Archiv der Kategorie: archiv

Liebe, D‑Mark und Tod

Ein Film von Cem Kaya.

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Mit den Menschen brach­te das Anwerbeabkommen mit der Türkei 1961 auch die Musik der Gastarbeiter*innen nach Deutschland. Cem Kayas dich­ter Dokumentarfilmessay ist eine Nachhilfestunde in tür­kisch-deut­scher Zeitgeschichte: Fließbandjobs, Heimweh und Familiennachzug, der Basar im Berliner Hochbahnhof Bülowstraße, Xenophobie und Rassismus, die weh­mü­ti­gen Lieder der frü­hen Jahre und der Hiphop der Nachwendezeit. Von all dem erzäh­len die Musiker*innen, begin­nend mit Metin Türköz und Yüksel Özkasap über die psy­che­de­li­schen Derdiyoklar bis zum Rapper Muhabbet, der in den Charts stand. Ihre Musik ent­wi­ckel­te sich fern­ab von der deut­scher Bands, immer getra­gen von der tür­ki­schen Gemeinschaft und deren Bedürfnissen. Es geht um Radio Yilmaz, diver­se Musikkassettenlabels, das deut­sche Exil des Protestrockers Cem Karaca und um Hochzeitsbands, die auch auf Kurdisch und Arabisch sin­gen, um den Markt zu bedie­nen.
Umfangreiche Archivrecherche und das Interesse an tür­ki­scher Populärkultur sind wie­der­keh­ren­de Themen in Cem Kayas Werk. Mit Aşk, Mark ve Ölüm schafft er ein rhyth­misch und leben­dig erzähl­tes, fil­mi­sches Nachschlagewerk der tür­ki­schen Musik in Deutschland.

Credits:

Aşk, Mark ve Ölüm
DE 2022, 96 Min., Türkisch, Deutsch, Englisch OmU
Regie: Cem Kaya
Buch Cem Kaya, Mehmet Akif Büyükatalay
Koautor*in Ufuk Cam
Kamera: Cem Kaya, Mahmoud Belakhel, Julius Dommer, Christian Kochmann
Schnitt: Cem Kaya
mit İsmet Topçu, Ömer Boral, Yüksel Ergin, İhsan Ergin, Metin Türköz, Adnan Türköz, Yüksel Özkasap, Cevdet Yıldırım, Ercan Demirel, Cavidan Ünal, Ata Canani, Cem Karaca, Betin Güneş, Aykut Şahin, Fehiman Uğurdemir, Cengiz Öztunç, Dede Deli, Mustafa Çetinol, Erdal Karayağız, İzzet Nihat Yarsaloğlu, Hatay Engin, Yasin Kıran, Aytaç Kıran, Serdar Saydan, Serkan Kaynarcalı, Rüştü Elmas, Mustafa Deniz, Oktay Vural, Orhan Amuroğlu, Ümit Gücüyener, Sultan Korkmaz, Bekir Karaoğlan, Ümit Çağlar, Ali Ekber Aydoğan, Killa Hakan, Kabus Kerim, Derya Yıldırım, Tümay Koyuncuoğlu, Rossi Pennino, Kutlu Yurtseven, Erci E., Alper Ağa, Boe B., Tahir Çevik, Volkan Türeli, Nellie, Muhabbet, Aziza A., İmran Ayata, Bülent Kullukcu, Ibrahim Ertalay, Ilkay Kökel, Mehmet Yozgut

Trailer:
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Hive

Ein Film von Blerta Basholli.

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Der Krieg im Kosovo ist vor­über, und vie­le der Männer kehr­ten nicht zurück. Im Dorf müs­sen jetzt die Alten, die Frauen, ihre Kinder und weni­ge arbeits­fä­hi­ge Männer neben der Ungewiss auch mit der pre­kä­ren Lage zurecht­kom­men. Mehr schlecht als recht schafft es Fahrije, mit der kläg­li­chen Unterstützung, Sohn, Tochter, Schwiegervater und sich selbst durch­zu­brin­gen, der Ertrag vom Bienenstock ihres Ehemannes hilft wenig. Aber sie weiß, was sie kann: Ajvar, eine Paprikazubereitung, her­stel­len, und so wird eine Großküche in der Imkerei ein­ge­rich­tet. Kontakte zu Supermärkten in der Gegend her­stel­len ist die eine, die Ware dort zuzu­stel­len die ande­re Hürde. Fahrjie beschließt, den Führerschein zu machen. Das ist zu viel für die, vor­sich­tig gesagt, patri­ar­chal gepräg­te Gemeinde. Selbständig arbei­ten zu wol­len war schon eine Zumutung, aber Auto fah­ren … da fliegt auch schon mal ein Stein durch die Scheibe. Andere Frauen, die in der glei­chen Situation ste­cken, war­nen sie, aber, was bleibt ihnen eigent­lich zu tun übrig? Das Ende wird jetzt nicht ver­ra­ten, nur soviel: die Geschichte hat so bzw. so ähn­lich statt­ge­fun­den, und die rea­le Farhije sag­te nach Sichtung des Filmes: „Ich habe so viel mehr gelit­ten, aber ich den­ke, Sie haben die Dinge sehr gut zusam­men­ge­fasst.“ zu Regisseurin Blerta Basholli. Die kehr­te nach ihrem Studium an der New York University 2011 in ihre Heimat zurück, und ist inzwi­schen Kulturdirektorin in Pristina.

… [Sie] erzählt sozi­al­rea­lis­tisch aus dem Leben die­ser Frau und ihres Umfelds, das vom Feminismus ver­ges­sen wor­den zu sein scheint. Doch rutscht sie nie­mals ins Melodram, viel­mehr rückt sie die ver­hee­ren­de Zerstörung eines gan­zen sozia­len Gefüges in den Fokus ihres Films und die immense gemein­schaft­li­che Anstrengung, derer es bedarf, um nach einem sol­chen kol­lek­ti­ven und per­sön­li­chen Trauma wei­ter­zu­ma­chen.“
Sofia Glasl | Filmdienst

Credits:

XK, CH, AL, MK 2021, 84 Min., alba­ni­sche OmU
Buch & Regie: Blerta Basholli
Kamera: Alex Bloom
Schnitt: Félix Sandri, Enis Saraçimit: Yllka Gashi, Çun Lajçi, Aurita Agushi, Kumrije Hoxha, Adriana Matoshi

Trailer:
HIVE | offi­zi­el­ler deut­scher Trailer | OmU
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Komm mit mir in das Cinema – Die Gregors

Ein Film von Alice Agneskirchner.

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Der Titel zitiert Else Lasker-Schülers gleich­na­mi­ges Gedicht: Im Cinema fin­de man, „was ein­mal war: Die Liebe!“, schreibt die Dichterin dar­in im Jahr 1937. Zwei Jahrzehnte spä­ter hat die Liebe zum Kino zwei Menschen zusam­men­ge­bracht, die die Filmgeschichte Nachkriegsdeutschlands – umfas­send ver­stan­den als Geschichte auch des Filmabspiels und des Diskurses über Film – auf bedeu­ten­de Weise erwei­tert, heu­te wür­de man sagen, diver­ser gemacht haben: Erika und Ulrich Gregor.
Alice Agneskirchners Dokumentarfilm nähert sich den Gründer*innen des Kinos Arsenal und des Internationalen Forum des Jungen Films über ver­schie­de­ne Pfade: zum einen über die beweg­te Lebensgeschichte des seit über 60 Jahren ver­hei­ra­te­ten Paars, zum ande­ren über pro­mi­nen­te Wegbegleiter*innen wie Jutta Brückner, Wim Wenders und Jim Jarmusch. Zentral sind aber auch die Filme, die den Gregors beson­ders am Herzen lie­gen, für die sie sich ein­ge­setzt haben: So gibt es Wiederbegegnungen der Gregors mit Claude Lanzmanns Shoah, István Szabós Apa oder Helke Sanders Die all­sei­tig redu­zier­te Persönlichkeit – Redupers. Ein Film nicht nur über die Liebe und das Kino, son­dern auch über ein Stück bun­des­re­pu­bli­ka­ni­scher Zeitgeschichte.

Credits:

DE 2021, 155 Min.
Regie & Buch: Alice Agneskirchner
Kamera: Jan Kerhart
Schnitt: Silke Botsch
mit Erika Gregor, Ulrich Gregor

Trailer:
KOMM MIT MIR IN DAS CINEMADIE GREGORS – Offizieller Trailer
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Das Glücksrad – Wheel of fortune and fantasy

Ein Film von Ryusuke Hamaguchi.

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Ryūsuke Hamaguchis zwei letz­te Filme lie­fen hin­ter­ein­an­der im Wettbewerb zwei­er A‑Festivals, und bei­de wur­den aus­ge­zeich­net. Oscar-Gewinner „Drive my Car“, der in Cannes 2021 u.a. den Drehbuchpreis gewann, star­te­te letz­ten November erfolg­reich auch bei uns im Kino. Jetzt legen wir mit dem „Großen Jurypreis“ der Berlinale, „Wheel of Fortune and Fantasy“ bzw.“Das Glücksrad“ nach. War ers­te­rer geprägt von sei­ner Vorlage, einer Murakami-Kurzgeschichte, merkt man dem „Glücksrad“ die Nähe zu Rohmers luf­tig-tie­fem „Rendezvous in Paris“ an, den der Regisseur als Referenz angibt, und dabei mehr als nur die Aufteilung in drei Episoden meint.
Der Zufall spielt dies­mal eine gro­ße Rolle, sei es eine Begegnung, ein Missverständnis oder nur eine falsch gesen­de­te Mail. Filigrane amou­rö­se Gebilde sind alle drei Geschichten, sie fügen sich zu anrüh­ren­den oder auf­re­gen­den, uni­ver­sal ver­ständ­li­chen Momenten für die Protagonistinnen zusam­men.
Zunächst schwärmt Meikos Freundin Tsugumi von einer tol­len Nacht mit einem tol­len Mann, bis Meiko erkennt, dass es sich dabei um ihren Ex-Liebhaber han­delt, mit dem sie noch nicht abge­schlos­sen hat. In der nächs­ten, gleich tra­gi­schen wie lus­ti­gen Episode will die Studentin Nao ihrem Hochschulprofessor Tsugumi eine Verführungsfalle stel­len. Zum Schluss trifft Nana nach einem völ­lig ver­patz­ten Klassentreffen ihre Jugendliebe Moka doch noch wie­der. Die bei­den Frauen ver­brin­gen einen wun­der­ba­ren, ver­trau­ten Nachmittag mit­ein­an­der – doch ist es wirk­lich Moka?
„Ich weiß nicht, wie man die­sen Film nicht lie­ben kann.“ Robert Ide | Tagesspiegel

Credits:

JP 2021, 121 Min., jap. OmU
Regie & Schnitt: Ryusuke Hamaguchi
Kamera: Yukiko Iioka
mit:
Kotone Furukawa, Kiyohiko Shibukawa, Katsuki Mori, Fusako Urabe, Aoba Kawai, Ayumu Nakajima, Hyunri, Shouma Kai

Trailer:
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Alle reden übers Wetter

Ein Film von Annika Pinske. 

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Stadt / Land, Ost / West, Mann / Frau – für Clara für gibt es vie­le Identitätsfragen. Die wich­tigs­te jedoch heißt: was ist der Preis, den die Philosophiedoktorandin für den Bildungsaufstieg bezah­len muss? Als sie zum 60sten Geburtstag ihrer Mutter in ihre meck­len­bur­gi­sche Heimat zurück­kehrt, reagie­ren die Verwandten und alten Bekannten ganz ver­schie­den auf sie. Kein ent­spann­ter Umgang erscheint mög­lich.
Clara wird bewusst, wie weit sie sich auf der Suche nach einem selbst­be­stimm­ten, erfolg­rei­chen Leben von ihren Wurzeln ent­fernt hat, und wie sich sich hat ver­än­dern müs­sen, um in ihrem jetz­ti­gen Leben in Berlin mit­zu­hal­ten. Aber auch dort, im aka­de­mi­schen Umfeld, wo auf Feiern Champagner statt Bier gereicht wird, ist sie nicht zuhause.

Der Film han­delt von Heimat und Herkunft und fragt, was man für ein selbst­be­stimm­tes Leben zurück­las­sen muss, beson­ders als Frau. Es geht auch um Mütter und Töchter und ihre Beziehungen, um Frauen in män­ner­do­mi­nier­ten Berufen und den Kampf um Anerkennung.
Der Film beob­ach­tet die Geschlechterhierarchien in den ganz ein­fa­chen all­täg­li­chen Interaktionen der Figuren und zeigt, wie stark wir in der Gesellschaft auf bestimm­te Rollen fest­ge­legt sind und wie schwie­rig es ist, die­sen zuge­wie­se­nen Platz zu ver­las­sen, aus­zu­bre­chen und etwas Neues zu fin­den. Diese Sehnsucht hat mit Trennung und Grenzen zu tun, und es gibt eben­so viel Schmerz wie Verheißung. Ich lie­be die­se Widersprüche im Leben. Sie sind eine Art krea­ti­ver Motor für mich.“ Annika Pinske

Credits:

DE 2022, 89 Min., deut­sche OmeU
Regie & Buch: Annika Pinske
Kamera: Ben Bernhard
Schnitt: Laura Lauzemis
mit Anne Schäfer, Anne-Kathrin Gummich, Judith Hofmann, Marcel Kohler, Max Riemelt, Emma Frieda Brüggler, Thomas Bading, Christine Schorn, Sandra Hüller, Alireza Bayram

Trailer:
Alle reden übers Wetter (offi­zi­el­ler Trailer)
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Mit 20 wirst du sterben

Ein Film von Amjad Abu Alala.

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Damit der Mensch leben kann, muss der Tod gleich­zei­tig prä­sent und abwe­send sein. Das Gefühl von Sterblichkeit treibt vor­an und erfüllt mit Sinn, begrenz­te Zeit will schließ­lich genutzt wer­den. Doch zu nah darf das Ende nicht erschei­nen, weil es vom Gefühl für Wirkung und Konsequenz des Handelns befreit.“ Dieser Text von Lucas Barwenczik führt in den Film ein. Es gibt schon eini­ge Filme, in denen das Wissen über den Todeszeitpunkt die Folie ist, aber dies ist der ers­te aus suda­ni­scher Sicht und der ers­te des Regisseurs, dabei erst der ach­te Spielfilm aus dem Land ins­ge­samt.
Ein Junge wur­de gebo­ren und soll vom Imam geseg­net wer­den, doch bei sei­nem Zahlentanz bricht der Derwisch mit dem Wort „20“ auf den Lippen tot zusam­men. Für die Gemeinde steht fest: Mit 20 wird der klei­ne Muzamil ster­ben. Was wird aus einem Kind, das ohne Zukunft auf­wächst? Der Vater ver­lässt umge­hend das Land, die Mutter wird immer from­mer, der Junge zwei­felt nicht an der Prophezeiung, muss aber viel Häme ertra­gen und wird oft geschnit­ten. Als Heranwachsender lernt er jedoch Sulaiman ken­nen, einen alten Rebellen, der von reli­giö­sen Vorhersagen wenig hält.
Mit 20 wirst du ster­ben ist fas­zi­nie­rend in sei­nen Bildkompositionen, den war­men Farben, den Aufnahmen, in denen das Innere in Muzamils Haus mit den traum­haf­ten Sequenzen der kegel­för­mi­gen Heiligtümer kon­tras­tiert. Der in Venedig preis­ge­krön­te Film ist geprägt von der sorg­fäl­ti­gen und wohl­wol­len­den Beobachtung des Lebens im Dorf zwi­schen blau­em und wei­ßem Nil.
„Er [der Film] zeigt, wie sehr ein star­ker Glaube das Leben der Menschen beein­flus­sen und wie er poli­tisch genutzt wer­den kann. Die suda­ne­si­sche Regierung von Omar el-Beshir benutz­te den Islam, um das Volk zum Schweigen zu brin­gen. Wenn jemand den Satz «Gott sagt» aus­spricht, wer­den alle still. Mein Film ist eine Einladung, sich davon frei zu machen.“ Amjad Abu Alala
Filmgespräch mit dem Produzenten am 28.8. 20Uhr

Credits:

SD 2019, 105 Min., OmU
Regie: Amjad Abu Alala
Schnitt: Heba Othman
Kamera: Sébastien Goepfert
mit: Mustafa Shehata, Islam Mubarak, Mahmoud Elsaraj, Bunna Khalid

Trailer:
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Der perfekte Chef

Ein Film von Fernando León de Aranoa.

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Einst war er Santa, ein groß­mäu­li­ger Arbeitsloser unter vie­len – Javier Bardem gibt ihn in Fernando León de Aranoas Debut Montags in der Sonne, das mit viel Sinn für Humor und Solidarität unter den gesell­schaft­lich Benachteiligten zum gro­ßen Überraschungserfolg avan­cier­te. 20 Jahre spä­ter ist er bei de Aranoa nicht mehr der Underdog, son­dern ganz oben ange­langt. Bardem spielt Julio, den patri­ar­cha­len Chef einer Waagenfabrik, mit eben soviel Verve wie vor zwei Jahrzehnten Santa.
Julio Blanco hat die Fabrik von sei­nem Vater geerbt und will sie einer­seits zeit­ge­mäß fort­füh­ren. Alle Mitarbeiter über­neh­men Verantwortung, heißt es bei ihm. Alle sind auf Augenhöhe und eine gro­ße glück­li­che Familie und noch mehr Humbug, der jeg­li­chen Zusammenhalt und Mitbestimmungswunsch der Untergebenen unter­bin­den soll. Auf der ande­ren Seite mischt er sich, ganz Firmen-Papa, unge­fragt in die pri­va­ten Angelegenheiten sei­ner Angestellten ein und über­schrei­tet auch sonst man­che mora­li­sche Grenze. Als ein Angestellter sich mit sei­ner – natür­lich unaus­weich­li­chen – Entlassung nicht abfin­det, und ein Protestcamp vor dem Firmentor auf­schlägt, scheint das dem Firmenoberhaupt aus der Balance zu brin­gen. Er war­tet gera­de sehn­süch­tig auf den unan­ge­mel­de­ten Besuch der Jury, die den begehr­ten Preis der Regierung für exzel­len­te Unternehmensführung ver­gibt. Die Auszeichnung soll der Höhepunkt sei­nes Schaffens wer­den, und da ist der irrer Querulant vor der Tür, der auch noch vol­les Medieninteresse erlangt, äußerst unwill­kom­men.
„Der alte Klassenkampf löst sich auf in einen Nebel aus Metaphern über das Boot, in dem man sit­ze. Diesen Strukturwandel so raf­fi­niert in die komö­di­an­ti­sche Struktur ein­zu­flech­ten und qua­si unter­zu­schmug­geln, ist das eigent­li­che Verdienst des Films.“ Peter Gutting | kino-zeit.de

Credits:

El buen patrón
ES 2021, 120 Min., span. OmU
Drehbuch und Regie: Fernando León de Aranoa

Schnitt: Vanessa Marimbert
mit: Javier Bardem, Manolo Solo, Almudena Amor, Óscar de la Fuente, Sonia Almarcha
Kamera: Pau Esteve Birba

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Der per­fek­te Chef Trailer OmU
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Die Magnetischen

Ein Film von Vincent Maël Cardona.

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Frankreich Anfang der 1980er Jahre: auch auf dem Acker herrscht reges Treiben, auch hier ist DIY ange­kom­men. In einer ver­schla­fe­nen Kleinstadt betreibt die Clique um den cha­ris­ma­ti­schen Jerôme und sei­nen intro­ver­tier­ten Bruder Philippe auf einem Dachboden einen Piratensender. Als Marianne mit ihrer klei­nen Tochter aus Paris in den Ort zurück­zieht, ist es um die Brüder gesche­hen und bei­de ver­lie­ben sich Hals über Kopf in sie. Jerôme kann Marianne schnell für sich gewin­nen, wäh­rend Philippe sich wei­ter um die Technik küm­mern darf. Dank sei­ner Gradlinigkeit wird er beim Versuch, dem Wehrdienst zu ent­ge­hen, ein­ge­zo­gen und muß sei­ne ver­trau­te Umgebung und Marianne gegen West Berlin ein­tau­schen, dass erstaun­lich hell ist. Dort ver­än­dert die Begegnung mit dem schil­lern­den Radiomoderator Dany sein Leben, sich wer­den Freunde und er ent­deckt nach einer Begegnung mit John Peel (ja, hier wird sich extra weit aus dem Fenster gelehnt) sei­ne eige­ne Kreativität als DJ und Soundwimmeler. Doch zurück aus der Mauerstadt hat sich alles verändert.

Vincent Maël Cardona gelingt es mit durch die Bank sehr über­zeu­gen­den Schauspielern, allen vor­an mit Thimotée Robart und Joseph Olivennes als unglei­chen Brüdern, die Atmosphäre der 1980er Jahre im Look, im Sound und in den Details per­fekt wider­zu­spie­geln. Darüber hin­aus erzählt er eine uni­ver­sel­le Geschichte vom Erwachsenwerden, aus­ge­löst durch den unwi­der­steh­li­chen Sog der Liebe. In einer gran­dio­sen Szene wir­belt Philippe in einem Berliner Radiostudio wie ein Derwisch durch die Räume, als er in einer Live-Performance eine aber­wit­zi­ge Klangcollage aus schwin­gen­den Mikrofonen, gescratch­ten Schallplatten und vir­tu­os ein­ge­füg­ten Kassettentape-Ausschnitten zusam­men­zau­bert – eine ein­zig­ar­ti­ge Liebeserklärung an Marianne und gleich­zei­tig ein wil­der Rausch der Selbstoffenbahrung.
(Christoph Becker, Artechock)

Credits:

Les Magnétiques
FR / DE 2021, 98 Min., frz. OmU
Regie: Vincent Maël Cardona
Kamera: Brice Pancot
Schnitt: Flora Volpelière
mit: Thimotée Robert, Marie Colomb, Joseph Olivennes, Meinhard Neumann

Trailer:
Les Magnétiques Trailer OmU
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To the Ends of the Earth

Ein Film von Kiyoshi Kurosawa.

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Die japa­ni­sche Starmoderatorin Yoko mode­riert ein in ihrer Heimat belieb­tes Reisemagazin. In der neus­ten Folge sol­len die ursprüng­li­chen und exo­ti­schen Seiten Usbekistan ent­deckt wer­den. Aber nichts läuft wirk­lich wie geplant. Das Filmteam reist durchs Land, filmt im wun­der­ba­ren Samarkand und an ande­ren belieb­ten Spots, besucht einen Markt, ver­sucht das loka­le Essen und fühlt sich trotz­dem nie so rich­tig wohl. Bei einem ihrer Streifzügen ent­deckt Yoko eine Ziege, die in einer für sie viel zu klei­nem Stallung steht. Um etwas Action ins Format zu brin­ge, soll die Ziege befreit wer­den – kein guter Plan, wie sich zeigt. Aber mit der Zeit, und nach wei­te­ren Unternehmungen auf dem unbe­kann­tem Terrain kommt Yoko lang­sam auch zu sich, so dass kurz vor Ende der Japanische Originaltitel Sinn macht: Das Ende einer Reise, der Beginn einer Welt.
Kiyoshi Kurosawa gehört zu den wich­tigs­ten Filmschaffenden Asiens. Diesmal ver­lässt er sei­ne mit­un­ter har­te Vision der moder­nen Welt, um uns eine fried­li­che­re und opti­mis­ti­sche­re Reise anzu­bie­ten.
„Hinter dem gewal­ti­gen Titel To the Ends Of the Earth ver­birgt sich ein klei­ner gro­ßer Film von über­ra­schen­der Romantik. Doch die weni­gen Klänge, die er anschlägt, hal­len weit über die zwei Stunden Laufzeit hin­aus. Es ist ein Reisefilm über ein Fernsehteam, das eine Reisereportage dreht. So sehen wir wenig von Japan, aber viel von Usbekistan. Sehen aber heißt noch lan­ge nicht ver­ste­hen.
Denn wie Sofia Coppola in ihrer Japan-Komödie Lost in Translation por­trä­tiert Kurosawa zugleich die Reisenden in ihrer Unfähigkeit, sich auf das Fremde ein­zu­las­sen. Aber auf sei­ne behut­sa­me Art zeich­net er dabei ein grö­ße­res Bild als Coppola. Die Pest, die er fast unmerk­lich seziert, ist das pseu­do-doku­men­ta­ri­sche Reportagefernsehen an der Schwelle zur Dokusoap. Jene Art von Journalismus, die in die Welt hin­aus­zieht, um Klischees bestä­tigt zu fin­den und dazu ein paar Kuriositäten ein­zu­sam­meln.“
Daniel Kothenschulte | FR

Credits:

Tabi no Owari Sekai no Hajimari (旅のおわり世界のはじまり)
UZ 2019, 120 Min. japa­nisch, usbe­ki­sche OmU
Regie: Kiyoshi Kurosawa
Kamera: Akiko Ashizawa
Schnitt: Koichi Takahashi
mit: Atsuko Maeda, Shota Sometani, Tokio Emoto, Adiz Rajabov, Ryo Kase

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Alcarràs

Ein Film von Carla Simón.

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Seit 80 Jahren baut die Familie Solé in Alcarràs Pfirsiche an. In die­sem Sommer ver­sam­melt sie sich zum letz­ten Mal zur gemein­sa­men Ernte. Das Land hat­te ihnen einst der Großgrundbesitzer Pinyol über­las­sen, als Dank für sei­ne Rettung im Spanischen Bürgerkrieg. Doch der jun­ge Pinyol will vom Handschlag sei­nes Großvaters nichts mehr wis­sen. Er will das Land zurück, um eine Photovoltaik-Anlage dar­auf zu errich­ten. Vielstimmig und mit über­bor­den­der Energie erzählt Alcarràs von der letz­ten Ernte der Solés – so hand­fest, dass man sich bald selbst inmit­ten der Familie wähnt. Der Großvater Rogelio gibt die Hoffnung nicht auf, den jun­gen Pinyol zum Einlenken zu bewe­gen. Vater Quimet stürzt sich in die Erntearbeit, als gäbe es kein Morgen. Dolores hält Haus und Familie mit Optimismus und Geduld zusam­men, doch auch sie muss lang­sam ihre Grenzen erken­nen. Die fast erwach­se­nen Kinder Roger und Mariona, Quimets Schwestern Glòria und Nati und Schwager Cisco – alle hel­fen mit, wäh­rend die klei­ne­ren ihren eige­nen Sommer erle­ben und stän­dig neu­es ent­de­cken. Doch inmit­ten der Erntearbeit, nur zwi­schen Sonnenunter- und Sonnenaufgang unter­bro­chen, meh­ren sich die Stimmen, die Angebote Pinyols, für ihn zu arbei­ten, zu über­den­ken. Die Selbstständigkeit wür­de auf­ge­ge­ben, aber die Arbeit gere­gel­ter. Quimet, qua­si das Familienoberhaupt, will davon nichts wis­sen.
„Alcarràs ist ein klei­nes Dorf im tiefs­ten Katalonien, wo mei­ne Familie Pfirsiche anbaut. Als mein Großvater vor eini­gen Jahren starb, über­nah­men mei­ne Onkel und Tanten das Land. Die Abwesenheit mei­nes Großvaters brach­te mich dazu, die Familientradition und ihre Verbundenheit mit dem Land, die Bäume, die sie anbau­ten, auf eine neue Art wert zu schät­zen. Ich spür­te, dass das alles eines Tages ver­schwin­den könn­te. So ent­stand die Idee zu Alcarràs.
Wir haben mit groß­ar­ti­gen nicht-pro­fes­sio­nel­len Schauspielerinnen und Schauspielern aus der Gegend von Alcarràs gear­bei­tet, die eine wirk­li­che Verbindung zum Land und zum Boden haben und die den beson­de­ren Dialekt die­ser kata­la­ni­schen Region spre­chen.“
Carla Simón

Goldener Bär – Berlinale 2022

Credits:

ES/IT 2022, 120 Min., kata­la­ni­sche Originalfassung mit deut­schen und eng­li­schen Untertitlen
Regie: Carla Simón
Buch: Arnau Vilaró, Carla Simón
Kamera: Daniela Cajías
Schnitt: Ana Pfaff
mit Jordi Pujol Dolcet, Anna Otin, Xènia Roset, Albert Bosch, Ainet Jounou, Josep Abad, Montse Oró, Carles Cabós, Berta Pipó

Trailer:
OmU-Trailer ALCARRÀSDIE LETZTE ERNTE – ab 11. August im Kino
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