Teheran Tabu

Ein Film von Ali Soozandeh. 

Tehran Taboo“ ist eine Momentaufnahme der aktu­el­len Lebensrealität in Teheran – dar­ge­stellt mit den Mitteln der roto­sko­pier­ten Animation (ähn­lich wie bei Ari Folmans „Waltz with Bashir“). Zerrissen zwi­schen dem Wunsch nach indi­vi­du­el­ler Freiheit und der über­le­bens­not­wen­di­gen Anpassung schla­gen sich die vier Hauptfiguren des Films durch das Leben: weil ihr Mann wegen Drogenhandel im Gefängnis sitzt, arbei­tet Pari als Prostituierte, um sich und ihren Sohn Elias über Wasser zu hal­ten. Sara möch­te zuerst ein­mal arbei­ten und nicht sofort Kinder bekom­men und ver­sucht des­halb mit allen Mitteln den ihr auf­ge­zwun­ge­nen Familienplan ihres Mannes zu ver­hin­dern. Der mit­tel­lo­se Musiker Babak hat ein ver­track­tes Problem: nach einem One-Night-Stand for­dert die jun­ge Donya von ihm, die OP zu bezah­len, bei der das Jungfernhäutchen wie­der­her­ge­stellt wird. – Besonders anschau­lich zeigt sich in die­sen vier lose mit­ein­an­der ver­knüpf­ten Geschichten die Doppelmoral einer Gesellschaft, die ins­be­son­de­re den Frauen einen stren­gen Sittenkodex auf­er­legt, Sexualität tabui­siert und zugleich den Männern vie­le Ausflüchte ermöglicht.

Das Bild, dass die west­li­che Bevölkerung vom Iran hat ist immer sehr ver­zerrt und vol­ler Klischees. Es ist geprägt durch Stereotypen, die von „1001 Nacht“ bis zum nuklea­ren Disput mit dem stren­gen isla­mi­schen Regime rei­chen. Aber die Realität, die man auf den Straßen Teherans erlebt ist viel­fäl­ti­ger. Frauen im Iran haben oft einen bes­se­ren Bildungsgrad als Männer und eine viel sicht­ba­re­re Rolle im täg­li­chen Leben als in vie­len ande­ren Islamischen Ländern, wie z.B. Saudi Arabien. Aber es gibt nicht die eine moder­ne ira­ni­sche Frau. Es gibt vie­le Typen, von der reli­giö­sen Fundamentalistin bis zur west­lich gepräg­ten Feministin. Natürlich hat letz­te­re nicht die Möglichkeit, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu ver­schaf­fen. Mein beson­de­res Interesse galt der Rolle der Frau im gesell­schaft­li­chen Spiel der Tugenden. Sie sind die­je­ni­gen, die am meis­ten lei­den. Von Frauen wird grund­sätz­lich erwar­tet, dass sie sich selbst und ihren Kindern Regeln und Tabus auf­er­le­gen, die ihre Freiheit und die der nächs­ten Generation ein­gren­zen.“ Ali Soozandeh

 

Credits:

Deutschland/ Österreich 2017, 96 Min., far­si OmU
Regie & Buch: Ali Soozandeh
Kamera: Martin Gschlacht
Schnitt: Frank Geiger,Andrea Mertens
Darsteller: Elmira Rafizadeh, Zar Amir Ebrahimi, Arash Marandi, Negar Nasseri, Bilal Yasar, Morteza Tavakoli, Alireza Bayram, Klaus Ofczarek

Termine:


Animals – Stadt Land Tier

Ein Film von Greg Zglinski. Ab 16.11. im fsk.

Im Grunde ist alles ganz ein­fach: Kinderbuchautorin Anna und ihr Lebensgefährte, der Chefkoch Nick, fah­ren für eine län­ge­re Auszeit in ein Haus in den Schweizer Bergen. Zum Einen möch­te sie unge­stört an ihrem ers­ten „Erwachsenenbuch” schrei­ben und er neue, ursprüng­li­che und regio­na­le Rezepte sam­meln, zum Anderen soll ihre Beziehung eine Auffrischung erfah­ren. Anna ver­däch­tigt Nick näm­lich, eine Affäre mit der Nachbarin Andrea zu haben. Und da begin­nen schon die Merkwürdigkeiten: Andrea stürzt sich, als das Paar ihre Wiener Wohnung ver­lässt, aus dem Fenster. Wir sehen sie kip­pen, hören den Aufprall, und doch, beim Blick aus dem Fenster gibt es nichts zu sehen. Und dann noch die Sache mit dem Schaf, das unaus­weich­bar auf der Straße steht und einen Unfall pro­vo­ziert. Erstmal scheint es glimpf­lich aus­zu­ge­hen, spä­ter jedoch wird es ein Unfall mit schwer­wie­gen­den Folgen sein. Dazu kommt noch die kom­men­tie­ren­de Katze: kurz­um, wir fra­gen uns, was mag real sein, und was sich nur im Kopf oder in den Wach-/Schlaf- oder Komaträumen der Protagonisten abspie­len? Ganz unbe­küm­mert sen­det TIERE, den Zglinski nach einem hin­ter­las­se­nen Drehbuch von Jörg Kalt (Crash Test Dummies) insze­nier­te, selt­sa­me, komi­sche und unheim­li­che Nachrichten aus dem Reich des Fantastischen, wo sich die Genres mischen und Traum und Wirklichkeit inein­an­der übergehen.

Das Hauptverdienst jedoch liegt bei Karina Resslers Schnitt: Virtuos akzen­tu­iert sie die Gedächtnislücken, die enig­ma­ti­schen Wiederholungen der Geschichte, bis der Zuschauer selbst nicht mehr weiss, was er sieht. (…) Wodurch Zglinskis kom­plex ver­rät­sel­te Story ein­drück­lich die exis­ten­zi­el­le Erkenntnis ver­mit­telt, dass das Bild, das wir uns vom ande­ren machen, oft genau­so wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat wie Märchen und Horrorphantasien.” Christina Tilmann, Neue Zürcher Zeitung


 
OT: Tiere
Schweiz / Österreich / Polen 2017, 95 Min., Farbe,  deutsch und frz mit dt. Ut.
Regie: Greg Zglinski

Buch: Jörg Kalt, Greg Zglinski
Kamera: Piotr Jaxa
Schnitt: Karina Ressler

mit:
Birgit Minichmayr (Anna)
Philipp Hochmair (Nick)
Mona Petri (Mischa/Andrea/Eisverkäuferin)
Mehdi Nebbou (Tarek)
Michael Ostrowski (Harald)
 

 

Animals – Stadt Land Tier – Trailer 1 – Deutsch

Untitled

Ein Film von Michael Glawogger und Monika Willi.

Am 3. Dezember 2013 brach Michael Glawogger gemein­sam mit Kameramann Attila Boa und Tonmann Manuel Siebert auf, um Untitled‚ zu dre­hen, einen Dokumentarfilm, der Glawoggers bis­her radi­kals­tem Konzept folg­te. Geplant war eine Reise um die Welt, die ein Jahr dau­ern und durch nichts unter­bro­chen wer­den soll­te. Der Film, der dar­aus ent­stand, ver­moch­te die Welt so zu zei­gen, wie sie dem klei­nen Filmteam in die­ser zufäl­li­gen, maxi­mal offe­nen Versuchsanordnung ent­ge­gen­tre­ten wür­de. Natürlich gab es eine unge­fäh­re Reiseroute, und es gab eini­ge vor­her fest­ge­leg­te Drehorte. Aber dane­ben und dar­über­hin­aus gab es kein Thema, kei­ne Handlung, kei­nen „roten Faden“. Glawogger woll­te die Welt ein­fan­gen, wie sie war, ohne Erwartung, ohne fil­tern­de Brille. Einen „Film ohne Namen“ wünsch­te er sich, die Möglichkeit ein Jahr lang umher­zu­fah­ren und ohne ein vor­ge­ge­be­nes Thema oder Sujet zu dre­hen, war für ihn die Glücksform des Filmemachens. Nachdem der Regisseur wäh­rend der Reise an Malaria ver­starb, hat sei­ne lang­jäh­ri­ge Mitarbeiterin Monika Willi den Film mon­tiert, der aus dem ver­blie­be­nen Material so asso­zia­ti­ve wie ein­dring­li­che Bögen schlägt, beglei­tet von hin­ter­las­se­nen Tagebucheinträgen. Ein Testament der Welt und eines ganz eige­nen Blicks dar­auf, von Körpern in Arbeit und Spiel, in Anstrengung und Glück, von Momenten von Freiheit und ihren Bedingtheiten.

So, dach­te ich, kann ein Film sein. Eine Bewegung, die nur sel­ten unter­bro­chen wird – und wenn, dann von einem mar­kan­ten Ereignis. Nicht war­ten, son­dern immer wei­ter­fah­ren. Denn nur in der größt­mög­li­chen Bewegung kom­men die Geschichten auf einen zu. Nur wenn das Leben von selbst anhält, muss man auch inne­hal­ten und solan­ge ver­har­ren, bis man erlebt hat, was es zu erle­ben gibt, und gefilmt hat, was es zu fil­men gilt.“ Michael Glawogger

Die ers­ten Quicktime-Movies, die ich ihm schick­te, ver­dien­ten es weder Rohschnitt noch Sequenz genannt zu wer­den. Ich nann­te sie Flächen. Das gefiel uns, und so gestal­te­te ich Flächen, bis sie uns wie­der lang­wei­lig wur­den. Aber auf die­se Weise schritt die Stilfindung vor­an, nicht nur im Schneideraum, son­dern auch drau­ßen, beim Dreh. Alles war ja neu, das Konzept bot kei­nen Halt, dage­gen viel Raum für Zweifel.“ Monika Willi

Österreich / Deutschland 2017, engl. dt. OmU, 107 Min .
Regie: Michael Glawogger, Monika Willi
Kamera: Attila Boa
Schnitt: Monika Willi

UNTITLED – Offizieller Trailer

Casting

Ein Film von Nicolas Wackerbarth.

Weil Fassbinder bald 75 gewor­den wäre, wäre er nicht schon mit 37 Jahren gestor­ben, soll einer sei­ner Filme neu ver­filmt wer­den, für’s Öffentlich-Rechtliche, Bildungsauftrag sozu­sa­gen. Bekommen hat den Regie-Job die 47-jäh­ri­ge Vera, es ist erst ihr drit­ter Film und sie will sich des­halb ganz sicher sein mit dem, was sie da tut. Zum zen­tra­len Problem vor dem eigent­li­chen Dreh gestal­tet sich aller­dings die Frage, wer die weib­li­che Hauptrolle spie­len soll. Keine der Schauspielerinnen passt Vera, jede Vorsprech-Situation wird viel­mehr zum Machtkampf, indem mal die Schauspielerin, mal die Regisseurin unter­liegt. Je mehr Vorsprech-Situationen, des­to bes­ser wie­der­um für Gerwin, den männ­li­chen Anspielpartner (gespielt vom Andreas Lust), der zwar den Schauspielberuf an den Nagel gehan­gen hat, momen­tan aber drin­gend Geld braucht und des­halb froh ist, wenn noch ein paar bezahl­te Stunden dazu kom­men. Je län­ger das Casting dau­ert, des­to ange­spann­ter wird aller­dings die Grundstimmung. – Dabei zuzu­schau­en macht vor allem des­halb Spaß, weil jede/r den Wechsel zwi­schen einer Szene aus dem Fassbinder-Film nach­spie­len und „sich selbst“ spie­len so vir­tu­os spielt, dass man hofft, Vera möge sich noch lan­ge nicht ent­schei­den können.

Gut 80 Stunden Produktionsmaterial waren letz­ten Endes in den 21 Drehtagen im rea­len SWR-Studio zusam­men­ge­kom­men, erklär­te Wackerbarth im anschlie­ßen­den Q & A im Delphi-Filmpalast. Verdichtet auf 91 sehr kurz­wei­li­ge Filmminuten gehö­ren sie zwei­fels­oh­ne zum Besten, was die­ser Berlinale-Jahrgang bis­her zu bie­ten hat­te. Oder um es noch ein­mal in den Worten Veras zu sagen – ohne Ironie, ver­steht sich: ‚Das ist aber super! Das gefällt mir sehr, sehr gut, muss ich sagen.‘“ Simon Hauck | kino-zeit.de 

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D 2017, 91 Min. 
Regie: Nicolas Wackerbarth 
Kamera: Jürgen Carle 
Schnitt: Saskia Metten 
Mit: Andreas Lust, Judith Engel, Ursina Lardi, Corinna Kirchhoff, Andrea Sawatzki, Milena Dreissig, Nicole Marischka, Stephan Grossmann, Marie-Lou Sellem

Termine:

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Casting (Offizieller Trailer)

Die Welt sehen

Ein Film von Muriel und Delphine Coulin.

[Pressezone]

Zwei jun­ge Soldatinnen, Aurore und Marine, kom­men von ihrem Einsatz aus Afghanistan zurück. Mit ihrer Truppe ver­brin­gen sie drei Tage in einem Fünf-Sterne-Hotel auf Zypern. Hier, inmit­ten von Touristen, sol­len sie ler­nen, das Erlebte hin­ter sich zu las­sen. Im Militärjargon: »Dekompression«. Doch so leicht ist es nicht, den Krieg zu vergessen.

»Was sieht man im Krieg? Gar nichts. Erstens, weil im Camp über lan­ge Strecken kei­ne Kampfhandlungen statt­fin­den. Zweitens, weil man während des Kampfes überhaupt nichts sieht – man kämpft um sein Leben. Und schließ­lich, weil jeder aus sei­ner eige­nen Perspektive sieht, was geschieht, also nur eine par­ti­el­le Sicht der Realität. Während der »Dekompression« neh­men Aurore und Marine an Einsatznachbesprechungen teil, nach denen sie anders darüber den­ken wer­den, was sie gese­hen haben. Die Psycholog*innen ver­wen­den Virtual-Reality-Videotechnologie, die die Erlebnisse der Soldat*innen in Echtzeit bebil­dert. Das Ziel ist, dass sie sich durch Worte und Bilder von ihren schmerz­haf­ten Erinnerungen distan­zie­ren können. (…) Es ist unmöglich – und viel­leicht auch nicht wünschenswert – den Krieg zu ver­ges­sen, die­se Kriege, an denen wir direkt oder aus der Distanz betei­ligt waren. Wir wer­den täglich dar­an erin­nert. In Voir du pays geht es um die­se Frage: Wie kann man überhaupt sein Leben bewältigen, wenn man sol­che Gewalt erlebt hat?«
Delphine und Muriel Coulin

Gewinner des Spielfilmpreises des
Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund Köln 2017

Kritiken: Tagesspiegel - FAZ- tazBR

Voir du pays
Frankreich 2016, 102 Min., frz. OmU
Kamera: Jean-Louis Vialard, Benoît Dervaux
Schnitt: Laurence Briaud
Darsteller*innen:
Soko, Ariane Labed, Ginger Romàn, Karim Leklou, Andreas
Konstantinou
frei­ge­ge­ben ab 12 Jahren (FSK Prüfkarte)

Termine:

 

Trailer „Die Welt sehen” OmU from Peripher Filmverleih on Vimeo.

Verleih mit Unterstützung des:

 

 

The Square

Ein Film von Ruben Östlund.

Vielfach als Gesellschaftssatire gelobt, ist der Gewinnerfilm der Goldenen Palme in Cannes doch weit mehr als nur böse, komisch und absurd. Er mutet auch uns Zuschauenden Fragen nach Eigenverantwortung, Moral und Integrität zu.

Der Museums-Chefkurator Christian ist smart, erfolg­reich und bemüht, alles rich­tig zu machen: ver­läß­lich sein, ver­ant­wor­tungs­voll han­deln, empa­thisch auf sei­ne Umgebung zu reagie­ren. Er liebt sei­ne Arbeit und die Auseinandersetzung mit der Kunst. Jetzt aber lau­ern Hindernisse und Fallstricke auf sei­nem Weg: eine neue Ausstellung im Stockholmer Museum für zeit­ge­nös­si­sche Kunst ist zu bewer­ben, lei­der ist die Künstlerin zu unbe­kannt und ihr Werk wenig pro­vo­ka­tiv. Ein beson­de­res Gala-Diner zu Ehren der Sponsoren des Kunsttempels for­dert ihn her­aus. Die Journalistin Anne, mit der er eine Nacht ver­brach­te, stellt sein Verhältnis zu Frauen auf den Prüfstand, und auch sei­ne zwei Töchter bean­spru­chen ihn. Bei einem per­for­mance-arti­gen Straßenraub ver­liert er Smartphone und Portemonnaie, doch mit Hilfe der Kollegen kann die Beute mit­tels moder­ner Technik geor­tet wer­den. Die danach getrof­fe­nen Maßnahmen kata­pul­tie­ren ihn aller­dings aus sei­ner Komfortzone, und auch das Promotionsvideo für die Ausstellung und die Performance beim Festessen ent­wi­ckeln sich desaströs.

In Ruben Östlunds Filmen geht es meist um eine gro­ße Verunsicherung – er schickt sei­ne Protagonisten in unan­ge­neh­me und kon­flikt­rei­che Situationen, aus denen sie dann nur mit viel Mühe wie­der her­aus­fin­den. Das war bei Play – Nur ein Spiel und bei Höhere Gewalt so und ist es auch hier (ein „Gesamtwerk, das die libe­ra­le Gesellschaft mit sich selbst kon­fron­tiert” – Cargo #35). Schön ist das für die Figuren nicht, aber immer­hin sind es unge­fäh­re Alter Egos des Regisseurs, er weiß um ihre Lage und fühlt mit ihnen. Bei The Square hat er die Schrauben aller­dings noch ein wenig ange­zo­gen, und Christian rutscht Stück für Stück tie­fer in sei­nen Schlamassel hin­ein, was sehr erkennt­nis­reich und dabei wahl­wei­se ver­gnüg­lich, pein­lich oder schmerz­haft ist. Eines ist es aber, trotz ande­rer Verlautbarungen und Rezensionen, mit­nich­ten: eine Abrechnung mit moder­ner Kunst oder Political Correctness.

Ach ja, der Titel: der im Film als Teil der neu­en Ausstellung vor­kom­men­de „Square” ist eine Installation von Östlund und sei­nem Produzenten Kalle Bomann von 2014, die inzwi­schen in zwei Schwedischen und Norwegischen Städten zu erle­ben ist, ein Platz, wo man sich an die eige­ne Verantwortung für die Gesellschaft erin­nern und sicher füh­len soll.


 
Credits:
 

Schweden 2017, schw. OmU, 142 Min.
Regie & Buch: Ruben Östlund
Darsteller: Claes Bang, Elisabeth Moss, Dominic West, Terry Notary, Christopher Laesso, Jan Lindwall
 
Termine:


 

Streetscapes

Eine Filmserie von Heinz Emigholz. Vom 14. – 29.10. im fsk.

Verleihwebseite

Aus vier Kapiteln besteht die Serie STREETSCAPES, jedes Kapitel ist zugleich ein eigen­stän­di­ger Film, die vier Filme hän­gen aber auf unter­schied­lichs­te Weise mit­ein­an­der zusam­men und erklä­ren sich gegenseitig.

Die Dreharbeiten für die­se Serie hat Heinz Emigholz 2013 in Tiflis, Georgien, begon­nen, in einem Aufnahmestudio, in das sich die Musiker von Kreidler ein­ge­mie­tet hat­ten, um die neue CD mit dem Titel ABC auf­zu­neh­men (Kapitel I: 2+2=22 [THE ALPHABET]).

Das zwei­te Kapitel beschäf­tigt sich mit der Architektur des Kibbutz-Baumeisters Samuel Bickels (BICKELS [Socialism]).

Im drit­ten Kapitel mit dem Titel des Gesamtzyklus (STREETSCAPES [Dialogue]) wird Bezug genom­men auf die ande­ren Kapitel: in einem Gespräch zwi­schen einem Psychoanalytiker und einem Filmemacher, der von sei­nen Blockaden erzählt, wird schließ­lich auch das Filmemachen ana­ly­siert, es geht dar­um, was der Filmemacher über­haupt sinn­voll fin­det am Filmemachen und was nicht und mit wel­chen Projekten er sich aktu­ell beschäf­tigt: mit den ande­ren Kapiteln aus der Serie.

29 Bauwerke des uru­gua­ya­ni­schen Architekten und Schalenbaumeisters Eladio Dieste und – als Prolog – drei Bauwerke von Julio Vilamajó im Montevideo wer­den im vier­ten Kapitel mit dem Titel DIESTE [Uruguay] genau betrachtet.

Ich mache das Framing, und wäh­rend ich das Bild ein­rich­te, küm­mert sich Till Beckmann um die Technik, damit ein durch­ge­zeich­ne­tes Bild dabei her­aus­kommt. Das Framing ist für mich ein foto­gra­fi­scher Akt: den Ausschnitt fest­zu­le­gen im Wissen, was man noch fil­men wird oder schon gefilmt hat. Das ist eine kine­ma­to­gra­fi­sche Entscheidung, aber gleich­zei­tig den­ke ich, dass jedes ein­zel­ne Bild so kon­zen­triert kom­po­niert sein muss, dass es für sich selbst ste­hen kann. Also nicht nur ein Füllbild oder Schnittbild sein, oder wie man das so nennt beim Filmemachen. Das ist eine kom­po­si­to­ri­sche Anstrengung, die auch in der Fotografie zu fin­den ist. Hier kommt aller­dings das Element Zeit hin­zu. Die Dauer und der Schnitt, der ja immer ein Science-Fiction-haf­ter Eingriff ist in die Zeitkonstruktion.“ Heinz Emigholz

D 2013 – 2017, 407 Min.,
Buch, Regie: Heinz Emigholz
Kamera, Schnitt: Heinz Emigholz, Till Beckmann

Wir freu­en uns, dass Heinz Emigholz zwei­mal im fsk zu Gast sein wird:
Am 15.10. fin­det nach der Vorführung von STREETSCAPES [Dialogue] (Filmstart: 14:30) ein Gespräch zwi­schen Heinz Emigholz und dem Architekten Arno Brandlhuber statt;

am 22.10. wird es nach BICKELS [Socialism] (Filmstart: 15:00) ein zwei­tes Filmgespräch geben, ange­fragt dafür ist der Leiter des Forums der Berlinale, Christoph Terhechte.

wei­te­re Termine:

Sa 14.10. 2+2 80′ 15.45
So 15.10. Streetscape 132′ + FG 14.30

Sa 21.10. 2 + 2 80′ 13.00
Sa 21.10. Streetscape 132′ 15.00
So 22.10. Dieste 95′ 13.00
So 22.10. Bickels 92′ 15.00

Sa 28.10. Bickels 92′ 13.30
Sa 28.10. Dieste 95′ 15.30
So 29.10. Streetscape 132′ 13.15
So 29.10. 2 + 2 80′ 15.45

STREETSCAPES [Official Trailer] – im Kino

Die Einsiedler

Ein Film von Ronny Trocker.

Die Einsiedler erzählt die Geschichte von Albert, der den elter­li­chen Bergbauernhof ver­las­sen hat um sich im Tal eine Existenz auf­zu­bau­en. Parallel dazu wird das Leben der Mutter auf dem abge­schie­de­nen Hof gezeigt. Ein Leben voll har­ter Arbeit und Entbehrungen, das sie ihrem Sohn unter allen Umständen erspa­ren will. Dazu ist sie sogar bereit, den Unfalltod ihres Mannes zu ver­tu­schen. Doch Albert fin­det her­aus, was gesche­hen ist. Am Ende steht er vor der Entscheidung, Tradition und Pflichtgefühl oder Aufbruch und Neubeginn, so als ob es aus dem Gefängnis der Vergangenheit kein Entrinnen gibt und sich kein Weg für die Zumutungen der Gegenwart öffnet.
„Die schrof­fe Schicksalswelt der Berge: Oben, auf einem alten, her­un­ter­ge­kom­me­nen Hof, die Eltern iso­liert und sprach­los, unten im Marmorbruch schuf­tet der ein­zig ver­blie­be­ne Sohn, der sich nach Nähe sehnt. Der Autor und Filmemacher Ronny Trocker erzählt in Die Einsiedler radi­kal und ein­dring­lich von Abschied, Veränderung und Liebe. Vor monu­men­ta­ler Kulisse führt er sein gran­dio­ses Ensemble, allen vor­an Ingrid Burkhard als unsen­ti­men­ta­le und har­te Bergbäuerin, durch eine so schweig­sa­me wie unwirt­li­che Welt. Die Einsiedler hat die Jury über­zeugt, weil er Raum schafft für Bilder, die über das Gezeigte hin­aus gehen.“ (aus der Jury Begründung für den „Fünf Seen Filmpreis“)

Österreich 2016, 100 Min.
Regie: Ronny Trocker
Kamera: Klemens Hufnagl
Schnitt: Julia Drack
mit: Andreas Lust, Ingrid Burkhard, Hannes Perkmann, Peter Mitterutzner, Oris Toth 

Happy End

Ein Film von Michael Haneke.

Ich schau‚ halt ger­ne Filme. Inzwischen mache ich sie auch ger­ne“ M. Haneke

Bei sei­ner 7. Wettbewerbsteilnahme in Cannes bleibt sich der „der gro­ße Autoritäre des gegen­wär­ti­gen euro­päi­schen Autorenkinos“ (critic.de) treu: gleich­sam böse wie prä­zi­se ana­ly­siert und seziert er eine wohl­ha­ben­de Familie, ihr nicht-Verhältnis und ihre Ignoranz. Wütend ist er dabei, und geht manch­mal mit grim­mem Humor zur Sache. Die Unternehmerfamilie Laurent lebt in einer luxu­riö­sen Großstadtvilla in Calais, der Transitstation von Geflüchteten in Europa. Das geht an den Laurents natür­lich völ­lig vor­bei, haben sie doch ganz ande­re Probleme. Patriarch Georges (Jean-Louis Trintignant kehr­te für Haneke noch ein­mal vor die Kamera zurück) erfreut sei­ne Verwandten mit poin­tier­ten sar­do­ni­schen Bemerkungen, sehnt sich aber eigent­lich nach dem Tod. Tochter Anne muss einen schwe­ren Unfall auf einer ihrer Baustellen ver­tu­schen, die Ehe von Sohn Thomas sieht auch bes­ser aus, als sie ist, und die 13-jäh­ri­ge Enkelin Eve passt sich den Familienverhältnissen bereits gut an.

Ich kann kei­nen Film über Immigranten machen, weil ich zuwe­nig über sie weiß. Ich habe weder mit ihnen gelebt, noch bin ich sel­ber einer. … Wovon ich aber sehr wohl etwas ver­ste­he, ist von unse­rer Haltung gegen­über Immigranten.« sagt Haneke im Kurier-Interview, und auch: »Der Film ist kei­ne Tragödie. Wir sind ja einer Tragödie nicht mehr wür­dig. Es ist eine Farce und auch als sol­che gedacht. … Es ist eigent­lich unmög­lich, uns noch ernst zu neh­men, denn die Leiden fin­den rund­her­um statt. Wir, in den ver­wöhn­ten Ländern, sehen es als Fernsehbericht, als Schauspiel: Wir sind nicht drin, wir kön­nen es von außen betrach­ten.“ M. Haneke

Happy End ist ein sati­ri­scher Alptraum des Reichtums im groß­bür­ger­li­chen Europa: So klar, bril­lant und unver­söhn­lich wie Halogenlicht. Es ist so mit­rei­ßend wie eine teuf­li­sche Soapopera, eine Dynastie der ver­lo­re­nen Seelen.“ The Guardian

F, D, Österreich 2017, 110 Min., franz. OmU
Regie & Buch: Michael Haneke
Kamera: Christian Berger
Schnitt: Monika Willi
mit: Isabelle Huppert, Toby Jones, Jean-Louis Trintignant, Mathieu Kassovitz, Franz Rogowski, Laura Verlinden, Fantine Harduin, Loubna Abidar

Die Nile Hilton Affäre

Ein Film von Tarik Saleh.

Kairo, am Vorabend der Revolution in Ägypten. In der Luxussuite des Hotels Nile Hilton liegt die bekann­te Popsängerin Lalela, tot. Ihr wur­de der Hals auf­ge­schlitzt und ins Gesicht geschla­gen. Alles deu­tet auf ein Verbrechen aus Leidenschaft hin. Eine jun­ge Sudanesin Salwa (Mari Malek) macht im Hotel sau­ber. Sie hört ein Geräusch. Sie sieht den Täter. Aber sie will nicht aus­sa­gen. Sie hat Angst, ihren Job zu ver­lie­ren. Polizist Noredin (Fares Fares), der sich nach dem Tod sei­ner Frau nur noch mit Tabletten und Alkohol betäubt, über­nimmt die Ermittlungen.

Ziemlich bald ver­mu­tet der hart gesot­te­ne, des­il­lu­sio­nier­te Cop, dass die Elite des Landes in den Mordfall ver­wi­ckelt ist. Schließlich war sie dort mit dem rei­chen Immobilienhändler und Politiker Hatem Shafiq (Ahmed Selim) ver­ab­re­det, mit dem sie eine Affäre hat­te. Doch sein Vorgesetzter und Onkel Kammal (Yasser Ali Maher) bremst ihn gna­den­los aus. Der bri­san­te Fall soll als Selbstmord zu den Akten gelegt wer­den. „Sie hat sich selbst die Kehle durch­ge­schnit­ten“, ver­sucht Noredin ihn aus der Reserve zu locken. Umsonst.

Noredin frei­lich beißt sich fest. Legt sich mit allen an. Plötzlich taucht die hüb­sche Freundin der Toten auf. Die mys­te­riö­se Gina (Hania Amar). Sie ver­hilft ihm nicht nur zu neu­en Hinweisen. Und auch der ver­däch­ti­ge Politiker will plötz­lich, dass er den Fall auf­klärt. Durch Korruption und poli­ti­sche Intrigen stol­pert Noredin von einer Falle in die nächs­te. Die Staatssicherheit zieht der­weil im Hintergrund die Fäden. Auf dem Tahir Platz kommt es bei einer Demonstration zum Showdown.

Atmosphärisch dicht insze­niert Regisseur Tarek Saleh das düs­te­re Stimmungstableau sei­nes klas­si­schen Noir-Krimis. Dabei kann der Schwede mit ägyp­ti­schen Wurzeln sich bei sei­nem erhel­len­den Politthriller voll auf sei­nen exzel­len­ten Hauptdarsteller Fares Fares ver­las­sen. Der talen­tier­te Schauspieler ver­leiht sei­ner Figur als brü­chi­ger, des­il­lu­sio­nier­ter Held ein ein­deu­ti­ges Profil. Nicht umsonst wur­de das fes­seln­de Gesellschaftsportrait beim dies­jäh­ri­gen Sundance Film Festival mit dem Grand Jury Prize (World Cinema – Dramatic) aus­ge­zeich­net und auch beim Münchner Filmfest begeis­tert aufgenommen.

Luitgard Koch | programmkino.de

Ich hat­te nie vor, einen poli­ti­schen Film zu dre­hen. Im Gegenteil, ich woll­te eher einen per­sön­li­chen Film machen. Es geht dar­um, dass man nicht nur ein wenig kor­rupt sein kann. Das funk­tio­niert nicht. Entweder man ist es oder nicht.
Korruption in Ägypten ist nicht das Gleiche, wie Korruption in Europa. In Ägypten ent­stand die Korruption, weil es für die Menschen kei­nen ande­ren Weg gab, um zu über­le­ben. Es gab immer aus­län­di­sche Machthaber. So ent­stand ein System neben dem System, um mit den Römern, den Griechen, den Türken, den Engländern oder den Franzosen, wer auch immer gera­de die Macht hat­te, zu kom­mu­ni­zie­ren. Man brauch­te stän­dig jeman­den, der in sei­nem Namen sprach. Dieses System war sehr sta­bil, es bestand seit tau­sen­den von Jahren. Nach der natio­na­len Revolution durch die die aus­län­di­schen Machthaber ver­drängt wur­den, ent­stand nicht sofort ein kom­plett neu­es System.
Deshalb wird Korruption in Ägypten nicht so wahr­ge­nom­men wie woan­ders. Das Wort Korruption selbst zum Beispiel: Es gibt in Ägypten, also auf Arabisch das Wort „was­ta“ und das bedeu­tet „Gefallen“ oder „wen man kennt“. Jeder in Ägypten braucht „was­ta“, egal wer. Sogar der Präsident. Deshalb ist es ist kein nega­tiv, son­dern ein posi­tiv beleg­tes Wort.

Tarik Saleh | Regisseur

Schweden, Dänemark, Deutschland, 2017
Regie & Drehbuch: Tarik Saleh

Darsteller: Fares Fares, Mari Malek, Yaser Maher, Hania Amar, Ahmed Seleem, Slimane Dazi, Hichem Yacoubi, Mohamed Yousry, Ger Duany. Yasser Ali Maher.


im Kino mit deut­schen Untertiteln