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40 Jahre AG DOK: Wie Erich seine Arbeit verlor

[Tickets & Termin]

Der jun­ge west­deut­sche Kameramann Kai von Westerman gerät mit­ten in die Ereignisse. 1989 arbei­te­te er für einen Korrespondenten des fran­zö­si­schen Fernsehens in der DDR. Als die Menschen auf die Straße gin­gen, bekam er den Auftrag, den Franzosen in knap­pen Beiträgen die Ereignisse zu erklä­ren. So doku­men­tier­ten bei­de die Kraft und Dramatik der Friedlichen Revolution, aber das meis­te Material wur­de nicht gesen­det. Erst jetzt, 20 Jahre nach der Wende, hat von Westerman dar­aus einen Film gemacht, der die Ereignisse des Herbstes 1989 beschreibt. Der Dokumentarfilm gibt in sub­ti­ler Weise ein­ma­li­ge Geschehnisse des Jahres 1989 wie­der. Er zeich­net das Lebensgefühl von DDR-Bürgern nach, die für Freiheit und Demokratie auf die Straße gin­gen, ohne zu wis­sen, wie es aus­ge­hen wür­de. Es ist ein Film, der zum Nachdenken anregt und durch die bestechen­de Sicht auf die Ereignisse des Herbstes ’89 ein wert­vol­les Zeitdokument darstellt.
Regie: Kai von Westerman, D 19891999, 90 Min. Zu Gast: Kai von Westerman

Zusammen mit:
Z mojego okna (From My Window)
Regie: Józef Robakowski, Polen 2000, 20 Min.
Der pol­ni­sche Filmemacher und Videokünstler Józef Robakowski film­te über 22 Jahre den sich ver­än­dern­den Blick aus dem Fenster sei­ner Wohnung in einem sozia­lis­ti­schen Wohnblock in Łódź. Er beob­ach­tet den Übergang Polens vom Sozialismus der Nachkriegszeit in die Zeit der Solidarność in den spä­ten 1980er Jahren und des­sen Übergang in die Dritte Republik, den Einstieg Polens in die Marktwirtschaft.

Wie Erich sei­ne Arbeit ver­lor – Trailer from Westermans Filme on Vimeo.

 

Sag‘ du es mir

Ein Film von Michael Fetter Nathansky.

[Credits]  [Trailer]

Mich über­rascht nichts. Wenn was Schlechtes pas­siert, dann hab‘ ich in der Regel damit gerech­net, und wenn was Gutes pas­siert, dann pas­sierts nicht.“ Silkes Sicht auf die Welt ist„ nach­dem ihr Freund sie ent­täusch­te und ein Fremder sie in die Havel warf„ recht illusionslos.
Silke, das Opfer, ihre gro­ße Schwester Moni, und René, der Täter – das sind die Protagonist*innen in Michael Fetter Nathanskys Debutfilm. Die mit lako­ni­schem Witz und sen­si­bler Figurenzeichnung erfri­schend ande­re Erzählung einer Tat und ihrer selt­sa­men Folgen ist ange­legt wie ein raf­fi­nier­tes Vexierspiel, bei dem die unter­schied­li­che Sicht der Beteiligten immer neue, über­ra­schen­de Einsichten gewährt.
Nachdem Silke ohne erkenn­ba­ren Anlass vom ihr unbe­kann­ten René übers Brückengeländer ins Wasser gesto­ßen wird, taucht Moni, mit der sie lan­ge kei­nen Kontakt hat­te, unge­fragt in ihrer Potsdamer Wohnung auf. Sie will Silke unbe­dingt zur Seite ste­hen, aber die will kei­ne Hilfe. Was pas­siert ist, ist vor­bei, auch die poli­zei­li­chen Ermittlungen wer­den rasch ein­ge­stellt. Moni aber gibt nicht auf. Sie will der Sache auf den Grund gehen, den Übeltäter fin­den und zur Rede stel­len. Den hat sei­ne schein­bar grund­lo­se und irra­tio­na­le Tat völ­lig ver­wirrt, ver­lief sein Leben bis­her doch eigent­lich in ordent­li­chen Bahnen.

»Michael Fetter Nathanskys for­mal erfin­dungs­rei­che Umsetzung sei­nes prä­zi­se struk­tu­rier­ten Drehbuchs, Leander Otts atmo­sphä­ri­sche Kamera und die gro­ße schau­spie­le­ri­sche Leistung von Marc Ben Puch und ganz beson­ders von Gisa Flake und Christina Große als star­kes Schwesternpaar ver­bin­den sich zu einer Reflexion über die trü­ge­ri­sche Eindeutigkeit von Realität und die mani­fes­te Magie des Kinos.« aus der Jurybegründung (Gewinner des Filmkunstpreises) beim 15. Festival des Deutschen Films Ludwigshafen (2019).

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Credits:

DE 2019, 104 Min., dt. OmeU
Regie & Buch: Michael Fetter Nathansky 
Kamera: Leander Ott 
Schnitt: Camila Mercadal
mit: Christina Große, Marc Ben Puch, Gisa Flake K Leander Ott

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Trailer:

Sag du es mir (Trailer ) | missingFILMs

Achtung Berlin 2020

Das Filmfestival für neu­es deut­sches Kino aus Berlin und Brandenburg kommt auch die­ses Jahr ins fsk (coro­nabe­dingt etwas spä­ter): 16. – 20. September 2020
www.achtungberlin.de

Die Filme außer YU GONG lau­fen in Anwesenheit des Filmteams:

Sebastian springt über Geländer

Drei Lebensabschnitte auf Sebastians Weg. Als Kind auf sich selbst gestellt, als Jugendlicher zwi­schen zwei Welten pen­delnd und als jun­ger Mann, der sich ent­schei­den muss.
DE 2019, 70 Min., OmeU, R/B/M Ceylan Ataman-Checa D Joseph Peschko, Finn Freyer, Ambar de la Horra, Frederieke Morgenroth K Albrecht von Grünhagen
(Do, 17.9. 18:30) [Tickets]

Yu Gong

Die Fabel des Narrs Yu Gong, der Berge ver­set­zen woll­te, als Metapher für die kom­ple­xen sino-afri­ka­ni­schen Beziehungen, wel­che der Film in einer Reise durch Afrika dokumentiert.
DE 2019, 84 Min., OmeU, R/B/K/M/P: Daniel Kötter
(Do, 17.9. 21:00) [Tickets]

Zustand und Gelände

Der Film han­delt von Orten, ihren Überschreibungen durch die Zeit und wie sich poli­ti­sche Erinnerungskulturen in sie ein­ge­schrie­ben haben; – aus­ge­hend von sog. ‘Wilden Konzentrationslagern’ der NS-Zeit.
DE 2019, 118 Min., OmeU, R/B/M/P Ute Adamczewski B André Siegers K Stefan Neuberger
(Fr, 18.9. 18:00) [Tickets]

Kunst kommt aus dem Schnabel wie er gewach­sen ist
Der Film beglei­tet die täg­li­che Arbeit von Künstler*innen der Spandauer Kunstwerkstatt für Menschen mit Behinderung. Die Idee von Kunst wird ganzheitlich.
DE 2020, 106 Min., OmeU, R/K/M/P: Sabine Herpich, P: Büchner Filmproduktion
(Fr, 18.9. 21:00) [Tickets]

30 Jahre, aber den Sinn des Lebens habe ich immer noch nicht rausgefunden

30 Jahre fil­mi­sche Selbstportraits an jedem Geburtstag, eine Super‑8 Rolle pro Jahr.
DE 2019, 91 Min., R/B/K/M Jan Peters
(Sa 19.9. 18:30) [Tickets]

Träume von Räumen

Der Film beglei­tet die ver­blie­be­nen Bewohner*innen eines Hauses im Herzen Berlins und stellt die Frage nach Leerstand als sub­ver­si­ven Akt gegen die Utopie des geord­ne­ten Raums.
DE 2019, 85 Min., OmeU, R/B/K Matthias Lintner K Francisco Medina, Matilda Mester, Carlos Andres Lopez, Christopher Aoun
(Sa 19.9. 21:00) [Tickets]

Sunburned

Von ihrer Familie im Spanien-Urlaub ver­nach­läs­sigt, sieht sich Claire mit den weit­aus grö­ße­ren Problemen des jun­gen afri­ka­ni­schen Strandverkäufers Amram konfrontiert.
DE/NL/PL 2019, 94 Min., OmeU, R/B Carolina Hellsgård D Zita Gaier, Gedion Oduor Wekesa, Sabine Timoteo, K Wojciech Staron M Ruth Schönegge
(So 20.9. 18:30) [Tickets]

Sag du es mir

Silke wird in Potsdam von der Brücke gesto­ßen. Plötzlich taucht ihre Schwester auf. Und dann gibt es noch die Perspektive des Täters. Ein Verwirrspiel um Opfer-und Täterschaft, Wahrheit und Lüge.
DE 2019, 104 Min., OmeU, R/B Michael Fetter Nathansky D Christina Große, Marc Ben Puch, Gisa Flake K Leander Ott 
(So. 20.9. 21:00) [Tickets]

JFBB – 26. Jüdisches Filmfestival Berlin & Brandenburg

Das 26. Jüdische Filmfestival Berlin & Brandenburg fin­det vom 6.- 13.9.2020 statt.
Bei uns gibt es am 8. + 9. 9. aus­ge­wähl­te Vorführungen. Mehr unter: www.jffb.de

Im fsk:  
Doppelprogramm
Masel Tov Cocktail
Zutaten: 1 Jude, 12 Deutsche, 5cl Erinnerungskultur, 3cl Stereotype, 2 TL Patriotismus, 1 TL Israel, 1 Falafel, 5 Stolpersteine, einen Spritzer Antisemitismus. DE 2020, 30 Min., OmU, Regie: Arkadij Khaet, Mickey Paatzsch, Kamera: Nikolaus Schreiber, Schnitt: Tobias Wieduwilt, mit: Alexander Wertmann

There are no lions in Tel Aviv
Der Film erzählt die Geschichte des Oberrabbiners der jüdi­schen Gemeinde Dänmarks, Max Shorenstein, der als ‚Rabbiner Doolittle‘ bekannt wur­de. Nach sei­ner Pensionierung 1935 zog er nach Tel Aviv, wo er spä­ter einen Zoo für die Kinder von Eretz Israel eröffnete.
IL 2019, 53 Min., hebr. OmU, Regie: Duki Dror, Kamera: Ron Katzenelson, Schnitt: Ron Goldman (Di. 8.9. 19:00)


Incitement
Die Ermordung des israe­li­schen Premierministers Yitzhak Rabin am 4. November 1995 gilt als einer der ver­hee­rends­ten Schläge gegen den Friedensprozess zwi­schen Israelis und Palästinensern. Der Film rekon­stru­iert die Ereignisse die­ses poli­tisch ange­spann­ten Jahres aus der Perspektive des Attentäters Yigal Amir,
IR 2019, 123 Min., hebr. OmeU, Regie: Yaron Zilberman, Kamera: Amit Yasour , Schnitt: Shira Arad, Yonatan Weinstein, mit: Yehuda Nahari Halevi
(Mi. 9.9. 19:00)

Yalda

Ein Film von Massoud Bakhshi.

[Credits] [Termine & Termine] [Trailer]

Sie kön­nen immer noch an unse­rem SMS-Wettbewerb teil­neh­men. Verdient Maryam Komijani Vergebung? Senden Sie 1 für ja, 2 für nein.“

Die Scheinwerfer und Kameras sind auf Position. Der Moderator blickt noch ein­mal auf sei­ne Notizen. Die letz­ten Werbesekunden lau­fen, noch 5, 4, 3, 2, 1 und die Reality-TV-Show beginnt. Ausgerechnet zum per­si­schen Yalda-Fest der Wintersonnenwende. Zu Gast ist Maryam, eine jun­ge, zum Tode ver­ur­teil­te Frau. Mit ihr im Studio sitzt Mona, die für sie stets wie eine gro­ße Schwester war. Maryam leb­te mit Monas Vater in einer Ehe auf Zeit. Angeblich hat sie ihn ermor­det. Vor lau­fen­der Kamera und Millionen von Zuschauer*innen soll Maryam um Vergebung und ihr Leben fle­hen. Auf eine rea­le, popu­lä­re ira­ni­sche Sendung anspie­lend, wird das Fernsehstudio zur Bühne für ein Kammerspiel, das auch die sozia­len Dimensionen hin­ter dem per­sön­li­chen Drama in den Fokus nimmt.

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Credits:

Frankreich / Deutschland / Schweiz / Luxemburg / Libanon / Iran 2019, 89 Min., far­si OmU
Regie, Buch: Massoud Bakhshi
Kamera: Julian Atanassov
Montage: Jacques Comets 
mit: Sadaf Asgari, Behnaz Jafari, Babak Karimi, Fereshteh Sadr Orafaee, Forough Ghajebeglou, Arman Darvish, Fereshteh Hosseini 

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Trailer:

Yalda, a Night for Forgiveness / Yalda, la nuit du par­don (2020) – Trailer (English Subs)

Im Kino mit deut­schen Untertiteln.

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Oeconomia

Ein Film von Carmen Losmann.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

In sei­nem Essay „Die Fabrik des ver­schul­de­ten Menschen“ aus dem Jahr 2011 schreibt der Philosoph Maurizio Lazzarato: „Die Schulden stel­len kein Hemmnis für das Wachstum dar; im Gegenteil, sie sind der öko­no­mi­sche und sub­jek­ti­ve Motor zeit­ge­nös­si­scher Ökonomie. Die Fabrikation der Schulden, also die Konstruktion und Entwicklung des Machtverhältnisses Gläubiger-Schuldner, bil­det das stra­te­gi­sche Zentrum neo­li­be­ra­ler Politik.“ Mit Oeconomia unter­nimmt Carmen Losmann eine Reise in die­ses stra­te­gi­sche Zentrum. Das ist ohne Frage ein ehr­gei­zi­ges Unterfangen, denn vie­le Vertreter*innen des Banken- und Finanzsektors reden lie­ber nicht vor einer Kamera, und denen, die sich dar­auf ein­las­sen, feh­len mehr als ein­mal die Worte. So trans­pa­rent die Architektur von Banken und Geldinstituten sich gibt, so schnell ver­schlie­ßen sich die Türen für die recher­chie­ren­de Regisseurin. Sie macht aus der Not eine Tugend, indem sie unter ande­rem Telefonprotokolle und com­pu­ter­ge­nerier­te Bilder ein­setzt, damit das Abstrakte und schwer Verständliche anschau­li­cher wird.

Oft sehen wir nur eine elek­tro­ni­sche Zugangsschranke oder hören ein nach­ge­spro­che­nes Telefonat, da im letz­ten Moment die Drehgenehmigung ent­zo­gen wur­de – auch heu­te noch liegt die Aufklärung gefähr­lich nah an der Kritik. Dabei bemüht sich die Regisseurin, ihre Fragen offen und wert­frei zu stel­len. Ihre Aufklärung zielt nicht auf die mora­li­schen Verwerfungen des Kapitalismus, son­dern auf die logi­schen Zirkelschlüssel, die sei­ner Struktur zugrun­de lie­gen. Diese Zirkelschlüsse schei­nen den Interviewpartnern – Akteure im Finanzwesen und aus­nahms­los wei­ße Männer – erst durch Losmanns betont nai­ve Fragen auf­zu­fal­len. Die Versuche, ihre Überrumpelung in char­man­te Souveränität zu ver­wan­deln, sind nicht nur amü­sant, son­dern auch tröst­lich. Denn über­rum­pelt fühlt man sich wäh­rend die­ser 89 Minuten auch, wenn die Regisseurin Folgerungen aus ihren Interviews als ein­fa­che Blasen und Pfeile auf einer Mindmap zusam­men­fasst, die zwar sim­pel aus­sieht, aber die gan­ze zer­stö­re­ri­sche Absurdität einer end­los wach­sen­den Wirtschaft offen­bart. Trotz die­ser Dichte und wegen sei­ner Klarheit ist OECONOMIA einer der bes­ten Dokumentarfilme über den Kapitalismus.“ indie­ki­no | Yorick Berta

Filmgespräch mit Carmen Losmann, Samirah Kenawi, Lino Zeddies, Dirk Lütter
über Oeconomia

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Credits:

DE 2020, 89 Min., dt. engl. OmU
Regie, Buch: Carmen Losmann
Kamera: Dirk Lütter
Montage: Henk Drees, Carmen Losmann

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Trailer:

Kinotrailer „Oeconomia” – Kinostart: 15. Oktober 2020

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Futur Drei

Ein Film von Faraz Shariat.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Parvis wächst als Kind der Millenial-Generation im kom­for­ta­blen Wohlstand sei­ner ira­ni­schen Einwanderer-Eltern auf. Dem Provinzleben in Hildesheim ver­sucht er sich durch Popkultur, Grindr-Dates und Raves zu ent­zie­hen. Nach einem Ladendiebstahl leis­tet er Sozialstunden als Übersetzer in einer Unterkunft für Geflüchtete. Dort trifft er auf das ira­ni­sche Geschwisterpaar Banafshe und Amon. Zwischen ihnen ent­wi­ckelt sich eine fra­gi­le Dreierbeziehung, die zuneh­mend von dem Bewusstsein geprägt ist, dass ihre Zukunft in Deutschland ungleich ist.
In sei­nem auto­bio­gra­phi­schen Regiedebüt erzählt Faraz Shariat, Jahrgang 1994, authen­tisch und zugleich wun­der­sam über­höht vom quee­ren Heranwachsen eines Einwanderersohns in Deutschland – und lie­fert damit einen ent­schlos­se­nen Gegenentwurf zu einem kon­ven­tio­nel­len deut­schen Kino, in dem post-migran­ti­sche Erlebnisse und Geschichten von Einwanderern und ihrer Familien all­zu oft aus­ge­schlos­sen oder mis­re­prä­sen­tiert wer­den. Für sein sen­si­bles, pop-affi­nes und kraft­vol­les Plädoyer für Diversität wur­de Futur Drei beim First Steps Award 2019 als Bester Spielfilm aus­ge­zeich­net, Shariats jun­ges Darsteller*innen-Ensemble (Banafshe Hourmazdi, Eidin Jalali, Benjamin Radjaipour) erhielt den Götz-George-Nachwuchspreis. Auf der Berlinale, wo der Film im Panorama sei­ne Weltpremiere fei­er­te, wur­de Futur Drei mit zwei Teddys (Bester Spielfilm, Leser*innen-Preis) geehrt.

‚Fast täg­lich wer­de ich von wei­ßen deut­schen Menschen gefragt, woher ich kom­me, wie lan­ge ich schon hier bin‘, hat Faraz Shariat in einem Interview geäu­ßert. Seiner Meinung nach habe das viel mit einer Filmlandschaft zu tun, die selbst die Geschichten der zwei­ten Generation immer noch als Migrationsgeschichten erzäh­le und „zu Pointen mul­ti­kul­tu­rel­ler Versöhnung oder roman­ti­schen Darstellungen einer bedroh­ten Heimat“ ver­kür­ze. Shariats Debüt, das aus Studienkreisen an der Universität Hildesheim erwach­sen und mit einem diver­sen Ensemble vor und hin­ter der Kamera ent­stan­den ist, ist nicht der ers­te, aber ein wich­ti­ger Schritt in eine ande­re Richtung.“
Falk Straub | kino-zeit.de

Filmgespräch mit dem Team von Futur Drei

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Credits:

DE 2020, 91 Min., dt., far­si OmU
Regie: Faraz Shariat
Kamera: Simon Vu
Schnitt: Friederike Hohmuth
mit: Benjamin Radjaipour, Banafshe Hourmazdi, Eidin Jalali

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Trailer:

Futur Drei (Trailer) from Salzgeber & Co. Medien GmbH on Vimeo.

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Nackte Tiere

Ein Film von Melanie Waelde.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Nackte Tiere erzählt von fünf befreun­de­ten Jugendlichen in der Provinz, die kurz vor dem Abitur ste­hen und noch nicht wis­sen, wie es danach wei­ter­ge­hen soll. Teil der Gruppe zu sein, gibt ihnen Halt, der oft fest und plötz­lich brü­chig zu sein scheint. Man unter­stützt sich gegen­sei­tig und lässt ein­an­der doch wie­der allein. Aggressionen und Zärtlichkeiten wech­seln sich ab, Nähe wird sehn­süch­tig gesucht, gleich dar­auf grenzt man sich von­ein­an­der ab. Die Gefühle sind inten­siv, erup­tiv wech­seln sie ihre Richtung.
Der Blick der Kamera ist den Jugendlichen zuge­tan, er ist „nah dran“ (in einem guten Sinne). Der Regisseurin Melanie Waelde gelingt es, die Gefühlswelt die­ser fünf Jugendlichen aus­zu­drü­cken, trotz ihres wie­der­sprüch­li­chen Verhaltens fängt man an, sie zu ver­ste­hen. Dafür wur­de sie mit einer Einladung in den Wettbewerb der neu­en Berlinale-Sektion „Encounters“ belohnt.

Nur jun­ge, unver­brauch­te Gesichter hat Waelde gecas­tet, nor­ma­le, durch­schnitt­li­che Gesichter, die weit weg sind vom glat­ten Look, den das Mainstream-Kino favo­ri­siert. Gefilmt wur­de im alt­mo­di­schen 4:3 Format, des­sen fast qua­dra­ti­sches Bildfenster die Enge der Provinz noch drü­cken­der erschei­nen lässt. Man mag hier an Tiere im Käfig den­ken, an unge­zü­gel­te Wesen, die aus­zu­bre­chen ver­su­chen, die nicht recht wis­sen wohin mit ihrer Energie, ihrer Wut. Doch sol­che Metaphern drängt Waelde nicht auf, sie deu­tet nur an, beob­ach­tet wie die Gruppe um Katja sich ent­wi­ckelt, fei­ert, liebt, strei­tet, kämpft. Von sel­te­ner Authentizität ist ihr Blick in das Leben jun­ger Erwachsener in der deut­schen Provinz, in dem Waelde offen­bar auch etli­che Erfahrungen ihres eige­nen Lebens ver­ar­bei­tet. Autobiographisch mutet „Nackte Tiere“ jedoch nie an, son­dern fin­det statt­des­sen das Universelle im Speziellen.“ Michael Meyns, programmkino.de

Filmgespräch mit Melanie Waelde im fsk-KIno

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Credits:

DE 2020, 83 Min., OmeU
Regie, Buch: Melanie Waelde
Kamera: Fion Mutert
Schnitt: Jessica Schneller
mit: Marie Tragousti, Sammy Scheuritzel, Michelangelo Fortuzzi, Luna Schaller, Paul Michael Stiehler

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Trailer:

Nackte Tiere (2020) HD-Trailer, deutsch

 

Zombi Child

Ein Film von Bertrand Bonello.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer] [indie­ki­no Club]

Die jugend­li­che Fanny genießt das Privileg, auf die Maison d’éducation de la légion d’honneur, eine Elitehochschule in der Nähe von Paris, zu gehen. Sie nimmt ihre Schulbildung sehr ernst, gönnt sich aber den­noch nächt­li­che Treffen mit ihren Klassenkameradinnen im Kunstraum des alt­ehr­wür­di­gen Internats. Als Mélissa neu in die Klasse kommt, wird sie schnell in den Kreis der nacht­ak­ti­ven Mädchen auf­ge­nom­men – die sich beson­ders von den Voodoo-Ritualen fas­zi­nie­ren las­sen, die in Mélissas aus Haiti stam­men­der Familie seit Generationen prak­ti­ziert wer­den. Als Fannys Freund mit ihr Schluß macht, sucht sie Mélissas Tante auf und bit­tet sie um magi­sche Hilfe …

Zombi Child ist ein viel­schich­ti­ger Film, der Fragen nach Geschichte, Kolonisation und kul­tu­rel­ler Aneignung stellt. Die von Kameramann Yves Cape in hyp­no­ti­sche Bilder getauch­te Erzählung des Zombi Clairvius Narcisse lässt sich auch als inne­re Vision des­sen Enkeltochter Melissa deu­ten. Fannys Liebesbeziehung zu dem ange­him­mel­ten Pablo wirkt so ent­rückt und lite­ra­risch wie die exo­tis­ti­schen Phantasmen der Kolonialschriftsteller, ange­fan­gen bei Columbus. Die Mädchen hören am Gymnasium einen Vortrag des Historikers Patrick Boucheron über die Revolution und Idee der Freiheit im 19. Jahrhundert, die immer ange­strebt und zugleich betro­gen wur­de. Aber der neu­en Erfahrung wohnt immer auch ein zer­stö­re­ri­sches Element inne. Bonello umkreist und beschwört die­ses Spannungsfeld in einem so ver­träum­ten wie kon­zen­trier­ten Film, der außer­dem dazu ein­lädt, den poe­ti­schen Rap von Damso und den Vodou-Rock der fran­co-hai­ti­schen Sängerin Moonlight Benjamin ken­nen­zu­ler­nen.“ indie­ki­no | Tom Dorow

Credits:

FR 2019, 103 Min.,| fran­zö­si­sche OmU
Buch & Regie: Bertrand Bonello
Kamera: Yves Cape
Schnitt: Anita Roth
mit: Louise Labeque, Wislanda Louimat, Mackenson Bijou, Adilé David

Trailer:

Zombi Child (offi­zi­el­ler Trailer) von Bertrand Bonello

Nina Wu

Ein Film von Midi Z.

 [indie­ki­no Club] [Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Der Filmdreh, der der Schauspielerin Nina Wu zum Durchbruch ver­hel­fen könn­te, ent­puppt sich als toxisch und Nina rutscht immer wie­der in einen Alptraum hinen. Die Grenzen zwi­schen Film, Realität und Angstfantasien verschwimmen.

Im Nachhinein fragt man sich, war­um die Schauspielerin Nina Wu (Wu Ke-Xi) schon in den ers­ten Szenen des Films so nie­der­ge­schla­gen aus­sieht. Da hat sich ihr Agent gera­de erst mit einem neu­en Casting-Angebot gemel­det. Ahnt Nina da schon, wie es lau­fen wird? Hat sie bereits Ähnliches erlebt? Oder beschreibt NINA WU weni­ger ein Ereignis und die emo­tio­na­len Folgen als ein psy­cho­lo­gi­sches Kontinuum, von dem nicht klar ist, ob es in Nina selbst oder in ihrer toxi­schen Umgebung ver­an­kert ist? Die Grenzen zwi­schen dem, was Gegenwart ist, was Erinnerung, was Film und was Traum, ver­lau­fen im Film des tai­wa­ne­si­schen Regisseurs Midi Z zuneh­mend flie­ßend. Zu Beginn scheint alles noch klar ver­ort­bar. Nina Wu ist eine ange­hen­de Schauspielerin, die sich mit Nebenjobs über Wasser hält. Dem neu­en Projekt gegen­über ist sie skep­tisch, macht aber doch mit, obwohl es ihr zu vie­le Nacktszenen ent­hält. Der Dreh ist furcht­bar. Nina wird wie ein Möbelstück her­um­ge­scho­ben und im Raum plat­ziert, ver­lo­ren sieht man sie dann von weit weg in gro­ßen Panorama-Einstellungen sit­zen. Ein empa­thie­lo­ser Regisseur presst Emotionen aus ihr her­aus wie aus einer Zitrone, und hat offen­bar Freude an der Demütigung. In einer Szene muss Nina zwi­schen Wahnsinn und Mordlust rufen: „Ihr nehmt mir nicht nur den Körper. Ihr nehmt mir die Seele. Ihr wer­det es bereu­en!“ Es ist klar, dass da nicht nur die Filmfigur spricht. Der Film ist ein Erfolg und Nina auf dem Weg, tat­säch­lich ein Star zu wer­den. Doch sie scheint immer tie­fer in eine Spirale der Verzweiflung zu rut­schen. Alltägliche Situationen lösen sich in aggres­si­ve Konfrontationen auf, die sich als Traumsequenzen her­aus­stel­len. Oder doch nicht? Mit jeder Drehung bewegt sich der Film wei­ter auf die eine, ver­stö­ren­de Szene zu, die den Kern des Traumas bildet.

Midi Z insze­niert zwi­schen Psychodrama und Noir an der Grenze zum Exploitation-Kino. Das Skript stammt von Hauptdarstellerin Wu Ke-Xi, die dar­in auch eige­ne Erfahrungen aus der Anfangszeit ihrer Karriere ver­ar­bei­tet. Für eine Weile zog sie sich damals aus der Filmindustrie zurück und fand dann über Arthouse-Drehs und ins­be­son­de­re die Zusammenarbeit mit Midi Z die Freude an der Schauspielerei wie­der. NINA WU nimmt deut­lich Bezug auf die Erzählungen der #MeToo-Bewegung, ins­be­son­de­re in den üblen Szenen, die in einem mit Teppich und Vorhängen über­la­de­nen Hotelzimmer mit der Nummer 1408 spie­len und an Harvey Weinsteins Aufforderungen an jun­ge Schauspielerinnen, ihn in sei­nem Hotelzimmer auf­zu­su­chen, erin­nern. (ZIMMER 1408 ist übri­gens auch der Titel eines Horrorfilms von Mikael Håfström aus dem Jahr 2007, pro­du­ziert von Harvey Weinstein). Letzten Endes ist das Anliegen von NINA WU aber weni­ger sexu­el­le Übergriffigkeit, als eine sadis­ti­sche Kultur der Demütigung, gegen die sich jun­ge, netz­werk­lo­se Frauen kaum weh­ren kön­nen, und in der Missbrauch nur eine Facette von vie­len ist.

Wer mehr von Midi Z sehen möch­te, kann auf dem 3. Taiwanesischen Film Festival, das vom 21.–30.8. aus­nahms­wei­se online statt­fin­det, zwei frü­he­re Arbeiten nach­ho­len: den preis­ge­krön­ten ICE POISON (2014) und den Dokumentarfilm CITY OF JADE (2016).

Hendrike Bake | indiekino.de

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Credits:

Juo ren mi mi
Taiwan 2019, 103 Min., chin. (man­da­rin) OmU
Regie: Midi Z
Drehbuch: Wu Ke-xi
Kamera: Florian Zinke
mit: Wu Ke-xi, Vivian Sung, Kimi Hsia, Ming-Shuai Shih

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Trailer:

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