Drei Freundinnen machen zusammen Quatsch, haben eine Idee, verkleiden sich und zücken die Handykamera. Zu „Losing My Religion“ performen Yesmin (Melina Benli), Bella (Law Wallner) und Nati (Maya Wopienka) im Hijab. Nur eine von ihnen, die Kurdin Yesmin, trägt im echten Leben Kopftuch, und sie gibt die Regieanweisungen. Aber als Bella das Video ins Internet stellt, ohne Yesmin zu fragen, wird aus dem Akt der Freiheit und Selbstverwirklichung zusehends eine Last. Yesmin fühlt sich entfremdet – vom Glauben, der Familie und vor allem von Bella und Nati, die nicht fähig oder willens sind, sich selbst zu reflektieren. Das preisgekrönte Langspielfilmdebüt SONNE der kurdisch-österreichischen Regisseurin Kurdwin Ayub, die aus dem Irak stammt, erregte dieses Jahr viel Aufmerksamkeit und wird als „Zäsur im österreichischen Film“ (Diagonale) gehandelt. SONNE ist ein brandaktueller, selbstbewusster Film mit einer starken Handschrift. Der Instagram-Stil, also die Bildsprache von Yesmin und ihren Altersgenoss*innen, die sich mit der des Films untrennbar vermischt, wirkt realistisch und verfremdend zugleich. Mit viel improvisatorischem Wagemut zeigen die Schauspielerinnen, wie dumm und eklig, wie mutig und klug Teenagermädchen sein können. Auch gemessen am Seidl-Oeuvre (Seidls Produktionsfirma hat den Film produtziert) ist SONNE ein Film, der kompromisslos erzählt und trotzdem herzlich ist, der Stellung bezieht, aber nicht nur Leere hinterlässt.
Text: Eva Szulkowski | Indiekino.de
„Kurdwin Ayubs SONNE ist der beispiellose Film seiner Generation, drängend relevant in Form und Inhalt, die ironische Dekonstruktion jedweder Authentizität.“
Diagonale
Credits:
AT 2021, 88 Min.,
Regie & Buch: Kurdwin Ayub
Kamera: Enzo Brandner
Schnitt: Roland Stöttinger
mit Melina Benli, Law Wallner, Maya Wopienka
Trailer:
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