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Gestrandet

Fünf eri­tre­ische Flüchtlinge wer­den in einem alten Backsteingebäude außer­halb des Dorfes Strackholt in Ostfriesland unter­ge­bracht, wo sie auf den Ausgang ihres Asylverfahrens war­ten.  Abseits einer Stadt – selbst die Metropole Aurich ist weit ent­fernt – schei­nen durch das Nichtstun, Langeweile und Depression, Konflikte vor­pro­gram­miert zu sein. Ein pen­sio­nier­ter Schuldirektor und eine Journalistin küm­mern sich um die Männer und ver­su­chen, ihnen über Sprache und Kontakte zur loka­len Bevölkerung einen Weg in ein selbst­be­stimm­tes Leben zu ermög­li­chen. Auch die Flüchtlinge selbst wol­len nicht nur in der Warteschleife fest­hän­gen, son­dern seh­nen sich nach Arbeit und Beschäftigung. Die Gemeinde stellt sie dar­auf­hin beim Bauhof als Ein-Euro-Jobber ein. Doch die gut­ge­mein­te Starthilfe hat auch ihre Tücken – und über allem schwebt die Frage: Dürfen die Neuankömmlinge über­haupt blei­ben oder müs­sen sie zurück in ihre Heimat? „Gestrandet ist daher ein sehr puris­ti­scher und beob­ach­ten­der Film. Und ich woll­te auch das Aufeinandertreffen der Neuankömmlinge und der Ehrenamtlichen beleuch­ten. Ich woll­te ihr Engagement zei­gen, aber auch die vie­len Probleme und Missverständnisse, die sich in so einem Prozess auf­tun und dass die Gruppe trotz aller Schwierigkeiten nicht aus­ein­an­der­ge­bro­chen ist.“  (Lisei Caspers)

D 2016, 80 Min.
Regie & Buch: Lisei Caspers
Kamera: Fabian Klein
Schnitt: Jamin Benazzouz

Alfilm – 7. Arabisches Filmfestival Berlin

ALFILM prä­sen­tiert in sei­ner 7. Ausgabe aktu­el­le Spiel‑, Dokumentar- und Kurzfilme sowie Videokunst aus den ara­bi­schen Ländern und von ara­bi­schen Künstlern – vie­le davon inter­na­ti­on­lal aus­ge­zeich­ne­te Deutschland- oder Europapremieren. Daneben wid­met sich das Festival in der Nebenreihe SPOTLIGHT gesell­schaft­lich rele­van­ter Themen, so 2016 zum Thema „Cousins/Cousinen. Jüdisch-ara­bi­sche Identitäten“.

Im breit­ge­fä­cher­ten Themenspektrum des dies­jäh­ri­gen Hauptprogramms befin­den sich vie­le Langfilmdebüts. Die Palette bei den Dokumentarfilmen reicht u.a. von Szenen im Mikrokosmos eines alge­ri­schen Schlachthauses (A ROUNDABOUT IN MY HEAD) über per­sön­li­che und prä­gnan­te Bilder drei­er Frauen in einer Wohnung im bela­ger­ten Damascus (COMA) bis zum Roadmovie, dass sich zu einem amü­sant-inti­men Vater-Tochter-Portrait ent­wi­ckelt (A PRESENT FROM THE PAST). Der absurd-komi­sche Roadtrip eines Überlebenskünstlers und Gelegenheits-diebs durch die Westbank (LOVE, THEFT AND OTHER ENTANGLEMENTS), die ambi­va­len­te Haltung eines Regisseurs zu sei­ner Heimatstadt Kairo (IN THE LAST DAYS OF THE CITY) oder der klas­si­sche Mystery-Thriller, der auf meh­re­ren Ebenen Fragen von Identität, Zugehörigkeit und Fremdheit auf­wirft (BLIND SUN) – auch die Spielfilme zei­gen sich viel­fäl­tig in Form und Inhalt. In der Reihe SPOTLIGHT nimmt SALATA BALADI Ägyptens kom­ple­xe Geschichte zwi­schen Königreich und bri­ti­scher Besatzung, Unabhängigkeit und Republik auf, wäh­rend der Spielfilm WHERE ARE YOU GOING, MOSHÉ? sich mit den Emigrationserfahrungen und ‑grün­den der  marok­ka­ni­schen jüdi­schen Gemeinde aus­ein­an­der­setzt. Die fünf­zig­jäh­ri­ge Trennung des aus mus­li­mi­schen und jüdi­schen Chaabi-Musikern bestehen­den Ensembles von Algiers ist Thema von EL GUST, und Avi Mogravi begibt sich in ONCE I ENTERED A GARDEN in kri­ti­scher Perspektive auf die his­to­ri­sche Spurensuche sei­ner eige­nen jüdisch-ara­bi­schen Identität.  Viele Filmgespräche und zwei Kurzfilmprogramme run­den das Programm ab. Weitere Informationen gibt es auf www.alfilm.de, sowie im aus­lie­gen­den Programmheft.

Termine:

07.April
20.00 Geographies/ #73
22.00 Un Eté à la Goulette
08.April
20.00 A Present from the Past
22.00 Roundabout in my Head
09.April
14.00 Salata Baladi
16.00 Kurzfilmprogramm 2
20.00 Roundabout in my Head
22.00 Blind Sun
10.April
14.00 Where are you going Moshe?
16.00 El Gusto
20.00 Mother of the Unborn
22.00 Love, Theft and other entanglements
11.April
20.00 Roshmia
22.00 Kurzfilmprogramm 1
12.April
20.00 Coma
22.00 Once I ente­red a Garden
13.April
20.00 In the last Days of the City

☻bedeu­tet: mit Gast / Gästen

Chevalier

Ein Film von Athina Tsangari.

[indie­ki­no Club]

Mitten im Ägäischen Meer, beschlies­sen sechs Männer, die auf einer Luxusjacht ein Fischerausflug machen, ein Spiel zu spie­len: „Der bes­te in allem”. Bei die­sem Spiel wird ver­gli­chen. Dinge wer­den gemes­sen und gegen­über­ge­stellt. Es wer­den Lieder zer­fetzt, Blut getes­tet. Freunde wer­den zu Gegnern. Aber zum Schluss der Reise, als das Spiel zu Ende ist, wird der Gewinner zum bes­ten Mann gekürt. Er wird am klei­nen Finger den Ring des Sieges tra­gen: den Chevalier.Der Film ist eigent­lich kei­ne aus­ge­wie­se­ne Komödie, aber ich muß­te die gan­ze Zeit vormichhinglucksen.

Die Männlichkeitsrituale des Fischens, Spielens und Härtezeigens ste­hen dabei in einem aber­wit­zi­gen Kontrast zum eigent­li­chen Setting von Athina Rachel Tsangaris Chevalier: Das Schiff ist eine veri­ta­ble com­fort zone, inklu­si­ve Koch und Diener. Wir sehen die arri­vier­ten Männer brav beim Saugen und Wischen. Doch als beim Dinner unter frei­em Himmel die abend­li­che Frische ein­setzt, frie­ren die Freunde lie­ber kol­lek­tiv, als dass einer von ihnen zuge­ben wür­de, dass es zu kalt ist. Keine Schwäche zu zei­gen, die­ses schein­ba­re Urgesetz der männ­li­chen Sozialisation ver­hin­dert alle Empathie und macht ein sozia­les Leben, das die­sen Namen ver­die­nen wür­de, unmög­lich. ” Johannes Bluth bei critic.de

Athina Rachel Tsangari stu­diert die­se Männer wie eine Verhaltensforscherin. In Attenberg (2010) bau­te sie eine Hommage an den Tierfilmer Sir Richard Attenborough ein, nun macht sie einen wei­te­ren Schritt in die Richtung einer Komik, die Ethologie als Parawissenschaft für einen recht merk­wür­di­gen Tonfall pro­duk­tiv macht. Denn Chevalier gibt bereits mit sei­nem Titel zu erken­nen, dass es hier dar­um geht, eine erns­te Situation auf ein Spiel zu set­zen. Die Situation, das sind die aus­ge­spar­ten Verhältnisse in der Wirklichkeit, das Spiel sind die teils absur­den Formen, in denen die Männer, alle im soge­nann­ten bes­ten Alter, mit­ein­an­der kon­kur­rie­ren.” Bert Rebhandl in derstandard.at

Griechenland 2015, 99 Min., gr. OmU
Regie: Athina Tsangari
Kamera: Christos Karamanis
Schnitt: Matt Johnson, Yorgos Mavropsaridis
mit: Makis Papadimitriou , Nikos Orfanos , Sakis Rouvas , Vangelis Mourikis , Yorgos Kentros , Yiannis Drakopoulos , Yorgos Pirpassopoulos , Panos Koronis , Kostas Philippoglou

Rabbi Wolff

Ein Film von Britta Wauer. Ab 14.4. im fsk. Am 16.4. mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch mit Britta Wauer.

William Wolff ist Ende 80 und Landesrabbiner von Mecklenburg-Vorpommern. Weil er in der Nähe von London wohnt, pen­delt er jede Woche von dort nach Schwerin und Rostock und wie­der zurück nach England. Die Ausbildung zum Rabbiner begann er erst mit 53, davor war er als Journalist für ver­schie­de­ne eng­li­sche Tageszeitungen tätig und als eng­li­scher Korrespondent mehr­mals Gast beim „Internationalen Frühschoppen“ im deut­schen Fernsehen. In Deutschland wur­de er gebo­ren, sei­ne Familie floh 1933 vor den Nationalsozialisten zuerst nach Amsterdam und dann nach England.
Rabbi Wolff ist ein unkon­ven­tio­nel­ler Rabbiner, er ist dem Pferderennsport zuge­neigt, fas­tet vor­zugs­wei­se in Bad Pyrmont und lebt nach dem Motto, dass das Leben Spaß machen soll­te – und den sieht man ihm auch an. In Britta Wauers vor­he­ri­gem Dokumentarfilm „Im Himmel, unter der Erde“ über den Friedhof Berlin-Weißensee kam Rabbi Wolff bereits vor, der neue Film wid­met sich jetzt ganz die­sem unge­wöhn­li­chen Menschen.

D 2016, 90 Min. dt. O.m.engl.U.
Regie: Britta Wauer
Kamera: Kaspar Köpke
Schnitt: Berthold Baule

RABBI WOLFF – Ein Gentleman vor dem Herrn | Trailer [HD]

Ixcanul

María, eine 17-jäh­ri­ge Maya-Frau, lebt mit ihren Eltern auf einer Kaffeeplantage am Fuße des akti­ven Vulkans Ixcanul. Um die Zukunft der klei­nen Familienfarm zu sichern, soll sie an den anstän­dig erschei­nen­den Farmaufseher Ignacio ver­hei­ra­tet wer­den. Das Verlobungsfest hat schon statt­ge­fun­den, als Maria sich in den Pflücker Pepe ver­liebt. Der hat näm­lich grö­ße­res vor: er will in die USA abhau­en. Die jun­ge Frau will immer schon wis­sen, was genau sich jen­seits des Vulkans befin­det und Pepe sagt, er wür­de María womög­lich mit­neh­men, wenn sie mit ihm schla­fe. Aber dann ist Pepe plötz­lich weg, und Marias Leben nimmt eine neue, dra­ma­ti­sche Wendung.
Im ers­ten gua­te­mal­te­ki­sche Film im Berlinale-Wettbewerb (aus­ge­zeich­net mit dem Silbernen Bären für den Spielfilm, der neue Perspektiven eröff­net) wird fast nur Kaqchikel gespro­chen, die ver­brei­tets­te Sprache der indi­ge­nen Maya-Bevölkerung. Dass die Menschen kei­ne ande­re Sprache ver­ste­hen oder spre­chen, nut­zen offi­zi­el­le Institutionen zu ihrem Vorteil aus, auch das zeigt der Film. 

Ein lei­ses Drama in einer mäch­ti­gen Natur vol­ler Armut und Abhängigkeiten. Bustamente hat mit sei­nen Laiendarstellern ein inten­si­ves und men­schen­freund­li­ches Gesellschaftsporträt ent­wi­ckelt. Die Frauen bewir­ken hier mehr, als man ihnen anfangs zutraut.“ Christoph Schmitz, Deutschlandfunk

Sie rebel­liert (…) mit ihren eige­nen Träumen, ihrer eige­nen Bestimmtheit, ihrer eige­nen Lust – aber in einer klei­nen Gemeinschaft vol­ler Abhängigkeiten und qua­si-feu­da­ler Verhältnisse setzt sie damit gleich die Existenz der gan­zen Familie aufs Spiel. Das wird so zwin­gend erzählt, wie die pre­kärs­ten Verhältnisse nun ein­mal sind, im ewi­gen Kreislauf von Geburt und Tod, Saat und Ernte unter dem Vulkan, der dem Film sei­nen Titel gibt. Und es fühlt sich wirk­lich so an, als sei hier ein­mal kein Konzept von außen exe­ku­tiert wor­den, als sei­en die Maya hier selbst Erzähler ihres Volksglaubens, ihrer Traditionen, ihrer Geschichte.“
Tobias Kniebe, SZ

Verleihtitel: Ixcanul – Träume am Fuß des Vulkans
Guatemala/F 2015, 90 Min.
Kaqchikel OmU

Regie & Buch: Jayro Bustamante
Kamera: Luis Armando Arteaga
Schnitt: César Díaz
mit:
María Mercedes Coroy, María Telón,
Manuel Antún,
Justo Lorenzo

Trailer „Ixcanul”

Chamissos Schatten

Adelbert von Chamisso nahm 1815 an einer rus­si­schen Entdeckungsexpedition teil. Er unter­such­te die Flora Alaskas, um dann die Nordwest-Passage zu erfor­schen, wie es auch der Seefahrer Bering, beglei­tet vom Arzt und Naturforscher Steller und Cook getan haben.
Ottingers Reise von Alaska über Tschukotka nach Kamtschatka beginnt, beglei­tet von den Logbüchern ihrer Vorgänger. Während sie die Texte Stellers „dra­ma­tisch“ nennt, beschreibt sie Chamissos Tagebücher als leben­dig und mit­füh­lend. Auch sie führt ein Logbuch, geprägt von ihrem ver­trau­ten eth­no­gra­fi­schen und künst­le­ri­schen Interesse, das sich auch in Bildern zeigt: Wasser, Fische, Seeotter, Steine, Vulkane, Tundra, Häuser, Dörfer, Fotografien, Objekte, Landkarten.
Menschen, die sie trifft, spre­chen über ihr Leben, über Vergangenheit und Gegenwart. Sie zeigt sie bei der Arbeit, beim Singen, und immer wie­der beim Fischen.
Zeit meint hier nicht die Länge des Films, son­dern die Gleichzeitigkeit der Jahrhunderte, die Zeit, die man im Kino dazugewinnt.

D 2016 709 Min.
Regie, Buch, Kamera: Ulrike Ottinger
Schnitt: Bettina Blickwede

Kapitel 1 – Alaska & die ale­uti­schen Inseln (190 Min.) (27.3. 14:30)
Kapitel 2 – Teil 1: Tschukotka & die Wrangelinsel (192 Min.)
Kapitel 2 – Teil 2: Tschukotka & die Wrangelinsel (153 Min.)
Kapitel 3 – Kamtschatka & die Beringinsel (174 Min.)

Trailer | Ulrike Ottinger: Chamisso´s Shadow

Pelo Malo

Ein Film von Mariana Rondón. Ab 31.3. im fsk.

Ein rie­si­ger Appartmentblock in der Stadthölle von Caracas. Hier lebt Junior, ein Lockenkopf, mit sei­ner arbeits­lo­sen, ver­wit­we­ten Mutter Marta und sei­nem klei­nen Bruder auf engs­tem Raum. Juniors Sehnsucht, ein Anderer zu sein, drückt sich in sei­nem fan­tas­ti­schen Wunsch nach glat­ten Haaren aus. Der dar­aus resul­tie­ren­de Dauerkonflikt mit sei­ner Mutter, die ihren Sohn auf Distanz hält, ihn durch­aus auch kör­per­lich schroff zurück­weist und dabei ihre eige­nen Probleme auf ihren Sohn über­trägt, führt Junior immer mehr in eine aus­sichts­lo­se Lage hinein.
Pelo Malo ist eine genaue Beobachtung der schwie­ri­gen Beziehung zwi­schen Mutter und Sohn. Hier kocht im Inneren über, was der Druck von außen über­haupt erst geschaf­fen hat.“ (kino.zeit.de)
Durchaus auch ein Film über Zusammenhänge von Klasse, Geschlecht und Ethnie.

Venezuela, Peru, Arg., D 2015, span. OmU, 93 Min.
Regie & Buch: Mariana Rondón
Kamera: Micaela Cajahuaringa
Schnitt: Marité Ugás
mit: Samuel Lange, Samantha Castillo 

PM_TrailerDE_03_160122_1080_17500_Stereo from HANFGARN & UFER on Vimeo.

Heart of a dog

Ein Film von Laurie Anderson.
„Hallo, du klei­ner Dummkopf – ich wer­de dich für immer lie­ben.“ So beginnt Laurie Anderson mit sanf­ter Stimme ihre fil­mi­sche Reise zu Liebe, Tod, Sprache und Musik. Für die Musikerin, Performanceartistin, Schriftstellerin und Malerin ist dies nach Home of the bra­ve (this is your cap­tain …), also nach fast 30 Jahren, die zwei­te Regiearbeit. Heart of a dog ist im Grunde die Geschichte des Terriers Lolabelle, zugleich aber ist Lolabelle ein Bild der Welt: die Hündin ist das Lebendige schlecht­hin, die Erinnerung, die Gegenwart, das Glück und der Verlust, und sie ist musi­ka­lisch (ja, wir sehen sie am Klavier). Der Film ist eine Reflektion über exis­ten­zi­el­le Dinge, mit viel Zärtlichkeit und Humor vor­ge­bracht, und eine sehr per­sön­li­che Collage, die Kindheitserinnerungen, Videotagebücher und phi­lo­so­phi­sches Nachdenken über Datensammlungen, Überwachungskultur und die bud­dhis­ti­sche Konzeption des Leben nach dem Tode ver­webt und aus­ser­dem zahl­rei­chen Künstlern, Autoren, Musikern und Philosophen, die sie berührt und inspi­riert haben, Tribut zollt. Melancholisch genug, dass man spü­ren mag, wie sie auch von jenem Menschen erzählt, den sie vor nicht all­zu lan­ger Zeit ver­lo­ren hat, ihrem Mann Lou Reed: „Every love­sto­ry is a ghoststory.“

Gerade dass Laurie Andersons Film trotz die­ser sehr per­sön­li­chen, ja inti­men Note alles ande­re als eine Nabelschau gewor­den ist, son­dern ein viel­schich­ti­ger, asso­zia­ti­ver Essay über das Leben und den Tod, macht Heart of a Dog zu so einem berüh­ren­den, her­aus­ra­gen­den Film.“  Michael Meyns | programmkino.de

 

USA, F 2015, 75 Min., engl. OmU,
Regie: Laurie Anderson
Kamera: Laurie Anderson, Toshiaki Ozawa, Joshua Zucker Pluda
Schnitt.: Melody London, Katherine Nolfi

HEART OF A DOG Trailer (deutsch/german)

Petting Zoo

Ein Film von Micah Magee. Ab 19. Mai im Kino.

Layla steht kurz vor ihrem Schulabschluss, als sie erfährt, dass sie schwan­ger ist. Ihren Freund hat sie gera­de ver­las­sen und weil sich ihre Familie wei­gert, einer Abtreibung zuzu­stim­men, fügt sich Layla in ihre Situation und lässt den Plan, auf’s College zu gehen, fal­len. Weil es zwi­schen ihr und den Eltern nicht funk­tio­niert, zieht sie zur Großmutter, wo auch der Onkel mit sei­ner Familie lebt. Sie hält sich mit einem Job in einem Call Center über Wasser und lernt neben­bei für ihre Abschlussprüfungen. Auf einem Konzert wirft Layla einen Blick auf Aaron, der so ganz anders ist als der Junge, von dem sie schwan­ger ist.

Mit genau­em und empa­thi­schem Blick erzählt PETTING ZOO davon, wie es sich anfühlt, als Minderjährige aus der Bahn gewor­fen zu wer­den. Dabei ent­steht nicht nur eine gro­ße Nähe zur Hauptfigur Layla, son­dern auch zu den ande­ren Figuren. PETTING ZOO ist Micah Magees Abschlussfilm, ko-pro­du­ziert unter ande­rem von der dffb und der grie­chi­schen Regisseurin Athina Rachel Tsangari und gedreht in einem Vorort von San Antonio, Texas – der Stadt mit der zweit­höchs­ten Rate von Teenagerschwangerschaften in den USA.


Micah Magee über ihren Film:

San Antonio
PETTING ZOO wur­de in San Antonio, Texas an den Orten mei­ner Kindheit, gedreht. Da wo mei­ne Cousinen im Teenageralter jetzt leben: Schulen ent­wor­fen von Gefängnisarchitekten, Wohnmobile, Rock-Bars, ver­las­se­ne halb­fer­ti­ge Stadtteile, 

» wei­ter­le­sen

Gewerbegebiete zwi­schen den Feldern. Ich woll­te die unter­schied­li­chen Menschen im Film und den Ort an sich her­vor­he­ben. Ich den­ke, wenn man sich die Eigenheiten einer Gemeinschaft oder eines Ortes super­ge­nau ansieht, dann kön­nen ande­re Orte auch was damit anfan­gen. Durch das Genaue und Örtliche erreicht man was Allgemeingültiges.

Petting Zoo
In San Antonio bin ich damals zu Fuß den Highway ent­lang zur Arbeit gelau­fen. Als Fußgänger lebt man in Städten wie S.A. eher aben­teu­er­lich. Es gab einen klei­nen Streichelzoo auf dem Weg zwi­schen unse­rem Haus und dem Highway mit einem leicht lah­men Lama, einem Esel, einem statt­li­chen Hahn und ein paar halb­gro­ßen Pferden in einem Pferch. Das Lama und der Esel ver­such­ten stän­dig zu kopu­lie­ren, wahr­schein­lich weil es nichts Besseres zu tun gab. Einmal, als ich vor­bei­kam, stopp­te die­ses rote Cabrio­let und eine gut­aus­se­hen­de blon­de Frau stieg mit ihrem gut­aus­se­hen­den, son­nen­be­brill­ten Freund aus. Sie woll­te das Lama strei­cheln, auf dem aber immer noch der Esel hock­te. Sie und ihr Freund tur­tel­ten der­weil. Ich ging da ein­fach vor­bei, aber die all­ge­mei­ne Kaputtheit die­ser Szene blieb mir erhal­ten. Für mich bezieht sich PETTING ZOO auf Sex und irgend­wo ste­cken­blei­ben, aber hat auch was Verspieltes.

Film als Ballade
Filmsprache und Sprache an sich, sind mir wich­tig. Dramaturgie ist mir egal, dar­um folgt PETTING ZOO auch nicht so sehr einer stren­gen Zeitfolge. Er ist eher bal­la­den­ar­tig, wo Dinge gesche­hen, weil sie nun­mal eben gesche­hen und nicht weil sie für eine schö­ne Geschichte wich­tig sind. Meine Eltern san­gen viel als ich auf­wuchs. Sehr lan­ge Lieder mit Geschichten und ich den­ke, die­se Struktur ent­spricht ziem­lich gut dem Leben: und dann, und dann, und dann.
Sehr sel­ten, außer in einer fik­tio­na­len Konstruktion oder beim Gespräch mit dem Analytiker, gibt es die­ses „wenn – dann”, „sähen und ern­ten” oder ein klar ver­ständ­li­ches „des­we­gen”. Ich mag Trickfilme in de­nen Leuten das Piano auf den Kopf fällt. Das scheint mir ziem­lich realistisch.

Statistisch Ausgedrückt
Ich habe die meis­te Zeit in den letz­ten Jahren in Europa gelebt, trotz­dem: Ich lie­be Texas – ich bin voll die Texas-Nationalistin. Weil ich es so lie­be, hät­te ich ger­ne wenn sich ein paar Dinge dort ändern.
Seit vie­len Jahren schlägt sich Texas mit Themen wie Geschlechterselbstbestimmung, frau­en­spe­zi­fi­sche Gesundheitsthemen, glei­cher Lohn und Früherziehung rum. Als ich an mei­nem Drehbuch arbei­te­te, fand ich eini­ge erstaun­li­che Unterlagen. 2011 hat­te San Antonia die zweit­höchs­te Teenagerschwangerschafts­rate aller Städte in den USA – über 50% höher als der natio­na­le Durchschnitt. Statistisch betrach­tet hat eine texa­ni­sche Teenagerin mehr und frü­her Sex und den mit mehr Partnern als der Rest der USA – aber benutzt wesent­lich sel­te­ner ein Kondom. Jedes Jahr gibt es 4000 neue schwan­ge­re Teenager in San An­tonio. Laut einem Report von 2011 geben 94% der öffent­li­chen Schulen im Aufklärungsunterricht Absti­nenz als die ein­zi­ge Verhütungsmethode an.

Unbetreute Erkundungen
Ich will wirk­lich nie­man­dem erklä­ren, was man über die Rechte von Mädchen, Teenagerschwanger-schaf­­ten oder Abtreibung den­ken soll­te – aber ich hof­fe, der Film gene­riert eine posi­ti­ve, vom gemein­sa­men Respekt getra­ge­ne Diskussion dar­über. Als Teenagerin hat man manch­mal Sex ohne viel dar­über zu wis­sen. Der eige­ne Körper wird gera­de erst ent­deckt. Sex ist für einen ein stän­di­ges Thema. Es ist neu, es ist über­all. Kindern wird zu oft erzählt, Sex sei etwas Schlimmes, wovor man Angst haben soll­te. Und so blei­ben sie unauf­ge­klärt und allein­ge­las­sen mit den Konsequenzen ihrer eige­nen Erfahrungen.

Dieses beun­ru­hi­gen­de Gefühl
Ich woll­te PETTING ZOO mit einem Element, daß mir sehr wich­tig ist, durch­we­ben: Dieses Gefühl, wenn man auf­wacht und sich nicht sicher ist, ob man gera­de ver­gisst wer man ist. Vielleicht ist man woan­ders rea­ler und man ver­gisst das Wichtigste. Was ist das Wichtigste? Irgendwas ent­glei­tet dir. Es ist ein beun­ruhigendes Gefühl. Besonders zusam­men mit dem Gefühl daß das Leben dich durch Zeit und Raum jagt und zwar in eine frag­wür­di­ge Richtung.

Schwangere Teenager
Da ich sel­ber als Teenager schwan­ger war, woll­te ich die­se Geschichte eher mit Mitgefühl und aus der Erfahrung her­aus, als aus einem poli­ti­schen Blickwinkel erzäh­len. Ich woll­te den Schwerpunkt, unab­hängig von der Entscheidung der jun­gen Frau, auf ihre Möglichkeiten als Mutter, oder was auch immer sie wählt, set­zen und nicht auf das Bedauern über den „Fehler”, den sie gemacht hat oder die Belastung, die sie nun für die Gesellschaft dar­stellt. Das Teenagerdasein ist an sich schon schwie­rig genug. Bei einer Schwangerschaft ändert sich der Körper noch­mals komplett.

Devon Keller als Layla
Um die rich­ti­ge Layla zu fin­den gab es ein rie­si­ges Casting. Zusätzlich zu den gro­ßen Castings mit Freun­den in NY und LA gab es vie­le Streetcastings. Da unse­re Casting-Leiterin Vicky Boone sonst bei grö­ßeren Projekten arbei­tet, gab es eine gro­ße Resonanz: etwa 1000 Mädchen. Zum ers­ten Mal sah ich De­von Keller als ich mich bei einer Modenschau an mei­ner Highschool Clarke umge­se­hen habe und sie einen Taco-Bell Burrito gewon­nen hat. Sie saß im Publikum und kam gera­de hoch um ihren Coupon zu bekom­men und sie war ganz offen­sicht­lich die Richtige. Es dau­er­te aber zwei Monate um sie und ihre Mutter zu über­zeu­gen zu einem Vorspiel zu kom­men und noch län­ger ande­ren die Zweifel zu neh­men, daß sie die­se Rolle aus­fül­len kann, wo sie doch noch nie gespielt hat. Sie war erst 16 und noch in der Mittelstufe. seit den Dreharbeiten hat sie ihren Abschluss gemacht und stu­diert in San Antonio, bedient in einem Steakhaus und wohnt bei ihrer Mutter. Sie wür­de ger­ne wei­ter schau­spie­lern und viel­leicht auch am Theater ler­nen, aber im Moment geht es erst­mal ums über die Runden kommen.

Laiendarsteller sind Schauspieler
Die jun­gen Schauspieler in PETTING ZOO haben den glei­chen sozio-kul­tu­rel­len Hintergrund wie ihre Rollen und wur­den alle in mei­nem erwei­ter­ten Umfeld, durch Castings an mei­ner ehe­ma­li­gen High-School und offe­nen Castings in San Antonio und Houston ent­deckt. Ich arbei­te ger­ne mit die­ser Beset­zung aus Laiendarstellern. Meine Laiendarsteller waren alle wirk­lich gute Schauspieler. Laiendarsteller heißt ja nicht, daß sie sich kei­ne Mühe machen, um die Geschichte und die Herkunft ihrer Figur zu begrei­fen. Devon Keller ist eine erstaun­li­che Schauspielerin, sehr flei­ßig und super­schlau. Ich wür­de sie ger­ne in vie­len ande­ren Rollen sehen, denn sie wird das super­toll machen. Genau wie die drei ande­ren Ju­gendlichen in PETTING ZOO die alle zum ers­ten mal spielen.

Dreharbeiten
Bei den Dreharbeiten waren wir meis­tens ein Team von 10 Leuten (Art Director, Kostüm, Produzent, Her­stellungsleitung, Kamera, Licht, eine Tonfrau für alles, Kameraassistenz, Devon und ich), wir alle wohn­ten drei Monate in Uthas Haus (Art Director), außer Devon, die bei ihrer Mutter leb­te. Meine Kinder sind auch in dem Film, weil wir ja kei­nen Babysitter hat­ten. Das FBI stand irgend­wann vor der Tür, weil wir aus Verse­hen ihr gehei­mes Hauptquartier gedreht hat­ten, als wir ver­such­ten, Wild für die Tierszenen auf-zuneh­­men, die wir dann nie ver­wen­det haben. Die größ­te Herausforderung (neben Klapperschlangen, Feu­erameisen und Sonnenbränden) beim Drehen war die Verständigung.
Ein Film ist die Summe von allem, was du da rein­steckst. Also soll­test du, wenn du einen auf­rich­ti­gen Film machen willst, dar­auf ach­ten, bei der Herstellung des Films ehr­lich und auch ein­deu­tig zu sein.

» weni­ger


Deutschland, Griechenland, USA 2015, 93 Min., engl. OmU

Buch und Regie: Micah Magee
Kamera: Armin Dierolf
Schnitt: Chris Wright
Mit: Devon Keller, Austin Reed, Deztiny Gonzales, Kiowa Tucker u.a.

Verleih: Peripher

Kritiken:

Petting Zoo Trailer – dt. OmU from Peripher Filmverleih on Vimeo.

Spotlight

Der neue Herausgeber der Tageszeitung „The Boston Globe“ drängt das haus­ei­gene­ne Investigativ-Team Spotlight dazu, einem Mißbrauchs-Fall nach­zu­ge­hen, der bis­lang nur als Randnotiz behan­delt wur­de. Je län­ger die Journalisten von Spotlight recher­chie­ren, des­to län­ger wird die Liste der­je­ni­gen Priester in Boston, die Kinder miss­brauch­ten. Das gan­ze Ausmaß an Verschleierung und Abwiegelung wird all­mäh­lich sicht­bar. Erhielt zwei Oscars für: Bester Film und Bestes Originaldrehbuch.

USA, 2015, engl. OmU,
Buch: Tom McCarthy, Josh Singer
Regie: Tom McCarthy
Kamera: Masanobu Takayanagi
Schnitt: Tom McArdie
Mit: Mark Ruffalo, Michael Keaton, Rachel McAdams u.a.

SPOTLIGHT Trailer OV/df