Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte

Noch bin ich nicht, wer ich sein möchte

Ein Film von Klára Tasovská. 

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Ein Fotofilm, mon­tiert aus tau­sen­den Aufnahmen der Fotografin Libuše Jarcovjáková, unter­legt mit Texten aus ihren Tagebüchern. Das Kaleidoskop eines erfüll­ten Lebens, hart und uner­bitt­lich abge­run­gen und erkämpft, was mög­lich schien. Ohne sich zu scho­nen, um aus dem Vollen schöp­fen zu kön­nen. All das ist in den schwarz/weißen Momentaufnahmen greif­bar und spür­bar.
Dem Grau des real exis­tie­ren­den Sozialismus und der Depression nach der Niederschlagung des Prager Frühlings ent­flieht die Fotografin in die Ritzen, die es damals zumin­dest in Prag gab. Weil ihre Eltern als unzu­ver­läs­sig gal­ten, wur­de Libuše Jarcovjáková lan­ge das Studium an der Kunstschule ver­sperrt, sie muss­te sich erst als Arbeiterin bewäh­ren. Schichten in einer Druckerei, dort arbeiten/saufen/schlafen. In Kneipen leben, lan­ge in der ein­zi­gen Schwulenbar am Ort. Sprachkurse für viet­na­me­si­sche Vertragsarbeiter, nackig daheim mit Freunden und noch ein paar Gläser mehr. Die Kamera erlebt alles mit, sach­lich, neu­tral und grob­kör­nig. Durch einen Zufall kommt sie nach Japan und wird Modefotografin, denn das Leben schreibt die schlech­tes­ten Drehbücher. Dabei wird sicht­bar, über welch viel­sei­ti­ges Repertoire sie ver­fügt. Aber geleck­te Modeaufnahmen lie­gen ihr eben nicht und sie fährt zurück. Zu Prag und Tokio gesellt sich schließ­lich West-Berlin, der sur­rea­le Ort, der von Oktober bis April aus­schließ­lich in Grautönen exis­tier­te. Libuše Jarcovjáková arbei­tet hier u.a. als Zimmermädchen, denn als Künstlerin ent­deckt und aner­kannt wird sie erst sehr spät. Noch bin ich nicht… ist ein wil­der Bilderrausch aus der Untersicht, vol­ler Empathie für die, die im Spiegelreflex strah­len.
In wel­cher Welt lebe ich? Wer bin ich? Wie möch­te ich leben? Aus Libuše Jarcovjákovás Werk von zehn­tau­sen­den Negativen und dut­zen­den Tagebüchern hat die tsche­chi­sche Regisseurin Klára Tasovská einen poe­ti­schen Filmessay mon­tiert. Noch bin ich nicht, wer ich sein möch­te erzählt von einem beson­de­ren Künstlerinnenleben und einer bewe­gen­den Reise in die Freiheit, die sich über sechs Jahrzehnte spannt und von der sowje­tisch „nor­ma­li­sier­ten“ ČSSR der spä­ten 1960er und frü­hen 70er über das Ost-Berlin der 80er bis ins Prag nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und von heu­te führt.

Credits:

Ještě nej­sem, kým chci být
CZ/SK/AU 2024, 90 Min., tsche­chi­sche Originalfassung mit deut­schen Untertiteln
Regie:
Klára Tasovská
Schnitt: Alexander Kashcheev

Trailer:
NOCH BIN ICH NICHT, WER ICH SEIN MÖCHTE Trailer Deutsch | German [HD]

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A real Pain

A Real Pain

Ein Film von Jesse Eisenberg.

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Allein sitzt Benji (Kieran Culkin) am Flughafen in New York, inmit­ten von hek­ti­schen Reisenden scheint er ein Pol der Ruhe zu sein. Er war­tet auf sei­nen Cousin David (Jesse Eisenberg), der die Idee zu einer Reise in die gemein­sa­me Vergangenheit gehabt hat. Beider Großmutter ist vor kur­zem gestor­ben, ihr Erbe ermög­licht den Cousins, die sich einst Nahe stan­den, aber inzwi­schen nur noch wenig Kontakt haben, eine Reise nach Polen, in das Land ihrer Vorfahren.

Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges konn­te ihre jüdi­sche Großmutter flie­hen, zurück in ihre Heimat reis­te sie nie wie­der. In Warschau schlie­ßen sich die Cousins einer Reisegruppe an, als deren Leiter James (Will Sharpe) fun­giert, ein bri­ti­scher Akademiker, der dem­entspre­chend aka­de­misch über die Orte des Grauens berich­tet, die die Gruppe besucht.

Neben den Cousins nimmt unter ande­rem ein ame­ri­ka­ni­sches Ehepaar an der Reise in die Vergangenheit teil, aber auch ein Mann aus Ruanda, der den dor­ti­gen Genozid über­leb­te und danach zum Judaismus kon­ver­tier­te. Gemeinsam reist die Gruppe durch das gegen­wär­ti­ge Polen, in dem die Spuren der einst gro­ßen jüdi­schen Bevölkerung nur noch schwer zu fin­den sind, besu­chen Monumente und Mahnmale und am Ende auch das Konzentrationslager Majdanek.

Ein klas­si­sches erzäh­le­ri­sches Muster ver­wen­det Jesse Eisenberg für sei­nen zwei­ten Spielfilm, das deut­schen Zuschauern bekannt vor­kom­men mag: Erst vor weni­gen Monaten lief Julia von Heinz „Treasure – Familie ist ein frem­des Land“ im Kino, in dem eben­falls zwei Personen, dort ein Vater-Tochter Gespann, nach Polen rei­sen und sich auf die Spuren der Vergangenheit zu bege­ben. Im Gegensatz zu von Heinz ist Eisenberg aller­dings selbst jüdi­scher Herkunft, hat Verwandte, die dem Holocaust ent­ka­men, eine Großmutter, die aus Polen emigrierte.

Und er hat sich in den letz­ten Jahren, in zum Beispiel im Magazin The New Yorker erschie­ne­nen Texten, als poin­tier­ter, iro­ni­scher Beobachter erwie­sen, der mit unter­schwel­li­gem Humor über exis­ten­zi­el­les und all­zu mensch­li­ches Verhalten schreibt. In sei­nem zwei­ten Film benutzt er nun eine ein­fa­che Road Movie-Struktur, auf deren Weg man den bei­den schein­bar unter­schied­li­chen Cousins nahe kommt.

Besonders Kieran Culkin, der in den letz­ten Jahren vor allem durch die erfolg­rei­che Fernsehserie „Succession“ bekannt gewor­den ist, glänzt dabei als anfangs mit sich im rei­nen wir­ken­der Mann, des­sen Sorgen sich erst nach und nach offen­ba­ren. Anstrengend wirkt die­ser Benji oft, wenn er die Reisegruppe und ihren Leiter kon­fron­tiert, schein­ba­re Wahrheiten in Frage stellt und dadurch der emo­tio­na­len Wahrheit viel näher kommt, als ihr aka­de­mi­scher Reiseleiter. Ganz bei­läu­fig insze­niert Eisenberg die Reise, lässt die Dialoge und Situationen für sich ste­hen und erweist sich gera­de durch die­se Zurückhaltung als genau­er Beobachter einer Konfrontation mit der eige­nen Vergangenheit.

Michael Meyns | programmkino.de

Credits:

US/PL 2024, 90 Min., engl. OmU
Regie: Jesse Eisenberg
Kamera: Michael Dymak
Schnitt: Robert Nassau
mit Jesse Eisenberg, Kieran Culkin, Will Sharpe, Jennifer Grey, Kurt Egyiawan, Liza Sadovy, Daniel Oreskes 

Trailer:
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Henry Fonda for President

Ein Film von Alexander Horwath. Am 5.2. mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Von 1905 bis 1982 leb­te Henry Fonda, spiel­te in rund 80 Filmen mit, dar­un­ter eini­gen der größ­ten Klassiker des ame­ri­ka­ni­schen Kinos: „Früchte des Zorns“, „Faustrecht der Prärie“, „Die 12 Geschworenen.“ Kaum jemand ver­kör­per­te dabei den ein­fa­chen Mann, den durch­schnitt­li­chen, aber ehr­ba­ren Bürger so gut wie Henry Fonda, der sicher nicht zufäl­lig im Lauf sei­ner Karriere immer wie­der Präsidenten spiel­te, ech­te und fik­ti­ve: In „Der jun­ge Mr. Lincoln“ ver­kör­per­te er den legen­dä­ren Honest Abe, der Präsident, der zumin­dest auf dem Papier die Sklaverei been­de­te und sein Land durch den Bürgerkrieg führ­te, in „Angriffsziel Moskau“ einen namen­lo­sen Präsidenten, der sein Land vor einem Nuklearkrieg bewah­ren will.

Wenn man mit dem ame­ri­ka­ni­schen, also mit dem Hollywood-Kino auf­ge­wach­sen ist, gera­de als in den 60er oder 70er Jahren gebo­re­ner, dann kam man an Henry Fonda nicht vor­bei. So ging es auch dem öster­rei­chi­schen Filmwissenschaftler, lang­jäh­ri­gem Leiter der Viennale und Direktor des öster­rei­chi­schen Filmmuseums Alexander Horwarth, der 1980, als sech­zehn­jäh­ri­ger in Paris, Henry Fonda ent­deck­te. So erzählt es Horwarth in sei­nem essay­is­ti­schen Dokumentarfilm „Henry Fonda for President“, der in losen, ange­nehm mäan­dern­den Linien, um Henry Fonda, Hollywood und die ame­ri­ka­ni­sche Gesellschaft kreist.

Und dabei auch weit in die Vergangenheit greift, den Henry Fondas Vorfahren kamen einst aus dem alten Europa in die neue Welt, sie­del­ten in nur schein­bar unbe­rühr­ter Natur, folg­ten dem Versprechen des ame­ri­ka­ni­schen Traums. In Nebraska, einem jener Flächenstaaten, die kaum ein Tourist jemals besucht, wur­de Henry Fonda gebo­ren, fand sei­nen Weg nach Hollywood und ver­kör­per­te lan­ge jenen typi­schen ame­ri­ka­ni­schen Jedermann, ehr­bar und kri­tisch – und auch ein Mythos.

Anhand zahl­rei­cher Filmausschnitte skiz­ziert Horwarth, wie Hollywood und damit Amerika sich durch Typen wie Henry Fonda ein idea­li­sier­tes Ebenbild schuf, wie die Selbstwahrnehmung der USA, die sich ger­ne als idea­le Demokratie sah, als Verfechter von Recht und Anstand, als sprich­wört­li­che Stadt auf dem Hügel, sich in der schein­bar unpo­li­ti­schen Form des Hollywood-Kinos spie­gel­te, die dadurch als Propaganda für die USA auf den Leinwänden der Welt zu sehen war.

Im Laufe sei­ner Karriere wur­de jedoch auch Fonda kri­ti­scher mit sich und sei­nem Land, viel­leicht auch durch sei­ne bedien Kinder Peter und Jane, die gleich­zei­tig Hollywood Royalty waren und doch auch zu Symbolen der Gegenkultur der 60er Jahre wur­den: Peter durch sei­ne Hauptrolle in „Easy Rider“, Jane durch ihren poli­ti­schen Aktivismus, der ihr den despek­tier­li­chen Spitznamen Hanoi Jane einbrachte.

So beschreibt „Henry Fonda for President“ auf sehr per­sön­li­che Weise auch den Weg einer Entfremdung im Blick auf Amerika. Die Mythen, die gera­de der klas­si­sche Western der 40er Jahre ver­brei­te­te, wur­den spä­tes­tens mit dem Vietnamkrieg ent­larvt. Das kurz danach mit Ronald Reagen tat­säch­lich ein Schauspieler Präsident wur­de war Zufall, passt aber irgend­wie auch in das Bild eines Landes, das sich zu gern im Glanz von Hollywood und des Showbusiness sonn­te. Als einer der expo­nier­tes­ten Vertreter die­ser Welt fun­gier­te über vie­le Jahrzehnte Henry Fonda, der aller­dings selbst­re­fle­xiv genug war, um schon Ende der 60er Jahre im legen­dä­ren Italo-Western „Spiel mir das Lied vom Tod“, einen der übels­ten Killer der Filmgeschichte zu spie­len: Als Frank kon­ter­ka­riert Fonda sein eige­nes Image und ein biss­chen auch das Bild, das Amerika ger­ne von sich selbst hat und tötet gleich in sei­ner ers­ten Szene ein Kind. Auch eine Methode den Mythos vom ame­ri­ka­ni­schen Traum zu beer­di­gen, was damals Sergio Leone so bild­ge­wal­tig tat und nun Alexander Horwarth in einem klu­gen, viel­schich­ti­gen Essayfilm.

Michael Meyns | programmkino.de

Credits:

AT/DE 2024, 184 Min., engl./dt. Originalfassung mit deut­schen und eng­li­schen Untertiteln
Regie: Alexander Horwath
Kamera & Schnitt: Michael Palm

Trailer:
Henry Fonda for President (2024) | Trailer | Regie: Alexander Horwath

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Poison – Eine Liebesgeschichte

Ein Film von Désirée Nosbusch. 

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Während mei­ner Studienzeit sag­te Mel Brooks ein­mal zu mir: „Eine gute Geschichte muss an einem kle­ben blei­ben wie ein Topf Honig. Und wenn man sie nicht los­wird, dann muss man sie erzäh­len. Und das wur­de Poison für mich.“ so die eigent­lich als Schauspielerin bekann­te Regisseurin Desiree Nosbusch. Nachdem sie in dem inter­na­tio­nal erfolg­rei­chen Stück der nie­der­län­di­schen Dramaturgin Lot Vekemans am Theater die weib­li­che Rolle über­nahm, blieb sie genau dar­an kle­ben. Jahre spä­ter ergab sich die Möglichkeit der Verfilmung die­ser Geschichte, die alles hat, „was eine gute Geschichte braucht: Verlust, Trauer, Sucht, Einsamkeit, Liebe, Schuld, Rache, Engagement, Hoffnung und Erlösung – sie stellt all‘ die gro­ßen Fragen, die wir im Leben haben.“
Zwei Menschen, die, erst ein Kind ver­lo­ren haben, dann sich selbst und dann ein­an­der‘ wie Lucas im Film sagt, tref­fen sich nach zehn Jahren erst­mals wie­der, auf dem Friedhof, wo der Sohn begra­ben liegt. Er, Lucas, hat inzwi­schen eine neue Beziehung, für sie, Edith, ist das Trauern auch nach so vie­len Jahren noch essen­zi­ell. Es ist ein her­aus­for­dern­des Zwei-Personen-Spiel, das alle Beteiligten vor und hin­ter der Kamera zu einem weni­ger spek­ta­ku­lä­ren als inten­si­vem Ereignis machen. Tim Roth als Lucas hält sich dies­mal mit der bekann­ten aus­ge­präg­ten Mimik zurück, Trine Dyrholm zeigt mit Edith, dass sie auch ande­re als beherrsch­te und ratio­nal agie­ren­de Frauen geben kann. Zwischen Vorwürfen und Anklagen, Gefühlsausbrüchen und Entschuldigungen, Vorsicht, Distanz und Annäherung wird die eins­ti­ge Verbindung zwi­schen bei­den immer wie­der sicht­bar, aber auch die unüber­wind­bar schei­nen­den Hürden, die dar­an hin­dern, das schreck­li­che Ereignis gemein­sam zu ver­ar­bei­ten.
Ausgezeichnet auf dem 26. Film by the Sea Festival im nie­der­län­di­schen Vlissingen mit dem Film & Literature Award, gewann Poison außerem auf dem 36. Galway Film Fleadh den Peripheral Vision Award.

Credits:

LU/NL/GB 2024, 90 Min., engl. OmU
Regie: Désirée Nosbusch
Kamera: Judith Kaufmann
Schnitt: Michiel Reichwein
mit: Tim Roth, Trine Dyrholm

Trailer:
POISON Trailer (2024) Tim Roth, Drama Movie HD

Im Kino mit deut­schen Untertiteln.

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Juror #2

Juror #2

Ein Film von Clint Eastwood.

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Dies ist kein Spoiler: ein smar­ter jun­ger Mann, bei einem Mordprozess zum Geschworenen (genau, #2) ernannt, erkennt bei der Anklageverlesung, dass er für den Tod der Frau, der hier ver­han­delt wird, unwis­sent­lich ver­ant­wort­lich ist. Hat man die­sen Zufall erst mal geschluckt, kann man sich an einem soli­den, ver­zwick­tem und packen­dem Gerichtsthriller erfreu­en.
Justin, des­sen Frau Ally nach einer Risikoschwangerschaft kurz vor der Geburt steht, wird trotz­dem nicht von der Juroren-Pflicht ent­bun­den. Der Angeklagte im zu ver­han­deln­den Fall der toten Kendall Carter ist ihr Freund, bekannt als gewalt­tä­tig, und in den Augen der meis­ten Geschworenen „White Trash“. Justin, der an dem reg­ne­ri­schen Abend mit dem Auto unter­wegs war und, wie er damals glaub­te, ein Reh ange­fah­ren hat­te, erkennt sofort den tra­gi­schen Zusammenhang. Aus erst spä­ter nach­voll­zieh­ba­ren Gründen kann er aber nicht mehr die Wahrheit sagen. So bleibt ihm nur, die von der Schuld des Angeklagten über­zeug­ten Mitgeschworenen, die alle das Ganze schnell hin­ter sich brin­gen und nach Hause wol­len, umzu­stim­men. Das erin­nert natür­lich an Sidney Lumets Die zwölf Geschworenen, vor allem auch an den, heu­ti­gen Gegebenheiten ange­pass­ten, grup­pen­dy­na­mi­schem Prozess, wird aber u.a. durch den Umstand getoppt, dass Justin sich auf einen schma­len Grad begibt – er darf schließ­lich nicht ins Visier gera­ten.
In den her­vor­ra­gend besetz­ten Hauptrollen sehen wir Nicholas Hoult als sei­nen inne­ren Zwiespalt bekämp­fen­den Justin Kemp und Toni Colette als ehr­gei­zi­ge Staatsanwältin mit dem bemer­kens­wer­ten Namen Faith Killebrew. Es ist der ers­te Film, in dem bei­de seit der Nick-Hornby-Verfilmung About a Boy (2001, mit dem gera­de neu auf­er­stan­de­nen Hugh Grant) zusam­men agie­ren. Die Nebenrolle der toten Kendell Carter beset­ze Eastwood übri­gens mit sei­ner Tochter Francesca.
„Dieser Film ist bei wei­tem stär­ker als die bei­den letz­ten, und wenn sich her­aus­stellt, dass es sein letz­ter Film als Regisseur ist, wie gemun­kelt wird, dann tritt er mit einem Knall ab“
Manohla Dargis | New York Times

Credits:

US 2024, 114 Min., engl. OmU
Regie:
Clint Eastwood
Kamera: Yves Bélanger
Schnitt: Joel Cox, David Cox
mit: Nicholas Hoult, Toni Collette, J.K. Simmons, Zoey Deutch, Kiefer Sutherland, Francesca Eastwood, Chris Messina

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Soundtrack to a Coup d’Etat

Ein Film von Johan Grimonprez.

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Im Grunde ist die­ser Film eine Zumutung: Er ist lang, schnell und wütend, und er ent­hält eine Überfülle an Informationen. Mit einer unglaub­lich umfang­rei­chen Materialsammlung aus Film- und Fernsehbildern, Reportagen, mit geschicht­li­chem und geo­po­li­ti­schem Hintergrundwissen gelingt hier eine Verdichtung der sechs Monate von der Unabhängigkeit Kongos von Belgien bis zur Ermordung des ers­ten Ministerpräsidenten der Demokratischen Republik Kongo, Patrice Lumumba. Im Zuge der Dekolonisierung wuchs die Zahl der Mitgliedsstaaten der UN Anfang der 1960er Jahre schnell aufs drei­fa­che an, wodurch ein Machtverlust der bis­he­ri­gen Mitglieder droh­te. Viele der neu­en Staaten wur­den von sozia­lis­ti­schen Regimen unter­stützt, was die west­li­che Seite nicht hin­neh­men konn­te, zumal wert­vol­le Bodenschätze zur Disposition stan­den. Anhand rasan­ter Bild- und Tonmontagen führt Johan Grimonprez eine hoch­in­ter­es­san­te stra­te­gi­sche Antwort der USA vor. Ein beein­dru­cken­des und span­nen­des Werk, auf­wüh­lend und lei­der immer noch aktuell.

Dieser detail­rei­che und fas­zi­nie­ren­de Film springt zwi­schen Zeitebenen und Kontinenten hin und her. Er zeigt, wie die CIA unwis­sen­de Jazzmusiker (z. B. Louis Armstrong) als Ablenkungsmanöver ein­setzt, um ihre poli­ti­schen Einmischungen in ver­schie­de­nen Ländern zu ver­schlei­ern. Es geht um die unglaub­li­che Andrée Blouin – Frauenrechtsaktivistin, Lumumbas Beraterin und Redenschreiberin … .Es gibt Werbeeinblendungen für iPhones und Teslas, die zei­gen, wie die Bodenschätze der Demokratischen Republik Kongo das Land zu einem begehr­ten Ziel für die Kolonialmächte mach­ten, und die die Vergangenheit mit der aktu­el­len Geschichte ver­knüp­fen. Informativ, gründ­lich recher­chiert, aber nie tro­cken oder didak­tisch, ist dies eine phä­no­me­na­le Leistung von Grimonprez, der auch sein eige­nes Land für sei­ne beschä­men­de Rolle in die­ser trau­ri­gen Geschichte zur Rechenschaft zieht.“
Wendy Ide | The Guardian

Credits:


BE/FR/NL 2024, 150 Min., engl., frz. OmU, 

Regie: Johan Grimonprez
Schnitt: Rik Chaubet

mit: Patrice Lumumba, Louis Armstrong, Andrée Blouin, Nina Simone, Nikita Krutschev, Eisenhower, Fidel Castro, Duke Elligton

Trailer:
Soundtrack to a Coup d’Etat – Official Trailer
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Filmstunde_23

Ein Film von Jörg Adolph, Edgar Reitz. In Deutsch.

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Im Jahr 1968 ver­wan­delt sich ein Klassenzimmer eines Münchner Mädchengymnasiums unter Leitung des jun­gen Edgar Reitz in ein Filmstudio. Die Filmstunde beginnt: der ers­te in der Filmgeschichte doku­men­tier­te Versuch, Filmästhetik als eigen­stän­di­ges Fach zu unter­rich­ten. 2023 wird Edgar Reitz, mitt­ler­wei­le welt­be­rühm­ter Regisseur des Filmepos Heimat, von einer älte­ren Dame ange­spro­chen, die sich als eine der dama­li­gen Schülerinnen zu erken­nen gibt. Sie ver­ab­re­den ein Klassentreffen. Montiert aus einem Dokumentarfilm über das dama­li­ge Projekt, den Super-8-Filmen der Schülerinnen und dem gefilm­ten Wiedersehen im Jahr 2023, ent­steht eine Art Langzeitbelichtung der letz­ten 55 Jahre Filmgeschichte. Zeigt sich die Persönlichkeit der Schülerinnen bereits in den Übungsfilmen? Und was sagen die Damen zur Filmkultur der Gegenwart? Filmstunde_23 ist eine Liebeserklärung an das Filmemachen.

Credits:

DE 2024, 89 Min.,
Regie: Jörg Adolph, Edgar Reitz

Kamera: Matthias Reitz-Zausinger, Markus Schindler, Daniel Schönauer, Thomas Mauch (1968), Dedo Weigert (1968)
Schnitt: Jörg Adolph, Anja Pohl

Trailer:
FILMSTUNDE_23 – Offizieller Trailer
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Nan Goldin – I Remember Your Face

Ein Film von Sabine Lidl.

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Anlässlich der Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie bie­ten wir allen kurz vorm Höhepunkt der Feierlichkeiten eine Erholungspause vom Weihnachtstrubel an:
Nan Goldin ist kei­ne gewöhn­li­che Künstlerin. Für die renom­mier­te Fotografin ver­schmel­zen Privatleben und Beruf voll­stän­dig – auf ihrem Lebensweg por­trä­tiert sie die Menschen, die sie auf die­sem beglei­ten. Goldin trifft in die­sem Dokumentarfilm unter Anderem alte Freunde, und erzählt von ihren wil­den Jahren in Berlin, ihrer Familie und ihrer Sammel-Leidenschaft reli­gi­ös kon­no­tier­ter Kunst. Der Film von Sabine Lidl ent­stand bereits 2013, vor Goldins Oxycodon-Abhängigkeit, die im Film All the Beauty and the Bloodshed the­ma­ti­siert wird, und ist nun erst­mals regu­lär im Kino zu entdecken.

Credits:

DE 2023, 62 Min., engl. OmU
Regie & Kamera: Sabine Lidl

Schnitt: Barbara Gies
mit: Nan Goldin, Clemens Schick, Käthe Kruse, Joachim Sartorius, Piotr Nathan, Christine Fenzl, Guido Costa, Jack Ritchey, Thomas Dupal

Trailer:
NAN GOLDIN – I REMEMBER YOUR FACE | Trailer
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Tracing Light – Die Magie des Lichts

Ein Film von Thomas Riedelsheimer.

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Jeder glaubt zu wis­sen, was Licht ist“, sagt der Quantenphysiker Daniele Faccio. „Aber dann gräbt man ein biss­chen tie­fer und merkt, dass man kei­ne Ahnung hat.“
Tracing Light – Die Magie des Lichts erkun­det in fas­zi­nie­ren­den Bildern und Begegnungen das wohl bedeu­tends­te aller Naturphänomene. Thomas Riedelsheimer, des­sen Filme Rivers and Tides und Touch The Sound wir lie­ben, blickt dies­mal mehr als dort auch auf eine künst­le­ri­sche Herangehensweise an das Wesen des Lichts, die mit der Forschung zusam­men­geht. So bringt er her­aus­ra­gen­de Wissen- schaftler:innen mit Künstler:innen zusam­men, die mit Licht arbei­ten, und sich fra­gen: Was ist Licht als Material? Wie ver­hält es sich in sei­ner rät­sel­haf­ten Doppelgestalt als Welle und Teilchen? Verändert sich Licht, wenn wir es sehen? In wel­chem Verhältnis ste­hen Licht, Raum und Zeit? Wie prägt unse­re Wahrnehmung des Lichts unser Verständnis der Welt?
Im Zusammenspiel mit sei­nen cha­ris­ma­ti­schen Protagonist:innen und der kon­ge­nia­len Filmmusik von Fred Frith (nb – ab 6.3. als WA im Kino: Step across the Border) und Gabby Fluke-Mogul machen Thomas Riedelsheimers fas­zi­nie­ren­de Bilder das Licht in sei­nen unzäh­li­gen Facetten, Erscheinungen und Formen, in all sei­ner Komplexität erfahr­bar.
„Zwischen den Forscherinnen des Max-Planck-Instituts in Erlangen und der ’Extreme Light Group‚ der Universität Glasgow sowie inter­na­tio­nal renom­mier­ten Künstlerinnen wie Ruth Jarman, Joe Gerhardt, Julie Brook, Johannes Brunner und Raimund Ritz ent­wi­ckelt sich ein intel­lek­tu­ell-poe­ti­sches Pingpong-Spiel. In des­sen Verlauf füh­ren die ver­schie­de­nen Perspektiven auf das Thema Licht auf allen Seiten zu Erkenntnissen, die ohne die­ses metho­di­sche Cross-over kaum ent­stan­den wären: von Laserkraft und Farbpigmenten, von schwar­zen Löchern und schwe­ben­den Skulpturen. In kur­zen Momenten mögen Unkundige sogar eine Vorstellung von den gemein­hin als nicht-dar­stell­bar gel­ten­den Regeln der Quantenphysik bekom­men.“
Luc-Carolin Ziemann | Dok-Leipzig (Eröffnungsfilm 2024)

Credits:

DE/GB 2024, 99 Min., engl./dt. Originalfassung mit deut­schen und eng­li­schen Untertiteln
Regie, Kamera, Schnitt: Thomas Riedelsheimer

Musik: Fred Frith, gab­by flu­ke-mogul

Trailer:
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Die Saat des heiligen Feigenbaums

Ein Film von Mohammad Rasoulof.

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Kurz nach­dem Iman zum Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht beför­dert wur­de, erstarkt nach Jina Mahsa Aminis Tod die Protestbewegung im Land. Während er mit dem Druck des neu­en Jobs zu kämp­fen hat, enga­gie­ren sich sei­ne Töchter bei den Protesten. Seine Frau Najmeh wie­der­um ver­sucht ver­zwei­felt, die Familie zusam­men­zu­hal­ten.
Regisseur Mohammad Rasoulof hat viel Zeit sei­nes Lebens in Unfreiheit ver­bracht, im Gefängnis, unter Hausarrest oder mit Ausreiseverbot, dazu kommt das Berufsverbot. Umso erstaun­li­cher ist nicht nur, dass er über­haupt noch dreht, und, dass sei­ne Arbeiten immer direk­ter, gewag­ter wur­den. Während „Iron Island“ von 2005 noch als mehr­deu­ti­ge Allegorie erscheint, und „The White Meadows“ (2009) para­bel­haf­te Fantasie ist, geht der auto­bio­gra­fisch gepräg­te „Goodbye“ (2011), schon wesent­lich direk­ter auf die sub­ver­si­ve staat­li­che Repression ein. Der Thriller „Manuscripts don‘t burn“ (2013) ver­klau­su­liert nichts mehr. Die Geschichte über die Geheimdienst-Morde an Schriftstellern hat sogar einen rea­len Hintergrund. In „A Man of inte­gri­ty“ (2017) geht es um Korruption, der Berlinale-Gewinner „There is no Evil“ ver­knüpft vier per­sön­li­che Schicksale mit den poli­ti­schen Gegebenheiten.
Nach Verhängung einer mehr­jäh­ri­gen Haftstrafe und Peitschenhieben konn­te Rasoulof aus dem Iran flie­hen und „Die Saat des hei­li­gen Feigenbaum“ beim Wettbewerb in Cannes per­sön­lich vor­stel­len. Natürlich steht die Familie, die sich auf­grund der poli­ti­schen Entwicklungen ent­zweit, stell­ver­tre­tend für die ira­ni­sche Gesellschaft, aber die Vorkommnisse sind durch­aus real.
,Die Saat des hei­li­gen Feigenbaums‘ wird Deutschland bei den Oscars ver­tre­ten. Die Jury: der Film ist das Psychogramm der auf Gewalt und Paranoia auf­ge­bau­ten Theokratie des Iran. … Ein meis­ter­haft insze­nier­ter und berüh­rend gespiel­ter Film, der Szenen fin­det, die blei­ben. Die bei­den auf­be­geh­ren­den Töchter ste­hen für die muti­gen Frauen des Iran und ihren auf­op­fe­rungs­vol­len Kampf gegen die Patriarchen ihrer Familien wie ihres Staates. Er ist eine her­aus­ra­gen­de Arbeit eines der gro­ßen Regisseure des Weltkinos, der in Deutschland Schutz gefun­den hat vor staat­li­cher Willkür im Iran. Wir sind sehr froh dar­über, Rasoulof sicher in unse­rem Land zu wissen.

Credits:

IR, DE, FR 2024, 168 Min., far­si OmU
Regie: Mohammad Rasoulof
Kamera: Pooyan Aghababaei
Schnitt: Andrew Bird
mit Missagh Zareh, Soheila Golestani, Mahsa Rostami, Setareh Maleki, Niousha Akhshi

Trailer:
The Seed of the Sacred Fig – Trailer OV/d
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