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Der unverhoffte Charme des Geldes

Ein Film von Denys Arcand.

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Pierre-Paul ist Mitte 30, hat einen Doktor in Philosophie und arbei­tet als Kurierfahrer. Nicht unge­wöhn­lich, könn­te man den­ken, wer kann mit einem Dr. Phil. schon was anfan­gen? Doch Pierre-Paul könn­te Karriere machen, will nur nicht. Finanzieller und geschäft­li­cher Erfolg, so ist ihm sehr rich­tig bewusst, hat immer mit Schweinereien zu tun. Aber genau dort gerät der freund­li­che Kapitalismusgegner plötz­lich hin­ein: eine miss­glück­te Geldübergabe hin­ter­lässt vie­le Tote und säcke­wei­se Scheine, die der zufäl­lig anwe­sen­de Pierre-Paul, ohne groß nach­zu­den­ken, in sei­nen Wagen lädt. Schnell ist ihm klar, dass er die aus Verbrechen stam­men­de Ladung für sei­ne eige­nen altru­is­ti­schen Zwecke nut­zen könn­te und dafür Hilfe braucht.
Seine ers­te Partnerin ist Aspasie, selb­stän­di­ge Escort-Lady mit bes­ten Kontakten, die nicht zufäl­lig den Namen der ers­ten bekann­ten Philosophin trägt. Dazu wird Sylvain, der wäh­rend sei­ner Knastzeit Ökonomie stu­dier­te, um sich ganz legal berei­chern zu kön­nen, aus­ge­sucht, sowie Jacmel, ein­zi­ger Überlebende des Überfalls, der des­halb von allen Seiten schwer bedrängt wird und allen Grund hat, sich zu ver­ste­cken. Schließlich benö­ti­gen sie den win­di­gen Offshore Banker Wilbrod Taschereau, um das Geld zu lega­li­sie­ren. Alle sind zunächst rein am Geld inter­es­siert und müs­sen noch von der Notwendigkeit, Gutes zu tun, über­zeugt wer­den. Das weit­aus grö­ße­re, eben­falls von Pierre-Paul weit­ge­hend erfolg­reich igno­rier­te Problem, sind die bei­den skru­pel­lo­sen Gangs, die hin­ter der Beute her sind, und die Polizei, die sich an sei­ne Fersen heftet.

Es ist nicht eigent­lich ent­schei­dend, ob das Ziel, eine letzt­lich lega­le Stiftung zu grün­den, erreicht wird, son­dern wie. Das Austricksen des Systems durch Jonglieren mit Gepflogenheiten der Finanzwelt lässt einen schwin­deln, die Angst vor der Skrupellosigkeit der Gangs schau­dern, die Umpolung der Helfer lachen. „Der unver­hoff­te Charme des Geldes“ ist eine Satire mit real­po­li­ti­schem Hintergund, zwar auch mal zynisch-bru­tal, meist jedoch ver­spielt und dazu rüh­rend-sym­pa­thisch in sei­nem Engagement gegen Armut und Obdachlosigkeit.

 

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Credits:

La chu­te de l’empire américain
CA 2018, 128 Min., frz. OmU
Buch und Regie: Denys Arcand
Kamera: Van Royko
Schnitt: Arthur Tarnowski
mit: Alexandre Landry, Maripier Morin, Rémy Girard, Pierre Curzi, Louis Morissette

Termine:

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Trailer:

 

 

La Flor

Ein Film von Mariano Llinás.

[indie­ki­no Club] [Credits] [Termine] [Trailer]

LA FLOR ist ein her­aus­ra­gen­des Filmprojekt der Gegenwart: Ein Regisseur und sei­ne vier Darstellerinnen spie­len mit dem Kino, und ihr Spieltrieb kennt kei­ne Grenzen. Sie kre­ieren Fantasieräume, sche­ren sich nicht um Sinn, Logik, Dramaturgie – und sie ver­ges­sen die Zeit. Die Filmgeschichte ist ihr Abenteuerspielplatz, auf dem sie über zehn Jahre ver­brin­gen, um ein fast 14-stün­di­ges Werk fer­tig­zu­stel­len. Allerdings lässt sich wohl kaum von einer abge­schlos­se­nen Geschichte spre­chen. LA FLOR ist ein im bes­ten Sinne offe­nes Kunstwerk, ein Bildergewächs, das immer neue Blüten zum Vorschein bringt, ein Streifzug durch das Genrekino, ein­ge­teilt in drei Kapitel, sechs Episoden, acht Akte. Mariano Llinás vom Filmkollektiv El Pampero Cine und die Schauspielerinnentruppe Piel de Lava for­dern das Publikum auf, den ver­schlun­ge­nen Wegen ihrer Erzählungen zu fol­gen, die sich mal kreu­zen, dann wie­der Umwege neh­men oder schlicht ins Leere lau­fen. Ein B‑Movie muss nicht zwangs­läu­fig in einem laut­star­ken Showdown enden. Die unzäh­li­gen Off-Stimmen im Agententhriller wider­spre­chen ein­an­der, füh­ren bewusst in die Irre, wäh­rend die Bilder eine wei­te­re Version der Geschichte bereit­hal­ten. Musikalische Intermezzi erin­nern an klas­si­sche Vorführungen in den prunk­vol­len Kinopalästen der 30er und 40er Jahre. Zum Spiel gehört auch ein gewis­ser Ernst, den die Schauspielerinnen Elisa Carricajo, Pilar Gamboa, Valeria Correa und Laura Paredes mit schö­ner Hingabe bei gleich­zei­ti­ger Distanz dar­bie­ten. Dabei reflek­tie­ren sie sowohl ihre eige­ne Rolle als auch tra­dier­te Rollenbilder. Während sich das Werk und sei­ne Darstellerinnen per­ma­nent neu fin­den und erfin­den, sieht man sich selbst beim Schauen und Staunen zu. LA FLOR wur­de auf zahl­rei­chen Festivals enthu­si­as­tisch auf­ge­nom­men. (Arsenal Kino – Anke Leweke)

Die Vorfreude steigt, ganz ohne Cliffhanger“ Critic.de Teil I
„Ein for­mi­da­bles Frauenquartett“ Der Standard
„Überwältigend stark“ Critic.de Teil II
„Wer sich also jeden Morgen um halb neun in den­sel­ben Kinosaal setz­te, der sich von Tag zu Tag mehr füll­te, kam zuneh­mend aus dem Staunen nicht mehr her­aus.“ Der Standard
„Ich hat­te es mir so gewünscht, und es kam viel bes­ser: La Flor ist nicht nur ein spie­le­risch klu­ges Arrangement der Kinobezüge, son­dern ein form­voll­ende­tes Pastiche.“ Critic.de Teil III
La Flor ist sel­ten weni­ger als lus­tig und öfter mehr als span­nend, und wie bei vie­len ande­ren sehr lan­gen Filmen – wie z.B. Peter Watkins The Journey (14,5 Stunden), Jacques Rivetes Out 1 (fast 13) und Béla Tarrs Sátántangó (mage­re 7,5) ist es Teil der Erfahrung, mit dem Film über sei­ne Länge hin­aus zu leben und ihn dabei zu sehen, wie er sich andau­ernd neu erfin­det. “ Artforum

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Credits:

Teil 1 besteht aus Akt 1: 167 Min., Akt 2: 59 Min.
Teil 2. besteht aus Akt 3: 106 Min., Akt 4: 112 Min., Akt 5: 126 Min.
Teil 3 besteht aus: Akt 6: 99 Min., Akt 7: 117 Min., Akt 8: 107 Min.
AR 2018,  808 Min.,  Spanisch/Französisch/Englisch/Russisch/Deutsch/Schwedisch/Italienische OmU,
Regie: Mariano Llinás
Kamera: Agustín Mendilaharzu
Schnitt: Alejo Moguillansky, Agustín Rolandelli

mit Elisa Carricajo, Pilar Gamboa, Valeria Correa, Laura Paredes

Termine:

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In many imperfect ways: Carmen y Lola

Ein Film von Arantxa Echevarría

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Trotz ihres gemein­sa­men Hintergrunds als jun­ge Romnija in Madrid könn­ten Carmen und Lola unter­schied­li­cher nicht sein. Die 17-jäh­ri­ge Carmen hält nicht viel von Bildung und möch­te nach ihrer anste­hen­den Hochzeit ein Leben als Hausfrau und Mutter füh­ren; ganz so, wie es von ihrer Familie erwar­tet wird. Die kaum jün­ge­re Lola hin­ge­gen hat ganz ande­re Pläne. Sie besucht die Schule und will stu­die­ren, um so aus dem tra­di­tio­nel­len Leben einer Romni aus­zu­bre­chen. Und Lola macht sich nichts aus Männern. Sie bevor­zugt das weib­li­che Geschlecht, wenn auch aus Angst vor den Reaktionen ihrer kon­ser­va­ti­ven Familie nur heimlich.

Ihr Interesse gilt bald der hüb­schen Carmen, und obwohl die­se mit Lolas Cousin ver­lobt ist, nutzt sie jede Gelegenheit, um ihr näher­zu­kom­men. Zwischen den bei­den ent­wi­ckelt sich eine inti­me Freundschaft, die sich bald in Liebe ver­wan­delt. Doch Tradition und Familie stel­len die­se ver­bo­te­ne Liebe auf eine har­te Probe, und die bei­den jun­gen Frauen müs­sen eine schwe­re Entscheidung treffen.

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Credits:

Spanien 2018, 103 Min., span. OmU
Regie: Arantxa Echevarría
mit: Zaira Romero, Rosy Rodriguez, Moreno Borja, Rafela León, Carolina Yuste

Termine:

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CARMEN & LOLA – Offizieller deut­scher Trailer

 

 

In many imperfect ways: Becks

Ein Film von Elizabeth Rohrbaugh & Daniel Powell.

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Nach der schmerz­haf­ten Trennung von ihrer Freundin zieht die Folk-Musikerin Becks von Brooklyn zurück in ihre Heimatstadt St. Louis, um sich fern­ab vom New Yorker Künstler_innen-Trubel neu zu fin­den. Doch erst­mal ist sie damit beschäf­tigt, mit ihrer streng katho­li­schen Mutter die Fronten der sexu­el­len Freiheiten zu klä­ren und etwas Geld zu ver­die­nen. Da die Gesangsauftritte in der Bar ihres alten Kumpels Dave nur ein paar Dollar Trinkgeld abwer­fen, ent­schließt sie sich, Gi-tar­ren­un­ter­richt zu geben. Ihre ers­te Schülerin ist die schüch­ter­ne Elyse, die aus­ge­rech­net mit Becks altem High-School-Erzfeind Mitch ver­hei­ra­tet ist. Zwischen den bei­den Frauen ent­wi­ckelt sich rasch eine inni­ge Beziehung, die Elyses bis­he­ri­gen Lebensentwurf gehö­rig ins Wanken bringt …

Das Regie-Duo Elizabeth Rohrbaugh und Daniel Powell ließ sich für BECKS vom Leben der US-ame­ri­ka­ni­schen Singer/Songwriterin Alyssa Robbins inspi­rie­ren, von der auch die meis­ten der bit­ter­sü­ßen Lie-bes­lie­der im Film stam­men. Neben dem berüh­ren­den Soundtrack wird BECKS vor allem von sei­nem star­ken Darstellerinnen-Ensemble getra­gen: An der Seite von Newcomerin Lena Hall glän­zen „Chicago Hope“-Star Christine Lahti als Becks gläu­bi­ge, aber gut­her­zi­ge Mutter Ann und Mena Suvari („American Beauty“, „American Pie“) als jun­ge Ehefrau Elyse, die zwi­schen den Wänden ihrer rie­si­gen Vorort-Villa an Langeweile und Unlust zu ersti­cken droht. Ein berüh­ren­der Film über Heimkehr, alte Familienkonflikte und ein neu­es Begehren

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Credits:

US 2017, 92 Min., engl. OmU
Regie: Elizabeth Rohrbaugh & Daniel Powell
mit: Lena Hall, Mena Suvari, Christine Lahti u.a.

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Becks (Trailer) from Salzgeber & Co. Medien GmbH on Vimeo.

 

 

In many imperfect ways: Red Cow – Das Mädchen mit den roten Haaren

Ein Film von Tsivia Barkai Yacov.

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Benny ist 17 und lebt mit ihrem Vater, einem streng­gläu­bi­gen Religionsgelehrten, in der jüdi­schen Gemeinde von Silwan, einem vor­wie­gend von Palästinensern bewohn­ten Stadtteil Ost-Jerusalems. Ihr Haar ist so rot wie das Fell des gera­de zur Welt gekom­me­nen Kalbs, von dem sich ihr Vater und sei­ne Anhänger die lang ersehn­te Erlösung ver­spre­chen. Benny soll sich um das Jungtier küm­mern – dabei fühlt sie sich im reli­giö­sen Dogmatismus ihres Vaters, mit dem sie groß gewor­den ist, schon seit lan­gem nicht mehr zuhau­se. Als die gleich­alt­ri­ge Yael in der Gemeinde kommt, um dort ihren Wehrersatzdienst zu leis­ten, gerät Bennys streng gere­gel­tes Leben gänz­lich aus den Fugen: Plötzlich ist da ein kör­per­li­ches Begehren, das ihren eige­nen Glauben in Frage stellt – und noch mehr den des Vaters…

Tsivia Barkai Yacov erzählt in ihrem Langfilmdebüt nuan­ciert und bild­stark vom sexu­el­len Erwachen eines Mädchens in einer streng reli­giö­sen Umgebung, die die Regisseurin trotz aller kri­ti­schen Distanz nicht ohne Zuneigung zeich­net. Kraftvoll und zart zugleich spielt Hauptdarstellerin Avigayil Koevary Benny als ein Mädchen, das nicht nur einen Familien- son­dern auch einen Glaubens- und Ideologiekonflikt über­win­den muss, um zu sich selbst zu fin­den. Auf dem Jerusalem Film Festival wur­de DAS MÄDCHEN MIT DEN ROTEN HAAREN für sei­ne fil­mi­sche Ausdruckskraft gefei­ert und mit gleich drei Preisen ausgezeichnet.

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Credits:

IL 2018, 90 min., hebräi­sche OF mit deut­schen UT
Regie: Tsivia Barkai Yacov
mit: Avigayil Koevary, Gal Toren, Moran Rosenblatt, Dana Sorin

Termine:

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Das Mädchen mit den roten Haaren (Trailer) from Salzgeber & Co. Medien GmbH on Vimeo.

 

 

In many imperfect ways: Princess Cyd

Ein Film von Stephen Cone.

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Die 16-jäh­ri­ge Cyd besucht in den Sommerferien ihre Tante Ruth, eine bekann­te Schriftstellerin, in Chicago. Die bei­den haben sich seit dem Tod von Cyds Mutter vor vie­len Jahren nicht gese­hen. Und sie könn­ten unter­schied­li­cher kaum sein: Während Cyd den gan­zen Tag Fußball spie­len und sich im Garten son­nen möch­te, sitzt Ruth am liebs­ten hin­term Schreibtisch und arbei­tet an ihren Texten. Auch beim Thema Liebe haben sie ande­re Ansätze: Cyd erkun­det gera­de ihr sexu­el­les Be-geh­ren und ver­liebt sich in die smar­te Kellnerin Katie. Ruth hin­ge­gen ist Langzeit-Single und hat schein­bar kein Bedürfnis, dar­an etwas zu ändern. Als Cyd ihre Tante aus der Liebesreserve locken will, erklärt Ruth ihr ein paar Dinge über das Glücklichsein.

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Credits:

USA 2017,  96 Min., engl. OmU
Regie: Stephen Cone
mit:  Rebecca Spence, Jessie Pinnick

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Princess Cyd (Trailer) from Salzgeber & Co. Medien GmbH on Vimeo.

 

 

In many imperfect ways: Nina

A film by Olga Chajdas. In Polish with German subtitles.

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After twen­ty years, Nina’s mar­ria­ge to Wojtek is going nowhe­re, part­ly becau­se of their fai­led attempts to have child­ren. When they meet a young woman, Magda, they deci­de to pro­po­se that she beco­me a sur­ro­ga­te mother for their child. But things get more com­pli­ca­ted when Nina sud­den­ly feels attrac­ted to Magda.

This accom­plished debut paints a sen­si­ti­ve por­trait of a strong yet con­fu­sed woman trap­ped in her role as wife and daugh­ter. The ener­ge­tic, appar­ent­ly care­free Magda breaks open her world. The came­ra stays clo­se to the three prot­ago­nists, almost wit­hout the use of estab­li­shing shots, crea­ting a sen­so­ri­al, high­ly vibra­ting atmo­sphe­re. But the­re is one loca­ti­on that plays a cru­cial role: Natalia Bażowska’s art­work Birth Place, which repres­ents a womb you can lie in and ser­ves for the cha­rac­ters as their only shel­ter, whe­re their love, free­dom and iden­ti­ties are not bound by any conventions.

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Credits:

PL 2018, 129 Min., poln. OmU,
Regie: Olga Chajdas,
mit: Julia Kijowska, Eliza Rycembel

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Nina from Edition Salzgeber on Vimeo.

Nuestro tiempo

Ein Film von Carlos Reygadas.

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Carlos Reygadas hat schon die Protagonisten in STELLET LICHT mit den Mühen und Quälereien einer Dreiecksbeziehung kon­fron­tiert. Den Gegensatz dazu bil­de­te die Weite der mexi­ka­ni­schen Landschaft, vom Licht beseelt. Ein äuße­res Licht, im ful­mi­nan­ten Sonnenuntergang am Ende des Films zum lang­sa­men Verglühen gebracht, dass dem Inneren ent­sprach. In NUESTRO TIEMPO nimmt Reygadas das Thema wie­der auf, unter ganz ande­ren Bedingungen, obwohl auch die­ser Film wie­der auf dem Land spielt, näm­lich auf einer Ranch. Ester und Juan züch­ten Bullen, jene leicht reiz­ba­ren, gefähr­lich star­ken Tiere, die einen mit ihren lan­gen Hörnern auf­spie­ßen kön­nen. Beide reflek­tie­ren ihr Zusammenleben und beson­ders ihre Gemeinschaft, zu der auch die gemein­sa­men Kinder gehö­ren. Besonders Juan legt Wert auf die Offenheit der Beziehung, um der Freiheit wil­len, auch der Freiheit der Liebe. Dieser Weg erweist sich aber als dor­nig und arbeits­reich. Denn Ester fängt tat­säch­lich ein Verhältnis an: mit Phil, dem breit­är­schi­gen Gringo, der gele­gent­lich für die bei­den arbei­tet. Die Dreierbahn rum­pelt also los, in unge­ahn­te Höhen und Tiefen. Kaleidoskopartig ent­fal­tet die Handlung ihren Sog, oft aus der Sicht von Juan, der vor­gibt, die Freiheit zu ver­tre­ten, aber ein­for­dert, stän­dig alles über Esters Affäre und ihre Gefühle offen­ge­legt zu bekom­men. Sie beharrt auf ihrer Privatsphäre und wehrt sich gegen sei­ne selbst­ge­mach­ten Spielregeln. Und läßt ihr schlech­tes Gewissen an ihm aus. Beide wol­len ehr­lich mit­ein­an­der sein, viel­leicht eine zu gro­ße Herausforderung. Die drit­te Hauptrolle spielt die epi­sche Landschaft bzw. das Licht, das sie strah­len läßt. Darin scheint das Leben trotz aller Plackerei einen Sinn zu machen. In vie­len Momenten von NUESTRO TIEMPO beweist Reygadas sein Gespür dafür, mit Bildern modu­lie­ren zu kön­nen, was unter der Oberfläche pocht, und das macht den Reichtum des Films aus.

Es ist ein­fach, die erwi­der­te Liebe zu defi­nie­ren, wie bei­spiels­wei­se die Liebe, die uns an den Wald oder an ein Tier bin­det. Die Liebe, die man für einen Ort oder einen Freund oder auch für sei­ne Kinder und Eltern emp­fin­det. Aber sobald man von der Liebe in einer Paarbeziehung spricht, scheint das Feld der Gefühle sehr viel kom­ple­xer, selbst wenn wir die heik­len Fragen, was die Liebe vom Besitzanspruch und die Treue von der Lauterkeit unter­schei­det, beant­wor­ten kön­nen. Müssen wir sexu­ell mono­gam leben? Dauert die Liebe ewig? Endet die Ehe, die ein Paar eint, immer einer Gewohnheit gleich? Die am sel­tens­ten gestell­te Frage, wel­che die erwähn­ten Überlegungen zusam­men­fasst, lau­tet: Wenn man sei­ne Frau liebt, stellt man dann ihr Wohl wirk­lich immer über alles ande­re? Oder bloß so weit, als dass es unser eige­nes Wohl nicht beein­träch­tigt? Kurz: Ist die Liebe gegenseitig?”

(Carlos Reygadas)

 

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Credits:

Nuestro tiem­po
MX/FR/DE/DK/SE 2018, 175 Min., spa­ni­sche OmU
Regie, Buch: Carlos Reygadas
Kamera: Diego Garcia
Schnitt: Natalia López
mit: Carlos Reygadas, Natalia López, Phil Burgers, Yago Martinez, Eleazar Reygadas, Rut Reygadas

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Nuestro Tiempo (offi­zi­el­ler deut­scher Trailer)

 

 

Eine moralische Entscheidung

Ein Film von Vahid Jalilvand,

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Dr. Nariman muss auf der Straße aus­wei­chen und tou­chiert ein Motorrad, auf dem Moosa mit sei­ner Familie unter­wegs ist. Der Arzt ver­sucht, das alles ohne Polizei zu klä­ren, bie­tet dem Mann Geld an und will die Familie auch ins Krankenhaus brin­gen. Doch letz­te­res lehnt Moosa ab. Nariman arbei­tet in der Gerichtsmedizin und erfährt am nächs­ten Tag, dass ein Junge ein­ge­lie­fert wur­de: Moosas acht­jäh­ri­ger Sohn. Er ist in der Nacht ver­stor­ben. Die Todesursache scheint eine Fleischvergiftung gewe­sen zu sein. Aber das beru­higt Nariman nicht. Es könn­te auch der Unfall gewe­sen sein, der die direk­te Todesursache darstellt.
„Eine mora­li­sche Entscheidung“ ist ein beein­dru­cken­der Film, weil er eigent­lich eine sehr unschein­ba­re Geschichte erzählt. Eine, in die man sich hin­ein­ver­set­zen kann, denn im Kern geht es vor allem dar­um, dass jede Entscheidung zu Konsequenzen führt – und die sich immer dra­ma­ti­scher aus­wei­ten kön­nen. Es gibt eini­ge Momente in die­sem Film, in denen sich Menschen anders hät­ten ver­hal­ten kön­nen. Damit ein­her geht immer die Frage, ob der Ausgang bes­ser gewe­sen wäre, wenn eine ande­re Entscheidung getrof­fen wor­den wäre. Hätte das Kind über­lebt, wenn der Arzt dar­auf bestan­den hät­te, ins Krankenhaus zu fah­ren? Hätte der Vater es frü­her ins Krankenhaus brin­gen müs­sen, als er es getan hat? Hätte der Arzt mit dem Vater nach dem Tod des Kindes reden sol­len? Hätte das ver­hin­dert, dass er die Schuld bei dem Mann such­te, der ihm das ver­gam­mel­te Fleisch ver­kauft hat, durch das sich der Junge die Vergiftung zuge­zo­gen hat? Eine kon­kre­te Antwort gibt es auf all die­se Fragen nicht. Sie sind immer rei­ne Spekulation, aber sie quä­len die Hauptfigur.
Denn Dr. Nariman ist ein peni­bler, sehr kor­rek­ter Mann. Jemand, der den Dingen auf den Grund geht. Der ein­fach nicht locker­las­sen kann. Denn eigent­lich wäre er aus die­ser Angelegenheit fein her­aus­ge­kom­men, aber er selbst ist es, der die Untersuchung erneut begin­nen lässt. Weil der Zweifel dar­über, ob er es war, der am Tod des Jungen schul­dig ist, für ihn letz­ten Endes qual­vol­ler ist als jede kon­kre­te Erkenntnis, die kom­men könn­te, inklu­si­ve der Konsequenzen, die sich dar­aus ergeben.
Peter Osteried | programmkino.de

  • Beste Regie und bes­ter Hauptdarsteller – Venedig 2018

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Credits:

Bedoone tarikh, bedoo­ne emza 
IR 2017, 100 Min., Farsi OmU 
Regie: Vahid Jalilvand 
Kamera: Peyman Shadmanfar 
Schnitt: Vahid Jalilvand, Sepehr Vakili 
mit: Navid Mohammadzadeh, Amir Agha’ee, Hediyeh Tehrani, Zakiyeh Behbahani

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Trailer:

EINE MORALISCHE ENTSCHEIDUNG Trailer HD

Im Kino in Farsi mit deut­schen Untertitlen.

 

Dene wos guet geit

Ein Film von Cyril Schäublin.

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Können wir uns noch ohne Zahlen und Ziffern, Nummern, Codes oder Passworte ver­stän­di­gen und über­haupt durchs Leben kom­men? Im Zürich des Films geht da nichts mehr. Permanent wer­den end­lo­se Verschlüsselungen, Preise, PINs, GPS-Daten, Telefon- Policen- und Kontonummern oder ande­re Zahlenkolonnen hin- und her gereicht. Das funk­tio­niert rei­bungs­los, alle Beteiligten agie­ren höf­lich, gesit­tet, ob es sich um die Bewachung eines Gebäudes nach einer Bombendrohung, um Bankgeschäfte, Betrugsversuche oder deren Aufklärung han­delt. Nichts Persönliches kann die­se Welt trü­ben, denn beim kleins­ten Anflug ver­sagt das Gedächtnis ad hoc.

Dene wos guet geit – der Titel kann für nicht-schwei­ze­ri­sche Ohren schnell Assoziationen mit länd­li­chem Lustspiel oder Bauerntheater wecken. Völlig falsch – es han­delt es sich viel­mehr um einen der eigen­wil­ligs­ten Filme, die in letz­ter Zeit hier ins Kino kom­men. Nicht, dass ihm der Humor abgeht; in Fassung einer fast ein­ge­fro­ren wir­ken­den Lakonie bahnt er sich durch die redu­zier­ten, zu nichts füh­ren­den Bewegungen und den mini­ma­len Plot sei­nen Weg. Die lose Handlung sieht so aus: Alice, eine Callcenterangestellte aus Zürich, muss ihren „Kunden“ neue Internetanbieter oder Krankenkassenverträge auf­schwat­zen, mög­lichst „mit Gefühl“, wie ihr Verkaufsleiter anweist. Mit den dadurch qua­si als Beifang erhal­te­nen Informationen ver­sucht sie, ihr Einkommen mit­tels „Enkelintrick“ auf­zu­bes­sern, und das erfolg­reich. Zwei Stadtpolizisten sind ihr aller­dings schon auf den Fersen. Woanders, in der gleich­för­mi­gen Umgebung ist eine Orientierung schwie­rig, muss eben das oben erwähn­te Gebäude gesi­chert wer­den, wobei die sich wie­der­ho­len­den Gespräche des Polizeipersonals über Mobilfon- Internet- und ande­re Tarife die Idee von Kommunikation ad Absurdum füh­ren. Während des Festivals avan­cier­te der Film in Locarno zum Geheimtip, und die Presse äußer­te sich enthusiastisch:

Wann zuletzt haben wir einen so bösen, radi­kal prä­zi­sen und in der Bildsprache so kon­se­quen­ten Schweizer Film gese­hen? Und war­um nur ver­lässt man das Kino so leicht­füs­sig beschwingt und mit einem Schmunzeln im Gesicht, das sich nur noch ver­tieft, wann immer man an den Film zurück­denkt? Cyril Schäublins «Dene wos guet geit» ver­stösst so ziem­lich gegen alles, was man von einem span­nen­den Film erwar­ten kann – und ver­zau­bert genau dadurch.” NZZ

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Credits:

CH 2018, 71 Min., OmU,
Regie & Buch: Cyril Schäublin
Kamera: Silvan Hillmann
Schnitt: Cyril Schäublin, Silvan Hillmann
mit: Sarah Stauffer, Nikolai Bosshardt, Fidel Morf

Termine:

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