Ein Film von Hussein Hassan.
Shingal im Nordirak: Kurz nachdem sich Reko (Rekish Shahbaz) und Pero (Dimen Zandi) verlobt haben, wird ihre Stadt von IS-Kriegern überfallen. Der Angriff fordert viele Tote und die jesidischen jungen Frauen werden verschleppt. Darunter auch Pero. Nachdem die Frauen von den Terroristen vergewaltigt wurden, werden sie auf dem Sklavenmarkt zum Verkauf angeboten. Reko begibt sofort auf die Suche nach seiner Verlobten – und findet sie einige Zeit später in Syrien. Mit der Rettung in ein Flüchtlingscamp, in dem auch Rekos und Peros Familien mittlerweile leben, ist Peros Leid allerdings noch nicht zu Ende. Denn wegen der Vergewaltigung betrachten sie einige Angehörige ihrer Gemeinde nun als „unrein“.
Der kurdische Schauspieler und Regisseur Hussein Hassan berichtet von wahren Begebenheiten. Im Sommer 2014 richtete der IS in der von Jesiden bewohnten Stadt Sindschar (Region Shingal) ein Massaker an und verschleppte die jungen Frauen. „Reseba“ ist der erste Spielfilm, der sich thematisch mit dem Völkermord an der Bevölkerungsgruppe der Jesiden auseinandersetzt und die Verbrechen an ihnen in aller Deutlichkeit zeigt. Es ist Hussein Hassans dritter Spielfilm.
„Reseba“ ist deshalb ein so wichtiger Film, da er als einer der wenigen bisher die ganze Härte und Barbarei der IS-Terroristen zeigt. Und wie sie auf ihren Feldzügen der religiösen und ethnischen Säuberungen eiskalt und rigoros ganze Gemeinschaften auslöschen. Regisseur Hassan gibt sich allerdings keinem ausufernden Voyeurismus hin, sondern wahrt den Respekt vor den Jesiden. Das gelingt ihm z.B., in dem er die wahllosen Erschießungen und Gräueltaten beim Überfall nur aus der Ferne zeigt. Blut ist im Film fast keines zu sehen, aber das Betrachten der Ereignisse aus sicherer Entfernung genügt, um das herrische, erbarmungslose Vorgehen der selbsternannten Gotteskrieger zu verdeutlichen. Immer wieder nutzt Hassan gerade auch in diesen ersten, hektischen Minuten die Handkamera, um das Geschehene einzufangen. Ein geschickter Schachzug, der die Sequenzen noch dringlicher erscheinen lässt.
Viele Sequenzen und Momente im Film brennen sich ganz besonders ins Gedächtnis. Etwa ganz zu Beginn, wenn die IS-Krieger – komplett in schwarz gehüllt und die Waffen im Anschlag – mit ihren Jeeps in Richtung der Stadt fahren. Es sind die letzten Sekunden, bevor der Sturm losbricht. Oder wenn die von der IS gefangen genommenen Frauen in Reih und Glied abgeführt werden. Die Frauen sind allesamt jung und attraktiv und damit wissen sie ganz genau, was ihnen blüht. Ihre Gesichter im Moment des Abtransports sprechen eine deutliche Sprache.
Es ist konsequent und richtig, auch in solchen Augenblicken die Gestik und Mimik der Frauen in all ihrer Verzweiflung zu zeigen, um den Zuschauer direkt mit dem Leid der Opfer zu konfrontieren. Doch auch hier wahrt Hassan wieder Distanz, in dem er die Gesichter nicht in Einzel- und Großaufnahme zeigt sondern die Frauen aus der Ferne ins Bild rückt. Die erste Hälfte des Films wird bestimmt vom Überfall sowie den (entwürdigenden und abscheulichen) Vorgängen auf dem Sklavenmarkt, auf dem die Frauen wie Vieh feil geboten werden.
Die zweite Hälfte widmet sich vor allem dem Kampf der gepeinigten und geschändeten Pero (elektrisierend in ihrer Darstellung: Dimen Zandi), zurück ins Leben zu finden. Und ihren Versuchen, wieder von ihrer Gemeinschaft akzeptiert zu werden. Dass sie sich allerdings überhaupt erst darum bemühen muss, offenbart letztlich auch die Rückständigkeit sowie die antiquierten Ansichten und Strukturen einiger Vertreter dieser Glaubensgemeinschaft. Eine weitere wichtige Erkenntnis.
Björn Schneider | Programmkino.de
Irak, Deutschland, Syrien, Katar 2016, 92 Min., OmU
Regie: Hussein Hassan
Drehbuch: Mehmet Aktaş, Hussein Hassan
Darsteller: Rekish Shahbaz, Dimen Zandi, Maryam Boobani, Nalin Kobani, Helket Idris
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