Die jugendliche Fanny genießt das Privileg, auf die Maison d’éducation de la légion d’honneur, eine Elitehochschule in der Nähe von Paris, zu gehen. Sie nimmt ihre Schulbildung sehr ernst, gönnt sich aber dennoch nächtliche Treffen mit ihren Klassenkameradinnen im Kunstraum des altehrwürdigen Internats. Als Mélissa neu in die Klasse kommt, wird sie schnell in den Kreis der nachtaktiven Mädchen aufgenommen – die sich besonders von den Voodoo-Ritualen faszinieren lassen, die in Mélissas aus Haiti stammender Familie seit Generationen praktiziert werden. Als Fannys Freund mit ihr Schluß macht, sucht sie Mélissas Tante auf und bittet sie um magische Hilfe …
„Zombi Child ist ein vielschichtiger Film, der Fragen nach Geschichte, Kolonisation und kultureller Aneignung stellt. Die von Kameramann Yves Cape in hypnotische Bilder getauchte Erzählung des Zombi Clairvius Narcisse lässt sich auch als innere Vision dessen Enkeltochter Melissa deuten. Fannys Liebesbeziehung zu dem angehimmelten Pablo wirkt so entrückt und literarisch wie die exotistischen Phantasmen der Kolonialschriftsteller, angefangen bei Columbus. Die Mädchen hören am Gymnasium einen Vortrag des Historikers Patrick Boucheron über die Revolution und Idee der Freiheit im 19. Jahrhundert, die immer angestrebt und zugleich betrogen wurde. Aber der neuen Erfahrung wohnt immer auch ein zerstörerisches Element inne. Bonello umkreist und beschwört dieses Spannungsfeld in einem so verträumten wie konzentrierten Film, der außerdem dazu einlädt, den poetischen Rap von Damso und den Vodou-Rock der franco-haitischen Sängerin Moonlight Benjamin kennenzulernen.“ indiekino | Tom Dorow
Credits:
FR 2019, 103 Min.,| französische OmU Buch & Regie: Bertrand Bonello Kamera: Yves Cape Schnitt: Anita Roth mit: Louise Labeque, Wislanda Louimat, Mackenson Bijou, Adilé David
Trailer:
Zombi Child (offizieller Trailer) von Bertrand Bonello
Der Filmdreh, der der Schauspielerin Nina Wu zum Durchbruch verhelfen könnte, entpuppt sich als toxisch und Nina rutscht immer wieder in einen Alptraum hinen. Die Grenzen zwischen Film, Realität und Angstfantasien verschwimmen.
Im Nachhinein fragt man sich, warum die Schauspielerin Nina Wu (Wu Ke-Xi) schon in den ersten Szenen des Films so niedergeschlagen aussieht. Da hat sich ihr Agent gerade erst mit einem neuen Casting-Angebot gemeldet. Ahnt Nina da schon, wie es laufen wird? Hat sie bereits Ähnliches erlebt? Oder beschreibt NINAWU weniger ein Ereignis und die emotionalen Folgen als ein psychologisches Kontinuum, von dem nicht klar ist, ob es in Nina selbst oder in ihrer toxischen Umgebung verankert ist? Die Grenzen zwischen dem, was Gegenwart ist, was Erinnerung, was Film und was Traum, verlaufen im Film des taiwanesischen Regisseurs Midi Z zunehmend fließend. Zu Beginn scheint alles noch klar verortbar. Nina Wu ist eine angehende Schauspielerin, die sich mit Nebenjobs über Wasser hält. Dem neuen Projekt gegenüber ist sie skeptisch, macht aber doch mit, obwohl es ihr zu viele Nacktszenen enthält. Der Dreh ist furchtbar. Nina wird wie ein Möbelstück herumgeschoben und im Raum platziert, verloren sieht man sie dann von weit weg in großen Panorama-Einstellungen sitzen. Ein empathieloser Regisseur presst Emotionen aus ihr heraus wie aus einer Zitrone, und hat offenbar Freude an der Demütigung. In einer Szene muss Nina zwischen Wahnsinn und Mordlust rufen: „Ihr nehmt mir nicht nur den Körper. Ihr nehmt mir die Seele. Ihr werdet es bereuen!“ Es ist klar, dass da nicht nur die Filmfigur spricht. Der Film ist ein Erfolg und Nina auf dem Weg, tatsächlich ein Star zu werden. Doch sie scheint immer tiefer in eine Spirale der Verzweiflung zu rutschen. Alltägliche Situationen lösen sich in aggressive Konfrontationen auf, die sich als Traumsequenzen herausstellen. Oder doch nicht? Mit jeder Drehung bewegt sich der Film weiter auf die eine, verstörende Szene zu, die den Kern des Traumas bildet.
Midi Z inszeniert zwischen Psychodrama und Noir an der Grenze zum Exploitation-Kino. Das Skript stammt von Hauptdarstellerin Wu Ke-Xi, die darin auch eigene Erfahrungen aus der Anfangszeit ihrer Karriere verarbeitet. Für eine Weile zog sie sich damals aus der Filmindustrie zurück und fand dann über Arthouse-Drehs und insbesondere die Zusammenarbeit mit Midi Z die Freude an der Schauspielerei wieder. NINAWU nimmt deutlich Bezug auf die Erzählungen der #MeToo-Bewegung, insbesondere in den üblen Szenen, die in einem mit Teppich und Vorhängen überladenen Hotelzimmer mit der Nummer 1408 spielen und an Harvey Weinsteins Aufforderungen an junge Schauspielerinnen, ihn in seinem Hotelzimmer aufzusuchen, erinnern. (ZIMMER 1408 ist übrigens auch der Titel eines Horrorfilms von Mikael Håfström aus dem Jahr 2007, produziert von Harvey Weinstein). Letzten Endes ist das Anliegen von NINAWU aber weniger sexuelle Übergriffigkeit, als eine sadistische Kultur der Demütigung, gegen die sich junge, netzwerklose Frauen kaum wehren können, und in der Missbrauch nur eine Facette von vielen ist.
Wer mehr von Midi Z sehen möchte, kann auf dem 3. Taiwanesischen Film Festival, das vom 21.–30.8. ausnahmsweise online stattfindet, zwei frühere Arbeiten nachholen: den preisgekrönten ICEPOISON (2014) und den Dokumentarfilm CITYOFJADE (2016).
Hendrike Bake | indiekino.de
[nbsp] Credits:
Juo ren mi mi Taiwan 2019, 103 Min., chin. (mandarin) OmU Regie: Midi Z Drehbuch: Wu Ke-xi Kamera: Florian Zinke mit: Wu Ke-xi, Vivian Sung, Kimi Hsia, Ming-Shuai Shih
Das polnische Filmfestival in Berlin findet dieses Jahr vom 27.August bis 2. September statt:
Die Filme im fsk:
noch keine oder keine mehr
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filmPolska@home 2020 trailer 5
Im Foyer gibt es während filmPOLSKA eine Lichtinstalltion von
Sylwester Łuczak – Cinema of Light
Die Lichtinstallationen werden vom polnischen Künstlern Sylwester Luczak gestaltet und in drei Berliner Kinos präsentiert: im Bundesplatzkino, im FSK und im Wolf Kino. Diese Aktion im öffentlichen Raum ist ein wesentliches Zeichen des Zusammenlebens der deutsch-polnischen Kinolandschaft und ‑kultur.
Für unseren Space – „Eingriff“ in den öffentlichen Raum möchten wir mit den Kinos und dem Festival deren Stellenwert im Kulturleben markieren und eine klare Aussage abgeben: in Zeiten von Covid 19 sind Kulturbrücken mehr als notwendig.
Sylwester Luczak hat mehrere Dutzend Werke fertig gestellt. Jedes Projekt ist eine Konfrontation mit einem völlig anderen Raum. Er arrangiert kleine, intime Orte, Innenräume moderner und historischer Gebäude, ganze architektonische Einrichtungen, verschiedene Konzert- und Konferenzräume sowie: Galerien, Museen, Theater, Kinos, Hotels, Restaurants, Tempel, Denkmäler.
Seine Arbeiten greifen in den öffentlichen Raum ein, bilden neue Assoziationen oder dekonstruieren das Bestehende: Straßen, Amphitheater, Innenhöfe, Fassaden und ganze Gebäude.
Er verwendet auch verschiedene Techniken der Eingriffe in den vorhandenen Raum – hauptsächlich: Projektionen, Licht, Ton.
Seine Arbeiten zeichnen sich dadurch aus, in Kombination mit Licht- und Videoprojektionen extrem plastische Effekte im Kulturraum zu erzielen. Dadurch entstehen virtuelle Szenarien, mit der sie originelle, dynamische und interaktive Formen bilden, die mit der Dramaturgie des Ereignisses harmoniert oder die szenographische Störung des vorhandenen Raums ermöglicht.
Wind. A Documentary Thriller / Wiatr. Thriller dokumentalny
Podhale, die südpolnische Region am Fuß der Karpaten, ist eine beschauliche, ländliche Gegend. Es gibt hübsche Landschaften, pittoreske Holzhäuser und exzellenten Räucherkäse – hier könnte das Paradies sein. Aber hier gibt es auch den Halny – ein Wetterphänomen, das den Einwohnern das Leben schwer macht. In unregelmäßigen Abständen wälzt sich dieser warme, trockene Fönwind ins Tal und reißt alles mit, was nicht festgenagelt oder tief verwurzelt ist.
Auch an Mensch und Tier geht der gewaltige Sturm nicht spurlos vorbei. Die rapide Druckveränderung, verbunden mit einem plötzlichen Temperaturanstieg, macht Kreislauf und Psyche zu schaffen. Die Selbst-/Mordrate steigt, die Menschen kämpfen mit Depressionen, möglicherweise geht sogar die eine oder andere Revolution auf das Konto des Halny.
Bielawski wirft sich furchtlos mitten in die Naturgewalten und schildert in atemberaubenden Bildern, wie die Einheimischen mit ihrem Schicksal und dem unsichtbaren, unberechenbaren Gegner ringen.
Michał Bielawski studierte Interdisziplinäre Geistes- und Gesellschaftswissenschaft in Warschau. Er drehte zahlreiche Dokumentarfilme und ‑serien, die sich sowohl mit Film und Kino als auch mit Sport beschäftigten.
PL 2019, R/B: Bartosz Kruhlik, 78 min,OmU K: Michał Dymek, S: Magdalena Chowańska, M: Endy Iden, D: Marek Braun, Marcin Hycnar, Marcin Zarzeczny, Agnieszka Skibicka u.a.
Eine sonnenüberflutete sommerliche Dorfstraße. Nichts passiert, die Luft flirrt, eine Kuh schiebt sich behäbig durch das Bild. Kein guter Ort für großes Kino? Oh doch, denn in nur wenigen Minuten entwickelt sich hier aus einem Familienkrach und einem Verkehrsunfall eine Tragödie antiker Dimensionen, die in rasender Unumkehrbarkeit immer mehr Beteiligte in ihren Strudel zieht. In der Zeitung wären diese Ereignisse maximal eine Randnotiz wert, aber aus der schmerzhaften Nähe der unermüdlichen Kamera sind sie unendlich tragisch, weil schmerzhaft menschlich.
Dem Überraschungs-Debütanten Kruhlik gelingt es, auf kleinstem Raum, mit sparsamer Ausstattung (Handkamera, Verzicht auf Musik und künstliches Licht) und einem kleinen, aus unverbrauchten Gesichtern bestehenden Ensemble nahezu in Echtzeit ein Drama zu entwickeln, das den Zuschauer förmlich einsaugt. Darüber hinaus vermittelt die Handlung in ihrer Alltäglichkeit eine Metaebene: Eine Supernova ist ein hell explodierender Stern kurz vor seinem Untergang, eine sterbende Welt – und gleichzeitig der Beginn von etwas Neuem.
Bartosz Kruhlik (geb. 1985) studierte Regie in Łódź und drehte ein Dutzend Kurz- und Dokumentarfilme, mit denen er diverse Preise gewann. „Supernova“ ist sein Langspiel-Debüt.
Ola (grandios: Zofia Domalik) hat es im Leben nie leicht gehabt. Mit fünf Jahren wurde sie ihrer Mutter, einer Leistungssportlerin, weggenommen. Bei den Adoptiveltern ging es ihr nicht viel besser und so sitzt sie nun in einer trostlosen Anstalt für straffällig gewordene Mädchen und hat nur einen Wunsch: Sie will ihre Mutter wiederfinden, denn sie ist davon überzeugt, dass diese ihre Tochter wieder in die Arme schließen will.
Olas Vorteil: Sie kann laufen. Sie kann durchhalten, auch wenn die Kräfte schwinden. Und sie kann sich immer wieder aufrappeln, wenn sie gestürzt ist – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Und sie stürzt oft, denn das Leben rollt ihr ununterbrochen Hindernisse in den Weg.
Imielska gibt uns ein Genre zurück, das in Polen einst Meisterwerke hervorbrachte und in den letzten Jahren etwas in Vergessenheit geriet – das klassische Sozialdrama. Sie führt uns in Welten, die sonst für uns verschlossen sind, und erzählt dabei trotzdem eine universale Geschichte, die mit jedem von uns etwas zu tun hat.
Małgorzata Imielska (geb. geb. 1969) studierte in Kraków sowie Katowice und drehte knapp 30 Dokumentarfilme, bevor sie mit „Wszystko dla mojej matki“ ihren ersten Spielfilm auf die Leinwand brachte.
PL 2019, R: Jan Komasa, 115 min, OmU B: Mateusz Pacewicz, K: Piotr Sobociński jr., S: Przemysław Chruścielewski, M: Evgueni Galperine, Sacha Galperine D: Bartosz Bielenia, Aleksandra Konieczna, Eliza Rycembel, Tomasz Ziętek u.a.
In der Logik des Christentums ist Gott nicht nur in der Kirche präsent, sondern überall. Auch in der Strafanstalt für junge Männer, in der wir Daniel kennenlernen – einen fragilen Jungen mit klarem, unschuldigen Blick, der bei den Knast-Gottesdiensten aufblüht und doch als Vorbestrafter keine Chance hat, jemals Priester zu werden.
Beim Arbeitseinsatz in einem Karpatendorf bietet sich plötzlich unverhofft die Gelegenheit: Der junge Mann wird für einen Geistlichen gehalten und schlüpft zunehmend bereitwillig in die ersehnte Rolle. Und es geschieht das Erstaunliche: Die Menschen hören ihm zu, wenn er im Freestyle zu ihnen spricht. Zunehmend beginnt er, sich in die Geschicke des Dorfs einzumischen. Wie lange kann dieses riskante Spiel gut gehen?
Komasa mischt Krimi mit Sozialstudie und Romanze mit Thriller. Dabei kann er sich vor allem auf seinen grandiosen Hauptdarsteller Bartosz Bielenia verlassen, der glaubwürdig den Spagat zwischen einem Straßenjungen mit Drogenerfahrung und einer belesenen, weisen Respektperson schafft.
Jan Komasa (geb. 1981) studierte an der Filmhochschule Łódź und gewann mit seinem Langspiel-Debüt „Sala samobójców“ (2010) zahlreiche Preise. Dank seinen ebenfalls sehr erfolgreichen Filmen „Miasto 44“ (2014) und „Boże Ciało“ gilt er als einer der talentiertesten Vertreter der jungen Regie-Generation.
PL 2019, R: Piotr Ryczko, ?? min, OmU B: Piotr Ryczko, K: Yori Fabian, S: Jakub Kopeć, M: Paweł Stolarczyk, D: Marta Król, Marcin Sztabiński, Olaf Marchwicki, Marieta Żukowska, Janusz Chabior
Das Glück der Liebe ist ein äußerst seltenes und leicht zerbrechliches Gut. Besonders schwer hat es das Glück, wenn sich in den Alltag Kräfte aus dem All einmischen.
Renata und Jan leben im puren Glück der Liebe: Die Freude in der Beziehung wird durch ein gemeinsames Kind belohnt und das Familienglück des Alltags wächst solange weiter, bis das Programm „Glück“ aus dem All infiziert wird. Von einem Tag auf den anderen wird alles, was bis jetzt für selbstverständlich und schön gehalten wurde, in Frage gestellt – sogar die Echtheit der eigenen Person und die Liebe und Zuneigung der anderen. Es tauchen bei Renata Fragen um Fragen auf: Sind die gehörten Stimmen die eigenen Gedanken oder Kräfte von außen? Ist das, was ich sehe, da oder nur ein trügerisches Bild der manipulierten Wahrnehmung? Stehen meine Liebsten an meiner Seite oder sind es die Handlanger einer fremden Kraft?
Der Film balanciert geschickt zwischen Horror und Sciencefiction und versetzt den Zuschauer in eine Welt, in der er selbst allmählich den Boden unter den Füssen verliert.
Piotr Ryczko (geb. 1973) ist aufgewachsen in Norwegen. Er studierte Regie an der National Film School in Łódż und an der Wajda Film School. Ryczko ist außerdem Autor und Blogger. Seine Bücher und Geschichten sind oft Grundlage für seine Filme. So auch für sein Spielfilmdebüt ICHBINREN.
30/08/2020, 20:30 (mit online-Gast: Piotr Ryczko) , [Tickets]
Vorfilm:Story, 5´, OmeU
Monument
PL 2018, R/B: Jagoda Szelc, 90 min, OmU K: Przemysław Brynkiewicz, S: Anna Garncarczyk, M: Rafał Nowak D: Zuzanna Lit, Anna Biernacik, Paulina Lasota, Oskar Borkowski, Jakub Zając, Mateusz Czwartosz u.a.
Zwanzig junge Leute absolvieren in einem Waldhotel ein Praktikum. Die stramme Managerin macht gleich bei der Begrüßung klar, dass das kein Erholungsurlaub wird. Hier wird nicht widersprochen, sondern geschuftet – im Wäschekeller, in der Küche, im Zimmerservice, auf dem Müllplatz. Und ein rätselhaftes Podest muss jeden Tag neu geschrubbt werden.
Das klingt simpel, realistisch und unspektakulär, wird aber in der Umsetzung schnell zum Kunstwerk. Denn während wir die jungen Leute dabei beobachten, wie sie ihre Arbeit verrichten, heimlich Party machen oder die schier endlosen Räume der in die Jahre gekommenen Herberge erkunden, schleichen sich Unklarheiten, Rätselhaftigkeiten und Fragwürdigkeiten ein.
Falls noch jemand auf der Suche nach einem würdigen Nachfolger für David Lynch ist: Hier ist Jagoda Szelc. In ihrem zweiten Langfilm „Monument“ zeigt sie wiederholt eindrucksvoll, wie perfekt sie Spannung aufbauen, Unbehagen erzeugen und markante Figuren aufbauen kann. Dabei spart sie sich weitgehend Horror-Effekte, sondern schafft es, mit Andeutungen und Atmosphäre ein dunkles Kopfkino in Gang zu setzen.
Jagoda Szelc (geb. 1984) studierte an der Kunstakademie Wrocław und an der Filmhochschule Łódź. Nach zehn Kurzfilmen folgten ihre gefeierten und preisgekrönten Langspielfilme „Wieża. Jasny dzień / Tower. A Bright Day“ (2017) und „Monument“.
PL/ISL 2019, R: Paweł Ziemilski, 61 min, OmeU B: Paweł Ziemilski, Haukur M. Hrafnsson, Łukasz Długołęcki, K: Filip Drożdż, Asta Julia, Gudjonsdottir, S: Dorota Wardęszkiewicz, M: Arni Valur Kristinsson, Martina Bertoni
Auf den ersten Blick ist Stare Juchy im idyllischen Masuren ein Dorf wie viele andere in Polen. Manche sind geblieben, manche sind gegangen und haben Leerstellen hinterlassen. Das Besondere an diesem Ort ist, dass fast ein Drittel der Einwohner in den letzten 40 Jahren nach Island ausgewandert ist. Sie haben weit weg ein neues Leben begonnen. In Stare Juchy ließen sie Verwandte und Freunde zurück.
Mit einem raffinierten Schachzug bringt Ziemliski beide Seiten – die Ausgewanderten und die Dagebliebenen – wieder zusammen. Wände verlassener Häuser, Wohnzimmertapeten, Rasen, Autoscheiben und viele andere Flächen nutzt er als Projektionsflächen, auf denen er den Zurückgelassenen bewegte Bilder aus dem Leben der polnischen Neu-Isländer zeigt. Auf der Tonspur hören wir derweil Skype-Gespräche über Banalitäten des Alltags. So entsteht ein bildgewaltiger Essay, in dem Bilder und Worte zu einer Narration über das Verlassen und Vermissen zusammenfließen.
Paweł Ziemilski (geb. 1981) studierte Regie in Łódź und drehte nach zahlreichen Kurzfilmen den Dokumentarfilm „Miejscy kowboje“ (2016). „In Touch“ gewann u.a. bei Festivals in Amsterdam und Saloniki Preise und war für den polnischen Filmpreis nominiert.
PL 2018, R/B: Małgorzata Imielska, 77 min, OmU K: Maciej Kozłowski, S: Marek Skorupski, M: Marek Napiórkowski
Wenn das Schicksal plötzlich zuschlägt, sind wir meistens sprach- und machtlos. Wenn sich aber das Schicksal auf leisen Sohlen einer Alzheimer-Erkrankung einschleicht, wird der Mensch peu a peu in all seinen Funktionen zersetzt und mutiert zum stummen Objekt der puren Existenz.
Adam und Wanda, ein älteres Ehepaar, haben bereits das höhere Stadium der Liebe erreicht, in dem Aufmerksamkeit, Zuneigung und Verständnis den Alltag gestalten. Doch das Glück hängt oft an einem seidenen Faden. Die fortschreitende Entwicklung der Demenz bei der Frau stellt den Ehemann vor unerwarteten Aufgaben. Adam wird zum Rundumbetreuer und seine geliebte Frau Wanda zum hilflosen Objekt, das in seinem Persönlichkeitszerfall 24 Stunden am Tag eine Begleitung braucht. Anziehen, füttern, Zähne putzen, aufs Klo setzen, abwischen, spazieren führen, bespaßen, ins Bett bringen – tagtäglich und ohne einen Hauch Hoffnung auf Verbesserung.
Die feinfühlige Dokumentation über eine Krankheit, die zum Nachdenken über das Menschsein anregt und über die Treue, die Würde und die Grenzen des Zusammenseins erzählt.
Małgorzata Imielska(geb. 1969) Regisseurin und Drehbuchautorin. Sie studierte Film- und Fernsehregie an der Fakultät für Radio und Fernsehen der Schlesischen Universität Katowice. Seitdem realisierte sie vor allem zahlreiche Dokumentar‑, aber auch Fernsehfilme.
02/09/2020, 20:30, [Tickets] Vorfilm: Koniec sezonu / The End of the Season, 20´, OmeU
Wie in den klassischen Noir-Filmen der 1940er Jahre ist der Held in Diao Yinans Neo-Noir ein Verlorener. Die eigentliche Heldin eine Frau. Die beiden treffen sich an einem Bahnhof in Wuhan. Er sieht ziemlich abgerissen aus, sie ist nicht durch Zufall da. Sie erzählen sich ihre Geschichten.
Es ist, als hätte Diao Yinan, dessen FEUERWERKAMHELLLICHTENTAG 2013 den Goldenen Bären der Berlinale gewann, in DERSEEDERWILDENGÄNSE die gesamte Geschichte des Noir-Genres aufgesogen, alle Bilder und Geschichten und Obsessionen. Wie die klassischen melancholischen Helden in THISGUNFORHIRE oder D.O.A. ist der Held ein Verlorener. Wie in den klassischen Noir-Geschichten von Cornell Woolrich ist die eigentliche Heldin eine Frau. Und wie in den klassischen Noir-Filmen spürt Diao im Rahmen der Gangstergeschichte gesellschaftlichen Realitäten nach. Vor allem aber ist Diao ein brillanter Stilist. Immer wieder brechen originelle filmische Ideen sich Raum, wie in einer Kampfszene zwischen zwei Gangs, die sich in statische Aufnahmen von ineinander verkeilten Männerleibern auflöst: Bilder die wirken wie Detailaufnahmen des Pergamonaltars. Das geht nahtlos über in eine Martial Arts-Szene, in der der Held sich Raum verschafft, bevor der Film wieder das Tempo wechselt. DERSEEDERWILDENGÄNSE kann eigentlich nur im Kino gesehen werden. Nicht nur sind Bilder so groß, dass sie im Kino besser wirken, vor allem ist der Film so detailreich und voller überraschender Tempowechsel, dass man schon genau hinsehen muss, um alles mitzubekommen, zumal der Film dem Publikum bewusst einige Informationen vorenthält.
Ein Mann und eine Frau treffen sich an einem Bahnhof in Wuhan. Er sieht ziemlich abgerissen aus, sie ist nicht durch Zufall da. Er wartet auf seine Frau. Sie sagt, die könne nicht kommen, aber sie sei der Ersatz. Sie erzählen sich ihre Geschichten.
Er, Zhou Zenong (Hu Ge), ist der Chef einer Gang, die sich auf den Diebstahl von Motorrädern in Wuhan spezialisiert hat. Im Streit um Revierrechte mit einer anderen Gang gerät er in einen Hinterhalt und erschießt auf der Flucht aus Versehen einen Polizisten. Nun ist sowohl die Gegner-Gang als auch die gesamte Polizeimacht Wuhans hinter ihm her. Er weiß, dass er keine Chance hat, und will sich lediglich so ergeben, dass seine Frau die hohe Belohnung, die auf seinen Kopf ausgesetzt ist, erhält.
Sie, Liu Aiai (Kwei Lun-Mei) ist eine „Badeschönheit“, eine Prostituierte, die an einem Badesee an der Peripherie von Wuhan für den Gangster Hua Hua arbeitet, einen Freund von Zenong. Sie hat Zenongs Ehefrau ausfindig gemacht, aber es gibt Gründe dafür, dass die nicht kommen kann. Aiai soll einen Teil der Belohnung für ihr Risiko bekommen.
Die Polizei, die nicht weniger skrupellos agiert als die Gangster, kreist das „gesetzlose“ Viertel ein, aber immer wieder vereiteln die gegnerische Gang, ein mysteriöser Verrat oder irgendein anderes Chaos die geplante Übergabe von Zenong an die Polizei. Die Story bietet Diao die Gelegenheit, verschiedene Aspekte des Urlaubs- und Verbrechensparadieses am SEEDERWILDENGÄNSE zu erkunden. Da ist eine Disco, in denen Frauen und Männer mit Leuchtsohlen Reihentänze zu „Rasputin“ von Boney M. und „Dschingis Khan“ von Dschingis Khan aufführen. Es gibt Lagerhallen, in denen Verbrecher gerade Geschäftsinhabern „Lizenzen“ per Lotterie zuteilen, aber immer noch Zeit für eine Vergewaltigung haben. Es gibt schäbige, verschwitzte Hotels, Prostitution am Strand und Hinterzimmer von Suppenküchen, in denen lieblose Nudelsuppen verschlungen werden. Es ist so heiß, auch in der Nacht, dass alle Figuren sich so langsam wie möglich bewegen, aber wer zu wach und zu offensichtlich an Ecken und in Türrahmen herumsteht, ist sofort verdächtig. Nur auf dem nächtlichen See ist Ruhe – und Zeit für lakonischen Sex.
DERSEEDERWILDENGÄNSE ist wild, hässlich und brutal, aber zugleich wunderschön und melancholisch. Diao Yinan ist, nach seinem eiskalten FEUERWERKAMHELLLICHTENTAG mit dem heißen Meisterwerk DERSEEDERWILDGÄNSE in der allerersten Reihe internationaler Filmemacher angekommen.
Tom Dorow | indiekino.de
Credits:
Nan fang che de ju hui
China 2019, 113 Min., chin. OmU
Regie: Diao Yinan
Drehbuch: Diao Yinan
Kamera: Dong Jingsong
Schnitt: Kong Jinlei
mit: Liao Fan, Huang Jue, Kwai Lun-Mei, Regina Wan
Leo liegt im Bett. Er ist verwirrt„ verliert sich in Gedanken. Die Menschen um ihn herum nehmen ihn nicht mehr für voll. Seine Tochter Molly begleitet ihn, liebevoll und aufopfernd, wie man so sagt, durch New York. Obwohl ihr Job auf der Kippe steht, hält sie zu diesem geistig zerrütteten Menschen, der ihren Namen nicht mehr kennt, aber im Kopf Zeit(en) und Parallelentwürfe seines Lebens durchwandert. Eines Lebens als Mann. Leo mit Dolores in Mexiko: Szenen einer Ehe aus Leidenschaft. Leo als einsamer Schriftsteller auf einer griechischen Insel. Begegnungen, die ihn zu unliebsamen Wahrheiten führen – und zurück zu Molly. Ungeachtet des radikalen Ansatzes in ihren feministischen Filmen (The Gold Diggers, Orlando) hat sich Sally Potter immer auch mit der Koexistenz von Frauen und Männern beschäftigt. In ihrem aktuellen Werk hebt sie dieses Thema auf eine neue Ebene. Der Film erkundet die verschiedenen Leben, die ein Mann in sich trägt, auch und gerade zu einer Zeit, in der ihm die Realität zu entgleiten droht. Dabei ist es die bedingungslose Liebe seiner Tochter, die die Fäden von Leos halluzinatorischen Trips zusammenhält.
[nbsp] Credits:
US 2020, 85 Min., engl. OmU Regie, Buch: Sally Potter Kamera: Robbie Ryan Schnitt: Emilie Orsini, Sally Potter, Jason Rayton mit: Javier Bardem, Elle Fanning, Salma Hayek, Laura Linney
[nbsp] Trailer:
The Roads Not Taken (Official Trailer, English/Deutsch, Français)
Sie war stets da, sie ist immer noch da und war für alle, die sie sehen wollten der erleben mussten, stets sichtbar: die Gewalt gegenüber Afro-Amerikanern durch KKK und Polizei, ebenso wie alltäglicher Rassismus und Ungleichbehandlung im öffentlichen Leben der USA.
Roberto Minervinis Absicht war ursprünglich, einen Film über die Musik der 1930-er Jahre in Louisiana zu drehen. Der Aufenthalt und die erschreckenden alltäglichen Erlebnisse, 2017 erschütterte eine ganze Reihe rassistisch motivierter Morde die Südstaaten, ließ den italienischen Dokumentarfilmer (der bereits für STOPTHEPOUNDINGHEART, die großartige Beobachtung einer jungen Frau in evangelikaler Umgebung, dort gearbeitet hat) aber bald umschwenken. Dies Geschehen wollte und konnte er nicht außer Acht lassen. Die Musik und der Mardi Gras bildet jetzt den Rahmen für drei Erzählstränge.
Der Film begleitet die Streifzüge der Brüder Ronaldo (14) und Titus (9), die ein inniges Verhältnis zueinander haben. Ihre Mutter Ashlei King, die sie allein aufzieht, ist allerdings nicht ohne Grund sehr besorgt um die Beiden.
Judy Hill redet gern und nimmt kein Blatt vor den Mund, was sehr für das Gelingen ihres großen Traums spräche: die eigene Bar erfolgreich zu führen. Der 50-jährigen, die schon einiges durchgemacht hat, erschweren dabei unzuverlässige Finanzpartner und die fortschreitende Gentrifizierung des Viertels das Leben
Krystal Muhammad und ihre örtliche „New Black Panther Party for Self Defense“ organisieren Nachbarschaftshilfe und Treffen, vor allem aber Proteste, Mahnwachen und Eingaben bei Polizei und Bürgeramt anläßlich der Morde. Bei ihren Auseinandersetzungen zeigt sich auch ihre Hilflosigkeit gegenüber diesem System.
Minervi, der seinen Protagonisten sehr nahe gekommen zu sein scheint, hat keinen Propagandafilm gedreht. Die komponiert erscheinenden schwarz-weiß-Aufnahmen erinnern manchmal mehr an einen Spielfilm, unterdrücken aber keinesfalls die innere Wut, die beim Zuschauen entsteht.
„Minervinis grundsätzliche Empathie für die Figuren, besonders für die jungen Brüder, die zwischen Aufnahmen von Demonstrationen, Aktivismus und Polizeigewalt immer wieder für Momente der Ruhe sorgen, überträgt sich durch den zärtlichen Blick der Kamera auf sie. …“
Katrin Doerksen | kino-zeit
Eigentlich ist Xhafer ja perfekt integriert. Er lebt und arbeitet schon lange in Deutschland, angestellt als Ingenieur bei einem großen Pharmaunternehmen, ist Familienvater, verheiratet mit Nora und wohnt in einem modernen Einfamilienhaus. Aber schon bei der Begrüßungsrunde mit neuen Kunden fängt es an: „Xhafer Kryezi? Wo kommen Sie (denn) her?“ Eigentlich halt – und nichts ist da selbstverständlich. Da sind die scheinbaren Missverständnisse – ein nicht mitgeteilter Termin, die Versetzung an einen neuen Arbeitsplatz. Die Schwierigkeiten mit der Schwiegermutter erscheinen da als zu vernachlässigendes Problem. Xhaver vermutet, dass er aufgrund seiner kosovarischen Herkunft in der Firma gemobbt wird, aber selbst als eine tote Ratte am ihrem Gartentor hängt, will seine Frau davon nichts wissen. Es gibt mehr verlorene Informationen, mehr Ratten, folgenlose Gespräche mit dem Chef, und Nora (auch hier wieder sehr souverän: Sandra Hüller) findet ihn paranoid: „du ach so Benachteiligter“.
Je weiter sich Xhafer in die Enge getrieben fühlt, je verzweifelter er wird, desto größer wird sein Misstrauen gegenüber bestimmten Kollegen, auch das mit fatalen Folgen.
Es ist faszinierend, wie anschaulich und packend Visar Morina die Auswirkungen eines latenten gesellschaftlichen Rassismus auf den Punkt bringt. Man könnte meinen, der Regisseur habe eigene Erfahrungen mit verarbeitet. EXIL ist ein faszinierender Thriller über Paranoia und Identität. Schwarz, surreal, mit Anklängen ans Genrekino und gepaart mit eigenwilligem Humor. Seine Weltpremiere hat EXIL auf dem Sundance Filmfestival gefeiert. Die Deutschlandpremiere erfolgte im Panorama-Programm der Berlinale.
[nbsp] Credits:
Deutschland / Belgien / Kosovo 2020, 121 Min., deutsch, albanische Om Regie: Visar Morina Kamera: Matteo Cocco Montage: Laura Lauzemis, Hansjörg Weißbrich, Visar Morina mit Mišel Matičević, Sandra Hüller, Rainer Bock, Thomas Mraz
[nbsp] Trailer:
EXIL I Offizieller Trailer deutsch I Jetzt im Kino
Ja, die Sprache. In Nuri Bilge Ceylans jüngstem Film, der erst jetzt, zwei Jahre nach seiner Premiere in Cannes, in Deutschland endlich ins Kino kommt – spielt sie eine besondere Rolle und ist, neben den einnehmenden Bildern und der eleganten Kameraführung ein Kernstück des Werks. Sinan hat sein Lehramtsstudium in Çanakkale fast abgeschlossen, nur eine Prüfung fehlt noch, aber zuerst will er seinen fertig geschrieben ersten Roman, „The Wild Pear Tree“ veröffentlichen. In seiner westtürkischen Heimatstadt Çan erhoffte er finanzielle Hilfe dafür, er zeigt das Werk seiner Familie, örtlichen Kunstliebhabern und Unternehmern. Was soll man sagen: es ist schwierig. Sinan trifft alle, Mutter, Vater, Freunde, Freundinnen, den Bürgermeister, Schulkameraden, Schriftsteller. Niemand kann oder will ihn beim Druck des Buches unterstützen. Stattdessen diskutiert, redet, streitet sich Sinan durch den Film. Themen gibt es genug, die Schriftstellerei, die Kunst, die Kunst an sich, natürlich die Politik, natürlich die Liebe, die Religion, Karrieren, die Verbindungen zwischen allem. Selten bin ich einem Film, in dem so ausgiebig geredet wird, so gespannt und gerne gefolgt. Ein Film wie ein Fluss, die Bewegungen während der Begegnungen scheinen durch die Dialoge vorangetrieben zu werden, und Sinan ist ständig unterwegs (nur als er Hatice trifft, kehrt Ruhe ein). So durchqueren während eines angeregten Diskurses mit zwei sehr unterschiedlich eingestellten Imamen die drei Männer das gesamte Dorf bis hinaus in die Landschaft. Aber, was bringt das Reden? Schwer zu sagen, aber klar ist, es ist essenziell und unentbehrlich, aber auch das wie ist wichtig. Sinans Mutter Asuman ist mehr als einmal verzweifelt, weil der Vater, ein charmant-sympathischer, einst angesehener Grundschullehrer, durch seine Spielsucht die Familie in den Ruin treibt. Aber sie bereue nicht, ihn geheiratet zu haben, sagt sie. Alle anderen sprachen immer von Geld, er hingegen von der Natur, von den Farben, und er sprach so schön, so wie er es heute noch tut.
»… ein wunderschön vielschichtiger Film …« programmkino.de
[nbsp] Credits:
Ahlat Agaci Türkei 2018, 188 Min., türk. OmU Regie: Nuri Bilge Ceylan Schnitt: Nuri Bilge Ceylan Kamera: Gökhan Tiryaki mit: Aydin Doğu Demirkol, Murat Cemcir, Bennu Yıldırımlar, Hazar Ergüçlü
Patrizio Guzman ist mit seinen Filmen schon lange ein gern gesehener Gast in unserem Kino.
DIEKORDILLEREDERTRÄUME nun ist der letzte Teil seiner Trilogie über sein Heimatland Chile.
Nach der Betrachtung des Meeres (DERPERLMUTTKNOPF) und der Atacama-Wüste (NOSTALGHIADELALUZ) nimmt er diesmal die Anden-Bergkette (Kordillere) zum Ausgangspunkt. Sie begrenzt das Land östlich,zieht sich von der Grenze zu Peru im Norden bis nach Feuerland im äußersten Süden und nimmt 80% seiner Gesamtfläche ein.
Mit imposanten Bildern geht der Regisseur in seinem persönlichsten Film zurück bis zu den Ruinen des Hauses seiner Kindheit, und zeigt die Natur als Sinnbild der politischen Geschichte von revolutionärer Utopie, faschistischer Diktatur und neoliberalem Raubbau an der Gesellschaft.
„Patricio Guzmán führt uns, begleitet und geleitet von seiner sanften Stimme und einem persönlichen Text, sowohl hin zu politischen Fragen und ökonomischen Realitäten des Landes als auch hinein ins künstlerische Verarbeiten und ins Bildermachen. Sein Film ist ein Werk der Bewusstmachung, eines, das nicht zuletzt die Frage nach dem Sinn der Bilder stellt in einer Zeit, in der alle, die ein Mobiltelefon besitzen auch Filme machen können.“ trigon-film
[nbsp] Credits:
CL 2019, 85 Min., span. OmU Regie: Patricio Guzmán Drehbuch Patricio Guzmán Schnitt: Emmanuelle Joly Musik: Miranda y Tobar Kamera: Samuel Lahu
Claire verbringt ihre Ferien mit ihrer nur unwesentlich älteren Schwester und ihrer Mutter in Andalusien. Alle drei sind mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Die Schwester Cleo verbringt ihre Zeit lieber mit ihrer Strandbekanntschaft und ihre Mutter scheint ihre provisorisch überdeckten Probleme durch andauerndes Flirten zu kompensieren. Die Ferienanlage mit ihren Betonbauten, ihren bemühten Animateuren und ständigen Partys, stellen eine geradezu surreale Kulisse dar, eine Klangfarbe, die den gesamten Film begleitet.
Claire lernt bald den gleichaltrigenVerkäufer Amram kennen, der aus Afrika gekommen ist, mit seiner Community am Strand lebt und seinen Geschäften nachgeht. Je tiefer diese Beziehung wird, umso komplizierter wird sie auch. Claires Emanzipationsgeschichte scheint nicht ohne Kollateralschäden auszukommen. Und doch bleibt auch alles in einem schwebenden Zustand.
Der Film stellt Spiegelungen, Projektionen und Grenzüberschreitungen häufig in den Mittelpunkt seiner Beobachtung. Diese Metaebene verleiht dem Film sogar eine untergründige Strenge, ganz im Kontrast zu dem äußerlich lockerem Geschehen. Er verfällt aber nicht in den Fehler, die Analogien zwischen Claires und Amams Situation nur aufzuzeigen, sondern unterläuft sie sofort wieder, indem er andauernd die Machtverhältnisse zwischen den beiden betont: Ständig wird für die ein oder andere Gefälligkeit Geld bezahlt. Die Unterschiede beider Lebenssituationen wird so wieder hergestellt, auch wenn es hier und da Berührungspunkte zu geben scheint.
„Das, was sich langsam zwischen Claire und Amram entwickelt und das der Film sehr schön im Ungefähren, nicht genauer Benannten belässt, ist dermaßen von ökonomischen Zwängen und der schonungslosen Allgegenwart des Kapitalismus infiziert, dass stets Zweifel bleiben, ob es Emotionen und Bindungen verschiedenster Art wirklich gibt oder ob nicht am Ende doch alles auf Tausch- und Abhängigkeitsverhältnisse hinausläuft.“ (Joachim Kurz)
[nbsp] Credits:
Deutschland/Niederlande/Polen 2019, 92 Min.
Regie & Buch: Carolina Hellsgård
Kamera: Wojciech Staron
Schnitt: Ruth Schönegge
mit: Zita Geier, Gedion Odour Wekesa, Sabine Timoteo, Nicolais Borger, Flora Li Thiemann, Malik Blumenth
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