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Asche ist reines Weiß

Ein Film von Jia Zhang-Ke.

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Fast ein wenig lang­wei­lig ist es, die Filme von Jia Zhang-Ke Meisterwerke zu nen­nen, doch was will man machen?(Michael Meyns |programmkino.de)

Qiao (Zhao Tao) ist weib­li­ches Mitglied einer Gemeinschaft mit aus­ge­präg­ten mafiö­sen Strukturen, dem soge­nann­ten Jiang-Hu-Milieu – eine rei­ne Männergesellschaft mit star­ren, ritu­el­len und bru­ta­len Regeln. Im Verlauf einer Auseinandersetzung mit einem ver­fein­de­tem Clan ret­tet sie ihrem Geliebten Bin (Liao Fan) das Leben, wird ver­haf­tet und ver­büßt aus Loyalität und Liebe zu ihm eine fünf­jäh­ri­ge Haftstrafe. Nach ihrer Entlassung reist sie Bin in den Süden Chinas hin­ter­her, der inzwi­schen mit einer ande­ren Frau zusam­men ist.

Der Film spielt in der Zeitspanne von 2001 bis 2018. Er ist dar­in ein­ge­bet­tet und im Grunde nicht vor­stell­bar ohne den zeit­li­chen und poli­ti­schen Hintergrund. Die Erzählung ist unauf­lös­lich dar­in ver­zahnt. Die Figuren schei­nen ori­en­tie­rungs­los und ent­wur­zelt zu sein, als ob ein­zig ihre insta­bi­le Parallelwelt ihnen noch Halt bie­ten könn­te. Nicht umsonst spielt ein Teil des Films im Staudammgebiet am Jangtsekiang im Jahr 2006, in einer Welt, die kurz dar­auf ver­schwun­den sein wird:

Die rie­si­gen Wohnhäuser, die hier kilo­me­ter­lang das Ufer säu­men, wird es irgend­wann, sobald die Schleusen geöff­net wer­den, nicht mehr geben. Ein Ort mit einer Halbwertszeit, ein Ort, der nie rich­tig ent­ste­hen konn­te, weil er immer schon im Sterben lag. Die gigan­ti­schen natio­na­len Bauprojekte der Regierung set­zen hier eine gan­ze Welt aufs Spiel, eine Welt mit schwa­chen Wurzeln, eine Welt mit fest­ge­leg­ter Dauer.

Diese Episode aus Jias drei­ak­ti­gem Film ist die mit Abstand ein­drück­lichs­te. Hier ver­wächst sich Qiaos per­sön­li­che Geschichte am schöns­ten und zugleich gespens­tischs­ten mit dem poli­ti­schen Raum, in den sie ihre Kerben schlägt. Ihr ent­wur­zel­ter Zustand zwi­schen Vergangenheit und Zukunft kor­re­liert mit einem Raum, der aus kei­ner sta­bi­len Vergangenheit her­aus ent­stand und dem kei­ne Zukunft in Aussicht gestellt ist.”
(Lukas Stern/critic.de)

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Credits:

CN/FR 2018, 141 Min., chin. OmU
Regie: Jia Zhang-Ke
Kamera: Eric Gautier
Schnitt: Matthieu Laclau
mit: Tao Zhao, Fan Liao, Zheng Xu, Casper Liang

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Termine:

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ASH IS PUREST WHITELES ETERNELS (Official Trailer OV/d, f)

Der Boden unter den Füßen

Ein Film von Marie Kreutzer.

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Marie Kreutzers im Wettbewerb der Berlinale 2019 urauf­ge­führ­ter Film han­delt vom Gefühl der Unsicherheit, wenn sich der Boden unter den Füßen zu bewe­gen beginnt, statt die Füße auf dem Boden. Die Angst vor dem Fall führt zu Panik, die Panik zum Kontrollverlust und womög­lich fällt man. Lola ist Unternehmensberaterin und lernt die­se Unsicherheit ken­nen, zwi­schen mög­li­cher­wei­se objek­ti­ver und sub­jek­ti­ver Realität zu chan­gie­ren und sich nicht mehr sicher sein zu kön­nen. Das muß sie aber in einer Welt der Krokodile, die sie nicht zu genie­ßen scheint (im Gegensatz zu den männ­li­chen Kollegen), aber als Norm akzep­tiert und sich wie ein Eisbrecher durch 100 Std. Arbeitswochen, Konkurrenzkämpfe, dut­zen­de Hotelzimmer und einer noch ste­ri­le­ren eige­nen Wohnung bewegt. Ein Raum für Liebe und Privatleben scheint in Lolas Universum vor­han­den, sie lebt eine Hotelbeziehung mit ihrer Vorgesetzten Elise. Vielleicht ist das aber nur Teil ihrer Kosten/Nutzen Rechnung und deckt not­wen­di­ge Bedürfnisbefriedigung ab. Die ein­zi­ge Person, der sie wirk­lich ver­bun­den scheint, ist ihre älte­re Schwester Conny, die wegen ihrer Schizophrenie erneut in die Psychiatrie ein­ge­wie­sen wird. Sicher spie­gelt Conny auch die ande­re Seite von Lola. Marie Kreutzer schafft vie­le sol­cher Spielräume für ihre Hauptfigur und die Zuschauer, sie ermög­li­chen eine Annäherung an eine Person, die, gut bezahlt, Existenzen rui­niert und Menschen kaputt­macht. Aber es geht hier natür­lich um ein mensch­li­ches Grundprinzip, selbst aus­ge­dach­te Zwänge zu opti­mie­ren und ande­ren auf­zu­zwin­gen, um vor ärge­ren Befindlichkeiten geschützt zu sein. So ver­geht das Leben im Man Muß Ja Stadium, bis es aus­ge­stan­den ist.

Die Arbeit einer Unternehmensberatungsfirma, wo man ande­re Menschen ent­lässt und ein­spart, das war mir immer fremd, aber je inten­si­ver ich mich damit befasst hat­te, des­to kla­rer wur­de mir, dass es sich dabei um eine zuge­spitz­te Variante unse­rer Lebensrealität han­delt: Da ist es nun mal so, dass die Arbeit über allem steht. Dass es kei­nen Raum und auch kei­ne Zeit gibt, um wirk­lich ein Privatleben zu füh­ren. Eine her­kömm­li­che Partnerschaft oder Familie zu haben, ist fast unmög­lich. Da sieht man kon­zen­triert, wie unse­re Arbeitswelt funk­tio­niert und wie die meis­ten von uns arbei­ten, näm­lich immer zu viel und immer mit dem Anspruch, noch mehr zu leis­ten, auf allen Ebenen per­fekt zu sein und alles zu opti­mie­ren. Und dadurch auch nie­mals irgend­wo anzu­kom­men.“ Marie Kreutzer

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Credits:

AT 2019, 108 Min.,
Deutsche Originalfassung mit eng­li­schen Untertiteln.
Regie, Buch: Marie Kreutzer
Kamera: Leena Koppe
Schnitt: Ulrike Kofler
mit: Valerie Pachner Pia Hierzegger Mavie Hörbiger Michelle Barthel

Termine:

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Trailer:

Der Boden unter den Füßen Trailer Deutsch | German [HD]

Luft zum Atmen – 40 Jahre Opposition bei Opel in Bochum

Ein Film von Johanna Schellhagen/labournet.tv.

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1972 grün­de­ten ein paar Arbeiter und Revolutionäre bei Opel in Bochum die „Gruppe oppo­si­tio­nel­ler Gewerkschafter”(GoG). Die GoG exis­tier­te über 40 Jahre und hat mit ihrer radi­ka­len Betriebsarbeit den Widerstandsgeist in der Bochumer Belegschaft befeuert.

Als Betriebsräte gaben sie gehei­me Informationen an die Belegschaft wei­ter, sie sorg­ten für acht­stün­di­ge Betriebsversammlungen, kämpf­ten gegen Krankenverfolgung, orga­ni­sier­ten ihren eige­nen Bildungsurlaub und ver­such­ten sogar, auf eige­nen Faust direk­te inter­na­tio­na­le Solidarität zwi­schen den ver­schie­de­nen General Motors Belegschaften in Europa her­zu­stel­len, um sich gegen die Standorterpressungen in den 90er Jahren zur Wehr zu setzen.

Ihre radi­ka­len Aktivitäten kul­mi­nier­ten schließ­lich in einem der wich­tigs­ten Wilden Streiks deut­schen Nachkriegsgeschichte, als die Belegschaft im Oktober 2004 sechs Tage lang das Werk besetz­te und die Produktion in ganz Europa lahmlegte.

Ein Portrait von Kollegen, die sich Gehör verschafften.

Credits:
D 2019, 71 Min.
Ein Film von Johanna Schellhagen/labournet.tv

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Zu jeder Zeit

Ein Film von Nicolas Philibert.

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Der Ausbildung zur Pflegekraft – einem immer wich­ti­ger wer­den­den Beruf – hat sich Nicholas Philibert (Sein und Haben) in einer über­sicht­lich gro­ßen Pflegeschule in Paris dies­mal ange­nom­men. Wer sich für die­se kör­per­lich und psy­chisch anspruchs­vol­le, aber immer noch schlecht bezahl­te Tätigkeit ent­schei­det, braucht nach­voll­zieh­bar eine gro­ße Portion Enthusiasmus. Die jun­gen Menschen, eine diver­se, offen­sicht­lich aus vie­len ver­schie­de­nen Kulturkreisen zusam­men­ge­setz­te Gruppe, sind mit viel Engagement bei der Sache. In drei Teile geglie­dert, zeigt der dis­kret vor­ge­hen­de Film sie im Theorieunterricht, bei ers­ten prak­ti­schen Anwendungen am leben­di­gen Patienten und, fast die Hälfte des Films, bei Besprechungen mit Betreuern, wo Probleme und Erlebnisse der ver­schie­de­nen Praktika ver­han­delt wer­den. Nach den auch sehr humor­vol­len zwei ers­ten rührt die­ser Teil am meis­ten, kommt man doch Lage, Stellung und Befindlichkeiten der Auszubildenden näher und sieht, wie­viel Freude am Beruf die meis­ten ohne Personalmangel und gestress­te Vorgesetzte hät­ten. Gerne lei­det und lacht man mit, wird neu­gie­rig, Fragen zu eige­nen Fähigkeiten und Beurteilungen wer­den eben­so ange­scho­ben wie Gedanken zur per­sön­li­chen kör­per­li­chen wie psy­chi­schen Verletzlichkeit – ein zu Empathie anre­gen­der Film eben, der Freude macht.

… Zukünftigen Pflegenden, die dazu bestimmt sind, im Schatten zu blei­ben, eine Stimme zu geben, ihre Hingabe, Würde, aber auch ihre Ängste, Zweifel und Verletzlichkeit zu zei­gen, ist in sich selbst ein poli­ti­scher Prozess. …“ Nicolas Philibert

… Hierin liegt die Magie von Philiberts Filmen: sie sind poin­tiert, zärt­lich und beschei­den, sei­ne Kamera fängt Momente des Zweifelns und der Freude ein, klei­ne Dinge, die gemein­sam die Chronik eines klei­nen, von Respekt, Empathie und Neugier gepräg­ten Universums bil­den.“ Première

Credits:

De chaque instant
FR 2018, 105 Min., frz. OmU
Regie, Kamera, Schnitt: Nicolas Philibert 

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Frauen bildet Banden

Ein Film des FrauenLesbenFilmCollectifs LasOtras.

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Die „Rote Zora” war in den 1970er und 1980er Jahren eine mili­tan­te Frauengruppe in der BRD, die sich klan­des­tin orga­ni­sier­te. Entstanden ist die femi­nis­ti­sche Gruppe aus dem Kontext der Revolutionären Zellen. Ihre Aktivitäten rich­te­ten sich u.a. gegen die all­täg­li­che Gewalt gegen Frauen, gegen Gen- und Reproduktionstechnologien, Bevölkerungspolitik und inter­na­tio­na­le Ausbeutungsbedingungen als Ausdruck patri­ar­cha­ler Herrschaft. Zentral waren die Selbstermächtigung der FrauenLesben und der Bruch mit der zuge­schrie­be­nen Friedfertigkeit.

Erzählungen von ver­schie­de­nen Zeitzeuginnen, Interviews mit einer Historikerin und ehe­ma­li­gen Zoras las­sen die Geschichte der „Roten Zora” und der dama­li­gen Frauenbewegung wie­der leben­dig wer­den. Historische Aufnahmen der Frauen- und Studentinnen*bewegung in der BRD brin­gen Erinnerungen an die dama­li­gen Kämpfe zurück. FrauenLesben aus ande­ren Ländern berich­ten über ihre Begegnung mit die­ser Politik heute.

Der Film zeigt, dass vie­le Themen der Roten Zora hoch aktu­ell sind und bie­tet viel span­nen­den Diskussionsstoff zum heu­ti­gen Umgang mit die­ser Geschichte.

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Credits:

DE 2019, 77 Min.,
FrauenLesbenFilmCollectif LasOtras

Termine:

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Jibril

Ein Film von Henrika Kull.

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Maryam ist berufs­tä­tig, allein­er­zie­hend und steht fest im Leben. Dann begeg­net sie Jibril, der eine mehr­jäh­ri­ge Gefängnisstrafe absitzt. Schlummernde Sehnsüchte bre­chen auf und die bei­den stür­zen sich in eine stür­mi­sche Romanze – die außer­halb der Besuchszeiten vor­nehm­lich in ihren Köpfen statt­fin­det. Wie viel Substanz kann eine Beziehung unter die­sen Bedingungen ent­wi­ckeln? Wo ver­läuft die Grenze zwi­schen Projektion und blü­hen­der Liebe? Und hat letz­te­re die Kraft, Gefängnismauern zu über­win­den? Mit gro­ßer Nähe zu ihren Protagonist*innen geht Henrika Kull in ihrem Spielfilmdebüt die­sen Fragen nach.“ (Frauenfilmfest 2018)

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Credits:

DE 2018, 83 Min.,
Regie, Buch, Schnitt: Henrika Kull 
Kamera: Carolina Steinbrecher 
mit: Susana Abdulmajid Malik Adan ( Doua Rahal Emna El-Aouni Regina Schulte am Hülse

Termine:

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Trailer:

Jibril (Trailer) | missingFILMs | Kinostart: 09.05.2019

A Man of Integrity

Ein Film von Mohammad Rasoulof.

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Nein, lus­tig ist es auf dem Land auch nicht. Dabei sind Reza und Hadis mit ihrem klei­nen Sohn von Teheran fort­ge­zo­gen, weit weg in die schein­bar fried­li­che Gegend im Norden, um in Ruhe zu leben, aber man lässt sie nicht. Hadis hat zwar eine gute Stellung als Lehrerin in der ört­li­chen Mädchenschule gefun­den, und Reza baut eine klei­ne Fischfarm auf. Aber die Schulden vom Neuanfang drü­cken, und Reza möch­te ein kor­rup­ti­ons­frei­es und, abge­se­hen von ein wenig Schnapsbrennerei, ehr­li­ches Leben füh­ren. Das geht hier nicht wirk­lich zusam­men, zumal der ört­li­che Großunternehmer ein Auge auf ihren Besitz gewor­fen hat. Und der hat in der Gegend das Sagen, hat Mittel und Leute, sei­nen Willen durch­zu­set­zen. Hadis ver­sucht erfolg­los, ihren win­zi­gen Einfluss in der Gemeinde gel­tend zu machen, wäh­rend Reza jeg­li­che Anpassung stand­haft ver­wei­gert. Eine klas­si­sche Fragestellung: Wie weit kann ein Mensch sei­ne Integrität behal­ten, wenn er gegen ein kor­rup­tes und unge­rech­tes System antre­ten muss? Was ist er bereit, für sei­ne Würde zu bezah­len? Wann gibt er (sich) auf und passt sich der all­ge­gen­wär­ti­gen Unmoral an, schlägt zurück oder gibt nach? Kann man tat­säch­lich an den sys­tem­im­ma­nen­ten Verhältnissen etwas ändern?
Wie schon in sei­nem letz­ten Werk MANUSCRPITS DON‘T BURN (das die hei­mi­schen Behörden auch nicht moch­ten), arbei­tet Rasoulof neben einem rea­lis­ti­schen Zugang mit Spannungs- und Genre-Elementen. Und auch wenn er sei­nen Figuren ein opti­mis­ti­sche­res Ende gegönnt hät­te, sagt er, habe er wäh­rend des Schreibens die Wut sei­nes Protagonisten nicht zügeln können.

»Im Kern ist A MAN OF INTEGRITY die ira­ni­sche Version eines Westerns. Und zwar eines der nihi­lis­ti­schen, fast schon apo­ka­lyp­ti­schen Sorte, mehr Sergio Leone als John Ford.« Lukas Foerster, Wochenzeitung (CH)

Obwohl er ein uni­ver­sel­les Thema beschreibt, gibt die Tatsache, dass es ein ira­ni­scher Film ist, von einem Regisseur, über dem das Damoklesschwert einer Gefängnisstrafe hängt, dem Ganzen eine beson­de­re Dramatik. Rasoulof durf­te zwar zur Premiere nach Cannes und nahm dort den Preis UN CERTAIN REGARD ent­ge­gen, aber seit eini­ger Zeit ist ihm, der mit sei­ner Familie auch in Hamburg lebt, eine Ausreise nicht möglich.

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Credits:

Lerd, IR 2018, 117 Min., Frasi OmU
Regie: Mohammad Rasoulof
Schnitt: Meysam Muini, Mohammadreza Muini
Kamera: Ashkan Ashkani
mit: Reza Akhlaghirad, Nasim Adabi, Zeinab Shabani

Termine:

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Ray and Liz

Ein Film von Richard Billingham.

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Richard Billinghams Fotografien von sei­nem alko­hol­kran­ken Vater und sei­ner ket­ten­rau­chen­den, über und über täto­wier­ten Mutter – Ray and Liz, wie er sie lie­be­voll nennt – waren eines der Highlights der ein­zig­ar­ti­gen Ausstellung „Sensation“ von Charles Saatchi (in Berlin 1998 im Hamburger Bahnhof) über die spä­ten 1990er-Jahre. Der inzwi­schen renom­mier­te und aus­ge­zeich­ne­te Fotograf Billingham dreh­te etwas spä­ter bereits eine kur­ze Fernseh-Dokumentation über sei­ne Eltern. Nach rund 20 Jahren wur­de dann die Idee, sei­ne Kindheit in einen Spielfilm zu ver­wan­deln, umge­setzt. Im Wettbewerb von Locarno 2018 bekam das Werk durch sei­ne ausdrucksstarken,verstörend-realistischen Bilder viel Aufmerksamkeit und wur­de mit dem Spezialpreis der Jury aus­ge­zeich­net. In einem Vorort von Birmingham wursch­telt sich die Familie Billingham so wie vie­le ande­re irgend­wie ziel- und weit­ge­hend freud­los am Rande der Gesellschaft durch ein Leben, das bestimmt wird von Faktoren, die sich ihrer Kontrolle ent­zie­hen. In drei Episoden wer­den die mit­un­ter scho­ckie­ren­den und von ver­stö­ren­dem Humor gepräg­ten Erfahrungen einer Kindheit in einer Sozialwohnung im soge­nann­ten Black Country der 1990-er Jahre heraufbeschworen.

Ich glau­be nicht, dass es für ihn (R.B.) nur eine Art Katharsis ist. Nicht, nach­dem ich ihn ken­nen­ge­lernt habe. … Ich glau­be, er inter­es­siert sich für Ideen und Menschen und Situationen. Und ich weiß, das hört sich jetzt komisch an, aber soweit ich das beur­tei­len kann, ist er nie­mand, der tie­fe Ängste in sich trägt.“ Ella Smith (Liz)

Offensichtlich will er (R.B.) sich damit aus­ein­an­der­set­zen. Er hat die Fotos gemacht, jetzt macht er einen Film. Irgendetwas treibt ihn ja offen­sicht­lich dazu, sei­ne Kunst zu machen. Und doch geht er im Gespräch sehr lei­den­schafts­los und direkt damit um. Und genau da liegt der Widerspruch: Er will die­sen Film machen, die­se Fotos, sei­ne Kunst und hat ganz offen­sicht­lich etwas dazu zu sagen. Er kann es nur nicht in Worte fas­sen. Er braucht dazu sei­nen Film. Dieser Widerspruch war eine der prä­gends­ten Erfahrungen in der Arbeit zu die­sem Film.“ Justin Salinger (Ray)

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Credits:

GB 2018, 108 Min., engl. OmU
Regie: Richard Billingham 
Joshua Millard-Lloyd
Kamera: Daniel Landin 
Schnitt: Tracy Granger 
mit: Ella Smith , Justin Salinger , Patrick Romer , Deirdre Kelly , Tony Way , Sam Gittins

Termine:

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Trailer:

filmPOLSKA 2019

Das pol­ni­sche Filmfestival fin­det die­ses Jahr vom 25.4. – 1.5. statt. filmPOLSKA 2020 hier

Die Filme im fsk in chro­no­lo­gi­scher Reihenfolge:

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7 uczuć / 7 Emotions

Der Vollzeit-Neuotiker Adaś Miauczyński ent­deckt, dass er als Kind nicht gelernt hat, mit sie­ben ele­men­ta­ren Gefühlen umzu­ge­hen: Angst, Wut, Trauer, Freude, Ekel, Eifersucht und Scham.

PL 2018, 117 Min. poln. OmU, Regie: Marek Koterski, mit: Michał Koterskib (25.4. 20:00*)

Via Carpatia

Julia und Piotr, ein kin­der­lo­ses, mit­tel­stän­di­sches Ehepaar aus Warschau reist auf der Suche nach Piotrs Vater nach Mazedonien und zum Flüchtlingslager in Griechenland.

PL 2018, 75 Min., poln. OmU, Regie: Klara Kochańska, Kasper Bajon, mit: Julia Kijowska, Piotr Borowski, Dorota Pomykała (25.4. 22:15)

Fuga / Fuge

Eine star­ke, selbst­be­wuss­te Frau hat kei­ne Erinnerung an ihre Vergangenheit, bis eine TV-Sendung ihre Identität offen­legt. Nun ist sie zurück in den Armen ihrer Familie.

PL/CZ/SUI 2018, 100 Min., poln. OmU, Regie: Agnieszka Smoczyńska, mit: Gabriela Muskała, Łukasz Simlat (26.4. 20:00*)

Atak paniki / Panic Attack

Ein Episodenfilm über eine Reihe von gewöhn­li­chen Menschen, die in all­täg­li­chen Situationen unver­mit­telt aus der Bahn gewor­fen werden.

PL 2017, 100 Min., poln OmU, Regie: Paweł Maślona, mit: Artur Żmijewski, Dorota Segda, Nicolas Bro (26.4. 22:00)

Wilkołak / Werewolf

Ein Thriller um Werwölfe und Nazis am Ende des 2. Weltkrieges.

PL, NED, DE 2018, 88 Min., poln. OmeU, Regie: Adrian Panek, mit: Kamil Polnisiak, Nicolas Przygoda, Sonia Mietielica (27.4. 20:00*)

Jeszcze dzień życia / Another Day of Life 

Infos hier  (27.4. 22:00)

Córka tre­ne­ra / A Coachs’s Daughter

Maciej mana­ged die Tenniskarriere sei­ner Tochter bei Provinzturnieren. Ihr inni­ges Verhältnis wird schwie­rig, als Igor, auch ein jun­ger Tennisspieler, dazustößt.

PL 2018, 93 Min., poln. OmU, Regie: Łukasz Grzegorzek, mit: Jacek Braciak, Karolina Bruchnicka, Bartłomiej Kowalski (28.4. 20:00*)

Over the Limit

Die Geschichte der rus­si­sche Kunstturnerin Margarita Mamun.

PL 2017, 74 Min., russ. OmU, Regie: Marta Prus (28.4. 22:00)

MUNK STUDIO SHORTS

#NewHeroes (29.4. 20:00*): Euforia / Euphoria PL 2017, R/B : Natalia Pietsch, 17 min, OmeU, 60 kilo nic­ze­go / 60 kilos of Nothing PL 2017, R/B: Piotr Domalewski, 27 min, OmeU, Jerry PL 2017, R/B: Roman Przylipiak, 26 min, OmeU, Amerykański sen / American dream PL 2017, R/B: Marek Skrzecz, 26 min, OmeU

#NewFamily (29.4.22:00): Ja i mój tata / Me and my father PL 2017, R: Alek Pietrzak, 30 min, OmeU, Story / Story PL 2019, R/B: Jola Bańkowska, 5 min, OmeU, Obcy na mojej kana­pie PL 2017, R/B: Grzegorz Brzozowski, 55 min, OmeU

My Friend the Polish Girl / Moja pol­ska dziewczyna 

Die 42-jäh­ri­ge Schauspielerin Alicja arbei­tet wie tau­sen­de ande­re Polinnen auch, seit über zehn Jahren in London, das sich gera­de auf den Brexit vorbereitet.

PL 2018, 87 Min., engl OV, Regie: Ewa Banaszkiewicz, Mateusz Dymek, mit: Aneta Piotrowska (30.4. 20:00*)

Kler / Klerus

Wir beglei­ten eini­ge Tage lang drei alte Freunde, die an unter­schied­li­chen Orten für die Kurie arbei­ten. Intrigen und Missbrauch.

PL 2018, 135 Min., poln OmU, Regie: Wojciech Smarzowski, mit: Arkadiusz Jakubik, Robert Więckiewicz, Jacek Braciak, Joanna Kulig (30.4. 22:00)

Obłoki płyną nad nami / Unter dem stil­len Himmel

Anna Konik kehrt in ihren Geburtsort Dobrodzień (Guttentag) im ehe­ma­li­gen Oberschlesien zurück und begibt sich auf eine Reise in des­sen kom­ple­xe Vergangenheit.

PL 2018, 89 Min., poln. OmU, Regi: Anna Konik (1.5. 20:00*)

Nina

Das Leben der Französischlehrerin Nina wäre erheb­lich ange­neh­mer, wenn sie end­lich schwan­ger wäre. Aber diver­se Versuche mit allen mög­li­chen Mitteln schla­gen fehl, es bleibt nur noch ein Ausweg: Eine Leihmutter muss gefun­den werden.

PL 2018, 129 Min., poln. OmU, Regie: Olga Chajdas, mit: D: Julia Kijowska, Eliza Rycembel (1.5. 22:00).

Mehr: www.filmpolska.de

Streik

Ein Film von Stéphane Brizé.

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Die vier­te Zusammenarbeit von Stéphane Brize und Vincent Lindon ist ein atem­lo­ses, mit­rei­ßen­des Werk vol­ler Empathie, das einen ohne viel Federlesen in den Strudel des Arbeitskampfes der Belegschaft einer Fabrik in der fran­zö­si­schen Provinz kata­pul­tiert. Lindon, der seit Jahrzehnten in immer neu­en Varianten sei­ner Figur und oft ein­fach guten Filmen den Working Class Hero und Ableger davon ver­kör­pert, spielt den Gewerkschaftsführer Laurent Amédéo. Niemand kann den inne­ren Druck, den die äußer­li­chen Missverhältnisse ver­ur­sa­chen bes­ser dar­stel­len, die geball­te Faust zutiefst in der Hosentasche ver­gra­ben. Ich behaup­te, er ist auf sei­ne Weise das männ­li­che Pendant zu Isabelle Hupert. Setzte Brize Vincent Lindon in „Der Wert des Menschen“ eher als distan­zier­ten Beobachter ein, der als Sicherheitsmann im Supermarkt die eige­nen Kollegen bespit­zeln soll, so steht er in STREIK an vor­ders­ter Front, denn der Originaltitel lau­tet EN GUERRE. David gegen Goliath, aber ohne Steinschleuder. Die Mischpoke aus Politik und Wirtschaft stützt sich auf die Arroganz der Macht. Die Belagerten, die ihre Arbeitsplätze ret­ten wol­len und in der Öffentlichkeit als Belagerer dar­ge­stellt wer­den, weh­ren sich mit der Kraft der Verzweiflung.

DAS GESETZ DES MARKTES hieß wört­lich über­setzt der vor­he­ri­ge Film von Stéphane Brizé , der in Deutschland unter dem Titel DER WERT DES MENSCHEN in die Kinos kam. Und das wäre eigent­lich auch ein über­aus zutref­fen­der Titel für sein neu­es Werk EN GUERRE, das im Wettbewerb des Filmfestivals von Cannes 2018 zu sehen war: Abermals spielt Vincent Lindon einen ein­fa­chen Mann aus der Arbeiterschicht, der ange­sichts der Auswirkungen eines aggres­si­ven Kapitalismus mit den Folgen der Globalisierung kämp­fen muss.Trotz weit­rei­chen­der finan­zi­el­ler Zugeständnisse und einer vor zwei Jahren unter­zeich­ne­ten Vereinbarung, die den Schutz der Arbeitsplätze garan­tie­ren sol­len, haben die Bosse anders ent­schie­den: Das Werk des Autozulieferers Perrin in einer struk­tur­schwa­chen Gegend Frankreichs soll schlie­ßen – so wur­de es beim deut­schen Mutterkonzern beschlos­sen. Damit ist die Zukunft von 1100 Arbeiter*innen gefähr­det, denn ande­re Jobs gibt es in die­ser Region kaum. Die Reaktionen las­sen nicht lan­ge auf sich war­ten: Unter Führung des Gewerkschafters Laurent Amédéo (Vincent Lindon) for­miert sich der Widerstand. Die Arbeiter gehen auf die Barrikaden und for­dern sowohl die fran­zö­si­sche wie deut­sche Geschäftsleitung zu Gesprächen auf. Und dank ihrer Hartnäckigkeit gelingt es ihnen immer wie­der, klei­ne Teilsiege zu errin­gen – trotz ent­täu­schen­der Signale aus der Justiz und einem Engagement der Politik, das sich allen­falls auf sym­bo­li­sche Handlungen beschränkt. Doch eine ein­zel­ne sieg­reich ver­lau­fe­ne Schlacht bedeu­tet kei­nes­falls einen gewon­ne­nen Krieg, zumal sich auch die Arbeiterschaft kei­nes­falls einig ist. So gera­ten die Arbeiter, aber auch Laurent, immer mehr unter Druck, wäh­rend die Manager sich immer wie­der der Verantwortung ent­zie­hen und auf die abs­trak­ten Gesetze des Marktes ver­wei­sen, denen man unter­wor­fen sei.
(Joachim Kurz, Kinozeit)

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Credits:

En guer­re, FR 2018, 113 Min., frz. OmU

Regie: Stéphane Brizé
Buch: Olivier Gorce, Stéphane Brizé
Kamera: Eric Dumont
Schnitt: Anne Klotz
mit: Vincent Lindon, Mélanie Rover, Jacques Borderie, David Rey, Olivier Lemaire, Isabelle Rufin, Bruno Bourthol
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Termine:

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Trailer:

Kinotrailer „Streik” – Kinostart: 25.04.2019