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Becoming Animal

Ein Film von Emma Davie & Peter Mettler.

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David Abrams Buch „The Spell of the Sensuous. Perception and Language in a More-Than-Human World“, 1996 im ame­ri­ka­ni­schen Original, erst 2012 auf Deutsch unter dem Titel „Im Bann der sinn­li­chen Natur. Die Kunst der Wahrnehmung und die mehr-als-mensch­li­che Welt“ gilt als Schlüsselwerk für die moder­ne Ökologiebewegung. Stark beein­flusst von der so genann­ten Gaia-Hypothese, die pos­tu­liert, dass die Erde, die Menschen, die Natur, die gesam­te Biosphäre als ein ver­bun­de­nes Lebewesen betrach­tet wer­den müs­se, um die Komplexität unse­rer Welt begrei­fen zu kön­nen, befasst sich Abram mit dem Verhältnis von Mensch und Natur.

Allein das hier zwei Begriffe neben­ein­an­der, viel­leicht auch gegen­ein­an­der ste­hen sieht Abram als Teil des Problems, als Zeichen für die zuneh­men­de Loslösung des Menschen von der Natur, einem Prozess, der in der Entwicklung der Menschheit, vor allem durch die Entwicklung der Sprache, immer stär­ker wur­de. Und das bis vor weni­gen Jahren dazu führ­te, dass der Mensch und sei­ne Handlungen nicht als inte­gra­ler Teil der Biosphäre betrach­tet wur­de, son­dern qua­si als blo­ßer Bewohner und Nutzer unse­res Planeten, den er sich – ganz der Bibel fol­gend – über Jahrhunderte unter­tan machte.

Dass die­se Ausbeutung der Ressourcen längst kata­stro­pha­le Ausmaße ange­nom­men hat wird immer deut­li­cher, dem­entspre­chend wur­de vor eini­gen Jahren der Begriff des Anthropozän geprägt, der das gegen­wär­ti­ge Erdzeitalter beschreibt, eine Ära, in der der Mensch mehr Einfluss auf die Erde ein­nimmt als die Natur selbst.

Kann die­se Entwicklung gestoppt oder gar rück­gän­gig gemacht wer­den? Das ist eine der vie­len Fragen, die lose durch den Essayfilm der Schottin Emma Davie und des Schweiz-Kanadiers Peter Mettler schwe­ben, wäh­rend sie mit Abram durch die Natur strei­fen. Gedreht wur­de aus­schließ­lich im Grand Teton National Park im ame­ri­ka­ni­schen Bundesstaat Wyoming, einem der kom­ple­xes­ten und best­erhal­tends­ten Ökosysteme der Erde. Hier sucht Abram die Nähe zur Natur, lauscht den Lauten der Tiere eben­so wie dem Rauschen der Flüsse oder dem Rascheln der Blätter.

Ein wenig eso­te­risch mag das auf den ers­ten Blick wir­ken, doch Abrams Gedanken sind weit­aus kom­ple­xer. Von der distan­zie­ren­den Wirkung der Sprache spricht er etwa oft, davon, wie Begriffe Differenzen erzeu­gen, die im Laufe der Zeit dazu füh­ren, dass sich etwa der Mensch von der Natur zuneh­mend ent­frem­de­te. Parallel dazu ging im Zuge der zuneh­men­den Industrialisierung und Technologisierung der Welt auch ein Gespür für die Natur ver­lo­ren, ein Wissen um die Kreisläufe der Natur, die wech­sel­sei­ti­ge Beeinflussung von Mensch, Tieren und Natur.

Dieses Gespür wie­der­zu­fin­den ist ein eben­so heh­res wie not­wen­di­ges Ziel, will die Menschheit noch auf abseh­ba­re Zeit auf der Erde leben. Alarmistisch ist „Becoming Animal“ den­noch in kei­ner Weise, statt des­sen eine medi­ta­ti­ve, betont zurück­hal­ten­de, mäan­dern­de Annäherung an ein weit­rei­chen­des Thema. Ein klu­ger Film, der nicht so tut als gäbe es auf die drän­gen­den Themen unse­rer Zeit kla­re, ein­fa­che Antworten, son­dern es schafft, kom­ple­xe Gedanken greif­bar zu machen.

Michael Meyns | programmkino.de

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Credits:

CH/CA/GB 2018, 78 Min., engl. OmU
Regie: Emma Davie & Peter Mettler
Kamera: Peter Mettler

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Synonymes

Ein Film von Nadav Lapid. Ab 5.9. im fsk.

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Yoav ist nach Paris gezo­gen mit der Absicht, Franzose zu wer­den und sei­ne israe­li­sche Herkunft abzu­strei­fen. Kein hebräi­sches Wort soll ihm mehr über die Lippen kom­men, er will nur noch fran­zö­sisch spre­chen und übt die Sprache, indem er ver­bis­sen Synonyme auf­zählt. Schon bald nach sei­ner Ankunft lernt er ein jun­ges Paar ken­nen, das all das ver­kör­pert, was man gemein­hin mit Paris asso­zi­iert: bei­de sind gebil­det, gut geklei­det, leben in einer geschmack­voll ein­ge­rich­te­ten Wohnung. Sie hel­fen Yoav mit etwas Geld aus und klei­den ihn ein. In die begin­nen­de Freundschaft mischen sich bald eigen­nüt­zi­ge Interessen. Der Film basiert auf eige­nen Erfahrungen des israe­li­schen Regisseurs Nadav Lapid. Er erzählt mit viel Humor und sati­ri­schen Einlagen davon, dass man sich selbst immer mit­nimmt, wenn man weg­geht. Und auch die bösen Geister der Vergangenheit krie­chen aus dem Koffer. Yoavs gespal­te­nes Verhältnis zu Israel und damit zur eige­nen Identität ist der Preis eines Lebens in stän­di­gem Kriegszustand. Auf der dies­jäh­ri­gen Berlinale wur­de SYNONYMES mit dem Goldenen Bären und dem Preis der Filmkritik ausgezeichnet.

Und der Goldene Bär für den bes­ten Film? Ging tat­säch­lich an den bes­ten Film. (…) SYNONYMES spielt mit klei­nen Verneigungen vor den Klassikern des fran­zö­si­schen Kinos. DER LETZTE TANGO IN PARIS, JULES UND JIM, die gro­ßen ero­ti­schen Urkonstellationen aus der Ära der Nouvelle Vague wer­den her­auf­be­schwo­ren.“ David Steinitz, Süddeutsche Zeitung

Der Film (…) geht auf eine gewitz­te Weise mit sei­nem nicht eben leicht­ge­wich­ti­gen Thema um, steckt vol­ler ori­gi­nel­ler Bildideen, komi­scher Situationen und skur­ri­ler Momente.“ Berliner Zeitung

Hier ist ein Hauptdarsteller zu ent­de­cken, der die Fähigkeit besitzt, einen Film zu beherr­schen, wie Daniel Day-Lewis oder Denis Lavant.“ Indiewire

In Lapids künst­le­ri­scher Verwandtschaft ist vor allem ein Name zu nen­nen: Jean-Luc Godard. (…) Das gro­ße Gelingen des Films besteht dar­in, dass er sich der Sprache ver­schreibt. Auch das Kino ist eine Sprache, und wenn man die­sen Film sieht, fällt einem auf, wie sel­ten das heu­te gewor­den ist.“ Philipp Stadelmaier, Filmbulletin

 

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Credits:

IL/ FR/ DE 2019, 123 Min., frz., hebr. OmU 
Regie: Nadav Lapid
Buch: Nadav Lapid, Haïm Lapid
Kamera: Shaï Goldman
Schnitt: Era Lapid, Neta Braun
Darsteller: Tom Mercier, Quentin Dolmaire, Louise Chevillotte, Uri Hayik, Léa Drucker

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Golden Twenties

Ein Film von Sophie Kluge.

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Ava kommt nach ihrem Studium in ihre Heimatstadt zurück, zieht wie­der bei ihrer Mutter ein, bekommt eine Hospitanz beim Theater, ver­liebt sich ein wenig, was dann aber nicht lan­ge hält. Und so drif­tet sie durch den Alltag, immer suchend, nie fin­dend. Wobei sie kei­nes­wegs eine Besonderheit dar­stellt: Alle Menschen in ihrer Umgebung füh­len und ver­hal­ten sich so, oder so ähn­lich. Wenn dann mal eine Person eine Entscheidung trifft, viel­leicht um einen Anker zu haben und den Wunsch hat, sich zu fes­ti­gen, scheint das nur dem Zweck zu die­nen, die Hilflosigkeit und Unsicherheit zu kom­pen­sie­ren. Es bleibt immer der scha­le Beigeschmack einer Lebenslüge. Bei der zeit­wei­li­gen ein­di­men­sio­na­len Darstellung der Figuren, vor­nehm­lich in den Nebenrollen, wer­den Abgründe spür­bar, die immer auf die umfas­sen­de Verlorenheit ver­wei­sen. Die Einsamkeit die­ser bemit­lei­dungs­wür­di­gen Knallchargen macht sie auf den zwei­ten Blick letzt­lich zu kom­ple­xen Charakteren. Und da wir uns in einer Komödie befin­den, ist das auf tra­gi­sche und selt­sa­me Weise auch sehr lustig.

Sophie Kluge bringt klug ein Generationsporträt auf die Leinwand; doch Golden Twenties ist mehr als die Mittzwanziger-Depression: Es ist eine Geschichte der Gesellschaft, die sich wenig auf­ein­an­der ein­lässt, und in der sich jeder­zeit alles ändern kann. In der alles in Bewegung ist, oder sein kann, in der Ava mit ihrem Stillstand nicht hin­ein­pas­sen kann. Oder will.“ (Kinozeit.de, Harald Mühlbeyer)

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Credits:

DE 2019, 93 Min.
Regie & Buch: Sophie Kluge
Kamera: Reinhold Vorschneider
Schnitt: Katja Dringenberg
Darsteller: Henriette Confurius, Max Krause, Inga Busch, Franziska Machens, Hanna Hilsdorf

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Golden Twenties | Offizieller Trailer | Deutsch HD German (2019)

Congo calling

Ein Film von Stephan Hilbert.

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Der Osten der Demokratischen Republik Kongo ist eine der ärms­ten und unsi­chers­ten Regionen der Welt. Hunderte von west­li­chen Entwicklungshelfern sind vor Ort und wol­len die Bevölkerung unter­stüt­zen. Unter ihnen Raul, Peter und Anne-Laure. Sie sind hoch­mo­ti­viert und vol­ler Visionen, doch ihre Situation wirft für sie grund­sätz­li­che Fragen auf. Raul, ein spa­nisch-fran­zö­si­scher Wissenschaftler, muss fest­stel­len, dass er sei­ne Kollegen mit den Projektgeldern zur Korruption ver­führt und sei­ne Studie über die Rebellengruppen des­halb zu schei­tern droht. Peter, ein deut­scher Entwicklungshelfer, wird nach 30 Berufsjahren in Rente geschickt, sieht aber außer­halb von Afrika kei­ne Perspektiven für sich. Die Belgierin Anne-Laure hat ihre Stelle als Entwicklungshelferin auf­ge­ge­ben. Sie arbei­tet nun für ein kon­go­le­si­sches Musikfestival und kämpft mit ihrem regime­kri­ti­schen Freund und ande­ren Einheimischen für eine bes­se­re Zukunft. Die Frage, wer oder was für die Armut und Unsicherheit in die­ser Region haupt­säch­lich ver­ant­wort­lich ist, wird nicht the­ma­ti­siert und wür­de den Rahmen die­ses Films spren­gen. Die Gewichtung liegt auf den drei per­sön­li­chen Perspektiven, die viel über das Zusammenleben und Zusammenarbeiten zwi­schen Europa und Afrika erzäh­len und die Frage stellt: Wie hilf­reich ist die Hilfe des Westens?

Mit Raul, einem der Protagonisten des Films, bin ich schon seit lan­ger Zeit befreun­det. Er hat mir immer wie­der von sei­ner Arbeit im Ostkongo erzählt. Mit über 5 Millionen Todesopfern ist der Konflikt in die­ser Region der blu­tigs­te seit dem Zweiten Weltkrieg. Viele Helfer aus der west­li­chen Welt arbei­ten hier – und vie­le von ihnen haben gro­ße Zweifel an ihrer eige­nen Rolle. Bald war klar, dass wir einen Film über die Beziehung von uns Europäern zu einem so fer­nen und frem­den Ort und sei­nen Menschen machen wol­len. Was zieht uns dort­hin, was haben wir da zu suchen? Was machen wir mit die­sem Ort und die­ser Ort mit uns?“ (Stephan Hilpert)

 

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Credits:

DE 2019, 90 Min., OmU
Regie: Stephan Hilbert
Kamera: Daniel Samer
Schnitt: Miriam Märk 

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Carmine Street Guitars

Ein Film von Ron Mann.

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Das lie­be­vol­le Portrait eines Individualisten: Rick Kelly, Inhaber von Carmine Street Guitars, Gitarrenbauer aus Leidenschaft. Ein klei­ner Laden, der im Greenage Village über­lebt. Aus der Zeit, als Großstädte nicht die ers­te Wahl waren und Möglichkeiten boten, ein­fach was aus­zu­pro­bie­ren und vor sich zu schnur­ren. Rick Kelly fin­det sein Tonholz in Abrisshäusern, oder da, wo restau­riert wird. Bauholz aus alten Lagerhäusern der Bowery, das einen ganz eige­nen Charakter hat. Er upcy­celt dar­aus in Handarbeit elek­tri­sche Gitarren, ger­ne in Form der Klassiker der Moderne. Das ers­te elek­tri­sche Brett in Serienfertigung, die 1950 von Leo Fender auf den Markt gebrach­te Telecaster, steht in ihrer zeit­lo­sen Edelschlichtheit oft Modell für Kellys Instrumente. Und schon betritt Jim Jarmusch (Squürl) den Laden, auch Lou war Kunde, Patti & Lenny Kaye sind ver­ewigt, Bill Frisell und ande­re spie­len uns was vor. Aber haupt­säch­lich geht es um die Details des täg­li­chen Lebens im eige­nen Universum, die Beharrlichkeit, die sach­li­che Bescheidenheit, die Dinge anzu­ge­hen, den Rhythmus der Entschleunigung. Es ist Handarbeit, die Präzision ver­langt, dazu braucht es Zeit. Ein Universum, das schein­bar abge­schie­den vom Drumherum exis­tiert. Eine gut ein­ge­spiel­te Familie, neben Rick arbei­ten der Lehrling Cindy Hulej und die 90+ jäh­ri­ge Mutter Dorothy Kelly. Ron Mann (Comic Book Confidential) hat sie fünf Tage lang por­trai­tiert. Danach riecht alles ange­nehm nach frisch gesäg­tem Holz aus dem vor­letz­ten Jahrhundert des letz­ten Jahrtausend.

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Credits:

USA 2018, 81 Min., engl. OmU
Regie: Ron Mann
Buch: Len Blum
Kamera: Becky Parsons, John M. Tran
Schnitt: Robert Kennedy 

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Carmine Street Guitars (2018) Trailer, OmU

Die Einzelteile der Liebe

Ein Film von Miriam Bliese.

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Hansaviertel, Berlin: vor Haustüren und Hausmauern, zwi­schen Pfeilern und auf Parkplätzen spielt sich Wesentliches ab: der Flirt wird zur Liebe, es wer­den Beziehungsprobleme ver­han­delt, eine Trennung führt zum Kampf ums Sorgerecht, der neu­er Partner dis­ku­tiert mit dem alten. Der Film erzählt auf ellip­ti­sche Weise von einer Patchworkfamilie, die sich fin­det und wie­der ver­liert. In ihrem Debütfilm blickt Miriam Bliese lako­nisch auf die all­täg­li­chen Unzumutbarkeiten der Liebe.

Ich glau­be, dass eine Trennung an sich kei­ne Katastrophe ist. Die wah­re Katastrophe ist die Unfähigkeit, mit der Trennung umzu­ge­hen. Wir brau­chen kei­ne Anleitungen, wie sich die Trennung ver­mei­den lässt, wir brau­chen Rüstzeug für die Zeit danach. Deshalb woll­te ich in mei­nem Film auch davon erzäh­len, wie es nach der Trennung wei­ter­geht. Eine Zeit, die wie­der­um aus Kleinigkeiten und bana­len Streitereien besteht, aber auch, in sel­te­nen Momenten, aus einer erwach­se­nen Art von Zuneigung, die viel­leicht letzt­lich die inter­es­san­te­re Form von Liebe ist.“ Miriam Bliese

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Credits:

DE 2019, 97 Min.
Regie & Drehbuch: Miriam Bliese
Kamera: Markus Koob
Montage: Dietmar Kraus
mit: Birte Schöik, Ole Lagerpusch, Justus Fischer, Falk Rockstroh

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Trailer: (Ausschnitt)

 

 

Acid

Ein Film von Alexander Gorchilin.

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Bei der Premiere im Panorama der dies­jäh­ri­gen Berlinale unter­stell­te manch‘ Kritiker dem jun­gen Schauspieler Alexander Gorchilin, er habe mit sei­nem Regiedebüt einen Skandalfilm schaf­fen wol­len. Es gab schon so man­che Aufreger beim Filmfest, bei ACID konn­te nicht ernst­haft damit gerech­net wer­den. Andere wie­der­um sahen ein Portrait einer ver­lo­re­nen rus­si­schen Jugend. Russische Jugendliche dürf­ten wohl kaum so ein­di­men­sio­nal sein, dass sie alle in einen Film pas­sen. Wir schau­en uns hier erst­mal nur Pete und Sasha an, gute Freunde seit lan­gem. Sie las­sen sich trei­ben und es gibt nichts oder sie wis­sen nicht ein­mal, an was oder wem sie sich abar­bei­ten könn­ten. Und da ist noch Vanya, einen wei­te­rer Kumpel. Der steht voll­ge­pumpt mit Drogen nackt auf einem Balkon und lässt sich nach Petes lako­ni­scher Aufforderung „Wenn du sprin­gen willst, spring“ von der Brüstung fal­len und ist tot. Dieser Vorfall hat Folgen für Pete, und damit auch für sei­ne Beziehung zu Sasha. Aber bevor der Film sich beru­higt, geht es noch etwas wild wei­ter – ille­ga­le Raves, ille­ga­le Drogen, eine Sexparty. Pete, auf der Suche nach einer Bleibe, läßt sich bei Vasilisk, einem Bildhauer, nie­der. Vasilisk ist schwul, wird aber spä­ter die Mutter sei­nes Kindes ehe­li­chen. Pete und Sasha sind viel­leicht auch schwul, zumin­dest mut­ma­ßen das Sashas Oma und Mutter. Die bei­den jun­gen Männer wür­den sich jedoch nicht erlau­ben, auch nur dar­an zu den­ken. Als Pete beginnt, sich selbst zu scha­den, kommt Sasha nicht mehr mit. Er schlägt eine ganz ande­re Richtung ein, und die Wege der bei­den drif­ten lang­sam auseinander.

Regisseur Aleksander Gorchilin ist Teil des Ensembles am Gogol Center um den künst­le­ri­schen Direktor Kirill Serebrennikov. Viele der Ensemble-Mitglieder sind am Film betei­ligt, die gan­ze Crew ist sehr jung, so zähl­te die Kamerafrau beim Dreh 22 Jahre. Zur Wahl des Titels sagt er: „Wir benutz­ten die Mehrdeutigkeit, um ver­schie­de­nes aus­zu­drü­cken: als Droge kann ACID (Säure) künst­le­ri­sche Reflektionen aus­lö­sen, es kann außer­dem hel­fen, unkla­re Gefühle zu beschrei­ben, aber auch als che­mi­sche Substanz Sachen auf­lö­sen. Diese Ambiguität woll­ten wir nut­zen, um einen Rhythmus zu fin­den. Er fließt in die ein­zel­nen Szenen, in die Musik und sogar ins Farbspektrum ein – wie ein Gefühl.“

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Credits:

Kislota
RU  2018,98 Min., russ. OmU,

Regie: Alexander Gorchilin
Buch: Valery Pecheykin
Kamera: Kseniya Sereda
Montage: Vadim Krasnitskiy
mit: Filipp Avdeev, Alexander Kuznetsov, Arina Shevtsova, Savva Saveliev 

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Acid (Trailer) from Salzgeber & Co. Medien GmbH on Vimeo.

In many imperfect ways: Anker der Liebe

Ein Film von Carlos Marques-Marcet.

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Eva (Oona Chaplin) und Kat (Natalia Tena) füh­ren auf ihrem Londoner Hausboot ein unbe­schwer­tes Leben abseits aller Zwänge. Bis Eva, ange­sta­chelt durch ihre Mutter Germaine (Geraldine Chaplin), Kat eines Tages ein Ultimatum stellt: Sie will ein Kind – jetzt!
Kat ist sofort klar, dass das unwei­ger­lich das Ende ihres unkon­ven­tio­nel­len Lebensstils bedeu­ten wür­de, in dem sie sich mit Eva gera­de so häus­lich ein­ge­rich­tet hat. Da gibt es für Kat nur eines: Widerstand! Doch als Kats bes­ter Freund Roger (David Verdaguer) aus Barcelona zu Besuch kommt, ergibt es sich wie zufäl­lig, dass die drei – gegen Kats Bedenken – die Idee eines gemein­sa­men Babys durch­spie­len. Und sie­he da, schließ­lich sagt auch Kat Ja zum Nachwuchs.
Aber wie sieht eine Familienplanung, wie eine Zukunft aus – mit drei Eltern? Hier tref­fen ganz unter­schied­li­che Erwartungen an Intimität und Verantwortung auf­ein­an­der, die erst ein­mal gemeis­tert wer­den müssen…
„Ein klei­nes Wunderwerk – lus­tig, mit­rei­ßend, leicht und bedeu­tend zugleich, abso­lut glaub­wür­dig und vor allem eines: wirk­lich hin­rei­ßend! Einer der schöns­ten, ehr­lichs­ten und über­ra­schends­ten Filme des Jahres.” L.MAG

Credits:

Anchor and Hope
GB 2017, 112 Min., engl. OmU
Regie: Carlos Marques-Marcet
Darsteller: Oona Chaplin, Natalie Tena, Geraldine Chaplin, David Verdaguer
Filmlänge: 112 Minuten

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ANKER DER LIEBE – Offizieller deut­scher Trailer

In many imperfect ways (Filmreihe)

Ein Punkt im Leben, an dem Entscheidungen und Auseinandersetzungen gefragt sind, wo der eige­ne Lebensentwurf in Frage gestellt wird und eine Verortung statt­fin­den muss, oder eine plötz­li­che Erkenntnis bis­he­ri­ge Sicherheiten umwirft – genau hier sind die aus­ge­such­ten Filme die­ser klei­nen, fei­nen Reihe ange­sie­delt. Der Weg von hier führt über Unsicherheiten und Verletzungen, ohne Schrammen kommt da kei­ne so leicht durch.

Auch die Filme des Programms hat­ten bis­her in Berlin nur ein unvoll­kom­me­nes Kinoleben, man­chen wird der ein oder ande­re Titel geläu­fig sein, da die dazu­ge­hö­ri­gen Werke für Einzelvorstellungen bespro­chen wur­den, sei es für Mongay, L‑Filmnächte oder als regu­lä­rer Start mit nur weni­gen ein­zel­nen Vorstellungen. Wir fin­den, dass sie so sehens­wert sind, dass sie eine 2. Chance ver­die­nen, haben sie des­halb gebün­delt und bie­ten sie als klei­nes Paket vom 1.- 8. August im fsk-Kino an.

Außerhalb einer per­fek­ten Komfortzone befin­den sich unse­re fünf Protagonistinnen ebenfalls.

  • Rebecca, genannt Becks, wird von ihrer Freundin betro­gen und zieht, ganz klas­sisch, zurück zur Mutter. Sich dort auf die Couch zu legen und zu bemit­lei­den ist aber auf Dauer sicher kei­ne gute Idee, zumal sie aus­ge­zeich­net mit der Gitarre umzu­ge­hen weiß. [Becks]
  • Die jun­ge Romni Lola weiß, was sie will (Comics zeich­nen), und auch wen sie will (Carmen, die Braut ihres Cousins). Allerdings ist in ihrem Umfeld die Toleranzgrenze sexu­el­ler Normabweichung betref­fend eher nied­rig. [Carmen y Lola]
  • Französischlehrerin Nina sucht ver­zwei­felt eine Leihmutter, die sie nicht fin­det, bis ihr Auto mit Magdas zusam­men­kracht. Des geplan­ten Kindes Vater ist nicht ent­zückt von der Frau, die ihr Baby aus­tra­gen soll, erst recht nicht, als sich sei­ne Frau in sie ver­liebt. [Nina]
  • Benny hat als Tochter eines streng­gläu­bi­gen jüdi­schen Gelehrten ähn­li­che Probleme wie Lola. Nur, dass sie dazu noch Verantwortung für eine Kalb und damit für die Erlösung tra­gen soll. [Red Cow – Das Mädchen mit den roten Haaren]
  • Dem anstren­gen­den Alltag mit ihrem depres­si­ven Vater ent­flieht die 16-jäh­ri­ge Cyd, indem sie im Sommer zu ihrer Autoren-Tante nach Chicago zieht. Dort könn­te sie dann den gan­zen Tag faul in der Sonne lie­gen, kreuz­te nicht eine toug­he Kellnerin namens Katie ihren Weg. [Princess Cyd]
  • Im laut L‑Mag „klei­nem Wunderwerk” füh­ren Eva und Kat auf ihrem Londoner Hausboot ein unbe­schwer­tes Leben abseits aller sons­ti­gen Bindungen. Doch bei Eva gibt es die­sen laten­ten Kinderwunsch, der von ihrer Mutter unter­stützt wird, nicht aber von ihrer Partnerin. Als Kats bes­ter Freund Roger die bei­den besucht und als Samenspender in Frage kommt, ist es soweit – Kat muss sich ent­schei­den. [Anker der Liebe]

Aufmerksam Lesenden dürf­te es nicht ent­ge­hen, dass es bei der Auswahl stets um les­bi­sche Frauen geht – wobei man­che dar­un­ter dies erst im Lauf des Films erfah­ren. Aber über Genderfrage und mög­li­che kul­tu­rel­le Unterschiede hin­aus – wir befin­den uns in den USA, Spanien, Israel und Polen – ver­spre­chen die ange­spro­che­nen Topics der Reihe für alle, die sich mit Beziehungen im wei­tes­ten und auch per­sön­li­chen Sinne befas­sen, ein Kinoerlebnis.

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Ich war zuhause, aber …

Ein Film von Angela Schanelec.

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Eine Woche war Astrids drei­zehn­jäh­ri­ger Sohn Phillip ver­schwun­den. Nun kehrt er wie­der nach Hause zurück, wort­los, ohne Erklärungen, mit ver­letz­tem Fuß. Über die Gründe sei­nes Verschwindens kön­nen Astrid und Phillips Lehrer nur mut­ma­ßen. Was hat er gesucht, ein Ausgeliefertsein an die Natur, eine Annäherung an den Tod, aus­ge­löst durch den Tod sei­nes Vaters?
Langsam setzt die Normalität des täg­li­chen Lebens sich wie­der in Gang. Phillip probt mit sei­ner Klasse ein Stück von Shakespeare, Hamlet. Astrid geht ihrem Beruf im Berliner Kunstbetrieb nach, sie kauft ein Fahrrad, sie küm­mert sich um Phillip und sei­ne klei­ne Schwester. Doch sie trägt schwer an der Einsicht, dass ihr Sohn ein eige­nes Leben führt, dass ihr Einfluss begrenzt ist. Als sich Philipps Wunde ent­zün­det und er mit einer Blutvergiftung ins Krankenhaus kommt, lie­gen bei Astrid die Nerven blank. Aber die Kinder wen­den sich nicht ab. Das Gefüge der Familie zer­fällt, um sich neu zu bilden.

Verzeihen Sie mir bit­te, aber kei­ner möch­te mit sei­ner Wahrheit allein sein. Man möch­te sie gern tei­len, die Wahrheit. Außerdem ist das Quatsch, eine Meinung kann man tei­len, aber eine Meinung ist ja noch kei­ne Wahrheit.“ Filmzitat

Dieser Film erklärt nichts. Er erzählt das Leben auf eine wun­der­ba­re Weise. Angela Schanelec insze­niert eine Schule des Sehens, die, statt Sinn zu stif­ten, den Zuschauer in sei­ne Sinnlichkeit zwingt. Maren Eggert – als Mutter von zwei Kindern – ist das Gravitationszentrum des Films, der vie­le Facetten, Räume, Rätsel hat – und einen Angriff gegen das Falsche. (…) Dieser Film schwebt hei­ter, still, ver­we­gen, zor­nig, betrübt. Es ist ein Glück, dass es die­sen Film gibt.“ ARD TAGESSCHAU 24

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Credits:

DE 2019, 105 Min., 
Regie, Schnitt & Buch: Angela Schanelec
Kamera: Ivan Marković
mit: Maren Eggert Jakob Lassalle, Clara Möller, Franz Rogowski, Lilith Stangenberg, Alan Williams, Jirka Zett

Termine:

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Trailer (Ausschnitt):