Ein Licht zwischen den Wolken

Ein Film von Robert Budina.

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Der schweig­sa­me, from­me Besnik ist Ziegenhirt. Er lebt allein mit sei­nem tod­kran­ken Vater, den er pflegt. Hier, in der unzu­gäng­li­chen Bergregion Albaniens, scheint die Zeit ste­hen geblie­ben. Viele jun­ge Leute sind fort­ge­gan­gen, es gibt nur weni­ge Kinder und vie­le alte Leute. Muslime, so wie Besnik, Katholiken und ortho­do­xe Christen leben auf engs­tem Raum zusam­men. Unterschiedliche Religionen gibt es auch in der eige­nen Familie. Besnik selbst hat­te eine katho­li­sche Mutter, sei­ne Geschwister sind Muslime oder ortho­dox, und sein Vater gehört einer vier­ten Religion an, die eigent­lich kei­ne ist, aber die es in Albanien immer noch gibt: dem Kommunismus. Die alten Plakate von Enver Hodscha und Co. hän­gen wie vor 50 Jahren in sei­nem Zimmer.

Beim Besuch der klei­nen Dorfmoschee ent­deckt Besnik einen Riss, hin­ter dem sich ein altes Fresko mit einer Heiligendarstellung ver­birgt. Für Besnik ist das kein Problem, aber damit steht er ziem­lich allei­ne. Eine Kunsthistorikerin aus der Stadt sorgt für Aufklärung und fri­schen Wind im Dörfchen, was die Gemüter zusätz­lich in Wallung ver­setzt. Während das gan­ze Dorf davon auf­ge­rüt­telt wird, dass die Moschee frü­her eine Kirche war, sieht sich Besnik wach­sen­den Problemen in sei­ner Familie gegen­über, denn in Erwartung des Todes sei­nes Vaters fin­den sich die ver­streut leben­den Geschwister mit ihren Kindern ein. Und bald muss der arg­lo­se Bresnik erken­nen, dass sie vor allem von Gier getrie­ben den Weg in die Heimat gefun­den haben. Es geht um das Erbe sei­nes Vaters.

Robert Budina bringt sei­ne kom­ple­xe Geschichte mit den vie­len aktu­el­len Bezügen in atem­sto­ckend schö­nen Bildern, in denen sanf­te Farben domi­nie­ren, auf die Leinwand. Die wil­de Berglandschaft beein­druckt dabei durch die pure, raue Natur, die von der Kamera (Marius Panduru) kon­ge­ni­al ein­ge­fan­gen wird. Seine Bilder sind oft sta­tisch, es gibt vie­le ruhi­ge, lan­ge Einstellungen, wenig Fahrten. Manche Außenaufnahmen wir­ken kom­po­niert wie Opernkulissen: ein Feuer, dar­an sit­zen Besnik und Vilma, die Kunsthistorikerin. Hinter ihnen die majes­tä­ti­schen Berggipfel. Offenbar wur­de sehr viel mit natür­li­chem Licht gedreht, wenig mit Kunstlicht. Die Innenaufnahmen erin­nern an Rembrandt-Gemälde in ihren war­men, dunk­len Farben, die das Elend und die Armut der Bewohner ein biss­chen ver­de­cken. Hier gibt es kei­ne rei­chen Leute, und das Erbe des Vaters ist ein schä­bi­ges altes Haus, so wie auch die übri­gen Häuser. An die klei­ne Dorfmoschee klam­mert sich ein bei­na­he bemit­lei­dens­wer­tes, schie­fes Minarettchen. Doch Robert Budina fei­ert hier kei­ne Ethno-Party mit idyl­li­schen Postkartenaufnahmen – sei­ne Darstellung ist in ihrem Realismus mehr Anklage als Nostalgie.

Nur wenig Inhalt läuft über die spar­sa­men Dialoge. Die dis­kre­te Absurdität der Story lässt dabei Raum für einen ganz fei­nen Humor, der von dem kon­ge­nia­len Hauptdarsteller Arben Bajraktaraj eben­so fes­selnd und anrüh­rend ver­mit­telt wird wie die gesam­te Persönlichkeit des Ziegenhirten Besnik. Der schein­bar harm­lo­se, from­me Naturbursche, der sei­ne Gebete am liebs­ten allein auf einer Bergwiese ver­rich­tet, ent­puppt sich immer mehr als ein­zig Gerechter zwi­schen Egoisten, Lügnern und Heuchlern, die nichts ande­res im Kopf haben, als sich gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len und ihren eige­nen Vorteil zu suchen. Die Religion wird dabei als Ausrede benutzt, um die Unterschiede zu ver­tie­fen und das eige­ne Fehlverhalten zu rechtfertigen.

Als zwei Gläser mit Rotwein und Cola ver­wech­selt wer­den, kann der Familienkrach gera­de noch ver­mie­den wer­den. Doch bald geht ein Riss durch die Familie, man sitzt an unter­schied­li­chen Tischen. Und zwi­schen ihnen Besnik, der das alles nicht ver­steht. Sein Verständnis für Gott wird gelei­tet von der Liebe zur Natur und zu den Menschen. Er scheint weder Gier noch Leidenschaft zu ken­nen – was ihn zu dem gemacht hat, der er ist, wird im Film dis­kret ange­spro­chen. Besnik setzt sich dafür ein, dass die Moschee zumin­dest zeit­wei­lig für die Christen zugäng­lich gemacht wird. Doch damit macht er sich bei fast allen im Dorf sehr unbe­liebt, was sei­ne Position inner­halb der Familie noch wei­ter schwächt. Er ist für sie der zurück­ge­blie­be­ne Hinterwäldler, der klein­ge­hal­ten wer­den muss, damit er nicht gefähr­lich wird – der Prophet gilt nichts im eige­nen Lande. Regisseur Robert Budina kon­zen­triert sich auf die­se Figur des Besnik, auf sei­ne inne­re Welt und sei­ne Gefühle. Damit erschafft er eine uni­ver­sell gül­ti­ge Geschichte in einer Bildsprache, die gleich­zei­tig schön und berüh­rend ist.

Gaby Sikorsk | programmkino.dei

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Credits:

Streha mes reve
AL 2018, 84 Min., alban. OmU
Regie und Buch: Robert Budina
Kamera: Marius Panduru
Schnitt: Ștefan Tatu 
mit: Arben Bajraktaraj, Esela Pysqyli, Irena Cahani, Bruno Shllaku, Osman Ahmeti, Muzbaidin Qamili, Helga Boshnjaku, Suela Bako, Rubin Boshnjaku

Termine:

  • noch kei­ne oder kei­ne mehr 

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Trailer:

A SHELTER AMONG THE CLOUDS – Trailer from Pluto Film on Vimeo.

Im Kino mit deut­schen Untertiteln.