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Farewell Halong

Ein Film von Đức Ngô Ngọc.

Misstrauen und Angst vor der nahen­den Umsiedlung ver­brei­ten sich unter den Bewohnern eines schwim­men­den Dorfes in der Halong Bucht. Das Leben inmit­ten des male­ri­schen Idylls grün­be­wach­se­ner Inseln und Felsen wird getrübt vom größ­ten Umsiedlungsprogramm im Norden Vietnams, das 2014 zuguns­ten des Umweltschutzes und des Tourismus‘ umge­setzt wird.
Viele Familien leben bereits seit Generationen in den schwim­men­den Dörfern. Sie bewoh­nen Holzhäuser, die auf Flößen errich­tet wur­den. Ihr ein­fa­ches Leben bestrei­ten sie mit Fischzucht und Diensten für die Tourismusbranche. Das Wissen um die bevor­ste­hen­de Umsiedlung weckt Erinnerungen in den Bewohnern – Geschichten von Armut, mensch­li­chem Miteinander, Schicksalsschlägen und dem Aufbau der eige­nen Existenz. Der neu­en Zukunft auf dem Festland schau­en sie miss­trau­isch und schmerz­voll ent­ge­gen. – Die Welle des Wirtschaftswachstums erfasst seit den 1990ern das sozia­lis­ti­sche Vietnam und schwemmt letzt­lich die Bewohner der schwim­men­den Dörfer in eine unge­wis­se Zukunft. (aus dem Katalog Filmfestival Cottbus)
Der Film gewann den Dialogpreis für die Verständigung zwi­schen den Kulturen.


 
Credits:
D 2016, 98 Min., viet­nam. OmU

Regie, Buch: Đức Ngô Ngọc
Kamera: Phạm Ngọc Lân
Montage: Gudrun Steinbrück, Tiến Đạt Nguyễ
 
Termine:
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Isle of Dogs

Ein Film von Wes Anderson.

Dass nur vier Jahre nach „The Grand Budapest Hotel“ erneut eine Berlinale mit einem Film von Wes Anderson eröff­net, hat frag­los auch damit zu tun, dass das ein­fluss­rei­che Medienboard Berlin-Brandenburg Geld in bei­de Produktionen steck­te, Hauptgrund ist aller­dings zwei­fels­oh­ne, dass es Anderson wie kaum ein ande­rer Regisseur ver­steht, fas­zi­nie­ren­de Oberflächen zu kre­ieren, hin­ter denen – wenn man mag – viel­fäl­ti­ge Subtexte zu ent­de­cken sind.

Die Oberfläche von „Isle of Dogs“ ist dies­mal beson­ders atem­be­rau­bend, denn zum zwei­ten Mal nach „Der fan­tas­ti­sche Mr. Fox“ hat Anderson einen Animationsfilm gedreht, im klas­si­schen Stop-Motion-Verfahren, durch des­sen hand­ge­mach­te Qualität die unge­fähr einen hal­ben Meter gro­ßen Figuren eine bemer­kens­wer­te Lebensnähe bekom­men. Den Hunden in ers­ter Linie, denn um des Menschen bes­ten Freund geht es in die­sem Abenteuer bzw. um eine Welt, in der die­se Freundschaft zer­bro­chen ist.

In einem leicht futu­ris­ti­schen Japan, der Metropole Megasaki spielt die Geschichte, eine Stadt, die vom mäch­ti­gen Kobayashi-Clan beherrscht wird, der eine beson­de­re Vorliebe für Katzen hat. Dementsprechend schwer haben es die Hunde, die zuneh­mend unter Diskriminierung lei­den, aber auch an einer ende­mi­schen Hunde-Grippe, einem Problem, das Kobayashi mit einer extre­men Entscheidung lösen will: Alle Hunde sol­len ins Exil abge­scho­ben wer­den, auf eine Müllinsel, wo sie fort­an ohne ihre mensch­li­chen Herrchen existieren.

Allein der 12jährige Atari will sich nicht damit abfin­den, dass sein Hund Spots ins Exil geschickt wur­de. Doch sei­ne Rettungsaktion schei­tert, bis er von einer Gruppe Hunden mit so klin­gen­den Namen wie Chief, King, Rex und Boss gefun­den und qua­si adop­tiert wird. Doch wäh­rend sich die meis­ten Hunde dar­über freu­en, end­lich wie­der einem Herrchen gehor­chen zu dür­fen, ver­wei­gert der Streuner Chief die Gefolgschaft. Er lehnt jeg­li­che Unterwerfung unter die Menschen ab, was wie­der­um Atari über­aus irri­tiert. In Megasaki schmie­det Kobayashi der­weil fins­te­re Pläne und plant, dem Hundeproblem end­gül­tig Herr zu wer­den: Mittels Vernichtungslager.

Fast schon fri­vol mutet es an, wenn über solch einem Lager, ein leicht gerun­de­tes, schmie­de­ei­ser­nes Schild hängt, auf dem man „Welcome Dogs“ lesen kann, in unver­kenn­ba­rer Anspielung an das „Arbeit macht frei“-Schild in deut­schen Konzentrationslagern. Doch ehe man sich fra­gen kann, ob solch eine Anspielung viel­leicht etwas schwie­rig ist, ist Wes Anderson längst drei, vier Einfälle wei­ter, reißt der kaum zu Ruhe kom­men­de Fluss von „Isle of Dogs“ wei­ter, wei­ter zu den nächs­ten fan­tas­ti­schen Bildern, voll­ge­stopft mit Anspielungen an japa­ni­sche Filme, die Popkultur, aber auch an die Großmeister der japa­ni­schen Animation von Hokusai bis Miyazaki.

In einer Sichtung ist kaum zu erfas­sen, mit wel­chen Reichtum an Bildern und Verweisen Anderson die 100 Minuten sei­nes Films gefüllt hat, die er in sei­nen typi­schen zen­trier­ten Tableaus, mit Reißschwenks und Parallelfahrten insze­niert. Eine Vielfalt, die sich auch in den Geschichten spie­gelt. Um die Beziehung zwi­schen Mensch und Tier geht es, vor allem aber um das Verhältnis von Lebewesen im Allgemeinen, um Vorurteile und Diskriminierung, Exil und Vertreibung. Zeitgemäße Themen, die in „Isle of Dogs – Ataris Reise“ aber nie­mals didak­tisch ver­han­delt wer­den, son­dern auf mit­rei­ßen­de, enorm phan­ta­sie­vol­le Weise erzählt werden.
Michael Meyns | programmkino.de

Credits
USA 2018, 101 Min., engl. japan. OmU

Regie & Buch: Wes Anderson
Kamera: Tristan Oliver
Animation: Mark Waring
Montage: Andrew Weisblum

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Layla M.

Ein Film von Mijke de Jong.

Weißt du nicht, was Abseits ist?“ geht die Linienrichterin den Schiedsrichter an, nach­dem der ihre Fahne nicht berück­sich­tigt hat. „Warum ist es immer so ein Theater mit Leuten wie euch“ gibt der zurück. Layla, die Linienrichterin, sieht dies als kla­ren Angriff auf ihre marok­ka­ni­sche Herkunft und ihre Religion. Die jun­ge Muslima ist in Amsterdam gebo­ren und auf­ge­wach­sen und nimmt den Rassismus und Sexismus um sie her­um emp­find­lich genau wahr. Mijke de Jong zeigt sie als klug, auf­brau­send, dick­köp­fig und selbst­be­wusst. Mit vie­len Gleichaltrigen teilt sie einen tie­fen Gerechtigkeitssinn, und ihre all­täg­li­chen Erfahrungen las­sen sie immer mehr an der Darstellung der poli­ti­schen Verhältnisse durch die Mehrheitsgesellschaft zwei­feln. Rebellion durch Religion scheint für die Abiturientin der Ausweg. Aufregende Aktionen, ehr­li­che Ziele, auf­rich­ti­ge Freundschaften und vor allem der gleich­ge­sinn­te Abdel, mit dem sie hef­tig flir­tet – Layla fühlt sich im Dschihadismus weit bes­ser auf­ge­ho­ben als im libe­ral-ange­pass­tem Elternhaus. Leidenschaftlich und vol­ler Tatendrang bringt sie sich hier ein, ver­öf­fent­licht Filme im Internet und erstellt poli­ti­sche Flyer, the­ma­ti­siert den Horror in Syrien und Grausamkeiten in Gaza.
Nach einer Verhaftung sieht Layla kei­ne ande­re Möglichkeit als von Zuhause weg­zu­lau­fen. Sie hei­ra­tet Abdel, es ist eine Liebesheirat von bei­den Seiten. In den Flitterwochen streicht das Paar durchs Land, arbei­tet mis­sio­na­risch und sam­melt Spenden. Dann müs­sen sie in den Nahen Osten flie­hen. Als Layla die­se für sie völ­lig neue Welt betritt, ent­wi­ckelt sich ihr Leben ganz rasch ganz anders, als sie erwartete.

Mijke de Jongs Auseinandersetzung mit Radikalisierung und Identität zeich­net sich durch die intel­li­gen­te Herangehensweise an das kom­ple­xe Sujet, die aus­ge­feil­ten Bilder des Kameramanns Danny Elsen und die umwer­fen­de Performance der Newcomerin Nora el Koussour aus.” Screen International

Credits:
Nl/B/D 2016, 96 Min., nl., engl., dt. OmU
Regie: Mijke de Jong
Buch: Jan Eilander & Mijke de Jong
Kamera: Danny Elsen
Schnitt: Dorit Linken
Darsteller: Nore El Koussour, Ilias Addab, Hassan Akkouch, Yasemin Cetinkaya, Husam Chadat, Karl Ferlin

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Layla M. trai­ler | BFI London Film Festival 2016

Reşeba – The Dark Wind

Ein Film von Hussein Hassan. 

Shingal im Nordirak: Kurz nach­dem sich Reko (Rekish Shahbaz) und Pero (Dimen Zandi) ver­lobt haben, wird ihre Stadt von IS-Kriegern über­fal­len. Der Angriff for­dert vie­le Tote und die jesi­di­schen jun­gen Frauen wer­den ver­schleppt. Darunter auch Pero. Nachdem die Frauen von den Terroristen ver­ge­wal­tigt wur­den, wer­den sie auf dem Sklavenmarkt zum Verkauf ange­bo­ten. Reko begibt sofort auf die Suche nach sei­ner Verlobten – und fin­det sie eini­ge Zeit spä­ter in Syrien. Mit der Rettung in ein Flüchtlingscamp, in dem auch Rekos und Peros Familien mitt­ler­wei­le leben, ist Peros Leid aller­dings noch nicht zu Ende. Denn wegen der Vergewaltigung betrach­ten sie eini­ge Angehörige ihrer Gemeinde nun als „unrein“.

Der kur­di­sche Schauspieler und Regisseur Hussein Hassan berich­tet von wah­ren Begebenheiten. Im Sommer 2014 rich­te­te der IS in der von Jesiden bewohn­ten Stadt Sindschar (Region Shingal) ein Massaker an und ver­schlepp­te die jun­gen Frauen. „Reseba“ ist der ers­te Spielfilm, der sich the­ma­tisch mit dem Völkermord an der Bevölkerungsgruppe der Jesiden aus­ein­an­der­setzt und die Verbrechen an ihnen in aller Deutlichkeit zeigt. Es ist Hussein Hassans drit­ter Spielfilm.

Reseba“ ist des­halb ein so wich­ti­ger Film, da er als einer der weni­gen bis­her die gan­ze Härte und Barbarei der IS-Terroristen zeigt. Und wie sie auf ihren Feldzügen der reli­giö­sen und eth­ni­schen Säuberungen eis­kalt und rigo­ros gan­ze Gemeinschaften aus­lö­schen. Regisseur Hassan gibt sich aller­dings kei­nem aus­ufern­den Voyeurismus hin, son­dern wahrt den Respekt vor den Jesiden. Das gelingt ihm z.B., in dem er die wahl­lo­sen Erschießungen und Gräueltaten beim Überfall nur aus der Ferne zeigt. Blut ist im Film fast kei­nes zu sehen, aber das Betrachten der Ereignisse aus siche­rer Entfernung genügt, um das her­ri­sche, erbar­mungs­lo­se Vorgehen der selbst­er­nann­ten Gotteskrieger zu ver­deut­li­chen. Immer wie­der nutzt Hassan gera­de auch in die­sen ers­ten, hek­ti­schen Minuten die Handkamera, um das Geschehene ein­zu­fan­gen. Ein geschick­ter Schachzug, der die Sequenzen noch dring­li­cher erschei­nen lässt.

Viele Sequenzen und Momente im Film bren­nen sich ganz beson­ders ins Gedächtnis. Etwa ganz zu Beginn, wenn die IS-Krieger – kom­plett in schwarz gehüllt und die Waffen im Anschlag – mit ihren Jeeps in Richtung der Stadt fah­ren. Es sind die letz­ten Sekunden, bevor der Sturm los­bricht. Oder wenn die von der IS gefan­gen genom­me­nen Frauen in Reih und Glied abge­führt wer­den. Die Frauen sind alle­samt jung und attrak­tiv und damit wis­sen sie ganz genau, was ihnen blüht. Ihre Gesichter im Moment des Abtransports spre­chen eine deut­li­che Sprache.

Es ist kon­se­quent und rich­tig, auch in sol­chen Augenblicken die Gestik und Mimik der Frauen in all ihrer Verzweiflung zu zei­gen, um den Zuschauer direkt mit dem Leid der Opfer zu kon­fron­tie­ren. Doch auch hier wahrt Hassan wie­der Distanz, in dem er die Gesichter nicht in Einzel- und Großaufnahme zeigt son­dern die Frauen aus der Ferne ins Bild rückt. Die ers­te Hälfte des Films wird bestimmt vom Überfall sowie den (ent­wür­di­gen­den und abscheu­li­chen) Vorgängen auf dem Sklavenmarkt, auf dem die Frauen wie Vieh feil gebo­ten werden.

Die zwei­te Hälfte wid­met sich vor allem dem Kampf der gepei­nig­ten und geschän­de­ten Pero (elek­tri­sie­rend in ihrer Darstellung: Dimen Zandi), zurück ins Leben zu fin­den. Und ihren Versuchen, wie­der von ihrer Gemeinschaft akzep­tiert zu wer­den. Dass sie sich aller­dings über­haupt erst dar­um bemü­hen muss, offen­bart letzt­lich auch die Rückständigkeit sowie die anti­quier­ten Ansichten und Strukturen eini­ger Vertreter die­ser Glaubensgemeinschaft. Eine wei­te­re wich­ti­ge Erkenntnis.

Björn Schneider | Programmkino.de

Irak, Deutschland, Syrien, Katar 2016, 92 Min., OmU
Regie: Hussein Hassan
Drehbuch: Mehmet Aktaş, Hussein Hassan
Darsteller: Rekish Shahbaz, Dimen Zandi, Maryam Boobani, Nalin Kobani, Helket Idris

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RESEBATHE DARK WIND Official Trailer

spk Komplex

Ein Film von Gerd Kroske.

Das 1970 in Heidelberg gegrün­de­te anti­psych­ia­tri­sche Sozialistische Patientenkollektiv (SPK) führ­te indi­vi­du­el­les Leiden auf die kapi­ta­lis­ti­schen Strukturen der Gesellschaft zurück. Es begann als selbst­or­ga­ni­sier­tes grup­pen­the­ra­peu­ti­sches Experiment des Arztes Wolfgang Huber mit Psychiatriepatienten, betrieb Hegel-Lektüre und Einzelagitation, radi­ka­li­sier­te sich poli­tisch und ende­te mit Strafprozessen und dem Abtauchen eini­ger Mitglieder in der RAF. Ein wenig bekann­tes Kapitel west­deut­scher Geschichte wird hier unprä­ten­ti­ös und höchst beein­dru­ckend erschlos­sen. Anhand von auf­wen­dig recher­chier­ten Dokumenten wie Akten des Innenministeriums, der Universität, Pressefotos und TV-Beiträgen, bei Ausflügen nach Stammheim und Italien sowie in Gesprächen mit Ehemaligen von SPK bzw. RAF, Anwälten und Staatsschutz ent­steht ein prä­zi­ses Bild des gesell­schaft­li­chen Klimas im Deutschen Vor-Herbst. Vor allem aber kommt dank der gekonn­ten Gesprächsführung eine ech­te Begegnung mit den Menschen vor der Kamera zustan­de: Wie sie sich und das SPK rück­bli­ckend sehen, wo sie Zeugnisse aus jener Zeit her­vor­kra­men und ob ihr Widerstand ins Heute reicht – auch das geht in Kroskes Geschichtsschreibung ein.


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Credits:
Deutschland 2018, 111 Min., dt., ital. OmU
Regie: Gerd Kroske
Kamera: Susanne Schüle, Anne Misselwitz
Schnitt:Olaf Voigtländer, Stephan Krumbiegel

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Termine:
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Was uns bindet

Ein Film von Ivette Löcker. .

Gerade als ich geglaubt habe, end­lich mit mei­nen Gefühlen für mei­ne Eltern und mei­ne Herkunft im Reinen zu sein, ver­erbt mein Vater mir und mei­ner Schwester sein altes, bau­fäl­li­ges Bauernhaus. Das Erbe aus Stein soll uns wie­der an jenen Ort in den Salzburger Bergen bin­den, in dem wir auf­ge­wach­sen sind und in dem mei­ne Eltern immer noch leben. Ich lei­de unter Atemnot. Ich mer­ke: Die Auseinandersetzung mit mei­ner Familie hat nicht auf­ge­hört. Mit mei­ner Rückkehr beginnt ein neu­er Blick auf mei­ne Eltern.

Credits:
Österreich 2017, 102 Min.
Regie und Buch: Ivette Löcker
Kamera: Frank Amann
Schnitt: Michael Palm

Termine:

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Transit

Ein Film von Christian Petzold.

Christian Petzold hat eine Geschichte aus den vier­zi­ger-Jahren des letz­ten Jahrhundert genom­men und sie ins heu­ti­ge Marseille ver­setzt. In der Folge tau­chen in Sütterlinschrift geschrie­be­ne Briefe neben moderns­ter Polizeiausstattung auf, und vor heu­ti­gen Kreuzfahrtmonsterschiffen im Hafen wird über die aktu­el­le deut­sche Besatzung und Emigration gespro­chen. Dass es gelingt, dies weder geküns­telt noch auf­ge­setzt wir­ken zu las­sen, son­dern ledig­lich schö­ne klei­ne Irritationen aus­löst, ist eines der Besonderheiten der klu­gen Adaption von Anna Seghers titel­ge­ben­den Romans TRANSIT.
Georg ist offen­sicht­lich noch nicht lan­ge in Marseille und kommt unver­hofft zu den Papieren des bekann­ten Schriftstellers Weidel, der sich ange­sichts der aus­sichts­lo­sen poli­ti­schen Lage das Leben nahm. Mit die­sen Unterlagen könn­te sich Georg die Tickets für die wich­ti­ge Passage nach Mexiko besor­gen. Er trifft auf Marie, die Frau des Toten, die unter­des­sen eben­falls in Marseille auf eine Nachricht von ihrem Mann war­tet. Georg ver­rät ihr nichts, zum einen, um sei­ne Identität nicht preis­zu­ge­ben, zum ande­ren, da er Marie näher­kom­men möch­te. Sie hat aller­dings bereits einen Geliebten an ihrer Seite, den Arzt Richard. Beide sind bereit zur Flucht, aber sie will aber die Stadt nicht ver­las­sen, ohne über Weidel Bescheid zu wis­sen. Aber die Zeit drängt, und schon sin­gen die Talking Heads im Abspann von der ROAD TO NOWHERE.
Fluchtbewegungen damals und heu­te, unter­schied­lich gela­gert, Verlassen und ver­las­sen wer­den, räum­lich wie emo­tio­nal, und der Platz zwi­schen Verlassen und Ankommen – TRANSIT bringt sei­ne zahl­rei­chen Ebenen so schlüs­sig und ele­gant zusam­men, dass gar nicht direkt auf­fällt, wie kom­plex der Film ist.

»TRANSIT ist ein klug durch­kon­stru­ier­ter, von allem insze­na­to­ri­schem Tamtam befrei­ter Film über die Unfähigkeit zu ver­ges­sen.« Michael Kienzl | critic.de

Credits:
Deutschland 2017, 101 Min.
Regie: Christian Petzold
Buch: Christian Petzold, nach dem Roman von Anna Seghers
Kamera: Hans Fromm
Schnitt: Bettina Böhler

mit: Franz Rogowski, Paula Beer, Godehard Giese, Lilien Batman, Maryam Zaree, Barbara Auer, Matthias Brandt, Sebastian Hülk, Emilie de Preissac

Termine:

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Furusato

Ein Film von Thorsten Trimpop.

Ein fei­ner schwar­zer Staub ist das kon­kre­tes­te Artfakt einer meist unsicht­ba­ren Bedrohung, das wil­de Stakkato des Geigerzählers macht sie wahr­nehm­bar. Der Staub fin­det sich auf Straßen, Wiesen und Gebäuden in der japa­ni­schen Ortschaft Minamisōma, unweit des hava­rier­ten Atomkraftwerks Fukushima. Trotz aller Gefahr sind Menschen dort­hin zurück­ge­kehrt, wo sie ihr gan­zes Leben, zum Teil seit vie­len Generationen, ver­bracht haben und blei­ben wol­len. Tempel wer­den in Stand gehal­ten, Pferde, denen schon die Strahlenkrankheit zusetzt, gepflegt, ein Aktivist ver­sucht zu hel­fen und klagt zugleich an, ein Mitarbeiter des staat­li­chen Energiekonzerns will Rechenschaft able­gen. Im Nachbeben der Katastrophe ver­misst FURUSATO ein Verhältnis zwi­schen Technologie und dem, was man so Leben nennt. Eine Abschreitung zwei­er Landschaften, einer äuße­ren Natur, deren Beschädigung sich nur mit­tel­bar mani­fes­tiert, und einer inne­ren in Aufruhr, Betrachtungen zwi­schen Halbwertszeit und mensch­li­che­ren Dimensionen von Vergänglichkeit.

Credits:
Deutschland, USA 2016, 94 Min., japan. OmU
Regie: Thorsten Trimpop
Kamera: Thorsten Trimpop
Schnitt: Stefan Oliveira-Pita

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Festival der Demokratie

Ein Film von Lars Kollros, Alexandra Zaitseva. 

Am 7. und 8. Juli 2017 tra­fen sich die Regierungsvertreter*innen der EU und die 19 wich­tigs­ten Industrie- und Schwellenländer der Erde in Hamburg. Innensenator Andy Grote kün­dig­te das G20-Treffen als „Festival der Demokratie“ an. Über 30.000 Polizist*innen waren in der Stadt um das Treffen zu schüt­zen, 100.000 Menschen tra­fen sich, um dage­gen zu demons­trie­ren. In der Öffentlichkeit domi­nier­ten in den Tagen Bilder von bren­nen­den Barrikaden und ran­da­lier­den Gipfelgegnern die Berichterstattung, man sprach von „skru­pel­lo­sen Gewaltakten von Kriminellen“ (und mein­te damit nicht die Polizisten). Lars Kollros and Alexandra Zaitseva beglei­te­ten die Demonstrationen mit Ihren Kameras, sehen wir nach, was da los war.
 
D 2017 90 Min.
Regie: Lars Kollros, Alexandra Zaitseva
Kamera: Lars Kollros, AlexandraZaitseva, Alex Uhlig, Esther Lang
 

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True Warriors

Ein Film von Niklas Schenck und Ronja von Wurmb-Seibel.

Bei der Premiere eines Theaterstücks über Selbstmordanschläge im fran­zö­si­schen Kulturzentrum in Kabul sprengt sich ein jun­ger Selbstmordattentäter in die Luft, Manche Zuschauer klat­schen – sie hal­ten die Explosion für eine beson­ders rea­lis­ti­sche Inszenierung. Erst als Panik aus­bricht, ver­ste­hen alle was pas­siert ist. 3 Menschen ster­ben, 40 wer­den ver­letzt. Die Regisseure arbei­te­ten in Kabul mit der Theatergruppe zusam­men und beschlie­ßen nun, mit den Beteiligten die Auswirkungen des Attentates zu dokumentieren.

 

D 2017„90 Min., Engl., Dari OmU,
R.: Niklas Schenck, Ronja von Wurmb-Seibel