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Heute oder Morgen

Ein Film von Thomas-Moritz Helm.

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Sommer in Berlin. Niels (Maximilian Hildebrandt) und Maria (Paula Knüpling) sind ein Paar, ver­su­chen sich aber an offe­nen Beziehungsformen, gehen mit wech­seln­den Partnern ins Bett, mal allein, mal auch zusam­men. Sie schla­gen sich mit Nebenjobs durchs Leben, hän­gen rum, rau­chen Gras und genie­ßen ihr Leben und ihre Freiheit.

Bis eines Tages die Engländerin Chloe (Tala Gouveia) in ihrem Leben auf­taucht und alles ver­än­dert. Anfangs als poten­ti­el­ler Partner für einen Dreier im Gespräch, ent­wi­ckelt sich zwi­schen Maria und Chloe bald etwas, dass über rein kör­per­li­che Anziehung hin­aus­geht. Zunehmend ent­frem­det sich Maria von Niels, beginnt ihr Lebensmodell zu hin­ter­fra­gen. Währenddessen agiert Niels immer besitz­ergrei­fen­der, ver­sucht Maria zu kon­trol­lie­ren und sorgt damit erst recht dafür, dass ihr einst zu viel­ver­spre­chend und pro­gres­siv wir­ken­des Lebensmodell an sei­ne Grenzen stößt, spä­tes­tens dann, als Chloe plötz­lich schwan­ger ist.

Man könn­te klei­ne Festivals mit Debütfilmen oder Filmhochschulabschlussfilmen fül­len, die meis­ten in Berlin spie­lend, man­che auch in Köln oder ande­ren deut­schen Großstädten, die sich mit unter­schied­li­chen Formen unkon­ven­tio­nel­ler Beziehungsmodellen beschäf­ti­gen. Der Eröffnungsfilm der Perspektive Deutsches Kino, „easy love“ ist so ein Film, „Voll Rita“ oder „Kim hat einen Penis“ mag man dazu­zäh­len, ganz gewiss aber Thomas-Moritz Helms „Heute oder Morgen“.

Anders als etwa „easy love“ mit sei­nem semi­do­ku­men­ta­ri­schen Ansatz oder „Kim hat einen Penis“ mit sei­ner fast schon phan­tas­ti­schen Geschichte, bewegt sich Thomas-Moritz Helm im rea­lis­ti­schen, natu­ra­lis­ti­schen Bereich. In zurück­hal­ten­den, ruhi­gen Bildern beob­ach­tet er das Paar, das bald zu einem Trio wird, spitzt die Situation lang­sam zu, wobei das Externe stets unwich­ti­ger bleibt als das Interne. Während Niels ange­sichts der Gefühlsverwirrungen zuneh­mend gereizt agiert, sich in macho­haf­te Posen flüch­tet, immer mehr Mühe hat, sich als der sou­ve­rä­ne Typ zu zei­gen, als der er sich sieht, zieht sich Maria immer mehr zurück.

Gerade als Chloe gesteht, dass sie schwan­ger ist, ver­mut­lich von Niels, beginnt sie ihr Beziehungsmodell zu hin­ter­fra­gen. Zu dritt ein Kind auf­zu­zie­hen, scheint eine logi­sche Weiterentwicklung zu sein, doch ob Chloe da mit­ma­chen möch­te ist eine ande­re Frage.

Die Egozentrik einer Generation, die mit dem Gefühl auf­ge­wach­sen ist, stets im Mittelpunkt zu ste­hen, wird hier por­trä­tiert. Ohne Rücksicht auf Verluste zu leben, den eige­nen Wünschen zu fol­gen, sich wenig Gedanken über das Danach zu machen: So leben Niels und Maria, in die­ser Blase haben sie es sich gemüt­lich gemacht, in ihr ste­cken sie auch am Ende eines Films noch fest, der ohne deut­lich zu wer­ten und kri­ti­sie­ren, doch die Grenzen eines Lebensmodells auf­zeigt, das ganz auf der Idee von Freiheit basiert.

Michael Meyns | programmkino.de

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Credits:

DE 2018, 93 Min.
Regie & Buch: Thomas-Moritz Helm
Kamera: Stefan Neuberger
Schnitt: Elena Weihe
Darsteller: Paula Knüpling, Maximilian Hildebrandt, Tala Gouveia, Roland Bonjour, Nora Decker, Carrie Getman

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Heute oder mor­gen Trailer Deutsch | German [HD]

Familia Sumergida – Die untergegangene Familie

Ein Film von Maria Alché.

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Fremd und eigen­ar­tig wird Marcelas Welt nach dem Tod ihrer Schwester Rina. Sie fühlt sich in ihrem eige­nen Haus ver­lo­ren. Auch scheint ihre Beziehung zu ihrem Mann und ihren Kindern zu lei­den. Als Nacho, ein jun­ger Freund ihrer Tochter, uner­war­tet vor­bei­kommt, geht sie mit ihm auf einen Spaziergang und end­lich kann sie reden. Aber wie­der zu Hause, beginnt sie immer mehr, Gespräche mit Verwandten aus einer ande­ren Dimension zu füh­ren. Marcela, gut ver­hei­ra­tet, Mutter drei­er halb­wüch­si­ger Kinder, muss den Hausstand ihrer plötz­lich ver­stor­be­nen Schwester Rina in Buenos Aires auf­lö­sen: Strickwaren, Zimmerpflanzen, Bücher, Pelzmäntel und Möbel, Fotografien und Briefe. Erinnerungen. Mit einem Mal sit­zen die Geister alter Tanten und Onkel in Marcelas Wohnzimmer, strei­fen Schemen der Vergangenheit durch ihre Gegenwart und lösen sie auf: Vielerlei wäre nun mög­lich, eine Affäre viel­leicht? In der Trauer ent­rückt sich dem Menschen die Wirklichkeit, ein Verlust ver­än­dert die Welt – mit siche­rer Hand fängt die Schauspielerin, Fotografin und Filmemacherin Alché in ihrem Langfilmdebüt einen Schwebezustand ein.

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Credits:

AR/BR/DE/NO 2018, 91 Min., span. OmU
Regie & Buch: Maria Alché
Kamera: Hélène Louvart 
Schnitt: Livia Serpa 
mit: Mercedes Morán, Marcelo Subiotto,
Esteban Bigliardi, Diego Vélazquez

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Trailer Die unter­ge­gan­ge­ne Familie Familia sum­er­gi­da dt Uts final

 

 

Prélude

Ein Film von Sabrina Sarabi.

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Da ist der deut­sche Wunderknabe“ wird der 19-jäh­ri­ge David von sei­nem Kommilitonen Walter begrüßt, gera­de ein­ge­trof­fen an sei­nem neu­en Zuhause. Die bei­den wer­den in mehr­fa­cher Hinsicht Konkurrenten wer­den, beim Klavierstudium wie bei der Liebe. Walter ist extro­ver­tiert und ver­sucht, die Situation mit über­heb­li­chem Witz zu meis­tern. Der eher in sich gekehr­te David, der als gro­ßes und viel­ver­spre­chen­des Talent gilt, wird jedoch zuneh­mend zu sei­nem eige­nen Feind. Dazu trägt auch die berech­nend-süf­fi­san­te Art sei­ner kom­pe­ten­ten Lehrerin bei, die ihre Schüler enorm her­aus­for­dert und undurch­sich­tig zwi­schen auto­ri­tär und behut­sam pen­delnd agiert. Ehrgeizig sind alle, die Studierenden am Musikkonservatorium, die Lehrenden, die einen Ruf zu ver­lie­ren haben und die Talentscouts, die nur die Besten aus­su­chen dür­fen. Dem eige­nen und äuße­ren Leistungsdruck sind nicht alle der jun­gen Musiker*innen gewach­sen. Es bau­en sich zwar Freundschaften in der ein­ge­grenz­ten Campusgemeinschaft auf, Konkurrenzdenken ist jedoch gefragt und wird, hier bei­spiels­wei­se über die Auswahl für ein begehr­tes Stipendium in New York, vor­sätz­lich geför­dert. Auch das Leben in den kalt aus­ge­stat­te­ten Räumen der Lehranstalt erscheint unge­müt­lich, unter­stri­chen von den Geräuschen – dem Knarren der Stufen, Quietschen der Türen und vom ewi­gen Ping-Pong im Hof.

Wie die Triller, die David in atem­be­rau­bend geschnit­te­nen Sequenzen in der Mitte des Films sto­isch übt und die sich zu einem Score vol­ler trei­ben­der Rhythmik und ener­vie­ren­der Monotonie aus­brei­ten, ist Sabrina Sarabis Spielfilmdebüt Prélude ein Werk vol­ler Musikalität und extrem rhyth­misch kom­po­niert. Die Musikstücke, das stak­ka­to­haf­te Klacken des Tischtennisballs, der vor Davids Wohnung von Walter mit beses­se­ner Inbrunst gespielt wird … — all das erzeugt einen nicht nur musi­ka­li­schen Sog, son­dern gibt dem ruhi­gen Drama, das bis­wei­len eher an einen Psychothriller der bedäch­ti­gen Art erin­nert, auch dra­ma­tur­gisch Drive und Tempo. … eine Studie über Vereinsamung und nicht nur musi­ka­li­sche Obsessionen, unter­drück­te Wut und offen­sicht­li­che Versagensangst, über Abhängigkeitsverhältnisse und deren Folgen.“ Joachim Kurz | kino-zeit

 

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Credits:

DE 2019, 95 min.
Buch und Regie: Sabrina Sarabi
Kamera: Max Preiss
Schnitt: Hannah Schwegel, Jan von Rimscha
mit: Louis Hofmann, Liv Lisa Fries, Johannes Nussbaum, Ursina Lardi, Jenny Schily, Saskia Rosendahl

Termine:

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PRÉLUDE | Offizieller Trailer

 

 

Becoming Animal

Ein Film von Emma Davie & Peter Mettler.

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David Abrams Buch „The Spell of the Sensuous. Perception and Language in a More-Than-Human World“, 1996 im ame­ri­ka­ni­schen Original, erst 2012 auf Deutsch unter dem Titel „Im Bann der sinn­li­chen Natur. Die Kunst der Wahrnehmung und die mehr-als-mensch­li­che Welt“ gilt als Schlüsselwerk für die moder­ne Ökologiebewegung. Stark beein­flusst von der so genann­ten Gaia-Hypothese, die pos­tu­liert, dass die Erde, die Menschen, die Natur, die gesam­te Biosphäre als ein ver­bun­de­nes Lebewesen betrach­tet wer­den müs­se, um die Komplexität unse­rer Welt begrei­fen zu kön­nen, befasst sich Abram mit dem Verhältnis von Mensch und Natur.

Allein das hier zwei Begriffe neben­ein­an­der, viel­leicht auch gegen­ein­an­der ste­hen sieht Abram als Teil des Problems, als Zeichen für die zuneh­men­de Loslösung des Menschen von der Natur, einem Prozess, der in der Entwicklung der Menschheit, vor allem durch die Entwicklung der Sprache, immer stär­ker wur­de. Und das bis vor weni­gen Jahren dazu führ­te, dass der Mensch und sei­ne Handlungen nicht als inte­gra­ler Teil der Biosphäre betrach­tet wur­de, son­dern qua­si als blo­ßer Bewohner und Nutzer unse­res Planeten, den er sich – ganz der Bibel fol­gend – über Jahrhunderte unter­tan machte.

Dass die­se Ausbeutung der Ressourcen längst kata­stro­pha­le Ausmaße ange­nom­men hat wird immer deut­li­cher, dem­entspre­chend wur­de vor eini­gen Jahren der Begriff des Anthropozän geprägt, der das gegen­wär­ti­ge Erdzeitalter beschreibt, eine Ära, in der der Mensch mehr Einfluss auf die Erde ein­nimmt als die Natur selbst.

Kann die­se Entwicklung gestoppt oder gar rück­gän­gig gemacht wer­den? Das ist eine der vie­len Fragen, die lose durch den Essayfilm der Schottin Emma Davie und des Schweiz-Kanadiers Peter Mettler schwe­ben, wäh­rend sie mit Abram durch die Natur strei­fen. Gedreht wur­de aus­schließ­lich im Grand Teton National Park im ame­ri­ka­ni­schen Bundesstaat Wyoming, einem der kom­ple­xes­ten und best­erhal­tends­ten Ökosysteme der Erde. Hier sucht Abram die Nähe zur Natur, lauscht den Lauten der Tiere eben­so wie dem Rauschen der Flüsse oder dem Rascheln der Blätter.

Ein wenig eso­te­risch mag das auf den ers­ten Blick wir­ken, doch Abrams Gedanken sind weit­aus kom­ple­xer. Von der distan­zie­ren­den Wirkung der Sprache spricht er etwa oft, davon, wie Begriffe Differenzen erzeu­gen, die im Laufe der Zeit dazu füh­ren, dass sich etwa der Mensch von der Natur zuneh­mend ent­frem­de­te. Parallel dazu ging im Zuge der zuneh­men­den Industrialisierung und Technologisierung der Welt auch ein Gespür für die Natur ver­lo­ren, ein Wissen um die Kreisläufe der Natur, die wech­sel­sei­ti­ge Beeinflussung von Mensch, Tieren und Natur.

Dieses Gespür wie­der­zu­fin­den ist ein eben­so heh­res wie not­wen­di­ges Ziel, will die Menschheit noch auf abseh­ba­re Zeit auf der Erde leben. Alarmistisch ist „Becoming Animal“ den­noch in kei­ner Weise, statt des­sen eine medi­ta­ti­ve, betont zurück­hal­ten­de, mäan­dern­de Annäherung an ein weit­rei­chen­des Thema. Ein klu­ger Film, der nicht so tut als gäbe es auf die drän­gen­den Themen unse­rer Zeit kla­re, ein­fa­che Antworten, son­dern es schafft, kom­ple­xe Gedanken greif­bar zu machen.

Michael Meyns | programmkino.de

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Credits:

CH/CA/GB 2018, 78 Min., engl. OmU
Regie: Emma Davie & Peter Mettler
Kamera: Peter Mettler

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Synonymes

Ein Film von Nadav Lapid. Ab 5.9. im fsk.

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Yoav ist nach Paris gezo­gen mit der Absicht, Franzose zu wer­den und sei­ne israe­li­sche Herkunft abzu­strei­fen. Kein hebräi­sches Wort soll ihm mehr über die Lippen kom­men, er will nur noch fran­zö­sisch spre­chen und übt die Sprache, indem er ver­bis­sen Synonyme auf­zählt. Schon bald nach sei­ner Ankunft lernt er ein jun­ges Paar ken­nen, das all das ver­kör­pert, was man gemein­hin mit Paris asso­zi­iert: bei­de sind gebil­det, gut geklei­det, leben in einer geschmack­voll ein­ge­rich­te­ten Wohnung. Sie hel­fen Yoav mit etwas Geld aus und klei­den ihn ein. In die begin­nen­de Freundschaft mischen sich bald eigen­nüt­zi­ge Interessen. Der Film basiert auf eige­nen Erfahrungen des israe­li­schen Regisseurs Nadav Lapid. Er erzählt mit viel Humor und sati­ri­schen Einlagen davon, dass man sich selbst immer mit­nimmt, wenn man weg­geht. Und auch die bösen Geister der Vergangenheit krie­chen aus dem Koffer. Yoavs gespal­te­nes Verhältnis zu Israel und damit zur eige­nen Identität ist der Preis eines Lebens in stän­di­gem Kriegszustand. Auf der dies­jäh­ri­gen Berlinale wur­de SYNONYMES mit dem Goldenen Bären und dem Preis der Filmkritik ausgezeichnet.

Und der Goldene Bär für den bes­ten Film? Ging tat­säch­lich an den bes­ten Film. (…) SYNONYMES spielt mit klei­nen Verneigungen vor den Klassikern des fran­zö­si­schen Kinos. DER LETZTE TANGO IN PARIS, JULES UND JIM, die gro­ßen ero­ti­schen Urkonstellationen aus der Ära der Nouvelle Vague wer­den her­auf­be­schwo­ren.“ David Steinitz, Süddeutsche Zeitung

Der Film (…) geht auf eine gewitz­te Weise mit sei­nem nicht eben leicht­ge­wich­ti­gen Thema um, steckt vol­ler ori­gi­nel­ler Bildideen, komi­scher Situationen und skur­ri­ler Momente.“ Berliner Zeitung

Hier ist ein Hauptdarsteller zu ent­de­cken, der die Fähigkeit besitzt, einen Film zu beherr­schen, wie Daniel Day-Lewis oder Denis Lavant.“ Indiewire

In Lapids künst­le­ri­scher Verwandtschaft ist vor allem ein Name zu nen­nen: Jean-Luc Godard. (…) Das gro­ße Gelingen des Films besteht dar­in, dass er sich der Sprache ver­schreibt. Auch das Kino ist eine Sprache, und wenn man die­sen Film sieht, fällt einem auf, wie sel­ten das heu­te gewor­den ist.“ Philipp Stadelmaier, Filmbulletin

 

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Credits:

IL/ FR/ DE 2019, 123 Min., frz., hebr. OmU 
Regie: Nadav Lapid
Buch: Nadav Lapid, Haïm Lapid
Kamera: Shaï Goldman
Schnitt: Era Lapid, Neta Braun
Darsteller: Tom Mercier, Quentin Dolmaire, Louise Chevillotte, Uri Hayik, Léa Drucker

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Golden Twenties

Ein Film von Sophie Kluge.

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Ava kommt nach ihrem Studium in ihre Heimatstadt zurück, zieht wie­der bei ihrer Mutter ein, bekommt eine Hospitanz beim Theater, ver­liebt sich ein wenig, was dann aber nicht lan­ge hält. Und so drif­tet sie durch den Alltag, immer suchend, nie fin­dend. Wobei sie kei­nes­wegs eine Besonderheit dar­stellt: Alle Menschen in ihrer Umgebung füh­len und ver­hal­ten sich so, oder so ähn­lich. Wenn dann mal eine Person eine Entscheidung trifft, viel­leicht um einen Anker zu haben und den Wunsch hat, sich zu fes­ti­gen, scheint das nur dem Zweck zu die­nen, die Hilflosigkeit und Unsicherheit zu kom­pen­sie­ren. Es bleibt immer der scha­le Beigeschmack einer Lebenslüge. Bei der zeit­wei­li­gen ein­di­men­sio­na­len Darstellung der Figuren, vor­nehm­lich in den Nebenrollen, wer­den Abgründe spür­bar, die immer auf die umfas­sen­de Verlorenheit ver­wei­sen. Die Einsamkeit die­ser bemit­lei­dungs­wür­di­gen Knallchargen macht sie auf den zwei­ten Blick letzt­lich zu kom­ple­xen Charakteren. Und da wir uns in einer Komödie befin­den, ist das auf tra­gi­sche und selt­sa­me Weise auch sehr lustig.

Sophie Kluge bringt klug ein Generationsporträt auf die Leinwand; doch Golden Twenties ist mehr als die Mittzwanziger-Depression: Es ist eine Geschichte der Gesellschaft, die sich wenig auf­ein­an­der ein­lässt, und in der sich jeder­zeit alles ändern kann. In der alles in Bewegung ist, oder sein kann, in der Ava mit ihrem Stillstand nicht hin­ein­pas­sen kann. Oder will.“ (Kinozeit.de, Harald Mühlbeyer)

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Credits:

DE 2019, 93 Min.
Regie & Buch: Sophie Kluge
Kamera: Reinhold Vorschneider
Schnitt: Katja Dringenberg
Darsteller: Henriette Confurius, Max Krause, Inga Busch, Franziska Machens, Hanna Hilsdorf

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Golden Twenties | Offizieller Trailer | Deutsch HD German (2019)

Congo calling

Ein Film von Stephan Hilbert.

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Der Osten der Demokratischen Republik Kongo ist eine der ärms­ten und unsi­chers­ten Regionen der Welt. Hunderte von west­li­chen Entwicklungshelfern sind vor Ort und wol­len die Bevölkerung unter­stüt­zen. Unter ihnen Raul, Peter und Anne-Laure. Sie sind hoch­mo­ti­viert und vol­ler Visionen, doch ihre Situation wirft für sie grund­sätz­li­che Fragen auf. Raul, ein spa­nisch-fran­zö­si­scher Wissenschaftler, muss fest­stel­len, dass er sei­ne Kollegen mit den Projektgeldern zur Korruption ver­führt und sei­ne Studie über die Rebellengruppen des­halb zu schei­tern droht. Peter, ein deut­scher Entwicklungshelfer, wird nach 30 Berufsjahren in Rente geschickt, sieht aber außer­halb von Afrika kei­ne Perspektiven für sich. Die Belgierin Anne-Laure hat ihre Stelle als Entwicklungshelferin auf­ge­ge­ben. Sie arbei­tet nun für ein kon­go­le­si­sches Musikfestival und kämpft mit ihrem regime­kri­ti­schen Freund und ande­ren Einheimischen für eine bes­se­re Zukunft. Die Frage, wer oder was für die Armut und Unsicherheit in die­ser Region haupt­säch­lich ver­ant­wort­lich ist, wird nicht the­ma­ti­siert und wür­de den Rahmen die­ses Films spren­gen. Die Gewichtung liegt auf den drei per­sön­li­chen Perspektiven, die viel über das Zusammenleben und Zusammenarbeiten zwi­schen Europa und Afrika erzäh­len und die Frage stellt: Wie hilf­reich ist die Hilfe des Westens?

Mit Raul, einem der Protagonisten des Films, bin ich schon seit lan­ger Zeit befreun­det. Er hat mir immer wie­der von sei­ner Arbeit im Ostkongo erzählt. Mit über 5 Millionen Todesopfern ist der Konflikt in die­ser Region der blu­tigs­te seit dem Zweiten Weltkrieg. Viele Helfer aus der west­li­chen Welt arbei­ten hier – und vie­le von ihnen haben gro­ße Zweifel an ihrer eige­nen Rolle. Bald war klar, dass wir einen Film über die Beziehung von uns Europäern zu einem so fer­nen und frem­den Ort und sei­nen Menschen machen wol­len. Was zieht uns dort­hin, was haben wir da zu suchen? Was machen wir mit die­sem Ort und die­ser Ort mit uns?“ (Stephan Hilpert)

 

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Credits:

DE 2019, 90 Min., OmU
Regie: Stephan Hilbert
Kamera: Daniel Samer
Schnitt: Miriam Märk 

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Carmine Street Guitars

Ein Film von Ron Mann.

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Das lie­be­vol­le Portrait eines Individualisten: Rick Kelly, Inhaber von Carmine Street Guitars, Gitarrenbauer aus Leidenschaft. Ein klei­ner Laden, der im Greenage Village über­lebt. Aus der Zeit, als Großstädte nicht die ers­te Wahl waren und Möglichkeiten boten, ein­fach was aus­zu­pro­bie­ren und vor sich zu schnur­ren. Rick Kelly fin­det sein Tonholz in Abrisshäusern, oder da, wo restau­riert wird. Bauholz aus alten Lagerhäusern der Bowery, das einen ganz eige­nen Charakter hat. Er upcy­celt dar­aus in Handarbeit elek­tri­sche Gitarren, ger­ne in Form der Klassiker der Moderne. Das ers­te elek­tri­sche Brett in Serienfertigung, die 1950 von Leo Fender auf den Markt gebrach­te Telecaster, steht in ihrer zeit­lo­sen Edelschlichtheit oft Modell für Kellys Instrumente. Und schon betritt Jim Jarmusch (Squürl) den Laden, auch Lou war Kunde, Patti & Lenny Kaye sind ver­ewigt, Bill Frisell und ande­re spie­len uns was vor. Aber haupt­säch­lich geht es um die Details des täg­li­chen Lebens im eige­nen Universum, die Beharrlichkeit, die sach­li­che Bescheidenheit, die Dinge anzu­ge­hen, den Rhythmus der Entschleunigung. Es ist Handarbeit, die Präzision ver­langt, dazu braucht es Zeit. Ein Universum, das schein­bar abge­schie­den vom Drumherum exis­tiert. Eine gut ein­ge­spiel­te Familie, neben Rick arbei­ten der Lehrling Cindy Hulej und die 90+ jäh­ri­ge Mutter Dorothy Kelly. Ron Mann (Comic Book Confidential) hat sie fünf Tage lang por­trai­tiert. Danach riecht alles ange­nehm nach frisch gesäg­tem Holz aus dem vor­letz­ten Jahrhundert des letz­ten Jahrtausend.

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Credits:

USA 2018, 81 Min., engl. OmU
Regie: Ron Mann
Buch: Len Blum
Kamera: Becky Parsons, John M. Tran
Schnitt: Robert Kennedy 

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Carmine Street Guitars (2018) Trailer, OmU

Die Einzelteile der Liebe

Ein Film von Miriam Bliese.

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Hansaviertel, Berlin: vor Haustüren und Hausmauern, zwi­schen Pfeilern und auf Parkplätzen spielt sich Wesentliches ab: der Flirt wird zur Liebe, es wer­den Beziehungsprobleme ver­han­delt, eine Trennung führt zum Kampf ums Sorgerecht, der neu­er Partner dis­ku­tiert mit dem alten. Der Film erzählt auf ellip­ti­sche Weise von einer Patchworkfamilie, die sich fin­det und wie­der ver­liert. In ihrem Debütfilm blickt Miriam Bliese lako­nisch auf die all­täg­li­chen Unzumutbarkeiten der Liebe.

Ich glau­be, dass eine Trennung an sich kei­ne Katastrophe ist. Die wah­re Katastrophe ist die Unfähigkeit, mit der Trennung umzu­ge­hen. Wir brau­chen kei­ne Anleitungen, wie sich die Trennung ver­mei­den lässt, wir brau­chen Rüstzeug für die Zeit danach. Deshalb woll­te ich in mei­nem Film auch davon erzäh­len, wie es nach der Trennung wei­ter­geht. Eine Zeit, die wie­der­um aus Kleinigkeiten und bana­len Streitereien besteht, aber auch, in sel­te­nen Momenten, aus einer erwach­se­nen Art von Zuneigung, die viel­leicht letzt­lich die inter­es­san­te­re Form von Liebe ist.“ Miriam Bliese

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Credits:

DE 2019, 97 Min.
Regie & Drehbuch: Miriam Bliese
Kamera: Markus Koob
Montage: Dietmar Kraus
mit: Birte Schöik, Ole Lagerpusch, Justus Fischer, Falk Rockstroh

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Trailer: (Ausschnitt)

 

 

Acid

Ein Film von Alexander Gorchilin.

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Bei der Premiere im Panorama der dies­jäh­ri­gen Berlinale unter­stell­te manch‘ Kritiker dem jun­gen Schauspieler Alexander Gorchilin, er habe mit sei­nem Regiedebüt einen Skandalfilm schaf­fen wol­len. Es gab schon so man­che Aufreger beim Filmfest, bei ACID konn­te nicht ernst­haft damit gerech­net wer­den. Andere wie­der­um sahen ein Portrait einer ver­lo­re­nen rus­si­schen Jugend. Russische Jugendliche dürf­ten wohl kaum so ein­di­men­sio­nal sein, dass sie alle in einen Film pas­sen. Wir schau­en uns hier erst­mal nur Pete und Sasha an, gute Freunde seit lan­gem. Sie las­sen sich trei­ben und es gibt nichts oder sie wis­sen nicht ein­mal, an was oder wem sie sich abar­bei­ten könn­ten. Und da ist noch Vanya, einen wei­te­rer Kumpel. Der steht voll­ge­pumpt mit Drogen nackt auf einem Balkon und lässt sich nach Petes lako­ni­scher Aufforderung „Wenn du sprin­gen willst, spring“ von der Brüstung fal­len und ist tot. Dieser Vorfall hat Folgen für Pete, und damit auch für sei­ne Beziehung zu Sasha. Aber bevor der Film sich beru­higt, geht es noch etwas wild wei­ter – ille­ga­le Raves, ille­ga­le Drogen, eine Sexparty. Pete, auf der Suche nach einer Bleibe, läßt sich bei Vasilisk, einem Bildhauer, nie­der. Vasilisk ist schwul, wird aber spä­ter die Mutter sei­nes Kindes ehe­li­chen. Pete und Sasha sind viel­leicht auch schwul, zumin­dest mut­ma­ßen das Sashas Oma und Mutter. Die bei­den jun­gen Männer wür­den sich jedoch nicht erlau­ben, auch nur dar­an zu den­ken. Als Pete beginnt, sich selbst zu scha­den, kommt Sasha nicht mehr mit. Er schlägt eine ganz ande­re Richtung ein, und die Wege der bei­den drif­ten lang­sam auseinander.

Regisseur Aleksander Gorchilin ist Teil des Ensembles am Gogol Center um den künst­le­ri­schen Direktor Kirill Serebrennikov. Viele der Ensemble-Mitglieder sind am Film betei­ligt, die gan­ze Crew ist sehr jung, so zähl­te die Kamerafrau beim Dreh 22 Jahre. Zur Wahl des Titels sagt er: „Wir benutz­ten die Mehrdeutigkeit, um ver­schie­de­nes aus­zu­drü­cken: als Droge kann ACID (Säure) künst­le­ri­sche Reflektionen aus­lö­sen, es kann außer­dem hel­fen, unkla­re Gefühle zu beschrei­ben, aber auch als che­mi­sche Substanz Sachen auf­lö­sen. Diese Ambiguität woll­ten wir nut­zen, um einen Rhythmus zu fin­den. Er fließt in die ein­zel­nen Szenen, in die Musik und sogar ins Farbspektrum ein – wie ein Gefühl.“

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Credits:

Kislota
RU  2018,98 Min., russ. OmU,

Regie: Alexander Gorchilin
Buch: Valery Pecheykin
Kamera: Kseniya Sereda
Montage: Vadim Krasnitskiy
mit: Filipp Avdeev, Alexander Kuznetsov, Arina Shevtsova, Savva Saveliev 

Termine:

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Trailer:

Acid (Trailer) from Salzgeber & Co. Medien GmbH on Vimeo.