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Roma

Ein Film von Alfonso Cuaron.

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Roma heißt das Stadtviertel in Mexiko-Stadt, wo sich die Handlung des Films abspielt. Genauer: das räum­li­che Zentrum des Films ist ein Haus einer wohl­ha­ben­den Familie in die­sem Stadtviertel, wobei die Hauseinfahrt eine beson­de­re Rolle spielt, dort beginnt auch der Film: im Off hört man, wie geschrubbt wird, bald fließt das Wasser in das Filmbild, dar­in spie­gelt sich der freie Himmel, den ein Flugzeug durch­quert: Enge und Weite oder Zwang und Freiheit? Erst dann sieht man die Hauptfigur des Films, Cleo, die Hausangestellte der Familie, sie wischt den Hundekot weg, ver­geb­lich, denn der Hund wird dort gleich wie­der sein Geschäft machen. Die Hauseinfahrt ist auch der Ort, an dem der Vater ein­ge­führt wird: er braucht meh­re­re Anläufe, um das brei­te Auto in den viel zu engen Gang zu manö­vrie­ren. Die Mutter wird es spä­ter nicht ohne Dellen schaf­fen, das ist ihr dann aber auch egal, zu die­sem Zeitpunkt ist schon viel Schlimmeres passiert.
Der Film erzählt das Leben die­ser mexi­ka­ni­schen Familie in den 70er Jahren mit der beson­de­ren Perspektive auf Cleo. Sie ist einer­seits die Putzfrau, Köchin, das Kindermädchen der Familie und manch­mal ver­schwim­men die Grenzen, fast wirkt es dann, als wäre sie ein Familienmitglied, wenn alle zusam­men vor dem Fernseher sit­zen – solan­ge, bis es was zu tun gibt, dann sind die Rollen wie­der klar verteilt.

Roma erhielt bei den Filmfestspielen in Venedig den Goldenen Löwen und bei den Golden Globe Awards den Preis für den Besten fremd­spra­chi­gen Film und Alfonso Cuarón (Y Tu Mamá También, Gravity) den Preis für die bes­te Regie.

 

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Credits:

MX/US 2018, 135 Min., span. OmU
Regie: Alfonso Cuaron
Drehbuch: Alfonso Cuaron
Kamera: Alfonso Cuarón, Galo Olivares
Schnitt: Alfonso Cuarón, Adam Gough
Darsteller: Yalitza Aparicio, Marina de Tavira, Diego Cortina Autrey

Termine:

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Ein königlicher Tausch

Ein Film von Marc Dugain.

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Frankreich, am Hof von Versailles, 1721. Um den Frieden mit Spanien zu sichern, ersinnt Herzog Philipp von Orléans (Olivier Gourmet), Regent, bis Ludwig XV. alt genug ist, um König zu wer­den, einen Plan: Seine zwölf­jäh­ri­ge Tochter Louise Elisabeth (Anamaria Vartolmei) wird nach Madrid geschickt, um den gleich­alt­ri­gen Don Luis (Kacey Mottet Klein) zu hei­ra­ten, Sohn des spa­ni­schen Königs Philipp V. (Lambert Wilson). Im Gegenzug wird die erst vier Jahre jun­ge Tochter Philipps, Maria Anna Victoria (Juliane Lepoureau) nach Paris geschickt, um Gemahlin des zukünf­ti­gen Königs Ludwig XV. zu werden.

An der Grenze der bei­den Länder fin­det der so genann­te Austausch der Prinzessinnen statt, bei­de Mädchen fin­den sich plötz­lich in völ­lig unge­wohn­ter Umgebung wie­der, müs­sen sich als Gemahlin bewei­sen, ohne recht zu wis­sen, was ihnen geschieht. Während Maria Anna Victoria ohne­hin viel zu jung zum Kinderbekommen ist, wird am spa­ni­schen Hof von Louise Elisabeth erwar­tet, dass sie mög­lichst bald für einen Thronfolger sorgt. Doch wäh­rend sie mit den Avancen von Don Luis, der es sei­nem viri­len Vater end­lich nach­tun möch­te, so gar nichts anzu­fan­gen weiß, ist die lieb­li­che Maria Anna Victoria hin­ge­ris­sen von Ludwig XV. Der wie­der­um hat wenig Interesse an Mädchen und schon gar nicht an sei­ner kind­li­chen Gemahlin und wird von unter­schied­lichs­ten Seiten beeinflusst.

Eine erstaun­li­che, tat­säch­lich wah­re his­to­ri­sche Episode hat Chantal Thomas für ihren his­to­ri­schen Roman aus­ge­gra­ben, der nun die Basis für Marc Dugains Film lie­fert. Vor ein paar Jahren hat­te Thomas auch die Vorlage für den dama­li­gen Berlinale-Eröffnungsfilm „Leb wohl, mei­ne Königin!“ gelie­fert, der von Marie-Antoinette und ihrer Vorleserin han­del­te. Einige Jahre frü­her spielt nun „Ein könig­li­cher Tausch“, indem erneut zwei Frauen, bzw. jun­ge Mädchen die Hauptrolle spie­len, die zum Spielball des Hofes werden.

Als rei­ne Verhandlungsmasse wer­den die Mädchen – und natür­lich auch die jun­gen Männer – benutzt, zwi­schen den Reichen hin und her gescho­ben, als Friedensbeweis, als Gebärmaschinen behan­delt, ihre eige­nen Gefühle oder Wünsche kom­plett igno­riert. Ganz selbst­ver­ständ­lich geschieht das, weil es schon immer so war, weil es Gott so wünscht, so betont es gera­de Philipp V. immer wie­der, den Lambert Wilson, als beein­dru­ckends­ter erwach­se­ner Schauspieler im Film, vol­ler Wehleidigkeit und Pathos spielt.
Michael Meyns | programmkino.de

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Credits:

L’échange des princesses
Frankreich/Belgien 2017, 100 min., frz. OmU
Regie: Marc Dugain
Kamera: Gilles Porte
Schnitt: Monica Coleman
Buch: Chantal Thomas & Marc Dugain, nach dem Roman von Chantal Thomas
mit: Lambert Wilson, Anamaria Vartolomei, Olivier Gourmet, Catherine Mouchet, Kacey Mottet Klein, Juliane Lepoureau

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Can you ever forgive me?

Ein Film von Marielle Heller.

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Allein die­ses PS macht den Brief unbe­zahl­bar“ – die Buchhändlerin ist begeis­tert, als ihr das ver­bli­che­ne Schriftstück zum Kauf ange­bo­ten wird – nicht ahnend, dass die Verkäuferin ein gro­ßes Fälschungstalent in sich trägt.

Lee Israel war als Schriftstellerin in der Welt bekann­ter Persönlichkeiten bio­gra­fisch unter­wegs. Sie ist nicht nett, eine Misanthropin, die ger­ne zuviel trinkt, und für ihre Katze Jersey mehr Gefühle hat als für ihre Verlegerin, Kolleginnen oder auch die Ex-Freundin. Ihre Spitzen gegen den Literaturbetrieb tref­fen ins Schwarze, bei stets sicht­ba­rer eige­ner Verletzlichkeit. Zeitweilig im Himmel der Bestsellerlisten, lan­den ihre Biografien schließ­lich in der Hölle der Ramschtische, und die Schulden drü­cken eben­so wie die per­sön­li­che Abwertung, kann sie doch die not­wen­di­ge Behandlung für Jersey nicht mehr bezah­len, von den Mietschulden ganz zu schwei­gen. Mehr zufäl­lig kommt ihr da die Idee, Briefe bekann­ter, selbst­re­dend ver­stor­be­ner Persönlichkeiten wie Dorothy Parker oder Ernest Hemingway zu fäl­schen, um sie, mit Hilfe ihres exzen­tri­schen Freundes Jack, zu ver­kau­fen. Sie ist gera­de­zu per­fekt dar­in, und geht mit hoher Präzision ans Werk (sie legt sich alle ori­gi­nal-Schreibmaschinentypen zu). Bibliothekare und Sammler sind ganz ent­zückt über neue und unbe­kann­te Seiten ihrer Idole, und auch das Schwindlerpaar hat einen Heidenspaß bei der Geschichte – bis alles auf­fliegt. Lee Israel wird ver­ur­teilt und schreibt spä­ter ihr erfolg­reichs­tes Buch über die­se Zeit: CAN YOU EVER FORGIVE ME?.

Es gibt wun­der­ba­re Bar-Sequenzen, in denen die kratz­bürs­tig-ver­lo­re­ne, aber auch lie­bens­wer­te les­bi­sche Einzelgängerin Lee und der extra­va­gan­te, unan­ge­pass­te schwu­le Dandy Jack ihre Pläne schmie­den. Trockener Humor kenn­zeich­net Gespräche wie Verkäufe der Fälschungen. Lees Privatleben ver­läuft aller­dings eher tra­gisch, geprägt von Einsamkeit und der Angst, Gefühle zu zei­gen. Sie steht sich selbst im Weg und schafft es nicht, Beziehungen trotz offen­sicht­li­cher gegen­sei­ti­ger Anziehung einzugehen.

In der Lebensgeschichte von Lee Israel steckt zu glei­chen Teilen bit­te­rer Humor und berüh­ren­de Melancholie. Vor Gericht erzähl­te die 2014 in New York City ver­stor­be­ne Autorin, ihre Zeit als Fälscherin sei in vie­ler­lei Hinsicht „die bes­te Zeit ihres Lebens“ gewe­sen. Allerdings erleb­te Israel die­ses Gefühl der Anerkennung aber eben auch nur dann, wenn sie vor­gab, nicht sie selbst zu sein. Oder wie es ihr Freund und Komplize Jack ein­mal so tref­fend for­mu­liert: „Niemand wür­de Briefe von Lee Israel kau­fen!“ Diese emo­tio­na­le Ambivalenz fin­det sich nun auch in Marielle Hellers Inszenierung wieder.

Ob Heldin, Antiheldin, Opfer, Täterin – all die­se kate­go­ri­sie­ren­den Begrifflichkeiten tref­fen auf Israel genau­so wenig zu wie auf ihren Komplizen Jack Hock.« (Antje Wessels | filmstarts.de)

mehr über die Schriftstellerin und den Fall hier:
https://www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=94461486

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Credits:

US 2018, 107 Min., engl. OmU,
Regie: Marielle Heller,
Buch Nicole Holofcener, Jeff Witty basie­rend auf der Autobiografie von Lee Israel
Kamera: Brandon Trost
Schnitt: Anne McCabe
mit: Melissa McCarthy, Richard E. Grant, Ben Falcone
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Termine:

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Asche ist reines Weiß

Ein Film von Jia Zhang-Ke. Ab 28 Februar im fsk.

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Fast ein wenig lang­wei­lig ist es, die Filme von Jia Zhang-Ke Meisterwerke zu nen­nen, doch was will man machen?(Michael Meyns |programmkino.de)

Qiao (Zhao Tao) ist weib­li­ches Mitglied einer Gemeinschaft mit aus­ge­präg­ten mafiö­sen Strukturen, dem soge­nann­ten Jiang-Hu-Milieu – eine rei­ne Männergesellschaft mit star­ren, ritu­el­len und bru­ta­len Regeln. Im Verlauf einer Auseinandersetzung mit einem ver­fein­de­tem Clan ret­tet sie ihrem Geliebten Bin (Liao Fan) das Leben, wird ver­haf­tet und ver­büßt aus Loyalität und Liebe zu ihm eine fünf­jäh­ri­ge Haftstrafe. Nach ihrer Entlassung reist sie Bin in den Süden Chinas hin­ter­her, der inzwi­schen mit einer ande­ren Frau zusam­men ist.

Der Film spielt in der Zeitspanne von 2001 bis 2018. Er ist dar­in ein­ge­bet­tet und im Grunde nicht vor­stell­bar ohne den zeit­li­chen und poli­ti­schen Hintergrund. Die Erzählung ist unauf­lös­lich dar­in ver­zahnt. Die Figuren schei­nen ori­en­tie­rungs­los und ent­wur­zelt zu sein, als ob ein­zig ihre insta­bi­le Parallelwelt ihnen noch Halt bie­ten könn­te. Nicht umsonst spielt ein Teil des Films im Staudammgebiet am Jangtsekiang im Jahr 2006, in einer Welt, die kurz dar­auf ver­schwun­den sein wird:

Die rie­si­gen Wohnhäuser, die hier kilo­me­ter­lang das Ufer säu­men, wird es irgend­wann, sobald die Schleusen geöff­net wer­den, nicht mehr geben. Ein Ort mit einer Halbwertszeit, ein Ort, der nie rich­tig ent­ste­hen konn­te, weil er immer schon im Sterben lag. Die gigan­ti­schen natio­na­len Bauprojekte der Regierung set­zen hier eine gan­ze Welt aufs Spiel, eine Welt mit schwa­chen Wurzeln, eine Welt mit fest­ge­leg­ter Dauer.

Diese Episode aus Jias drei­ak­ti­gem Film ist die mit Abstand ein­drück­lichs­te. Hier ver­wächst sich Qiaos per­sön­li­che Geschichte am schöns­ten und zugleich gespens­tischs­ten mit dem poli­ti­schen Raum, in den sie ihre Kerben schlägt. Ihr ent­wur­zel­ter Zustand zwi­schen Vergangenheit und Zukunft kor­re­liert mit einem Raum, der aus kei­ner sta­bi­len Vergangenheit her­aus ent­stand und dem kei­ne Zukunft in Aussicht gestellt ist.”
(Lukas Stern/critic.de)

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Credits:

CN/FR 2018, 141 Min., chin. OmU
Regie: Jia Zhang-Ke
Kamera: Eric Gautier
Schnitt: Matthieu Laclau
mit: Tao Zhao, Fan Liao, Zheng Xu, Casper Liang

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Termine:

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ASH IS PUREST WHITELES ETERNELS (Official Trailer OV/d, f)

Carré 35

Ein Film von Eric Caravaca.

[Credits] [Termine] [Trailer]

Der Schauspieler Eric Caravaca (Philipp Garrels Lover for a Day) spürt dem Schicksal sei­ner ihm unbe­kann­ten, früh ver­stor­be­nen Schwester nach. Dabei trifft er auf selt­sa­me Ungereimtheiten. In den Erzählungen sei­ner Familie kommt sie nicht oder nur wenig vor, selbst alle Bilder von ihr wur­den ver­nich­tet und Erinnerungen schei­nen wie aus­ge­löscht. Im Mittelpunkt steht die Mutter, die nur wider­wil­lig ihre Version der Ereignisse zum Tod sei­ner Schwester preis­gibt. Schnell wird klar, dass sich Erinnerung und Realität nicht decken. Bei sei­nen beharr­li­chen Nachforschungen ent­deckt und öff­net er ver­bor­ge­ne Türen, Gespenster der Vergangenheit, die auch ihn in sei­nem bis­he­ri­gen Leben unbe­wusst beglei­te­ten. Nicht nur an die­ser Stelle stellt der Film ein wun­der­ba­res Lehrstück über die Tradierung von Schuld und Scham dar.
Bei der Suche nach den wah­ren Vorkommnissen wird, aus­ge­hend von der Familiengeschichte und ihren kom­ple­xen Lebensumständen jener Zeit, zugleich die fran­zö­si­sche Kolonialgeschichte des 20. Jahrhunderts beleuch­tet. Dabei kris­tal­li­siert sich eine Spiegelung inner­halb der fami­liä­ren Geschehnisse und der poli­ti­schen Zustände her­aus. Weder sei­ne Mutter, die Sicherheit und Schutz in der für Außenstehende kaum zu glau­ben­den Verweigerung fin­det, ihre Vergangenheit zu betrach­ten, noch scheint Frankreich in der Lage zu sein, sich der Schuld sei­ner kolo­nia­len Zeit zu stel­len. – Im Grunde erzählt Eric Caravaca eine Geschichte über die extre­me Verdrängung von Vergangenheit, die dem Protagonisten ein­zig durch das Durchstoßen eine mini­ma­le Chance eröff­net, sich und sei­ne Biographie anzu­neh­men. Wenn es zum Schluss Anzeichen gibt, dass die Mutter, schein­bar ange­regt durch die Mitwirkung im Film, ihre Vergangenheit annimmt, ist auch das nur ein fra­gi­les Ereignis, denn sie, so der Filmemacher nach der Vorführung auf dem Filmfestival in München, ver­wei­ge­re stand­haft, sich den Film anzuschauen.
(Michael Schmitz | indiekino.de)

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Credits:

DE/FR 2017, 67 Min. frz. OmU,
Regie: Eric Caravaca
Kamera: Jerzy Palacz
Schnitt: Simon Jacquet

Termine:

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Trailer:

Plot 35 / Carré 35 (2017) – Trailer (English Subs)

Im Kino mit deut­schen Untertiteln

Rafiki

Ein Film von Wanuri Kanihu.

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Zwei jun­ge Frauen, deren Väter sich im kon­kur­rie­ren­dem, poli­ti­schem Wahlkampf befin­den, ver­lie­ben sich inein­an­der, was in ihrer Heimat unter Strafe steht. Auch der Film war infol­ge des­sen eine Zeitlang in Kenia ver­bo­ten. Kena (Samantha Mugatsia) ist vor­wie­gend mit Jungs zusam­men, wäh­rend Ziki (Sheila Munyiva) mit ihren Freundinnen auf der Straße tanzt. Dann kreu­zen sich ihre Blicke, und schon ist es um sie gesche­hen. Ab jetzt ver­brin­gen sie die meis­te Zeit mit­ein­an­der. Der Film hält sich nicht lan­ge mit viel Vorgeplänkel auf. Er ist schnell, direkt und vor allem bunt. Die Erzählung ver­blüfft durch eine Einfachheit, die leicht mit Naivität ver­wech­selt wer­den könn­te. Doch die Probleme und Schwierigkeiten wer­den nicht igno­riert oder ver­drängt, son­dern wer­den benannt oder ange­deu­tet, dann aber ein­fach und sicht­bar über­sprun­gen, was den Protagonistinnen viel Freiheit ein­räumt. Es ist so, wie es ist. Manchmal, aber sel­ten, ist ihre Unbekümmertheit ein wenig vor­sich­tig, denn völ­lig offen kön­nen sie ihre Liebe nicht zei­gen. Der Film ist dann beson­ders inter­es­sant, wenn er die dis­si­den­te Seite des zele­brier­ten Hedonismus sicht­bar wer­den lässt, deren Existenz der Miesepeter in uns beharr­lich anzweifelt.

Rafiki posi­tio­niert sich als ein­deu­tig femi­nis­ti­sches Werk, das kri­tisch auf die Männergesellschaft Kenias schaut, aber auch auf die Selbstregulation der Frauen, die sich ent­we­der von Haus aus selbst oder gegen­sei­tig in Schach halten…Doch bei allem klu­gen Betrachten der Umstände bleibt Rafiki ein futu­ris­ti­scher Film, der hoff­nungs­voll in die Zukunft blickt und auch das Gemeinsame, das Menschliche in allem sucht. Diese Hoffnung liegt in Ziki und Kena und in der Jugend, die die alten Werte hin­ter­fragt und sich auf­lehnt gegen die engen Grenzen.“
(aus Kino-zeit.de |Beatrice Behn)

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Credits:

Kenia 2018, 83 Min., engl., swa­hi­li OmU
Regie: Wanuri Kanihu
Kamera Christopher Wessels
Schnitt Isabelle Dedieu, Ronelle Loots
Darsteller: Samantha Mugatsia, Sheila Munyiva, Jimmi Gathu, Nini Wacera, Dennis Musyoka, Patricia Amira, Neville Misati u.v.m.

Termine:

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Trailer:

Rafiki – Trailer für die offi­zi­el­le Website from Salzgeber & Co. Medien GmbH on Vimeo.

 

Das Mädchen, das lesen konnte

Ein Film von Marine Francen.

[Credits] [Indiekino Club] [Trailer]

Eine Utopie, und ein Film wie ein Gemälde : „You want to take cer­tain shots and hang them on the wall“ schreibt Screen Int.. Dass es auf dem fran­zö­si­schen Land um 1851 so sau­ber und schön nur sel­ten war, dürf­te klar sein, aber Das Mädchen, das Lesen konn­te ist auch kein zeit­ge­treu­er Historienfilm, son­dern eine Literaturverfilmung beson­de­rer Art.

Für ihren Debütfilm hat die Französin Marine Francen eine Vorlage gewählt, deren Ursprung etwas nebu­lös ist. Wahrscheinlich sind die Vorgänge auch nicht wirk­lich von einem rea­len Ereignis inspi­riert, aber vor­stell­bar wäre es schon. Wir bli­cken zurück ins Jahr 1851: Louis Napoléon will sich als Napoléon III zum Kaiser der Franzosen krö­nen las­sen, doch die Republikaner im Land kämp­fen gegen die­ses Geschichts-Rollback. Der Bürgerkrieg erreicht auch abge­le­ge­ne Landstriche. In ein auf­stän­di­sches Dorf in der Provence fal­len die umher­zie­hen Truppen Napoleons ein und ver­schlep­pen alle Männer. Die ver­las­se­nen und geschock­ten Frauen trau­ern, aber die Arbeit muss trotz­dem getan wer­den. Gemeinsam ler­nen sie alles, was sonst den Männern oblag, und auch wenn es zu Beginn oft schwer fällt, funk­tio­niert die Frauengemeinschaft auf Dauer sehr gut. Trotzdem ver­mis­sen sie ihre Gatten, Verlobte, Söhne und Freunde, zudem sind sie wie abge­schnit­ten vom Rest der Welt sind sie auch. Neben unbe­frie­dig­tem kör­per­li­chem Begehren stellt sich nach eini­ger Zeit auch die Frage, wie das Dorf in zukünf­tig wei­ter exis­tie­ren soll. Die jün­ge­ren schlie­ßen einen Pakt: soll­te doch eines Tages noch ein Mann vor­bei kom­men, gehört er allen. Und dann ver­schlägt es den Schmied Jean in die­ses Tal.

Der Film han­delt von Liebe, Solidarität und Selbstbewusstsein, von Verlangen und Einsamkeit, und auch von Neid, Eifersucht und Unsicherheit. Als nach Jahren eini­ge der ent­führ­ten Männer ins Dorf zurück­keh­ren, erscheint dies, trotz aller Freude und Erleichterung wie eine Vertreibung aus dem Paradies der Unabhängigkeit.

Wovon Violette Ailhaud (die offi­zi­el­le Autorin) erzählt, ist die Verteidigung der Freiheit in all ihren Erscheinungsformen. Dieses Thema kennt kei­ne Grenzen und kei­ne Epoche, und ich woll­te auch die­se Aktualität erfas­sen.” Marine Francen

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Credits:

Le Semeur
Frankreich 2017, 98 Min., franz. OmU
Regie: Marine Francen
Buch: Jacques Fieschi, Marine Francen, Jacqueline Surchat, nach der Novelle von Violette Ailhaud
Kamera: Alain Duplantier
Schnitt: Minori Akimoto
Darsteller: Pauline Burlet, Géraldine Pailhas, Alban Lenoir, Iliana Zabeth, Francoise Lebrun, Barbara Probst

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Die Geheimnisse des Schönen Leo

Ein Film von Benedikt Schwarzer.

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Leo Wagner war CSU-Bundestagsabgeordneter und enger Vertrauter von Franz Josef Strauß. Seine Vorzeigefamilie ließ er in Wahlprospekten abbil­den. Doch der schö­ne Schein trüg­te: die Ehe war zer­rüt­tet und sein aus­schwei­fen­des Kölner Nachtleben kos­te­te ihn mehr Geld, als er besaß. Er ver­wi­ckel­te sich bald in dubio­se Geschäfte und ver­kauf­te Informationen an die Stasi. War er jener ent­schei­den­de Verräter, der 1972 das Misstrauensvotum der CDU/CSU gegen Bundeskanzler Willy Brandt schei­tern ließ? Dieser Frage geht sein Enkel, der Regisseur Benedikt Schwarzer nach, und lässt dabei Parteifreunde und Leo Wagners Führungsoffizier bei der Stasi zu Wort kom­men. Benedikt Schwarzers Recheren über den CSU-Politiker eröff­nen einen Blick auf die Widersprüche und Abgründe der Bonner Republik – und lüf­ten schließ­lich ein Familiengeheimnis, das kei­nes der bei­den Kinder von Leo Wagner ahnen konnte.

Meinen Großvater habe ich als Kind nie rich­tig ken­nen­ge­lernt. Mit der Zeit wur­de mir jedoch klar, dass durch ihn in mei­ner Familie Politik und Privatleben auf schmerz­vol­le Weise auf­ein­an­der geprallt sind. Familie dient im Wahlkampf zur Repräsentation. Ansonsten muss sie im Stillen funk­tio­nie­ren. Der Preis für Politiker-Karrieren ist hoch. Mein Großvater steht durch­aus pro­to­ty­pisch für sei­ne Generation. Und Nationalsozialismus, Krieg und der Wechsel von Held zum Täter 1945 bedeu­te­te auch eine bestimm­te Prägung und Zugzwänge, gera­de als Mann. Es muss in ihm rumort haben. Doch was sein Leben und sei­ne Entscheidungen für mich bedeu­ten, das wur­de mir erst bei der inten­si­ven Beschäftigung mit mei­ner Mutter so rich­tig klar. Manche Fragen hat­te ich nie zuvor gestellt. Umso mehr über­rasch­ten mich die Antworten. Meine eige­nen Recherchen führ­ten mich dazu immer wei­ter in unbe­kann­tes Terrain, zwi­schen Familie und Politik, Stasi und Rotlichtmilieu. So wur­de der Versuch mei­nen toten Großvater ken­nen­zu­ler­nen zu einer bewe­gen­den Reise des ganz Persönlichen und der gro­ßen Historie.“ Benedikt Schwarzer

Am 17.1. fin­det im Anschluss an die Vorführung ein Filmgespräch mit dem Regisseur Benedikt Schwarzer statt.

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Credits:

Deutschland 2018, 80 Minuten
Regie & Buch: Benedikt Schwarzer
Kamera: Julian Krubasik
Schnitt: Natascha Cartolaro

Termine:

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Trailer:

Die Geheimnisse des Schönen Leo – Offizieller Trailer

Capernaum – Stadt der Hoffnung

Ein Film von Nadine Labaki.

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Born, never asked“ (Laurie Anderson) wäre auch ein pas­sen­der Titel zu Nadine Labakis Gewinner des Jury- und ande­rer Preise in Cannes, Capernaum. So heißt ein bibli­schen Fischerdorf am See Genezareth, aber das Wort bedeu­tet auch Chaos, und das passt genau zu Umgebung und Leben von Zain (Zain Al Rafeea, wie vie­le ande­re im Film ein – groß­ar­ti­ger – Laiendarsteller). Der unge­fähr 12-jäh­ri­ge Junge, weder er noch sonst jemand kennt sein Alter, klagt vor Gericht sei­ne Eltern an, ihn gezeugt zu haben. Rückblickend lebt er in Beirut in äußerst pre­kä­ren Verhältnissen bei den Eltern, bis die, ange­wie­sen auf das Geld, sei­ne gelieb­te Schwester Sahar viel zu jung ver­hei­ra­ten, d.h. ver­kau­fen. Wutentbrannt ver­lässt Zain die ärm­li­che Wohnung und die Familie, ohne Ziel und Zukunft. Beim Vergnügungspark am Meer trifft er auf Rahil, eine jun­ge Frau aus Äthiopien, eben­so wie er ein Mensch ohne Papiere. In ihrer Hütte fin­det er Unterschlupf und passt dafür auf den Sohn auf, wäh­rend sie arbei­tet – bis Rahil eines Tages ver­schwin­det und er allein ver­ant­wort­lich für den klei­nen Yonas ist.
Nadine Labaki macht sich ganz zur Anwältin von Ungerechtigkeit und vor allem der Kinder, im Film sogar in Persona. Ganz nah an Zain bleibt die Kamera, auf Augenhöhe beglei­tet sie ihn auf den Strassen und bei sei­nem Bemühen, durch die­se Welt zu kom­men. Das ist so authen­tisch wie hart, für Subtilität ist kein Platz. Der Film geht, weit­ge­hend ohne rühr­se­lig zu sein zu Herzen (falls dort kein Stein ist). Ab und zu lau­ert dann aller­dings doch Musik unter den Bildern, um im pas­sen­den Momenten die Dramatik abzu­fe­dern, gera­de zum Schluss, wo uns der Film mit einem gro­ßen Trostpflaster (Taschentuch!) entlässt.
In vie­len Filmen ist es ein Zeichen der Hoffnung, Kinder auf die Welt zu brin­gen, gleich, wie bru­tal und unwohn­lich die­se auch ist (sie­he Alfonso Cuaróns „Children of Man“). Als Hoffnungsträger sehen sich Zains rea­le Vorbilder wohl kaum.

Über ihre aus­gie­bi­ge Recherche auf den Straßen, in Lagern und in Gefängnissen sagt sie: „Zain ver­klagt ja nicht nur sei­ne Eltern, er ver­klagt das System. Seine Eltern sind genau­so Opfer wie er selbst. Wir den­ken immer nur an das Recht der Eltern, Kinder zu bekom­men, aber nie an die Rechte des Kindes, wenn es gebo­ren wird. Etwa das Recht, als Mensch behan­delt zu wer­den. Zu die­ser Frage haben mich all die ver­nach­läs­sig­ten Kinder gebracht. Ich frag­te sie, ob sie glück­lich sei­en, am Leben zu sein. Die meis­ten sag­ten: „Nein, ich wünsch­te, ich ich wäre nie­mals gebo­ren wor­den. Ich weiß nicht mal, war­um ich gebo­ren wur­de. Niemand liebt mich. Ich wer­de jeden Tag miss­han­delt. Warum bin ich da?“
(im Konkret-Interview)

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Credits:

Capharnaüm کفرناحوم
Libanon 2018, arab. OmU, 126 Min.
Regie: Nadine Labaki
Kamera: Christopher Aoun
Schnitt: Konstantin Bock
Buch: Nadine Labaki, Jihad Hojeily, Michelle Kesrouani, Georges Khabbaz, Khaled Mouzanar
mit: Zain Al Rafeea, Yordanos Shiferaw, Boluwatife Treasure Bankole, Kawthar Al Haddad, Fadi Kamel Youssef, Cedra Izam

Freigegeben ab 12 jah­ren (FSK)

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Cold War

Ein Film von Paweł Pawlikowski.

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Eine Liebesgeschichte in Polen im poli­ti­schem Kontext der 50er Jahren. In einer Musikakademie ver­liebt sich der Musiklehrer (Wiktor) in eine Schülerin (Zula). Diese unbe­ding­te Beziehung beglei­tet der Film über vie­le Jahre. Dabei spielt die Musik in ihrer Konstanz und fort­schrei­ten­der Veränderung eine gro­ße Rolle. Als Wiktor nach Paris flüch­tet und Zula zunächst in Polen bleibt, bedeu­tet das kei­ne end­gül­ti­ge Trennung. Während sich Orte und Zeiten ändern, scheint die Liebe unum­stöß­lich. Und doch folgt auf das neu­er­li­che Wiedersehen, gleich das nächs­te Auseinandergehen. Sowohl der Osten, wo der real exis­tie­ren­de Sozialismus herrscht, als auch der Westen mit sei­nen sub­ti­le­ren Unterdrückungsmechanismen, ist für sie kein Ort, der ihre Beziehung dau­er­haft bestehen lässt.

Eigentlich könn­te die­se Geschichte eine Vorlage für ein gro­ßes Melodram sein, doch ent­geht Pawel Pawlikowski geschickt die­ser Falle, indem Erzählbögen gekappt wer­den, vie­les unaus­ge­spro­chen bleibt, Lücken sich auf­tun, nach dem Wesentlichen abrupt geschnit­ten und auf Klischees und Kitsch weit­ge­hend ver­zich­tet und ins­ge­samt dem Zuschauer noch eine wohl­tu­en­de Distanz zuge­bil­ligt wird. Auch wenn für mei­nen Geschmack an eini­gen, weni­gen Stellen noch mehr und noch radi­ka­ler hät­te redu­ziert wer­den kön­nen, so wird die Geschichte doch mit einer gro­ßen Ökonomie, in einer läs­si­gen Unaufgeregtheit und unge­mei­nen Schnörgellosigkeit erzählt, der Erzählweise eines Aki Kaurismäki nicht unähnlich.

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Credits:

Zimna woj­na
Polen/Frankreich/Großbritannien 2018, 84 Min., poln. OmU
Regie: Paweł Pawlikowski
Drehbuch: Pawel Pawlikowski, Janusz Glowacki
Kamera: Lukasz Zal
Schnitt: Jaroslaw Kaminski
mit: Joanna Kulig, Tomasz Kot, Borys Szyc, Cédric Kahn, Agata Kulesza

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Termine:

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Trailer:

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