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Nico 1988

Ein Film von  Susanna Nicchiarelli.

[Indiekino Club]

Nico war bereits ein Star-Model, Musikerin und Schauspielerin, als sie in New York zu Andy Warhols Factory stieß, und auf dem Album The Velvet Underground and Nico eine bedeut­sa­me Rolle spiel­te. Auf die­se Episode in ihrem Leben wird sie zukünf­tig häu­fig redu­ziert, ähn­lich, wie es Marianne Faithful pas­siert, die auch nur als Ex-Freundin von Mick Jagger wahr­ge­nom­men wird, und die ihr 2002 den Song for Nico wid­met. In den 80-Jahren hat die Sängerin die­sen Teil ihres Lebens weit hin­ter sich gelas­sen, nur das Rauschgift und ihr Mythos kamen mit. Nico, die jetzt ger­ne mit ihrem rich­ti­gen Namen Christa ange­spro­chen wer­den möch­te, macht immer noch schön düs­te­re Musik und tourt in klei­ner Besetzung durch Europa, mit immer beson­de­ren Auftritten.
Der Film setzt 1986 ein. Ihre Drogenabhängigkeit macht Nico/Christa reiz­bar und lau­nisch und die Tournee zur Tour de Force, aber die gedul­di­ge, uner­wi­der­te Liebe ihres Tourmanagers zu ihr schafft man­che Probleme aus dem Weg. Eine gewis­se Weltfremdheit lässt sie über die schwie­ri­ge Beziehung zum Sohn Ari (des­sen Vaterschaft Alain Delon bis heu­te leug­net), sowie poli­ti­sche und ande­re Hindenisse ein­fach hin­weg­se­hen. Dass in die CSSR 1986 kaum Drogen ein­ge­führt wer­den kön­nen und das Konzert ille­gal ist, bekommt die Künstlerin z.B. nur am Rande mit.
Nico 1988 ist weni­ger ein Biopic als ein Musik-Road-Movie, in dem die däni­sche Schauspielerin Trine Dyrholm die Ikone auf ihre eige­ne, groß­ar­ti­ge Weise ver­kör­pert und deren Songs pas­send inter­pre­tiert. Der Film über­führt die künst­li­che und auf­ge­la­de­ne Athmosphäre die­ser Künstlerwelt in die Realität. Er zeigt eine Musikerin zwi­schen Star-Allüren, Selbstironie und Depressionen und den gele­gent­li­chen Glücksmomenten mit begeis­ter­ten Fans, Limoncello und Spaghetti mit Freunden.

So geht es Nicchiarelli letzt­lich nicht dar­um einen Künstlermythos auf­zu­grei­fen, son­dern eine Frau zu por­trä­tie­ren, die ihre, von die­sem Mythos über­schat­te­te Identität zu fin­den ver­sucht. Es sind die ein­fa­chen, all­täg­li­chen Momente, die ein­drück­li­cher von der Künstlerin erzäh­len, als es jeder nach­in­sze­nier­te Auftritt könn­te.“ Karsten Munt | programmkino.de

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Credits:
It. / Belgien 2017, 93 Min., engl. OmU 

Regie: Susanna Nicchiarelli 
Kamera: Crystel Fournier 
Schnitt: Stefano Cravero 
Dokumentarfilmmaterial von Jonas Mekas
mit: Trine Dyrholm, John Gordon Sinclair, Anamaria Marinca, Sandor Funtek

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Termine:

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Ryuichi Sakamoto: Coda

Ein Film von Stephen Nomura Schible.

Obwohl ich Filmmusiken eher skep­tisch gegen­über­ste­he, hat mich die­ser Film gereizt, und ich wur­de nicht ent­täuscht. Letztendlich hat mich die ruhi­ge und freund­lich-infor­ma­ti­ve Art, die Gestaltung und der Protagonist tat­säch­lich für ihn ein­neh­men las­sen. Der japa­ni­sche Komponist Ryuichi Sakamoto ist in der Filmbranche wohl­be­kannt, zeich­net er doch für teil­wei­se hoch­de­ko­rier­te Soundtracks wie Der letz­te Kaiser oder The Reverent ver­an­wort­lich. David-Bowie-Fans kön­nen sich viel­leicht noch an des­sen Widerpart in Furyo, Merry Christmas Mr Lawrence erin­nern – dies ist Sakamoto, und die Musik zum Film schuf er auch.
Stephen Nomura Schible arbei­tet fünf Jahre mit Sakamoto und nähert sich dabei dem zurück­hal­tend wir­ken­den Mann vor­sich­tig und respekt­voll. Der Film ver­folgt ohne klas­si­sche Chronologie drei Linien, die des Komponisten und Musikers, des Atomkraftgegners und des Krebskranken.
Der Künstler begann sei­ne Karriere in den 1970 mit der Band Yellow Magic Orchestra , die als das japa­ni­sche Pendant zu Kraftwerk gel­ten, bevor er mit elek­tro­ni­scher, klas­si­scher und Weltmusik zum Star avan­cier­te und mit sei­nen Scores welt­weit berühmt wur­de. Für sei­ne akus­ti­schen Kollagen sam­mel­te er von Beginn an Klänge und Naturgeräusche, auch heu­te noch. Seine Erkrankung zwingt den Vielbeschäftigten aller­dings zum Innehalten, und Sakamoto zieht vor dem Hintergrund der öko­lo­gi­schen Situation sei­nes Heimatlandes und sei­ner per­sön­li­chen Lebenskrise Resümee.

Ruhig und über­legt erzählt der Komponist … selbst von ein­schnei­den­den Erlebnissen und wie­der­keh­ren­den Themen in sei­nem Schaffen. Mit Bescheidenheit und unprä­ten­tiö­sem Charme schafft er es, die Verbindung und Konfrontation von Natur und Kultur, Endlichkeit und Ewigkeit, Melancholie und Witz als Grundmotive sei­ner Musik zu vermitteln.“
Yorick Berta | Indiekino

 

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Credits:

USA/Japan 2017, 102 Min., japa­nisch-eng­li­sche OmU

Regie: Stephen Nomura Schible
Kamera: Neo S. Sora, Tom Richmond
Schnitt: Hisayo Kushida, Yuji Oshige
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Termine:

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Zentralflughafen T H F

Ein Film von Karim Aïnouz.

Seit Herbst 2015 die­nen eini­ge Hangars des Flughafengebäudes Tempelhof als Flüchtlingsunterkunft. In klei­nen Zimmern, die kei­ne Decke und einen Vorhang statt Tür haben, leb­ten bis zu 2000 Geflüchtete. Intimsphäre gibt es kaum, außer­dem sind die Hallen nur schlecht beheiz­bar. Es soll­te nur ein Transitraum sein, aber das Warten auf Papiere, Wohnung etc. zog sich für vie­le immer wei­ter hin.

Der bra­si­lia­ni­sche Filmemacher Karim Aïnouz war eigent­lich hier­her gekom­men, um eine Dokumentation über die ange­kün­dig­te Schließung Tegels zu dre­hen. Als Architekt inter­es­sier­te ihn Tegels Funktionalität, aber da es um Berliner Luftfahrtgeschichte ging, soll­te auch „die Mutter aller Flughäfen“ vor­kom­men, wie Norman Foster Tempelhof ein­mal genannt hat. Das, was er dann vor Ort sah, erschüt­ter­te ihn und er ver­such­te abseits der lau­ten Berichterstattung über die „Flüchtlingskrise“ einen Film zu machen, der das Schicksal der Menschen an die­sem Ort doku­men­tiert. Einfühlsam zeigt er ihr von Unsicherheit, Verstörung, Sehnsucht, aber auch Unbeschwertheit bestimm­tes Leben. Architektur und Jahreszeiten sowie der völ­li­ge Gegensatz zu den Parkbesuchern jen­seits des Zaunes ver­lei­hen dabei der Realität ein sur­rea­les Gesicht. Aïnouz Protagonisten sind der Syrer Ibrahim und der Iraker Qutaiba, bei­de berei­ten sie sich mit Übersetzern, Ärzten, Sprachlehrern und Jobvermittlern auf ein neu­es Zuhause in Deutschland vor.

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Credits:
Deutschland / Frankreich / Brasilien 2018, 97 Min.

Arabisch, Englisch, Deutsch, Russisch OmU
Regie: Karim Aïnouz
Kamera: Juan Sarmiento G.
Schnitt: Felix von Boehm

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Termine:

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Trailer:

Zentralflughafen THF (Offizieller Trailer)

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Zama

Ein Film von Lucrecia Martel.

Der titel­ge­ben­de Protagonist des Films ist ein Offizier der spa­ni­schen Krone, der in einem Ort an der süd­ame­ri­ka­ni­schen Küste dar­auf war­tet, end­lich nach Buenos Aires ver­setzt zu wer­den. Doch der Gouverneur lässt sich viel Zeit, den Bittbrief an den spa­ni­schen König zu schi­cken, und auf eine rasche Antwort vom König darf Don Diego de Zama auch nicht hof­fen. Er steckt also fest und je län­ger er war­tet, des­to mehr ero­diert sein kolo­ni­al­herr­schaft­li­ches Leben; die pracht­vol­le Kleidung ver­schleißt zuse­hends und Zama ver­liert lang­sam an Macht und Einfluss.

Ein Geduldsspiel mag das sein, ein bewuss­tes Gegenstück zu all den Filmen, die viel zu viel erzäh­len wol­len, hek­tisch von einem Handlungsmoment zum nächs­ten het­zen. Martel dage­gen erzählt von Zuständen, die sie vor allem mit einem aus­ge­feil­ten Sounddesign evo­ziert. Geräusche von Tieren oder dem Wind ver­mi­schen sich zuneh­mend mit einem omi­nö­sen Brummen und Rauschen, Dialogfetzen wie­der­ho­len sich, so als wür­de sich Zamas Bewusstseinszustand zuneh­mend aus der Realität ent­fer­nen. Und lang­sam, ganz lang­sam kommt schließ­lich auch doch noch äuße­re Bewegung in den Film, insze­niert Martel eine Reise ins Herz der Finsternis, die Zama zwar äußer­lich mit der Natur, mit den Ureinwohnern kon­fron­tiert, vor allem aber mit sei­ner Menschlichkeit. … Man muss sich also dar­auf ein­las­sen, nicht schon nach zehn Minuten ohne erkenn­ba­re Handlung unge­dul­dig wer­den, son­dern sich dem Sog einer ein­zig­ar­ti­gen Stimmung über­las­sen, die „Zama“ zu so einem beson­de­ren, bemer­kens­wer­ten Film macht.“ Michael Meyns | programmkino.de

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Credits:

Argentinien/ Brasilien/ Spanien/ Frankreich/ Niederlande/ Mexiko/ Portugal/ USA 2017, 114 Min.,
span. OmU
Regie: Lucrecia Martel
Buch: Lucrecia Martel, nach dem Roman von Antonio di Benedetto
Kamera: Rui Poças 
Schnitt: M. Schverdfinger, K. Harley
Darsteller: Daniel Giménez Cacho, Lola Dueñas, Matheus Nachtergaele, Juan Minujín, Rafael Spregelburd, Nahuel Cano, Mariana Nunes
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Termine:

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Zama from tri­gon-film on Vimeo.

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Global Family

Ein Film von Andreas Köhler und Melanie Andernach.

Cabtan Shaash könn­te heu­te Sportminister in Somalia sein, viel­leicht sogar Ministerpräsident. Einst war er einer der bes­ten Fußballspieler des Landes, eine Berühmtheit („Wir wären so etwas wie die Töchter von Franz Beckenbauer.“), doch der Bürgerkrieg mach­te alles zunich­te und ver­streu­te die Familie über die gan­ze Welt. Shaash lebt mit sei­ner Tochter Yasmin und deren Kindern in Deutschland, einer sei­ner Brüder in Italien, ande­re Familienmitglieder in Kanada. Imra, Shaashs 88 Jahre alte Mutter, hat es nach Äthiopien ver­schla­gen, wo sie von ihrer Nichte gepflegt wird. Als Imra plötz­lich gezwun­gen ist, ihr Exil zu ver­las­sen, muss die Familie schnell eine Lösung finden.
Shaash und Yasmin fah­ren nach Äthiopien und sehen zum ers­ten Mal seit 30 Jahren ihre Mutter und Großmutter wie­der. Die Emotionen schie­ßen über, unter­schied­li­che Erfahrungen pral­len auf­ein­an­der. Der Besuch aus Deutschland ist geschockt über die slum­ar­ti­gen Lebensumstände und wird mit hohen Erwartungen kon­fron­tiert. Und über allem schwebt die Frage: Was pas­siert mit Imra?

(…) eine geer­de­te Variante zur breit ange­leg­ten Doku Human Flow von Ai Weiwei.“
Christian Horn, programmkino.de

Gewinner „Bester Dokumentarfilm” auf dem Max-Ophüls Festival 2018

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Credits:
Deutschland 2018,  91 Min., Dt., Som., Ital. mit dt. UT 
Regie: Andreas Köhler, Melanie Andernach
Kamera: Andreas Köhler
Schnitt: Nicole Kortlüke, Carina Mergens

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Termine:

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Nordlichter 2018

Die 4. Ausgabe des skan­di­na­vi­schen Filmfestivals bringt wie­der neue Filme aus Island, Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen.
Alle Filme im ori­gi­nal mit deut­schen Untertiteln.

Yarden / The Yard Der Journalist und allein­er­zie­hen­de Vater Anders ver­liert sei­ne Arbeit, nach­dem er eine Rezension sei­nes eige­nen Buches ver­öf­fent­licht hat. Um Arbeitslosigkeit zu ver­mei­den, nimmt er eine Stelle bei Yarden, der Verladestation für PKWs im Hafen von Malmö, an. Beim dem Job wird sei­ne Identität auf eine fünf­stel­li­ge Nummer redu­ziert. Und die Beziehung zu sei­nem puber­tä­ren Sohn wird durch den neu­en Job auch nicht einfacher.
Schweden/D 2016, 80 min, schwed. OmU, Regie: Måns Månsson

Yarden (Måns Månsson, 2016) – Officiell trailer

Fantasten Claus führt ein Doppelleben. Am Tag ver­kauft er erfolg­reich Autos in der Kopenhagener Innenstadt, gibt sich als smar­ter Geschäftsmann, in der Nacht wird er zum lei­den­schaft­li­chen Spieler am Poker- oder Roulette-Tisch. Als Claus in erheb­li­che Spielschulden gerät, hat sein 19-jäh­ri­ger Sohn Silas plötz­lich eine Gruppe kri­mi­nel­ler gewalt­tä­ti­ger Männer am Hals. Claus muß sein eige­nes Leben aufs Spiel zu set­zen, um sei­nen Sohn zu retten.
Dänemark 2017, 97 min., dän. OmU Regie: Christian Dyekjær

Fantasten – Hovedtrailer

Viraali / Virality Das gro­ße Spiel mit dem Bitcoin-Hype bringt vier Charaktere im moder­nen Helsinki auf unter­schied­lichs­te Weise zusam­men. Ein Polizist mit gro­ßem Interesse an einer auf­stre­ben­den Cellistin, ein intel­li­gen­ter Hacker, ein jun­ger erfolgs­süch­ti­ger Rapper und ein geschie­de­ner Bankkaufmann wer­den dabei Teil einer span­nungs­ge­la­de­nen Kriminalgeschichte.
Finnland 2017, 110 Min., finn. OmU, Regie: Thomas Laine

Viraali / Virality (2017) – Official Teaser Trailer 4K

Hoggeren / The Tree Feller Den 39-jäh­ri­gen Anders zieht es weg vom gewöhn­li­chen Großstadtleben – zurück auf Land, zurück zur Farm sei­ner ver­stor­be­nen Eltern. Sein ein­zi­ger Wunsch ist es, allein im Wald zu sein und sich beim ziel­lo­sen Baumfällen in der kör­per­li­chen Arbeit zu ver­lie­ren. Die Ruhe wird jedoch wie­der und wie­der durch sei­ne auf­dring­li­chen Verwandten gestört, mit ste­tig wich­ti­gen Hinweisen, was er und wie er Dinge zu tun hat.
Norwegen 2017, 82 min, norw. OmU, Regie: Jorunn Myklebust Syversen#

Hoggeren | Trailer | Mer Film

Blóðberg / Homecoming Gunnar, erfolg­rei­cher, den­noch frus­trier­ter Autor von Selbsthilfe-Büchern, hat eine ver­heim­lich­te Tochter aus einer frü­he­ren Affäre, die nun mit sei­nem Sohn David liiert ist. Während Gunnar ver­sucht, die jun­ge Beziehung zu sabo­tie­ren, wächst ein Lügenberg.
Island 2015, 100 min, isl. OmU, Regie: Björn Hlynur Haraldsson

Keep Frozen Der Job als Hafenarbeiter an den Kais von Reykjavik ist nur etwas für ech­te Kerle. In 16-Stunden-Schichten ent­la­den sie den tief­ge­kühl­ten Fang der rie­si­gen Hochseetrawler. Bei 30 Grad minus, tief im Bauch des Schiffes wuch­ten sie sto­isch 25 Kilo schwe­re Kartons umher, damit der Kran sie her­aus­hie­ven kann.
Island 2016, 68 Min., islän­di­sche OmU, Regie: Hulda Ros Gudnadottir
Am Montag, 11.6. mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch mit Hulda Ros Gudnadottir.

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Kinders

Ein Film von Arash und Arman T. Riahi.

Ein diver­ses Porträt von Kindheit, erzählt als klas­si­sche Held*innenreise.
Die fas­zi­nie­ren­de wie berüh­ren­de spiel­film­na­he Doku erzählt, wie Kindern und Jugendlichen aus pre­kä­ren Verhältnissen mit Musik gehol­fen wird, ihr Leben in den Griff zu krie­gen. Die Brüder Arash und Arman T. Riahi haben eini­ge von ihnen ein Jahr lang beim Musizieren beglei­tet. Als erfah­re­ne Regisseure hal­ten sich dabei stets im Hintergrund und las­sen lie­ber den klei­nen Stars den Vortritt – bei Proben, in Familienszenen oder wenn sie vor der Kamera unbe­fan­gen und selbst­re­flek­tie­rend von ihren Ängsten und Träumen erzählen.

Ö 2017, 95 Min., Buch und Regie: Arash und Arman T. Riahi, Kamera Mario Minichmayr, Riahi Brothers, Schnitt: David Arno Schwaiger

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Kolyma

Ein Film von Stanislaw Mucha.

Man darf nichts zu ver­lie­ren haben, um heu­te hier leben zu wol­len.“ So lau­tet das Motto über die­sem Film, in dem Lachen und Verzweiflung dicht bei­ein­an­der­lie­gen. Die „Straße der Knochen“, so genannt nach den sibi­ri­schen Zwangsarbeitern, die hier ums Leben kamen oder ermor­det wur­den, ist auch im moder­nen Russland eine ver­ges­se­ne Region. Der Sommer ist kurz, der Winter lang – sehr lang – und die Menschen, die sich der Kamera stel­len, sind manch­mal viel­leicht ein­fach froh, dass sich jemand mit ihnen unter­hält. Die Landschaft ist karg, der Permafrost-Boden taut manch­mal auf, hier und da liegt Schnee, in der Tundra reg­net es häu­fig, nur sel­ten ist mal die Sonne zu sehen. Die Fahrt beginnt in der Hafenstadt Magadan, einem gott­ver­las­se­nen Nest, inzwi­schen Hauptstadt der Region. Links und rechts der Straße sind die Spuren der Sowjetherrschaft zu sehen: die Ruinen der Arbeitslager, ver­las­se­ne Minen, halb fer­ti­ge Wohnhäuser. Doch im Mittelpunkt ste­hen die Menschen, die hier leben. Manche sind hier gestran­det, eini­ge kamen als Flüchtlinge, ande­re waren Häftlinge, nur weni­ge haben ihre Wurzeln hier. „Ihr fahrt über einen Friedhof, ver­gesst das nicht“, sagt der alte Mann, der viel­leicht ein Ex-Häftling ist. Früher war Kolyma ein Synonym für den Gulag, für das unmensch­li­che System der so genann­ten „Besserungslager“, die als sowje­ti­sche Tradition von den Zaren über­nom­men wur­den und bis Ende der 80er Jahre in Betrieb waren. Hunderttausende von Menschen wur­den hier­her ver­bannt, vie­le aus poli­ti­schen oder reli­giö­sen Gründen, aber auch Schwerkriminelle sowie straf­fäl­lig gewor­de­ne Menschen, die je nach Auffassung des jewei­li­gen Regimes als „sozi­al schäd­lich“ gal­ten. Das konn­ten Adlige sein, aber auch Geschäftsleute. Als Häftlinge leis­te­ten sie Zwangsarbeit, arbei­te­ten unter elen­den Bedingungen in Goldminen oder im Uranabbau, ohne Strahlenschutz. So wird die Fahrt über 2000 Kilometer ent­lang dem Kolyma zur Reise in die Vergangenheit.

Ähnlich wie in sei­ner Schwarzmeer-Reise „Tristia“ hat Stanislaw Mucha wie­der ein Roadmovie als Filmcollage gedreht. Die Kamera bleibt meist sta­tisch, was ganz gut ist, denn das, was zu sehen ist, muss manch­mal erst­mal sacken. Die Gesprächspartner, die Stanislaw Mucha gefun­den hat, sind eine Auswahl exqui­si­ter Originale, lau­ter schrä­ge Typen. Da gibt es einen Hobbyphysiker, der sei­nen Vater mit­hil­fe von Strom ver­jün­gen möch­te – das soll­te man übri­gens kei­nes­falls ver­su­chen nach­zu­ma­chen. Eisangler sind zu sehen, Goldgräber mit selbst­ge­bau­ten Werkzeugen, ein Mann, der ein pri­va­tes Straflagermuseum auf­ge­baut hat, Flüchtlinge aus der Ukraine, ein ehe­ma­li­ger Schwerverbrecher und Zwangsarbeiter, ein zor­ni­ger Ex-Soldat lässt sich nur durch Akkordeonklänge beru­hi­gen … Dazu lie­fert Stanislaw Mucha ori­gi­nel­le Bilder aus dem sibi­ri­schen Alltag: tief­ge­kühl­te Pferdeköpfe auf dem Markt, Kunst aus Eis, wovon es hier reich­lich gibt. Alles ohne Kommentar und Erklärungen, was manch­mal etwas ver­wir­rend wirkt, zumal die Chronologie ganz col­la­ge­ty­pisch im Hintergrund bleibt. Unterbrochen wer­den die Interviews von bei­na­he bizar­ren Hobby-Kulturpräsentationen. Häufig sind es Kindertanzgruppen, die – ganz im Stil der Ex-Sowjetunion – Tänze und Songs zei­gen. Diese skur­ri­len Revuenummern, gleich­zei­tig rüh­rend und komisch, tra­gen ein biss­chen Leichtigkeit in den Film, der im Grunde vom Leben mit einer trau­ri­gen Vergangenheit han­delt, vom Wissen dar­über, was Menschen hier ande­ren Menschen ange­tan haben. Am Ende gibt es dazu ein inter­es­san­tes Statement, und viel­leicht war die gesam­te Reise von 2025 Kilometern bis Jakutsk nur die Vorbereitung für den Schluss. Wie stark strahlt das Leid über dem Land auf die fol­gen­den Generationen ab?

Aber sogar in Sibirien ist die neue Zeit ein­ge­zo­gen: Die fröh­li­che jun­ge Frau am Hot Dog-Stand kann mit dem Begriff „Gulag“ gar nichts mehr anfan­gen. Sie ver­steht „Gulasch“.
Gaby Sikorski | programmkino.de

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Credits:
Deutschland 2017, 85 Min., rus­sisch, deut­sche OmU
Buch, Regie: Stanislaw Mucha
Kamera: Enno Endlicher
Schnitt: Stanislaw Mucha, Emil Rosenberger 

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Termine:

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Kolyma [Offizieller Trailer Deutsch HD German]

The Rider

Ein Film von Chloé Zhao.

[indie­ki­no club]

In Chloe Zhaos auch schon wun­der­ba­rem Debut Songs my brot­her taught me fragt eine Lehrerin in einer doku­men­ta­ri­schen Szene ihre Klasse nach den Berufswünschen. Während die Mädchen „Lehrerin“, „Ärztin“, „Sängerin“ und ande­res ant­wor­ten, pla­nen die Jungen uni­so­no eine Karriere als „Bull-“ bzw. „Rodeorider“.
Hier im Reservat lernt die Regisseurin auch Brady ken­nen, einen jun­gen Cowboy, Pferdeflüsterer und ehe­ma­li­ger Rodeo-Champion india­ni­scher Herkunft. Rodeo – das ist in der offe­nen Wildnis der Heartlands South Dakotas aller­dings kein schnö­der Beruf, son­dern bedeu­tet den jun­gen Männern ALLES. Die Wettkämpfer bewun­dern ihre Champions, sie hal­ten zusam­men, küm­mern sich nach den nicht sel­te­nen Unfällen umein­an­der und machen sich sehr viel vor. Brady, Mittelpunkt des Films, spielt sei­ne Geschichte (aber nicht sich) qua­si selbst. Mit einer jün­ge­ren behin­der­ten Schwester und dem Vater lebt er auf und von der klei­nen Pferdefarm etwas abseits inmit­ten des hüge­li­gen Weidelandes. Nach einem Unfall am Stier und einer Metallplatte im Kopf ist ihm das Reiten ver­bo­ten, und zu sei­ner Verzweiflung muss auch noch sein Lieblingspferd ver­kauft wer­den, dabei dreht sich alles bei ihm ums Rodeo und die Arbeit mit und der Liebe zu Pferden. Hin- und her­ge­ris­sen zwi­schen sei­nem alten und zukünf­ti­gen Leben muss Brady sei­ne Identität neu aus­lo­ten, noch aber kann und will er nicht loslassen.

Ich will unse­ren Jungs sagen, dass es okay ist, ver­letz­lich zu sein, dass sie nicht sein müs­sen wie die toug­hen Gewinnertypen, die man sonst im Kino sieht. Ich möch­te unse­ren Söhnen sagen, dass sie ruhig geplatz­te Träume haben kön­nen, aber wah­re Helden die­je­ni­gen sind, die trotz­dem wei­ter­träu­men.“ Chloé Zhao

… ein bild­star­ker moder­ner Western, der die tra­di­tio­nel­len Männlichkeitsideale des länd­lich gepräg­ten Teils der USA auf fast schon zärt­li­che Weise hinterfragt.“
Christoph Petersen | filmstarts.de

In what will easi­ly go down as one of the best examp­les of this unu­su­al cas­ting pro­cess [means: to cast the real-life sub­jects of a sto­ry to por­tray them­sel­ves], Zhao has taken a ten­der nar­ra­ti­ve and trans­for­med it into a breath­ta­kin­gly beau­tiful dra­ma that shoots straight to the heart. … the spi­rit that emana­tes from the set­ting, cha­rac­ters, rela­ti­onships and direc­tion is bril­li­ant.“ Kiko Martinez, San Antonio Current

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Credits:
USA 2017, 104 Min., engl. OmU
Regie: Chloé Zhao
Kamera: Joshua James Richards

Schnitt: Alex O’Flinn
Darsteller: Brady Jandreau, Tim Jandreau, Lily Jandreau, Lane Scott

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Termine:

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