Das letzte Geschenk

Ein Film von Pablo Solarz.

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Eigenwillige Senioren erobern längst recht erfolg­reich die Leinwand, von „Ein Mann namens Ove“ über „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und ver­schwand“ bis „Toni Erdmann“. In der süd­ame­ri­ka­ni­schen Variation gibt der Schneider Abraham Bursztein (Miguel Ángel Solá) nun den betag­ten Helden mit lädier­tem Bein und leid­vol­ler Kindheit. Als sei­ne Töchter ihn ins Altenheim abschie­ben wol­len, fasst der 88-Jährige einen küh­nen Plan. Heimlich will er von Buenos Aires nach Polen rei­sen, um sei­nem Jugendfreund Piotrek des­sen Anzug zurück­zu­brin­gen, so wie er es ihm einst ver­spro­chen hat. Über 70 Jahre ist das her, seit­dem hat­ten die bei­den kei­nen Kontakt mehr. Davon lässt Abraham sich nicht beir­ren, stur will er die­ses titel­ge­ben­de, letz­te Geschenk in Lodz abliefern.

Weil kurz­fris­tig kei­ne pas­sen­den Flüge ver­füg­bar sind, bucht der Schneider ein Ticket nach Madrid und will die Reise mit dem Zug fort­set­zen. Mit einem ver­blüf­fen­den Trick (den man sich für sei­ne nächs­ten Flug mer­ken soll­te!) ver­schafft sich der Reisende eine gan­ze Sitzreihe im Flieger. Abraham hat nicht nur Platz für sein schmer­zen­des Bein, er macht zudem die Bekanntschaft mit einem jun­gen Musiker, der ihm bald noch nütz­lich wer­den soll. Nette Mitmenschen wer­den dem eigen­sin­ni­gen Alten auf sei­ner Odyssee durch Europa immer wie­der zur Seite ste­hen. Wie im Märchen tau­chen die­se guten Geister auf: Jene kratz­bürs­ti­ge Hotelbesitzerin Maria in Madrid, die dem bestoh­le­nen Gast als­bald ihr gol­de­nes Herz zeigt. Die gesel­li­ge Anthropologin Ingrid, die sein unver­söhn­li­ches Feindbild von Deutschen gehö­rig ins Schwanken bringt. Schließlich eine her­zens­gu­te Krankenschwester Gosia, die den geschwäch­ten Helden per­sön­lich bis ans Ziel bringt.

Je wei­ter die Reise geht, des­to mehr wird die tra­gi­sche Geschichte des Schneiders beleuch­tet. In Rückblenden erin­nert sich Abraham an die Gräuel der Nazi-Diktatur, die er als jüdi­sches Kind erlit­ten hat. Bis heu­te will er das Wort „Polen“ nicht aus­spre­chen, son­dern schreibt es stets auf einen Zettel. Mit Schrecken stellt der Holocaust-Überlebende am Pariser Bahnhof fest, dass sein Zug durch Deutschland fährt, ein Land, wel­ches er nie wie­der betre­ten woll­te. Und dann erweist sich just jene deut­sche Ingrid als ret­ten­der Engel in der Fremde.

So leid­voll die­se Biografie des Senioren sich abzeich­net, gelingt dem Drama sou­ve­rän die Balance zwi­schen Tragik und Heiterkeit. Von der poli­ti­schen Dimension abge­se­hen, bewegt sich die per­sön­li­che Ebene auf dem klas­si­schen grum­py old man-Terrain mit dem har­te Schale-guter Kern-Prinzip. Als chro­ni­scher Rechthaber tut sich der Dickkopf nicht sel­ten schwer damit, eige­ne Fehler zuzu­ge­ben. Aus sol­cher Sturheit erge­ben sich frei­lich regel­mä­ßig komi­sche Moment, schließ­lich kann die Nervensäge durch­aus char­mant sein.

Mit Miguel Ángel Solá ist der Hauptdarsteller exzel­lent besetzt. Mit gro­ßem Empathie-Potenzial fin­det er für den anrüh­ren­den Helden stets den rich­ti­gen Ton und die not­wen­di­ge Leichtigkeit: Von den Erzählungen sei­ner trau­ma­ti­schen Kindheitserlebnisse über rigo­ro­se Lektionen in Höflichkeit für Mitreisende bis zum galan­ten Flirt als Gentleman. Den weib­li­chen Part über­nimmt dabei Spaniens Schauspiel-Star Ángela Molina, die einst bei „Dieses obsku­re Objekt der Begierde“ von Luis Buñuel ihr Debüt gab. Das rühr­te auch die Zuschauer bei den Festivals von Atlanta, Miami und Philadelphia, die dem Film den Publikumspreis verliehen.

Dieter Oßwald | programmkino.de

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Credits:

El últi­mo traje
AR/ES 2017, 93 Min., span. OmU

Regie und Buch: Pablo Solarz
Kamera: Juan Carlos Gómez
Schnitt: Antonio Frutos
mit: Miguel Ángel Solá, Ángela Molina, Julia Beerhold, Natalia Verbeke, Olga Boladz, Martín Piroyansky, Jan Mayzel

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Trailer:

Trailer „Das letz­te Geschenk”

 

 

Jenseits des Sichtbaren – Hilma af Klint

Ein Film von Halina Dyrschka.

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Wer sich für Kunst inter­es­siert, kennt den Namen Hilma af Klint wahr­schein­lich schon län­ger, aber tat­säch­lich ist sie aus ver­schie­de­nen Gründen auf dem Weltmarkt für Kunst kaum ver­tre­ten. – Die inter­es­san­ten Gründe dafür kom­men im Film über ihr Leben und Wirken eben­falls zur Sprache. Sie sind untrenn­bar ver­bun­den mit den Mechanismen des Kunstmarkts, der – so wie bei­na­he alles ande­re – eben­falls wirt­schaft­li­chen Gesetzen unter­wor­fen ist, die sich immer stär­ker auf den Preis und damit auch auf den ideel­len Wert eines Kunstwerks auswirken.

Hilma af Klint, die 1862 in Schweden gebo­ren wur­de, pass­te und passt weder auf die gro­ßen Umschlagplätze für Bilder noch in die übli­chen Klischees der Kunstszene. Zum einen haben es Frauen in der Bildenden Kunst tra­di­tio­nell beson­ders schwer, aber zum ande­ren hat Hilma af Klint schon zu ihren Lebzeiten dafür gesorgt, dass ihre abs­trak­ten Werke dem Kunsthandel ent­zo­gen blie­ben. Diese Bilder, man­che groß­flä­chig, oft seri­ell, was in spä­te­ren Jahrzehnten zum Standard wur­de, sind etwas ganz Besonderes. Sie stel­len das Oeuvre einer Frau dar, die als Kind ihrer Zeit – um die Wende zum 20. Jahrhundert her­um – für sich selbst ent­schei­det, sich von der Welt, die sie sieht, zu ent­fer­nen und den künst­le­ri­schen Weg zu einer ande­ren, ver­geis­tig­ten Welt zu fin­den. „Die Welt ist nicht so, wie sie aus­sieht. Also muss ich sie (neu) erfin­den“, schreibt sie. Geprägt vom Fortschritt der Wissenschaft und von den bahn­bre­chen­den Entwicklungen zum Ende des 19. Jahrhunderts wen­det sich die an der schwe­di­schen Kunstakademie aus­ge­bil­de­te Malerin der abs­trak­ten Kunst zu, und zwar meh­re­re Jahre vor den bekann­te­ren, männ­li­chen Wegbereitern der Moderne, wie Kandinsky oder Mondrian. Als Zeichnerin und Malerin hat sie bereits beschei­de­ne Erfolge erzielt, doch der per­fek­te Naturalismus, den sie in ihren Bildern und Illustrationen, in ihren Porträts und Bewegungsstudien abbil­det, genügt ihr nicht mehr. Für eine Welt jen­seits des Sichtbaren, was neben spi­ri­tu­el­len Bereichen auch die Wissenschaft der Atome und Moleküle, der Strahlen und Wellen ein­schließt, macht sie sich auf die Suche nach ande­ren Ausdrucksformen. In kla­ren geo­me­tri­schen Mustern, häu­fig mit kräf­ti­gen, leuch­ten­den Farben und schein­bar spie­le­risch ergänzt durch viel­sei­ti­ge Formen und Symbole, spie­gelt sich ihre neue Weltsicht. Die zahl­rei­chen Aquarelle und Gemälde, die sie hin­ter­lässt, wer­den eben­so wie ihre Aufzeichnungen in Dutzenden von Notizbüchern zu Dokumenten einer star­ken Persönlichkeit und einer genia­len Künstlerin. Ihre krea­ti­ve Vision, das ahnt sie schon früh, passt nicht in das Weltbild ihrer Zeit. So ver­birgt sie die Bilder, ver­bie­tet den Verkauf nach ihrem Tode, sie stellt extrem sel­ten aus, hat aller­dings Kontakte zu ande­ren Künstlerinnen und Künstlern sowie zu Schriftstellern und Philosophen, mit denen sie sich meist brief­lich aus­tauscht. Ansonsten lebt sie allein und in engem Kontakt zur Natur. Mit 82 Jahren stirbt sie an den Folgen eines Unfalls.

Halina Dyrschka gelingt es in ihrem Film schein­bar mühe­los und in höchst span­nen­der Form, das Leben und das Schaffen der Künstlerin schlüs­sig zu ver­bin­den. Dafür greift sie unter ande­rem auf kur­ze, stum­me Spielszenen zurück, die zei­gen, wie Hilma af Klint ihre groß­for­ma­ti­gen Gemälde erschafft: bar­fuss und mit geschürz­tem lan­gen Rock zieht sie mit einem lan­gen Zeichenstock Konturen auf dem Papier. Wunderschöne Landschaftsaufnahmen, Großaufnahmen der unbe­rühr­ten Natur Schwedens sowie immer wie­der flie­ßen­des Wasser in sei­nen Linien und Strömungen zei­gen die Ursprünge des Denkens und Arbeitens die­ser Frau, die eine unbän­di­ge Leidenschaft und Liebe für das Leben gehabt haben muss. Eine Sprecherin zitiert dazu Hilma af Klints Worte: „In mir strömt eine so gro­ße Kraft, dass ich vor­wärts muss“, sagt sie. In die­sem Leben ist kein Platz für eine Ehe oder eine Familie. Auch Mitglieder ihrer Familie kom­men zu Wort, erzäh­len vom Leben einer in jeder Beziehung außer­ge­wöhn­li­chen Frau, nicht nur als Künstlerin. Sie mischt ihre Farben selbst: das strah­len­de Orange, die vie­len Blautöne und immer wie­der Rosa. Das Phänomen die­ser Farbgebung wird im Film eben­so kun­dig und inter­es­sant von Kunstfachleuten erör­tert wie die Interpretation der Bilder. Die Essenz ihres Schaffens könn­te in der Neugier lie­gen, mit der Hilma af Klint die Entgrenzung der Wirklichkeit fest­ge­hal­ten hat. Sie such­te und fand in ihrer Arbeit nicht nur sich selbst, son­dern auch die Stille – im Denken und im Empfinden. So ist der Film über ihr Leben und Werk ein zwar lei­ses, aber sehr ein­dring­li­ches Dokument, das, ähn­lich wie Hilma af Klint irgend­wie zwi­schen den Zeiten zu schwe­ben scheint: eine medi­ta­ti­ve, spi­ri­tis­ti­sche Reise in eine ande­re Welt.

Gaby Sikorski | programmkino.de

 

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Credits:

DE 2019, 93 Min., schwe­disch, eng­lisch, deut­sche OmU
Regie: Halina Dyrschka
Kamera: Alicja Pahl, Luana Knipfer
Schnitt: Antje Lass, Mario Orias

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La Gomera

Ein Film von Corneliu Porumboiu.

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Der Polizist Cristi (Vlad Ivanov) lässt sich mit der Mafia ein und fliegt auf. Nun fol­gen ihm ver­deck­te Ermittler auf Schritt und Tritt und hören sei­ne Wohnung ab. Daher gibt sich die schö­ne Gilda (Catrinel Marlon) als sei­ne Geliebte aus und drängt ihn zu einer Reise nach La Gomera. Cristi soll die gehei­me Pfeifsprache der Inselbewohner ler­nen, damit er trotz Überwachung mit der Gaunerbande kom­mu­ni­zie­ren kann. Pfeifend ver­su­chen sie den Matratzenfabrikanten Zsolt (Sabin Tambrea) aus dem Gefängnis zu befrei­en, denn der ist der ein­zi­ge, der weiß, wo die 30 Millionen des letz­ten Coups ver­steckt sind. Doch alle Beteiligten spie­len ein dop­pel­tes Spiel und bald gera­ten die Ereignisse außer Kontrolle.

Der preis­ge­krön­te Regisseur Corneliu Porumboiu (12:08 EAST OF BUCHAREST) gilt als einer der Wegbereiter des neu­en rumä­ni­schen Kinos. Mit LA GOMERA lie­fert er einen höchst unter­halt­sa­men Neo-Noir-Polizeithriller, gespickt mit iro­ni­schen Filmzitaten und uner­war­tet komi­schen Elementen. Entstanden in Koproduktion mit Komplizen Film (TONI ERDMANN) sorg­te der Film bereits im dies­jäh­ri­gen Wettbewerb von Cannes für Aufruhr.

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Credits:

RO, FR, DE, ES 2019, 97 Min., eng­lisch, rumä­nisch, spa­ni­sche OmU
Buch & Regie:  Corneliu Porumboiu
Kamera: Tudor Mircea
Schnitt Roxana Szel
mit: Vlad Ivanov, Catrinel Marlon, Rodica Lazar

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Tommaso und der Tanz der Geister

Ein Film von Abel Ferrara.

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Tommaso (Willem Dafoe) ist ame­ri­ka­ni­scher Regisseur, der seit län­ge­rem in Rom lebt. Zusammen mit sei­ner deut­lich jün­ge­ren Frau Nikki (Cristina Chiriac) und der gemein­sa­men klei­nen Tochter Deedee (Anna Ferrara) lebt er in einem geräu­mi­gen Apartment in der ewi­gen Stadt und ver­sucht, Projekte voranzubringen.

Ein auf­wän­di­ger Film, der in den Eiswüsten Sibiriens gedreht wer­den soll, macht ihm zu schaf­fen, die Geldgeber stel­len sich quer, doch dies ist nicht Tomasso ein­zi­ges Problem. Das geord­ne­te Leben mit Frau und Kind, die täg­li­chen, sich stets wie­der­ho­len­den Besorgungen lang­wei­len ihn zuneh­mend, die Routine des Familienlebens, das er nie anstreb­te, das ihm jedoch dabei gehol­fen hat, sei­ne Heroinsucht zu überwinden.

Fast täg­lich nimmt Tommaso den­noch an Sitzungen teil, spricht über sei­ne Dämonen und hört die Geschichten ande­rer Suchtkranker. Eigentlich hat­te er geglaubt, sei­ne Sucht unter Kontrolle zu haben, doch immer häu­fi­ger scheint er sich und sei­ne Wahrnehmung der Realität nicht mehr unter Kontrolle zu haben.

Man muss nicht unbe­dingt wis­sen, dass Abel Ferrara seit Jahren selbst in Rom lebt, dass er mit sei­ner Hauptdarstellerin Cristina Chriac ver­hei­ra­tet ist oder dass die Wohnung, in der Tomasso mit sei­ner Familie lebt, tat­säch­lich Ferraras Wohnung ist. Unzweifelhaft ist Abel Ferraras ers­ter Spielfilm seit 2014 also auto­bio­gra­phisch, spielt Ferraras guter Freund Willem Dafoe hier also eine Variante des Regisseurs, doch wenn das alles wäre, wäre „Tomasso“ nur halb so interessant.

Manche Szenen muten zwar wie eine all­zu selbst­ver­lieb­te Nabelschau an; dass Tommaso im Zuge der Geschichte immer wie­der schö­nen, nack­ten, meist sehr wil­li­gen Frauen begeg­net, lässt den Film des inzwi­schen 68jährigen Ferraras arg alt­mo­disch wir­ken. Fast immer gelingt es Ferrara und Dafoe jedoch, ein ein­dring­li­ches Porträt eines Künstlers zu ent­wi­ckeln, der glaub­te, sei­nen Dämonen ent­kom­men zu sein und doch immer wie­der aufs Neue von ihnen ein­ge­holt wird.

Gefilmt von Werner Herzogs Stammkameramann Peter Zeitlinger, der viel Erfahrung mit schnel­lem Arbeiten hat, mit dem Einfangen von glei­cher­ma­ßen authen­ti­schen, wie sti­li­sier­ten Bildern, bewegt sich „Tommaso“ auf einem frucht­ba­ren Grat zwi­schen Fakt und Fiktion. Wenn Tomassos Dafoe etwa bei den Sitzungen der Suchtkranken die Geschichten ande­rer Menschen hört, dann sind das nicht etwa fik­ti­ve Geschichten, son­dern tat­säch­li­che Erlebnisse. Wenn Tomasso jun­gen Schauspieler bei einem Workshop Ratschläge gibt, dann hört man das, was auch Dafoe stets über sei­nen schau­spie­le­ri­schen Ansatz sagt. Und wenn Ferrara sei­nen Tomasso am Ende des Films mit­ten in Rom ans Kreuz hängt, muss man ange­sichts der Präsenz von Dafoe unwei­ger­lich an des­sen berühm­tes­ten Film „Die letz­te Versuchung Christi“ denken.

Aus all die­sen Versatzstücken, Zitaten und Referenzen, dem per­sön­li­chen Wissen um den krea­ti­ven Prozess, die Extreme, die er braucht, die Routine, die ihn lähmt, den all­täg­li­chen Beobachtungen und zufäl­li­gen Begegnungen, die in die fil­mi­sche Geschichte ein­ge­fügt wur­den, for­men Ferrara und Dafoe das ein­dring­li­che Porträt eines Künstlers, der mit vie­lem kämpft, vor allem jedoch sich selbst.

Michael Meyns | programmkino.de

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Credits:

US/IT/GB 2019, 119 Min., engl. OmU
Regie & Buch: Abel Ferrara
Kamera: Peter Zeitlinger
Schnitt: Fabio Nunziata 
mit: Willem Dafoe, Cristina Chiriac, Anna Ferrara, Kim Rossi Stewart

Termine:

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Varda par Agnès

Ein Film von Agnès Varda.

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Es ist ein Glück, den letz­ten Film von Agnès Varda im Kino sehen zu dür­fen! Sie sitzt dar­in im Theater, vor ihrem Publikum und hält Rückschau auf ein wahr­haft beweg­tes Leben und erzählt dar­über anhand ihrer Filme. Daraus ent­steht ein Fluß aus Geschichten und Bildern, der Lust macht, ihre Filme wie­der zu sehen oder zum ers­ten Mal zu sehen, es ist eine Begegnung mit einem Menschen, der neu­gie­rig war, ent­de­ckungs­freu­dig und ande­ren gegen­über auf­ge­schlos­sen. Die Kunst, die dabei ent­stand, vibriert und schwingt vor Lebendigkeit und Lebensfreude, es sind Essayfilme, Dokumentarfilme, Spielfilme, Installationen, Fotografien… Und vom ers­ten Spielfilm La poin­te cour (1954) bis zum vor­letz­ten, Augenblicke, Gesichter einer Reise (2017) wur­den die Menschen an den Drehorten ein­be­zo­gen, spiel­ten mit. Agnès Varda war Mitbegründerin der Nouvelle Vague, hat­te also gro­ßen Anteil dar­an, das all­täg­li­che Leben in den Mittelpunkt von Filmen zu stel­len, Fiktion und Wirklichkeit zu ver­schmel­zen und damit den Hauptgrund zu schaf­fen, ins Kino zu gehen, Filme sehen zu wol­len. Sie starb mit 91 Jahren am 29. März letz­ten Jahres.

Mit sieb­zehn Jahren inter­es­sier­te ich mich mehr für Kunst und Malen als für alles ande­re. Ich habe Fotos gemacht, ging ins Kino, habe aber nie eine Filmhochschule besucht. Mein ers­tes Drehbuch habe ich als Gedicht geschrie­ben, in eine Schublade gelegt und nie dar­über nach­ge­dacht, bis ein Freund sag­te: „Versuchen wir’s mit wenig Geld.” Ich wur­de Filmemacherin, ohne den Beruf gewählt zu haben. Das Leben tob­te um mich her­um, und ich habe Filme dar­über gemacht. … Ich muss­te ums Geld kämp­fen. Junge Filmemacher haben die glei­chen Schwierigkeiten, das ist kei­ne Frage des Geschlechts. Mir ging es nie dar­um, mich als Frau aus­zu­drü­cken, son­dern als Filmemacherin. Ich woll­te ein radi­kal neu­es Kino machen, das ist mir gelun­gen. Mein aller­ers­ter Film hat kein Geld ein­ge­spielt, er wur­de nur durch Kinos bekannt, durch Kritiken und Filmliebhaber. Er wur­de wich­tig, obwohl er kaum Zuschauer hat­te. Filmemachen ist immer ein Kampf ums Geld.

(Agnes Varda im Interview mit Herlinde Koelbl im Zeit Magazin)

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Credits:

FR 2018, 119 Min., frz. OmU
Regie : Agnès Varda
Kamera: François Décréau, Claire Duguet, Julia Fabry
Schnitt: Agnès Varda, Nicolas Longinotti
Darsteller : Agnès Varda, Sandrine Bonnaire, Nurith Aviv
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Termine:

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Spuren

Ein Film von Aysun Bademsoy.
Zum 10. jäh­ri­gen Jahrestag der Selbstenttarnung des NSU zei­gen »Ihr seid kei­ne Sicherheit« und das Aktionsbündnis Antirassismus den Dokumentarfilm »Spuren« und laden zum anschlie­ßen­den Gespräch mit der Regisseurin Aysun Bademsoy. 

[Credits] [Tickets] [Trailer]

Zwischen September 2000 und April 2007 wur­den acht Männer mit tür­ki­schen Wurzeln, ein grie­chisch­stäm­mi­ger Mann sowie eine deut­sche Polizistin ermor­det. Die Ermittlungen wur­den zunächst aus­schließ­lich im Umfeld der nicht-deut­schen Opfer mit Verdacht auf Drogenhandel und orga­ni­sier­te Kriminalität geführt. Die Familien der Ermordeten wur­den so ein wei­te­res Mal zu Opfern, dies­mal von vor­ur­teils­vol­ler Stigmatisierung. Nach einem geschei­ter­ten Bankraub führ­te die Spur schließ­lich zu der rechts­extre­men Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Nach dem Suizid der bei­den Haupttäter begann 2013 der Prozess gegen die ein­zi­ge Überle-ben­de des NSU-Trios, Beate Zschäpe, sowie vier mut­maß­li­che Helfer und Unterstützer und ende­te 2018. Die zu mil­den Strafen für die Mitangeklagten und die zahl­rei­chen unge­klär­ten Fragen lie­ßen die Angehörigen der Opfer ent­täuscht und des­il­lu­sio­niert zurück. Ihr Glaube an den Rechtsstaat ist grund­le­gend erschüttert.

Spuren – das sind nicht nur die Hinweise, die Verbrecher am Tatort hin­ter­las­sen, son­dern auch die Verletzungen und Narben, die ihre Taten bei den Angehörigen der Opfer, in den migran­ti­schen Gemeinschaften und in der gesam­ten deut­schen Gesellschaft ver­ur­sa­chen. In ihrem Dokumentarfilm begibt sich die tür­kisch­stäm­mi­ge Regisseurin Aysun Bademsoy auf die Suche nach die­sen Spuren und stellt sich dabei die Frage, wel­cher Prozess die­se Verletzungen über­haupt hei­len könn­te. SPUREN ist ein viel­schich­ti­ger Dokumentarfilm, der das Scheitern von Ermittlern und Justiz beleuch­tet – und den Angehörigen der Opfer end­lich eine Stimme gibt.

 

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Credits:

DE 2019, 81 Min., in deutsch und tür­kisch mit deut­schen Untertiteln 
Regie & Buch: Aysun Bademsoy
Kamera: Ute Freund, Isabelle Casez
Schnitt: Maja Tennstedt

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Spuren – Die Opfer des NSU Trailer Deutsch | German [HD]

Cronofobia

Ein Film von Francesco Rizzi.

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Suter ist ein geheim­nis­vol­ler und ein­sa­mer Mann, der uner­müd­lich in Bewegung ist und vor sich selbst flieht. Tagsüber fährt er in einem anony­men wei­ßen Van durch die Schweiz. Nachts beob­ach­tet er heim­lich das Leben von Anna, einer Frau mit rebel­li­schem Charakter, die mit der schwie­ri­gen Verarbeitung eines Traumas zu kämp­fen hat. Nachdem Anna Suters Besessenheit erkannt hat, ent­wi­ckelt sie mit ihm eine eigen­tüm­li­che Form von Intimität, die bald zu einer zärt­li­chen und zugleich ver­stö­ren­den Beziehung führt.

Geschickt spielt Rizzi mit den Erwartungen, lässt bewusst Lücken in Erzählung und Charakterzeichnung, lässt den Zuschauer lan­ge (und in man­chen Aspekten auch über das Ende des Films hin­aus) im unkla­ren über Motivationen und Absichten. Zumal sich auch die anfangs noch eher pas­si­ve Anna zuneh­mend zu einer stär­ke­ren, gleich­be­rech­tig­ten Figur ent­wi­ckelt. (…) Wie prä­zi­se Franceso Rizzi die­ses Spiel insze­niert, wie bewusst er nach und nach Informationen preis­gibt, den Blick auf sei­ne Figuren vari­iert, zeugt von gro­ßem erzäh­le­ri­schen und fil­mi­schem Talent. Gerade in der Zusammenarbeit mit den gera­de­zu eis­kal­ten Bildern sei­nes Kameramanns Simon Guy Fässler und sei­nen bei­den her­vor­ra­gen­den Schauspieler ent­steht so ein dich­tes, viel­schich­ti­ges Psychogramm, das sei­ne Karten nur lang­sam aus­spielt und auch nach dem Ende noch vie­le Geheimnisse bewahrt. “ M. Meyns | programmkino.de

Suter bewegt sich in der anony­men Welt von Autobahnraststätten und ste­ri­len Hotels, Anna brü­tet in der Dämmerung ihrer zum Mausoleum gewor­de­nen Tessiner Luxus-Wohnung – bis sich bei­de gegen­sei­tig zum Ausbruch pro­vo­zie­ren. Dabei ver­führt uns der Film sub­til und zwin­gend dazu, die Perspektive sei­ner Figuren zu über­neh­men, mit allen Widersprüchen und Widerständen – um dann gleich wie­der die Seite zu wech­seln. Cronofobia ist ein über­ra­schend rei­fes, ele­gan­tes Stück Kino.“ Sennhausers Filmblog

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Credits:

CH 2019, 93 Min., ital. OmU
Regie: Francesco Rizzi 
Kamera: Simon Guy Fässler 
Schnitt: Giuseppe Trepiccione 
mit: Vinicio Marchioni , Sabine Timoteo , Leonardo Nigro , Giorgia Salari , Jasmin Mattei , Adele Raes , Joachim Aeschlimann

Termine:

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Das freiwillige Jahr

Ein Film von Ulrich Köhler und Henner Winckler.

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In Ulrich Köhlers letz­tem Film In my room war die west­fä­li­sche Provinz Schauplatz für die Endzeit, ein Mann und eine Frau waren womög­lich die letz­ten über­le­ben­den Menschen und sie ver­stan­den sich nicht beson­ders gut. Im gemein­sa­men Werk Das frei­wil­li­ge Jahr mit Henner Winkler (Klassenfahrt, Lucy) taucht der ähn­li­che Drehort wie­der auf. Diese nüch­ter­ne Kulisse ver­un­mög­licht, sich zu ver­ste­cken, kein Geflimmer der Stadt über­tüncht Leerlauf oder Konfliktkonstellationen ohne Lösungspotential. Natürlich ermög­licht das Unterwegssein auf den schma­len Straßen eine kur­ze Auszeit, aber die end­li­che Weite lässt kei­ne Sekunde an Road Movies den­ken. Bleiben oder gehen und wenn, für wie lan­ge. Für sei­ne Tochter Jette hat der Landarzt Urs fürs frei­wil­li­ge Jahr einen Platz in Costa Rica orga­ni­siert oder ihr über­ge­stülpt, sie wirkt jeden­falls etwas über­for­dert. Urs hat viel um die Ohren, allein­er­zie­hend, im Clinch mit sei­ner Affäre und Mitarbeiterin Nicole und öfters damit beschäf­tigt, sei­nem intro­ver­tier­tem Bruder Falk unter die Arme zu grei­fen, der sich nur durch kör­per­li­che Flucht ent­zie­hen kann. Urs meint es gut, aber sei­ne fehl­ge­lei­te­te Energie macht ihn zur Nervensäge. Das hilft Jette aber ande­rer­seits dabei, den Boden unter den Füßen bes­ser zu spü­ren und zu ver­ste­hen, was sie sich für ihr Leben erst mal vor­stel­len kann. Das Wechselspiel der Beiden ist nuan­cen­reich und span­nend, treibt den Film an, ohne das gan­ze aus den Augen zu ver­lie­ren. Gleichzeitig hat Das frei­wil­li­ge Jahr einen groß­ar­ti­gen Humor, mal fein und hin­ter­sin­nig, mal phy­sisch mit einer guten Portion Slapstick. 1–2 mal möch­te man auch unter den Sitz krie­chen und Augen und Ohren schlie­ßen. Wie schön.

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Credits:

DE 2019, 86 Min., 
Regie und Drehbuch: Ulrich Köhler und Henner Winckler
Kamera: Patrick Orth
Schnitt: Laura Lauzemis
mit: Maj-Britt Klenke, Sebastian Rudolph, Thomas Schubert, Katrin Röver, Daniel Nocke, Stefan Stern, Margarita Breitkreiz,

Termine:

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Sorry we missed you

Ein Film von Ken Loach.

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Sorry we missed you“ – Wir haben Sie lei­der nicht ange­trof­fen. Wenn sich dann nie­mand aus der Nachbarschaft erbarmt, dann muss das Paket wie­der mit­ge­nom­men und die Tour noch­mal gefah­ren wer­den. Was dann auch heißt, dass die Ablieferliste für den nächs­ten Tag län­ger wird. Für jede ver­spä­te­te Lieferung muss Ricky eine Strafe an das Unternehmen zah­len, das ihn als „Selbständigen“ beschäf­tigt. Deshalb ver­sucht er so kur­ze Pausen wie mög­lich zu machen oder ver­zich­tet ganz dar­auf. Die Arbeit von Rickys Frau Abbie ist ähn­li­chen Bedingungen unter­wor­fen: jede Minute, die sie über die vor­ge­ge­be­ne Zeit für die Pflege der älte­ren Damen und Herren braucht, bekommt sie nicht bezahlt. Das neo­li­be­ra­le System gibt einen Takt vor, den bei­de immer weni­ger ein­hal­ten kön­nen. Und Zeit für die Kinder zu Hause bleibt auch kaum – erst recht nicht für not­wen­di­ge Auseinandersetzungen mit dem puper­tie­ren­den Sohn.

Lange wur­de uns erzählt, wenn du hart arbei­test und dar­um kämpfst, dann hast du ein gutes Leben, kannst dei­ne Familie ver­sor­gen und bist sicher. Aber das hat sich geän­dert – und das ist kein Scheitern des Kapitalismus, das ist ein­fach purer Kapitalismus, wie er funk­tio­niert“, sag­te Ken Loach auf der Pressekonferenz zu sei­nem neu­en Film. So wie die Lebensbedingungen für vie­le Arbeiterinnen und Arbeiter immer schwie­ri­ger wer­den, so wer­den auch die Filme von Ken Loach immer här­ter – und ein hoff­nungs­vol­les Ende, wie bei den frü­he­ren Filmen, bleibt jetzt aus. „Sorry we missed you“ ist kaum zu ertra­gen – und das ist gut so. Er zeigt uns die unbe­que­me Rückseite eines Services, den man so gern vom Sofa aus nutzt.

 

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Credits:

GB 2019, 100 Min., engl. OmU
Regie: Ken Loach
Kamera: Robbie Ryan
Schnitt: Jonathan Morris
Buch: Paul Laverty
mit: Kris Hitchen, Debbie Honeywood, Rhys Stone, Katie Proctor, Ross Brewster, Mark Birch

Termine:

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Trailer:

SORRY WE MISSED YOU (Official Trailer English/deutsch, français)

 

Kamera: Robby Müller

Anläßlich des Films Living the light – Die Bilderwelten des Robby Müller aber auch so, zei­gen wir 3 Filme, bei denen ROBBY MÜLLER Kameramann war.

LIVING THE LIGHT ist nicht nur eine inter­es­san­te Biographie und span­nen­der Lehrfilm in Sachen Kameraarbeit, Lichtsetzung etc., son­dern auch sehr anre­gend. Beim Schauen bekommt man gro­ße Lust auf „sei­ne” Filme.

ALICE IN DEN STÄDTEN von Wim Wenders
BRD 1973/1974, 112 Min. Format: 16mm blow up 35mm schwarz-weiß, 4K Scan und 2K Restaurierung 2014, 2K DCP R.: Wim Wenders D.: Rüdiger Vogler, Yella Rottländer, Lisa Kreuzer

Der Journalist Phillip Winter will eine Story über Amerika schrei­ben, bekommt aber außer einer Serie von Polaroids nichts auf die Reihe und tritt ent­täuscht die Heimreise nach Deutschland an. Dabei läßt er sich wider­wil­lig dar­auf ein, die klei­ne Alice (Yella Rottländer) für eine kur­ze Zeit in sei­ne Obhut zu neh­men. Die dann fol­gen­de unfrei­wil­li­ge gemein­sa­me Odyssee von New York über Amsterdam nach Wuppertal und durch das Ruhrgebiet gestal­tet sich zunächst schwie­rig, sind doch bei­de Reisende gleich lau­nisch und eigensinnig.

DOWN BY LAW von Jim Jarmusch
USA 1986 106 Min. engl. OmU
R., B.: Jim Jarmusch
D.: John Lurie, Tom Waits, Roberto Benigni
Drei sehr unter­schied­li­che Männer, Roberto Benigni auf der einen, Tom Waits (der übri­gens gera­de 70 wur­de) und John Lurie auf der ande­ren Seite, pral­len im rus­ti­ka­len Landgefängnis im Süden auf­ein­an­der. Obwohl sie sich nicht aus­ste­hen kön­nen, was Benigni wegen sei­ner stän­di­gen Quassellei nicht merkt, bre­chen sie gemein­sam aus und pad­deln durch die male­ri­sche Sumpflandschaft Louisianas in die Freiheit.

DANCER IN THE DARK von Lars von Trier
DK SE FIN 2000 139 Min. OmU (eng­li­sche OV mit dt. Untertiteln)
R., B.: Lars von Trier
D.: Björk (auch Musik), Catherine Deneuve, David Morse, Peter Stormare

Der letz­te Teil sei­ner Trologie über „tra­gi­sche Frauengestalten, die sich für ande­re auf­op­fern und deren Liebe nicht davon abhängt wie sie – vom Schicksal oder von den Menschen – behan­delt wer­den“ (von Trier) wur­de in Cannes mit der Goldenen Palme aus­ge­zeich­net, wor­an neben der Kamera die unge­wöhn­li­che Musical-Form und die eben­falls dort aus­ge­zeich­ne­te Hauptdarstellerin Björk sicher­lich einen gro­ßen Anteil hatten.

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