Ein Hauch von Rebellion weht durch das kleine Schweizer Bergtal: ausgehend von Florian Eitels „Anarchistische Uhrmacher in der Schweiz“ erzählt Cyril Schäublin in seinem preisgekrönten zweiten Spielfilm über revolutionäres Streben, eine beginnende Romanze, dem Wesen komplizierter Handwerksarbeit und die Abhängigkeit von Zeit, Technik, Arbeit und Gewinn.
Die UNRUH ist die Federspirale einer Uhr und mit ihrer Unruhe verantwortlich für die genau Abbildung des Zeitlaufs, nicht ihrer Messung. In dem Dorf mit der wichtigen Uhrenmanufaktur haben Gemeinde, Fabriken, Bahn und Post nämlich jeweils eigene Zeiten. So kann es passieren, dass man dadurch nach der Pause zwei Minuten zu spät zurück in der Fabrik ist, aber eine ganze Stunde abgezogen bekommt. Doch es regt sich Widerstand gegen die Arbeitsverhältnisse im Allgemeinen, die die Menschen zu sekundenabhängigen maschinenartig Schaffenden macht. Der russische Kartograph und Anarchist P. A. Kropotkin ist jedenfalls überrascht und fasziniert, als er 1877 ins Tal kommt. Einerseits schlägt ihn junge Uhrmacherin Josephine, die präzise und mit Leidenschaft Unruhen zusammensetzt, in den Bann, andererseits verfolgen sie und ihre Kolleg*innen schon länger die Idee der Anarchie und harren ihrer Umsetzung. Etwas Sabotage, eigene Publikationen, die Gründung einer Gewerkschaft und Solidaritätsaktionen mit Kollegen in fernen Ländern gehören dazu.
„Die meisten Ereignisse werden behandelt, als wäre man zufällig über sie gestolpert. Man lauscht … wie ein(e) Passant*in, im Vorübergehen hier und da ein paar Sätze aufschnappend. Die Kamera nimmt in „Unruh“ nie das Offensichtliche in den Blick. … Es geht um Menschen, aber eben auch um Ideen. Um Individuen, aber eben auch um Massen und Bewegungen. Es sind demokratische Bilder, die das Publikum für sich selbst ordnen darf. …Ein schillerndes, kluges Gesellschaftsporträt zwischen Spott und Empathie, Sanftmut und Zorn, Liebe und Revolution.“
Lucas Barwenczik | Filmstarts.de
Credits:
CH 2022, 93Min., Schweizerdeutsch/Französisch/Russisch u. a. OmU
Regie, Drehbuch, Schnitt: Cyril Schäublin, Kamera: Silvan Hillmann
mit: Clara Gostynski, Alexei Evstratov, Monika Stalder, Hélio Thiémard, Alice-Marie Humbert, Esther Flückiger, Alisa Miloglyadova, Elisaveta Kriman, Olga Bushkova
Trailer:
nach oben