Marlina – Die Mörderin in vier Akten

Ein Film von Mouly Surya.

Irgendwo im son­nen­ver­brann­ten, kar­gen, dünn­be­sie­del­ten Nordosten der indo­ne­si­schen Insel Sumba erreicht ein Mann auf einem Motorrad eine abge­le­ge­ne Hütte. Er klärt die dort leben­de Marlina dar­über auf, dass sie hohe Schulden bei ihm hat. Deshalb wür­den er und sei­ne sechs Freunde, die gegen Abend ein­trä­fen, ihr Vieh und ihr Geld neh­men. Zur Stärkung wünscht sich der Eindringling für die gan­ze Bande ein gutes Essen und stellt der Hausherrin in Aussicht, sie anschlie­ßend zu ver­ge­wal­ti­gen. Anscheinend gibt es kei­ne Fluchtmöglichkeit für Marlina, denn sie ist allein und nie­mand wird ihr zur Hilfe kom­men. Doch ihre Kochkünste über­ra­schen die Räuber gewal­tig und bei Einbruch der Nacht haben sich die Machtverhältnisse gewandelt.
Mouly Surya schaut mit distan­zier­tem Blick auf die vor Hitze glü­hen­den Landschaft aus­ge­lie­fer­ten Menschen, gleich­wohl schenkt sie ihnen Vertrauen und Mitgefühl. Ihr kühl insze­nier­ter Western ist in wun­der­voll kom­po­nier­ten Cinemascope- Bildern gehal­ten. Die ver­roh­ten Verhältnisse sind von archai­scher Schlichtheit: Die Männer neh­men sich in aller Selbstverständlichkeit, was ihnen nicht zusteht. Aber die Frauen ver­bün­den sich gegen sie und ändern den Lauf der Geschichte.
Nach dem ers­ten Akt „Robbery“ fol­gen „The Journey“, „The Confession“ und „The Birth“. Damit endet der Zirkel, schließt sich der Kreis. Ein Film wie von Tarantino. Aber mit Inhalt.


 
Credits:
Indonesien 2017, 94 Min., indo­ne­si­sche OmU
Regie: Mouly Surya
Buch: Mouly Surya, Rama Adi
Kamera: Yunus Pasolang
Schnitt: Kikiwini Matusola

mit: Marsha Timothy, Dea Panendra, Yoga Pratama, Rita Matu Mona
 
Termine:

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Marlina – Die Mörderin in vier Akten // Trailer // Kinostart 18. Januar 2018

 

Licht

Ein Film von Barbara Albert.

Wien, 1777: Nach meh­re­ren geschei­ter­ten Versuchen, die Blindheit des Klavierwunderkindes Maria Theresia zu hei­len, geben die ehr­gei­zi­gen Eltern das Mädchen in die Obhut des umstrit­te­nen Wunderheilers Franz Anton Mesmer. Wider Erwarten hel­fen des­sen magne­ti­sche Kuren und Maria Theresia dient ihm fort­an als Beweis gegen die ungläu­bi­ge Ärzteschaft. Mit der gewon­nen Sehkraft ver­liert das Mädchen aller­dings den gewohn­ten Zugang zur Musik, und damit zu dem, was für sie lebens­not­wen­dig ist und womit sie sich einen Namen gemacht hat.

Ich möch­te LICHT nicht als Flucht in eine Ästhetik der Vergangenheit ver­stan­den wis­sen, viel­mehr wid­met sich der Film Grundfragen der mensch­li­chen Existenz: der fort­wäh­ren­den Spannung zwi­schen Unterordnung und Anpassung, und der Sehnsucht, sich über das Gewöhnliche zu erhe­ben, letzt­lich unsterb­lich zu wer­den. Und dar­über hin­aus dem Wert des Menschen an sich.
Nicht zuletzt kreist alles in LICHT um die Wahrnehmung und deren Flüchtigkeit. Es geht um den Blick und ums Sehen, um die­je­ni­gen, die gese­hen wer­den und die­je­ni­gen, die schau­en.“ Barbara Albert

Credits:

Österreich/D, 2017, 97 Min.
Regie: Barbara Albert
Drehbuch: Kathrin Resetarits
based on the novel «Mesmerized» by Alissa Walser
Kamera: Christine A. Maier
Schnitt: Niki Mossböck

mit:
Maria Dragus
Devid Striesow
Lukas Miko
Katja Kolm

Termine:

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Letzte Tage in Havanna

Ein Film von Fernando Pérez.

Diego und Miguel, bei­de Mitte vier­zig, leben in einer her­un­ter­ge­kom­me­nen Wohnung mit­ten in Havanna, ohne flie­ßend Wasser und jeg­li­chen Komfort. Miguel ver­dient sein Geld als Tellerwäscher in einem pri­vat geführ­ten Restaurant und küm­mert sich, gemein­sam mit Nachbarn und Familie, um Diego, den sei­ne HIV-Infektion ans Bett fes­selt. Diego ver­sucht, sich sei­ne Lebensfreude zu erhal­ten, wäh­rend Miguel sich immer mehr ver­schließt. Nur die bei­den ken­nen Miguels Geheimnis: Er plant, in die USA aus­zu­wan­dern und war­tet auf sein Visum. Diegos Zustand ver­schlech­tert sich, er muss ins Krankenhaus und über­lässt sei­ner Nichte Yusi das Zimmer. Als Miguels Visum end­lich ein­trifft, ste­hen nicht nur für ihn über­ra­schen­de Entscheidungen an. Anhand des Lebens in einem Mietshaus prä­sen­tiert der Autor, Dokumentarfilmer und Regisseur Fernando Pérez nach eige­nem Drehbuch ein schil­lern­des Kaleidoskop der Gefühle. Die in ruhi­gen Einstellungen erzähl­te Geschichte einer unge­wöhn­li­chen Freundschaft ist auch ein Blick auf eine Kultur im Umbruch, die stän­di­ge Flexibilität und unglaub­li­chen Optimismus for­dert. Eine Liebeserklärung an die kuba­ni­sche Hauptstadt und ihre Bewohner.


 
Credits:
Últimos días en la Habana
Kuba / Spanien 2016, 93 Min., span. OmU
Regie: Fernando Pérez
Buch: Fernando Pérez, Abel Rodríguez
Kamera: Raúl Pérez Ureta
Schnitt: Rodolfo Barros
mit:
Jorge Martínez (Diego)
Patricio Wood (Miguel)
Gabriela Ramos (Yusi)
Cristian Jesús Pérez (P4)
Coralia Veloz (Clara)
Carmen Solar (Fefa)
Yailene Sierra (Miriam)
Ana Gloria Buduén (Polizistin)
 
Terline:

 

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

Ein Film von Martin McDonagh.

Am Ortseingang von Ebbing ste­hen jene drei mäch­ti­gen und mäch­tig her­un­ter­ge­kom­me­nen Reklametafeln, die Mildred Hayes auf die Idee brin­gen: Warum nicht auf eben die­sen Tafeln eine rie­si­ge öffent­li­che Anklage an die Polizei des Ortes for­mu­lie­ren, die Monate nach dem gewalt­sa­men Tod ihrer Tochter noch immer kei­nen Schritt wei­ter ist? Die kur­zen Wortfolgen, die schon bald auf den Tafeln pran­gen, las­sen eine Welle der Abwehr, Aggression und Gewalt los­bre­chen, die Bevölkerung und Polizei des Städchens zwingt, Position zu bezie­hen. Geniales Drehbuch, bese­li­gend scharf­sin­ni­ge Dialoge, zugleich Körperkino at its best. Und eine Liebeserklärung an die eine, die ein­zig­ar­ti­ge Frances McDormand. (Viennale)

Wie kommt die Wut in die Welt? Bei der Souvenir-Verkäuferin Mildred Hayes rührt sie aus dem Schmerz, ihre Tochter wur­de ver­ge­wal­tigt und ermor­det, die Polizei küm­mert sich nicht. Also mie­tet sie die Plakatwände am Ortsausgang, klagt den Polizei-Chief Willoughby (Woody Harrelson) in gro­ßen Lettern der Untätigkeit an und mischt die Kleinstadt auf. Frances McDormand ver­kör­pert die­se furio­se Mutter in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“: end­lich wie­der eine Hauptrolle für die oscar­prä­mier­te Heldin von „Fargo“, end­lich wie­der ihr kon­ster­nier­tes Gesicht, ihr bezwin­gen­der Blick, ihre mini­ma­lis­tisch-bered­te Mimik, ihre Schlagfertigkeit.”
Christiane Peitz | Tagesspiegel

Credits:

USA 2017, 112 Min., engl. OmU
Regie & Buch: Martin McDonagh
Darsteller: Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell, Lucas Hedges, Clarke Peters, Abbie Cornish, Peter Dinklage,

Termine:

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The Untamed

Ein Film von Amat Escalante. 

In einer pro­vin­zi­el­len Kleinstadt in der Tiefebene steckt das Ehepaar Alejandra und Ángel in einer tie­fen Krise: Ángel, ein Straßenarbeiter, hat trotz sei­nes offen zur Schau gestell­ten Machismos eine Affäre mit Alejandras Bruder, dem Krankenpfleger Fabián.. Einsamkeit, Lügen und unter­drück­te Triebe bestim­men den Alltag. Als Veronika, eine mys­te­riö­se jun­ge Frau wie aus dem Nichts erscheint, beginnt eine abgrün­di­ge, orgi­as­ti­sche Reise in unge­kann­te Sehnsüchtswelten, die auch den Zuschauer vor unge­ahn­te Herausforderungen stellt. Ein Hybrid aus Sozialdrama und Science-Fiction des kom­pro­miss­lo­sen mexi­ka­ni­schen Regisseurs Amat Escalante aus der „Reygadas-Schule” (Sangre, Los Bastados, Heli), gefilmt in Escalantes Heimatstadt Guanajuato. Die atmo­sphä­risch-som­nam­bu­len Bilder stam­men von dem chi­le­nisch-däni­schen Kameramann Manuel Alberto Claro, der für Lars von Trier Melancholia und Nymphomaniac foto­gra­phiert hat.
„Die Kreatur muss­te für den Sex mit Menschen funk­tio­nie­ren, daher war das die wesent­li­che Charakteristik. Außerdem soll­te sie geheim­nis­voll und attrak­tiv anzu­se­hen sein, irgend­wie sinn­lich. Ich fin­de sie reiz­voll, aber gleich­zei­tig gro­tesk und schmut­zig.“ Amat Escalante


 
Credits:
La región salvaje

Mexiko, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Norwegen 2016, 100 Min., span. OmU
Regie: Amat Escalante
Drehbuch: Amat Escalante, Gibrán Portela
Kamera: Manuel Alberto Claro
Schnitt: Fernanda De la Peza, Jacob Secher Schulsinger
mit: Kenny Johnston, Ruth Ramos, Simone Bucio, Jesús Meza, Edén Villavicencio
 
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Tony Conrad – Completely in the Present

Ein Film von Tyler Hubby. 

»I’m going to make abs­tract art fun­ny, hap­py, ener­ge­tic, joyful…« und »I tried to be inde­pen­dent of the eco­no­my, as far as I could …« – das und noch viel mehr sagt Tony Conrad, Musiker, Installationskünstler und Regisseur. Bis zu die­sem Film war mir sein Name nicht geläu­fig, nur der Flicker-Film („Einige hiel­ten ihn für dei­nen sehr bedeu­ten­den Film, ande­re fan­den, es sei über­haupt kein Film“, Brandon Joseph) war mir ein Begriff. Besonders beein­druckt hat mich die Leichtigkeit sei­ner Kompromislosigkeit, die sein Künstler- und damit auch sein poli­ti­sches Leben aus­mach­te. Weder Aussicht auf Geld noch Ansehen waren Tony Conrad wich­tig. Er hat­te defi­nitv ein Problem mit Autoritäten, und ver­such­te als Unversitätsprofessor, den Studierenden bei­zu­brin­gen, wie man VERMEIDET: Arbeiten, Filme machen, zur Armee gehen zu müs­sen. Ganz begeis­tert wür­de ich ger­ne von allen sei­nen intel­li­gen­ten und abge­fah­re­nen Werken und Ansichten, die der Film mit vie­len Originalaufnahmen und Interviews auf­bie­tet, hier erzäh­len, so von den Yello-Films, den längs­ten Filmen der Welt, eine Art Gegenstück zu John Cages Musikstück ORGAN²/ASLSP, oder von der Live-TV-Hausaufgaben-Help-Line, oder von der Musik, bei deren Kompositionen das Wort „Wiederholung“ eine eben­so gro­ße Rolle spielt wie bei sei­nen frü­he­ren Essensplänen … aber das kann Tyler Hubby im Film alles viel bes­ser zei­gen. Und da ist dann noch die Geschichte von den unzäh­li­gen Musikbändern, die er mit John Cale und La Monte Young 1963–65 auf­nahm, die letz­te­rer bun­ker­te und nicht mehr her­aus­rück­te, und die Gründung von The Velvet Underground, und die Zusammenarbeit mit Filmemacher Jack Smith (erin­nert sich noch jemand an Flaming Creatures?), und und und …

» Tyler Hubbys groß­ar­tig gestal­te­ter Film, der über eine Zeitspanne von mehr als zwei­und­zwan­zig Jahren gedreht wur­de und eine Vielzahl von Auszügen aus Conrads Werk beinhal­tet, schafft es auf wun­der­ba­re Weise, Conrads ver­schmitz­te Persönlichkeit als eine Art ver­rück­ter Professor mit rie­si­gem Intellekt ein­zu­fan­gen. Der Film ist das ein­neh­men­de Porträt eines immer wie­der sin­gu­lä­ren Nonkonformisten, den wir, seit Conrad von uns gegan­gen ist [er starb 2016, noch bevor der Film fer­tig­ge­stellt war], schmerz­lich ver­mis­sen.« Andrew Lampert / documenta14 TV


 
Credits:
USA 2017, 97 Min., engl. OmU

Regie, Schnitt & Buch: Tyler Hubby
Kamera: Damian Calvo, Fortunato Procopio

 
Termine:
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Tony Conrad: Completely in the Present (Trailer) from Salzgeber & Co. Medien GmbH on Vimeo.

On The Beach At Night Alone

Ein Film von Hong Sang-soo.

Die Worte ver­lau­fen im Sand

Eine reich­lich ver­wir­ren­de auto­bio­gra­fi­sche Liebesaffäre zwi­schen Seoul und Hamburg: „On the Beach at Night Alone“ des süd­ko­rea­ni­schen Regisseurs Hong Sangsoo
Bei einem Spaziergang in einem Park in der Hansestadt Hamburg geht Younghee (Kim Minhee) an einer klei­nen Brücke aus Holz in die Knie. Sie bleibt stumm, im Gebet. Sie wünscht sich, wie sie hin­ter­her sagt, auf einer Bank im Park in Hamburg, eine Zukunft, die sie nach ihren eige­nen Wünschen zu leben vermag.
Sie ist eher unfrei­wil­lig aus Südkorea nach Hamburg gegan­gen. Fast könn­te man mei­nen, sie ist dort­hin geflo­hen. Denn sie hat­te eine Affäre mit einem ver­hei­ra­te­ten Mann, er Regisseur, sie Schauspielerin. Es nützt viel­leicht eher, als dass es scha­det, wenn man weiß, dass auch Hong Sangsoo, der Regisseur von „Bamui hae­by­un-eoseo hon­ja“ (On the Beach at Night Alone), eine Affäre hat­te mit einer Schauspielerin.
In Südkorea war das ein aus­ge­mach­ter Skandal. Es nützt, aber es ist auch nicht son­der­lich wich­tig. Denn ein­fach auto­bio­gra­fisch sind Hong Sang­soos Filme ohne­hin nie. Autobiografisch viel­leicht, aber ein­fach nie­mals. Von Hamburg, wo ein krebs­kran­ker Mann am Klavier ein Kinderlied spielt, geht es im zwei­ten Teil des Films zurück nach Südkorea. Der ers­te Teil endet am Ufer der Elbe. Younghees Freunde gehen nach rechts, wohin ihnen die Kamera folgt. Dann schwenkt sie zurück: Man sieht Younghees Spuren im Sand, sie selbst aber ist nicht zu sehen. Die Kamera schwenkt wei­ter nach links: Da trägt einer, der kei­ne Rolle spielt, Younghee aus dem ers­ten Teil die­ser Geschichte davon. Im zwei­ten Teil putzt der, der kei­ne Rolle spielt, sehr fre­ne­tisch ein Fenster; aber nichts wird dadurch kla­rer, nichts wird erhellt.
Wie immer bei Hong gibt es Gespräche, bei denen sich die Wörter ver­ir­ren, auf der Suche nach ihrem Sinn. Die Menschen trin­ken und die Wörter wer­den betrun­ken. Sätze keh­ren wie­der wie nicht ganz gescheit. Sätze über die Liebe, das Alter; das Alter, die Liebe; die Liebe, das Alter. Die Sätze und die Wörter sind tief emp­fun­den, aber sie bedeu­ten nicht, was sie sagen, jeden­falls nicht ein­fach so. Anders als in man­chen ande­ren Filmen von Hong liegt in „On the Beach at Night Alone“ – so heißt übri­gens auch eines der kos­mischs­ten Gedichte Walt Whitmans – der Schmerz offen zutage.
Er irrt durch den Film, er geht in ver­let­zen­den Wörtern, im Körper, im ver­letz­ten Gesicht Younghees vor Anker, aber immer nur kurz. Dann legt sie sich hin, allein, am Strand, und träumt einen Traum, der die rei­ne Wahrheit ent­hält. So total wie hier hat Hong noch sel­ten eine weib­li­che Figur ins Zentrum gestellt. Männer sit­zen hier buch­stäb­lich in den meis­ten Einstellungen am Rand.
Verletzte Frau
Während es sonst bei Hong so oft dar­um geht, wie sie Frauen auf erbärm­li­che Weise ver­let­zen, geht es hier um die Verletzung der Frau. Die wie alle Menschen bei Hong eine Irrende ist, eine Irrende in Worten und Taten. Sie ver­letzt, wie sie ver­letzt wor­den ist. In „On the Beach at Night Alone“ ist inmit­ten gro­ßer Banalitäten vie­les ele­men­tar. Das Leben, die Liebe, das Altwerden – dar­um kreist alles. Es wird im Film Literatur zitiert, aber nicht von Walt Whitman. Man sieht nicht mal die Sterne im Film. Trotzdem passt die­se Zeile aus „On the Beach at Night Alone“: „As I watch the bright stars shi­ning, I think a thought of the clef of the uni­ver­ses, and of the future.“ Das tut auch die­ser Film eines Meisters.
Ekkehard Knörer in der taz vom 17.2.17 (dan­ke!)

Credits:
Bamui hae­by­un-eoseo honja

Republik Korea 2017, 101 Min., korea­nisch, eng­li­sche OmU
Regie, Buch: Hong Sang-soo
Kamera: Kim Hyungkoo, Park Hongyeol
Schnitt: Hahm Sungwon
Kim Minhee (Younghee)
Seo Younghwa (Jeeyoung)
Jung Jaeyoung (Myungsoo)
Moon Sungkeun (Sangwon)
Kwon Haehyo (Chunwoo)
Song Seonmi (Junhee)
Ahn Jaehong (Seunghee)
Park Yeaju (Dohee)

 

on the beach at night alo­ne trailer

Neujahrspreviews

Bereits am ers­ten Tag des neu­en Jahres gibt es eine Wahl – zwei recht unter­schied­li­che Previews ste­hen bei uns auf dem Programm:

  • Weltuntergang, Zukunftsvision, Familien- und Liebesgeschichte, ein letz­ter Sonnenuntergang am Schluss – DOWNSIZING, Eröffnungsfilm der Filmfestspiele in Venedig hat neben der nied­li­chen klei­nen Welt viel zu bieten.
  • Cool, hef­tig und bit­ter­bö­se kommt dage­gen THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI daher, der in Venedig für sein Drehbuch aus­ge­zeich­net wurde. 

Downsizing

Ein schön pas­sen­der Neujahrsfilm, fin­det doch der Protagonist am Ende eine Art Neuanfang.

In einer nahen Zukunft: die Ressourcen auf der Erde gehen zur Neige, doch ein nor­we­gi­scher Wissenschafter hat eine Methode ent­wi­ckelt, das Problem der Überbevölkerung zu lösen: alle Lebewesen kön­nen ohne Verluste auf ein Miniformat ver­klei­nert wer­den, womit natür­lich an Land, Luft, Essen, Energie super­viel gespart wird. Wer sich frei­wil­lig „schrump­fen“ läßt, kann mit einem kom­for­ta­blen Leben rech­nen, sich ein grau­en­haf­tes Angeber-Anwesen bau­en las­sen und die Zeit mit Wellness, Sport und Sozialisieren ver­brin­gen. Für Paul und Audrey ist dies eine Option, nur kneift Audrey in letz­ter Minute, und Paul steht allei­ne da im Winzling-Reich. Doch auch hier ist mehr Schein als Sein, Drecksarbeiten müs­sen erle­digt wer­den, und Lug und Betrug sind nicht unbekannt.

USA 2017 135 Min. engl. OmU
R.: Alexander Payne (Nebraska)
D.: Matt Damon, Christoph Wltz, Hong Hau, Kristen Wiig

am 1.Januar um 20:00

Three Billboards outside Ebbing, Missouri

Anger is an ener­gy” schreibt Brian Tallerico auf rogerebert.com, und tat­säch­lich gibt es viel Wut und viel Energie in Martin McDonaghs neu­em Film. Frances MacDormand klagt als Mildred, der tief trau­ern­den Mutter der ermor­de­ten Angela die ört­li­che Polizei mit­tels der titel­ge­ben­den drei Werbetafeln an, die Ermittlungen, mil­de gesagt, zu ver­nach­läs­si­gen. Der auf­merk­sam gewor­de­nen Presse wird sie sagen, die Polizei sei mehr damit beschäf­tigt, „Schwarze zu fol­tern” als den Mörder zu suchen. Mildred ist, wie auch die gegen sie auf­ge­brach­ten ehr­ba­ren Bürger, nie um einen mar­ki­gen Spruch ver­le­gen, und es bleibt auch nicht lan­ge bei ver­ba­len Auseinandersetzungen, bei denen kei­ne Seite die ver­meint­lich ande­re schont. Wut und Schmerz, Rache und Selbstjustiz, Rassismus, Sexismus und Homophobie – alles bahnt sich sei­nen Weg nach ganz oben, und der um Ausgleich bemüh­te Sheriff Bill Willoughby (Woody Harrelson) ist macht­los. Kaum zu glau­ben, dass wir es mit einer Komödie (eine der dunk­len Art) zu tun haben.

USA 2017 115 Min. engl. OmU
R.: Martin McDonagh (In Bruges)
D.: Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell

am 1.Januar um 20:15

First Steps Kurzfilmprogramm

Der 21. Dezember ist der kür­zes­te Tag des Jahres, und eini­ge pfif­fi­ge Kurzfilmverleihe haben ihn des­halb zum „Tag des Kurzfilms“ aus­er­ko­ren, 2017 ist es die sechs­te Ausgabe. Diesmal sind wir auch dabei und zei­gen aus­ge­wähl­te Filme des First-Steps-Teams. First Steps – Der Deutsche Nachwuchspreis zeich­net jedes Jahr ers­te Werke in ver­schie­de­nen Kategorien aus.
Wir zei­gen einen Animationsfilm, zwei aus der sel­ten zu sehen­den Gruppe der mit­tel­lan­gen Filme sowie 3 Werbefilme, alle­samt Nominierte bzw. Preisträger aus die­sem Jahr. Höchstwahrscheinlich wer­den es sich so man­che Beteiligte nicht neh­men las­sen, ihren Film per­sön­lich vorzustellen.

Do. 21.12. um 20:00:

Stranden Spielfilm, 28 Min. Regie: Moïra Himmelsbach, KHM Köln
Zulay hat Schwierigkeiten an ihrem ers­ten Praktikumstag. Mila und David machen einen Schiffsausflug. Leonie möch­te in einer Boutique unge­stört ein Kleid anpro­bie­ren. Ruth und ihre Tochter Mira wol­len im Wald die ver­stor­be­ne Katze begra­ben… Ein Film über das Hadern und Scheitern der Kommunikation.

Ayny / Mein zwei­tes Auge Animationsfilm, 11 Min., Regie: Ahmad Saleh, KHM Köln
Als ein Krieg ihre Heimat zer­stört, müs­sen zwei Brüder mit ihrer Mutter flie­hen. Auf der Suche nach einem siche­ren Ort ver­lie­ren sie nie ihren Traum aus den Augen: ein­mal auf einer ganz beson­de­ren Gitarre ihre Musik zu machen – einer wun­der­schö­nen Oud.

Mikel Spielfilm, 31 Min., Regie: Cavo Kernich, UdK Berlin
Mikel führt ein Nomadenleben in Berlin. Als ille­ga­ler Flüchtling arbei­tet er für die Renovierungsfirma von Norbert. Der ver­spricht ihm eine Aufenthaltsgenehmigung und fai­re Bezahlung.

ABC of Death Werbefilm, 43 Sek., Regie: Dorian Lebherz, Daniel Titz, Filmakademie B‑W Ludwigsburg In einem klei­nen eng­li­schen Dorf ereig­nen sich selt­sa­me Todesfälle. Es kann jeden zu jedem Zeitpunkt tref­fen. Doch es gibt ein Muster: den Namen. Eine uner­war­te­te Wendung bricht den Fluch und ret­tet die Zukunft des Dorfes.
Bad Pets I+II Werbefilm, 48 Sek., Regie: Moritz Rautenberg, Christian Ricken, HFF München
Zwei kur­ze und böse Clips über die Rache von Haustieren, die mit ihrem Futter unzu­frie­den sind.
Three Polar Bears Werbefilm 1:39 Min., Regie: Artjom Baranov, HFF München
Drei Polarbären wol­len die Erde vor der Klimaerwärmung ret­ten. Sie stür­men ein Autohaus, um die poten­ti­el­len Käufer von umwelt­schäd­li­chen Autos zu ver­hau­en. Doch sie machen einen Fehler.

Leaning into the Wind – Andy Goldsworthy

Ein Film von Thomas Riedelsheimer.

Man kann über den Weg gehen oder durch die Hecke“ (Andy Goldsworthy)

16 Jahre nach sei­nem groß­ar­ti­gen Rivers and Tides – Andy Goldsworthy working with time hat Thomas Riedelsheimer den in Schottland leben­den und arbei­ten­den Ausnahmekünstler erneut fil­misch durch die Welt beglei­tet. Goldsworthy ist inzwi­schen bekann­ter gewor­den, viel­leicht nach­denk­li­cher und älter. Seine Tochter Holly, eine jun­ge, eigen­stän­di­ge Künstlerin, assis­tiert ihrem mit­un­ter recht ver­schro­be­nen Vater immer mal wieder.

Leaning into the Wind unter­sucht die Spuren, die die Zeit bei Künstler und Werk hin­ter­las­sen haben. Er selbst wird mitt­ler­wei­le Teil sei­ner Kunstwerke, die zugleich zer­bech­rech­li­cher, per­sön­li­cher, erns­ter und rau­er gewor­den sind. Und natür­lich ist Andy Goldsworthy wie­der ein ent­waff­nend offe­ner, eben­so ernst­haf­ter wie ver­schmitz­ter Erzähler, der so fas­zi­nie­rend von der Kunst, der Natur, vom Leben und vom Tod zu spre­chen ver­mag; vom wun­der­ba­ren Gelb der Ulmenblätter, die beim ers­ten Frost schlag­ar­tig schwarz wer­den; von den über­wäl­ti­gen­den, kur­zen Momenten, in denen alles für einen kur­zen Augenblick in höchs­ter Spannung, in der Schwebe, in der Balance ist.

Leaning into the Wind geht weit über das Porträt eines fas­zi­nie­ren­den Künstlers und sei­ner Arbeit hin­aus. Ein Film über die unend­li­chen Möglichkeiten, die Welt wahr­zu­neh­men und zu ent­de­cken, vol­ler Achtsamkeit und Neugier, eine sinn­li­che Reise in die Kunst, die Natur, das Leben. Riedelsheimer fasst das Universum sei­nes Protagonisten in hin­rei­ßen­de Bilder und Fred Frith unter­malt sie auch dies­mal musi­ka­lisch eigen und zurückhaltend.

Um den Titel Leaning into the Wind zu ver­ste­hen, muss man bis zum Schluss des Films war­ten. Zu einer ein­fa­chen, aber berü­cken­den Handlung, in der es kei­nen Unterschied mehr zwi­schen Kunst und Leben gibt. Zum Zentrum sei­ner Arbeit, der fra­gi­len Balance zwi­schen dem Menschen und sei­ner Welt. Und dann ver­lässt man das Kino auf eine merk­wür­di­ge Art ziem­lich glück­lich.“ Georg Seeßlen | Strandgut

Deutschland, UK 2016, engl. OmU, 97 MIn.
Regie, Kamera & Schnitt: Thomas Riedelsheimer
Darsteller: Andy Goldsworthy, Tina Fiske, Holly Goldsworthy
Musik: Fred Frith

 

Leaning into the Wind – Andy Goldsworthy (Offizieller Trailer)