesto­ßen. Plötzlich taucht ihre Schwester auf. Und dann gibt es noch die Perspektive des Täters. Ein Verwirrspiel um Opfer-und Täterschaft, Wahrheit und Lüge.
DE 2019, 104 Min., OmeU, R/B Michael Fetter Nathansky D Christina Große, Marc Ben Puch, Gisa Flake K Leander Ott 
(So. 20.9. 21:00) [Tickets]

JFBB – 26. Jüdisches Filmfestival Berlin & Brandenburg

Das 26. Jüdische Filmfestival Berlin & Brandenburg fin­det vom 6.- 13.9.2020 statt.
Bei uns gibt es am 8. + 9. 9. aus­ge­wähl­te Vorführungen. Mehr unter: www.jffb.de

Im fsk:  
Doppelprogramm
Masel Tov Cocktail
Zutaten: 1 Jude, 12 Deutsche, 5cl Erinnerungskultur, 3cl Stereotype, 2 TL Patriotismus, 1 TL Israel, 1 Falafel, 5 Stolpersteine, einen Spritzer Antisemitismus. DE 2020, 30 Min., OmU, Regie: Arkadij Khaet, Mickey Paatzsch, Kamera: Nikolaus Schreiber, Schnitt: Tobias Wieduwilt, mit: Alexander Wertmann

There are no lions in Tel Aviv
Der Film erzählt die Geschichte des Oberrabbiners der jüdi­schen Gemeinde Dänmarks, Max Shorenstein, der als ‚Rabbiner Doolittle‘ bekannt wur­de. Nach sei­ner Pensionierung 1935 zog er nach Tel Aviv, wo er spä­ter einen Zoo für die Kinder von Eretz Israel eröffnete.
IL 2019, 53 Min., hebr. OmU, Regie: Duki Dror, Kamera: Ron Katzenelson, Schnitt: Ron Goldman (Di. 8.9. 19:00)


Incitement
Die Ermordung des israe­li­schen Premierministers Yitzhak Rabin am 4. November 1995 gilt als einer der ver­hee­rends­ten Schläge gegen den Friedensprozess zwi­schen Israelis und Palästinensern. Der Film rekon­stru­iert die Ereignisse die­ses poli­tisch ange­spann­ten Jahres aus der Perspektive des Attentäters Yigal Amir,
IR 2019, 123 Min., hebr. OmeU, Regie: Yaron Zilberman, Kamera: Amit Yasour , Schnitt: Shira Arad, Yonatan Weinstein, mit: Yehuda Nahari Halevi
(Mi. 9.9. 19:00)

Yalda

Ein Film von Massoud Bakhshi.

[Credits] [Termine & Termine] [Trailer]

Sie kön­nen immer noch an unse­rem SMS-Wettbewerb teil­neh­men. Verdient Maryam Komijani Vergebung? Senden Sie 1 für ja, 2 für nein.“

Die Scheinwerfer und Kameras sind auf Position. Der Moderator blickt noch ein­mal auf sei­ne Notizen. Die letz­ten Werbesekunden lau­fen, noch 5, 4, 3, 2, 1 und die Reality-TV-Show beginnt. Ausgerechnet zum per­si­schen Yalda-Fest der Wintersonnenwende. Zu Gast ist Maryam, eine jun­ge, zum Tode ver­ur­teil­te Frau. Mit ihr im Studio sitzt Mona, die für sie stets wie eine gro­ße Schwester war. Maryam leb­te mit Monas Vater in einer Ehe auf Zeit. Angeblich hat sie ihn ermor­det. Vor lau­fen­der Kamera und Millionen von Zuschauer*innen soll Maryam um Vergebung und ihr Leben fle­hen. Auf eine rea­le, popu­lä­re ira­ni­sche Sendung anspie­lend, wird das Fernsehstudio zur Bühne für ein Kammerspiel, das auch die sozia­len Dimensionen hin­ter dem per­sön­li­chen Drama in den Fokus nimmt.

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Credits:

Frankreich / Deutschland / Schweiz / Luxemburg / Libanon / Iran 2019, 89 Min., far­si OmU
Regie, Buch: Massoud Bakhshi
Kamera: Julian Atanassov
Montage: Jacques Comets 
mit: Sadaf Asgari, Behnaz Jafari, Babak Karimi, Fereshteh Sadr Orafaee, Forough Ghajebeglou, Arman Darvish, Fereshteh Hosseini 

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Trailer:

Yalda, a Night for Forgiveness / Yalda, la nuit du par­don (2020) – Trailer (English Subs)

Im Kino mit deut­schen Untertiteln.

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Oeconomia

Ein Film von Carmen Losmann.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

In sei­nem Essay „Die Fabrik des ver­schul­de­ten Menschen“ aus dem Jahr 2011 schreibt der Philosoph Maurizio Lazzarato: „Die Schulden stel­len kein Hemmnis für das Wachstum dar; im Gegenteil, sie sind der öko­no­mi­sche und sub­jek­ti­ve Motor zeit­ge­nös­si­scher Ökonomie. Die Fabrikation der Schulden, also die Konstruktion und Entwicklung des Machtverhältnisses Gläubiger-Schuldner, bil­det das stra­te­gi­sche Zentrum neo­li­be­ra­ler Politik.“ Mit Oeconomia unter­nimmt Carmen Losmann eine Reise in die­ses stra­te­gi­sche Zentrum. Das ist ohne Frage ein ehr­gei­zi­ges Unterfangen, denn vie­le Vertreter*innen des Banken- und Finanzsektors reden lie­ber nicht vor einer Kamera, und denen, die sich dar­auf ein­las­sen, feh­len mehr als ein­mal die Worte. So trans­pa­rent die Architektur von Banken und Geldinstituten sich gibt, so schnell ver­schlie­ßen sich die Türen für die recher­chie­ren­de Regisseurin. Sie macht aus der Not eine Tugend, indem sie unter ande­rem Telefonprotokolle und com­pu­ter­ge­nerier­te Bilder ein­setzt, damit das Abstrakte und schwer Verständliche anschau­li­cher wird.

Oft sehen wir nur eine elek­tro­ni­sche Zugangsschranke oder hören ein nach­ge­spro­che­nes Telefonat, da im letz­ten Moment die Drehgenehmigung ent­zo­gen wur­de – auch heu­te noch liegt die Aufklärung gefähr­lich nah an der Kritik. Dabei bemüht sich die Regisseurin, ihre Fragen offen und wert­frei zu stel­len. Ihre Aufklärung zielt nicht auf die mora­li­schen Verwerfungen des Kapitalismus, son­dern auf die logi­schen Zirkelschlüssel, die sei­ner Struktur zugrun­de lie­gen. Diese Zirkelschlüsse schei­nen den Interviewpartnern – Akteure im Finanzwesen und aus­nahms­los wei­ße Männer – erst durch Losmanns betont nai­ve Fragen auf­zu­fal­len. Die Versuche, ihre Überrumpelung in char­man­te Souveränität zu ver­wan­deln, sind nicht nur amü­sant, son­dern auch tröst­lich. Denn über­rum­pelt fühlt man sich wäh­rend die­ser 89 Minuten auch, wenn die Regisseurin Folgerungen aus ihren Interviews als ein­fa­che Blasen und Pfeile auf einer Mindmap zusam­men­fasst, die zwar sim­pel aus­sieht, aber die gan­ze zer­stö­re­ri­sche Absurdität einer end­los wach­sen­den Wirtschaft offen­bart. Trotz die­ser Dichte und wegen sei­ner Klarheit ist OECONOMIA einer der bes­ten Dokumentarfilme über den Kapitalismus.“ indie­ki­no | Yorick Berta

Filmgespräch mit Carmen Losmann, Samirah Kenawi, Lino Zeddies, Dirk Lütter
über Oeconomia

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Credits:

DE 2020, 89 Min., dt. engl. OmU
Regie, Buch: Carmen Losmann
Kamera: Dirk Lütter
Montage: Henk Drees, Carmen Losmann

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Trailer:

Kinotrailer „Oeconomia” – Kinostart: 15. Oktober 2020

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Futur Drei

Ein Film von Faraz Shariat.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Parvis wächst als Kind der Millenial-Generation im kom­for­ta­blen Wohlstand sei­ner ira­ni­schen Einwanderer-Eltern auf. Dem Provinzleben in Hildesheim ver­sucht er sich durch Popkultur, Grindr-Dates und Raves zu ent­zie­hen. Nach einem Ladendiebstahl leis­tet er Sozialstunden als Übersetzer in einer Unterkunft für Geflüchtete. Dort trifft er auf das ira­ni­sche Geschwisterpaar Banafshe und Amon. Zwischen ihnen ent­wi­ckelt sich eine fra­gi­le Dreierbeziehung, die zuneh­mend von dem Bewusstsein geprägt ist, dass ihre Zukunft in Deutschland ungleich ist.
In sei­nem auto­bio­gra­phi­schen Regiedebüt erzählt Faraz Shariat, Jahrgang 1994, authen­tisch und zugleich wun­der­sam über­höht vom quee­ren Heranwachsen eines Einwanderersohns in Deutschland – und lie­fert damit einen ent­schlos­se­nen Gegenentwurf zu einem kon­ven­tio­nel­len deut­schen Kino, in dem post-migran­ti­sche Erlebnisse und Geschichten von Einwanderern und ihrer Familien all­zu oft aus­ge­schlos­sen oder mis­re­prä­sen­tiert wer­den. Für sein sen­si­bles, pop-affi­nes und kraft­vol­les Plädoyer für Diversität wur­de Futur Drei beim First Steps Award 2019 als Bester Spielfilm aus­ge­zeich­net, Shariats jun­ges Darsteller*innen-Ensemble (Banafshe Hourmazdi, Eidin Jalali, Benjamin Radjaipour) erhielt den Götz-George-Nachwuchspreis. Auf der Berlinale, wo der Film im Panorama sei­ne Weltpremiere fei­er­te, wur­de Futur Drei mit zwei Teddys (Bester Spielfilm, Leser*innen-Preis) geehrt.

‚Fast täg­lich wer­de ich von wei­ßen deut­schen Menschen gefragt, woher ich kom­me, wie lan­ge ich schon hier bin‘, hat Faraz Shariat in einem Interview geäu­ßert. Seiner Meinung nach habe das viel mit einer Filmlandschaft zu tun, die selbst die Geschichten der zwei­ten Generation immer noch als Migrationsgeschichten erzäh­le und „zu Pointen mul­ti­kul­tu­rel­ler Versöhnung oder roman­ti­schen Darstellungen einer bedroh­ten Heimat“ ver­kür­ze. Shariats Debüt, das aus Studienkreisen an der Universität Hildesheim erwach­sen und mit einem diver­sen Ensemble vor und hin­ter der Kamera ent­stan­den ist, ist nicht der ers­te, aber ein wich­ti­ger Schritt in eine ande­re Richtung.“
Falk Straub | kino-zeit.de

Filmgespräch mit dem Team von Futur Drei

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Credits:

DE 2020, 91 Min., dt., far­si OmU
Regie: Faraz Shariat
Kamera: Simon Vu
Schnitt: Friederike Hohmuth
mit: Benjamin Radjaipour, Banafshe Hourmazdi, Eidin Jalali

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Trailer:

Futur Drei (Trailer) from Salzgeber & Co. Medien GmbH on Vimeo.

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Nackte Tiere

Ein Film von Melanie Waelde.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Nackte Tiere erzählt von fünf befreun­de­ten Jugendlichen in der Provinz, die kurz vor dem Abitur ste­hen und noch nicht wis­sen, wie es danach wei­ter­ge­hen soll. Teil der Gruppe zu sein, gibt ihnen Halt, der oft fest und plötz­lich brü­chig zu sein scheint. Man unter­stützt sich gegen­sei­tig und lässt ein­an­der doch wie­der allein. Aggressionen und Zärtlichkeiten wech­seln sich ab, Nähe wird sehn­süch­tig gesucht, gleich dar­auf grenzt man sich von­ein­an­der ab. Die Gefühle sind inten­siv, erup­tiv wech­seln sie ihre Richtung.
Der Blick der Kamera ist den Jugendlichen zuge­tan, er ist „nah dran“ (in einem guten Sinne). Der Regisseurin Melanie Waelde gelingt es, die Gefühlswelt die­ser fünf Jugendlichen aus­zu­drü­cken, trotz ihres wie­der­sprüch­li­chen Verhaltens fängt man an, sie zu ver­ste­hen. Dafür wur­de sie mit einer Einladung in den Wettbewerb der neu­en Berlinale-Sektion „Encounters“ belohnt.

Nur jun­ge, unver­brauch­te Gesichter hat Waelde gecas­tet, nor­ma­le, durch­schnitt­li­che Gesichter, die weit weg sind vom glat­ten Look, den das Mainstream-Kino favo­ri­siert. Gefilmt wur­de im alt­mo­di­schen 4:3 Format, des­sen fast qua­dra­ti­sches Bildfenster die Enge der Provinz noch drü­cken­der erschei­nen lässt. Man mag hier an Tiere im Käfig den­ken, an unge­zü­gel­te Wesen, die aus­zu­bre­chen ver­su­chen, die nicht recht wis­sen wohin mit ihrer Energie, ihrer Wut. Doch sol­che Metaphern drängt Waelde nicht auf, sie deu­tet nur an, beob­ach­tet wie die Gruppe um Katja sich ent­wi­ckelt, fei­ert, liebt, strei­tet, kämpft. Von sel­te­ner Authentizität ist ihr Blick in das Leben jun­ger Erwachsener in der deut­schen Provinz, in dem Waelde offen­bar auch etli­che Erfahrungen ihres eige­nen Lebens ver­ar­bei­tet. Autobiographisch mutet „Nackte Tiere“ jedoch nie an, son­dern fin­det statt­des­sen das Universelle im Speziellen.“ Michael Meyns, programmkino.de

Filmgespräch mit Melanie Waelde im fsk-KIno

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Credits:

DE 2020, 83 Min., OmeU
Regie, Buch: Melanie Waelde
Kamera: Fion Mutert
Schnitt: Jessica Schneller
mit: Marie Tragousti, Sammy Scheuritzel, Michelangelo Fortuzzi, Luna Schaller, Paul Michael Stiehler

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Trailer:

Nackte Tiere (2020) HD-Trailer, deutsch