Das Lehrerzimmer

Ein Film von İlker Çatak. 

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Die jun­ge Lehrerin Carla arbei­tet mit viel Schwung und Idealismus in ihrem ers­ten Job an einem Hamburger Gymnasium. Ununterbrochen in Action schuf­tet sie wie ein Pferd, ist trotz allem gut­ge­launt, hilfs­be­reit, kol­le­gi­al und stets für alle ansprech­bar, kurz: eine Pädagogin wie aus dem Bilderbuch. Carla ach­tet zudem sehr dar­auf, sich den Kindern gegen­über kor­rekt zu ver­hal­ten. Sie setzt sich für Integration und Geschlechtergerechtigkeit ein, sie unter­stützt und för­dert die Schwächeren eben­so wie die Leistungsstarken, aber sie zeigt den Kids auch ihre Grenzen und kann sehr ener­gisch wer­den. Eigentlich soll­te sie ein Vorbild für alle ande­ren Lehrkräfte sein. aber statt­des­sen wird sie miss­trau­isch beäugt von den alten Häsinnen und Hasen im Kollegium, denen Carlas Engagement suspekt erscheint. Carlas Methoden sind aller­dings wirk­lich erfolg­reich, sie hat ihren Laden im Griff, die Kids ver­trau­en ihr und fol­gen ihr aufs Wort. In Carlas Stunden läuft alles wie geschmiert, sie hat schnell bestimm­te Routinen eta­bliert, die von allen ange­nom­men wer­den, ihre Methoden sind modern, und die 7. Klasse, in der sie Mathe und Sport unter­rich­tet, macht pri­ma mit. Es scheint, als ob Carla in ihrem Beruf rund­her­um glück­lich ist, obwohl sie sich viel zu viel zumu­tet. Doch ganz plötz­lich, prak­tisch von einer Minute zur ande­ren, wen­det sich das Blatt: Bei der Aufklärung von Diebstählen an der Schule über­schrei­tet Carla ihre Kompetenzen, sie macht sich schul­dig und droht zum Opfer ihrer eige­nen mora­li­schen Ansprüche zu wer­den. Carla wird von allen Seiten mit Anfeindungen und Schuldzuschreibungen konfrontiert.

Gibt es eigent­lich eine all­ge­mein gül­ti­ge Wahrheit? Wie funk­tio­niert Gerechtigkeit? Wie steht es um die mora­li­schen Werte unse­rer Gesellschaft? In sei­nem neu­en Film stellt İlker Çatak vie­le Fragen und zeigt die Schule als Mikrokosmos. Da geht es ein­mal nicht um die Bildungskrise und um die „rich­ti­ge“ Erziehung, son­dern viel­mehr um Debattenkultur, um Idealismus und um den Kampf für das Gute. Lohnt sich das alles über­haupt? Was ist gut und was ist böse? Und wie kann man bei­des von­ein­an­der unter­schei­den? İlker Çatak hält der Gesamtgesellschaft einen kri­ti­schen Spiegel vor, und was er dar­in sieht, ist alles ande­re als ange­nehm. Darüber hin­aus zeigt İlker Çatak das Psychogramm einer taf­fen Frau, die in jeder Beziehung cha­rak­ter­lich und mensch­lich gefes­tigt wirkt und alles rich­tig machen möch­te. Sie will die per­fek­te Lehrerin sein, und die­se Vorstellung betrifft prak­tisch jeden Aspekt ihrer Arbeit: Erziehung, Bildung, Wertevermittlung, Kommunikation, Kooperation, Integration. Sie steckt ihre gan­ze Kraft in die­se Aufgabe, und sie macht sich selbst dabei kaputt. Für Carla steht die Gemeinschaft im Vordergrund, wäh­rend sich alle ande­ren vor­ran­gig mit Formalismen und ihrem eige­nen Egoismus beschäf­ti­gen. Niemand von den Erwachsenen, weder Eltern noch Lehrkräfte, scheint bereit zu sein, ande­ren auch nur zuzuhören.

Das Lehrerzimmer wird zum Ort, wo die Handlung kul­mi­niert, wo Carla, ver­folgt von nei­di­schen Kolleginnen und satu­rier­ten Kollegen, an ihre Grenzen kommt. Und Leonie Benesch, die ver­mut­lich dank ihrer schau­spie­le­ri­schen Ausnahmebegabung zum neu­en Star des deut­schen Films avan­ciert, spielt die­se Carla mit sehr viel posi­ti­ver Energie und einer zu Herzen gehen­den Ausdruckskraft. In ihren sanf­ten, gro­ßen Augen spie­gelt sich das Unverständnis über das, was mit ihr pas­siert, eben­so wie die stän­dig wach­sen­de Angst vor dem Kontrollverlust. Die Kamera hängt an ihr, nahe­zu den gesam­ten Film über steht Leonie Benesch im Zentrum des Geschehens, und sie trägt den Film mit ihrer Dynamik und mit einer Leidenschaft, die sich aufs Publikum über­trägt. Mit sehr viel insze­na­to­ri­schem Geschick fängt der Berliner Filmemacher İlker Çatak, der mit jedem Film siche­rer und sou­ve­rä­ner zu wer­den scheint, die durch Aggressionen und Vorurteile auf­ge­heiz­te Atmosphäre einer dys­funk­tio­na­len Aufregungsgesellschaft ein. Das ist ent­lar­vend und extrem span­nungs­ge­la­den, dank Leonie Benesch und ihrem sub­ti­len Spiel aber auch stre­cken­wei­se sehr zu Herzen gehend, kurz: ein tol­ler Film, unbe­dingt sehenswert!

Gaby Sikorski | programmkino.de

Credits:

DE 2023, 94 min, Deutsch,  Türkisch,  Polnisch,  Englisch OmU
Regie: İlker Çatak
Schnitt: Gesa Jäger
Kamera: Judith Kaufmann
mit: Leonie Benesch, Leonard Stettnisch, Eva Löbau, Michael Klammer, Anne-Kathrin Gummich

Trailer:
DAS LEHRERZIMMER | Trailer deutsch | Jetzt im Kino!
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