Archiv der Kategorie: archiv

Night Nursery

ein Film von Moumouni Sanou. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

In der Kreisstadt Bobo-Dioulasso, in der Nähe von Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou, geben Sexarbeiterinnen ihren Nachwuchs in die Obhut von Frau Coda, einer älte­ren Dame, die sich seit Jahrzehnten um Kinder küm­mert, deren Mütter nachts auf der Straße ihr Geld ver­die­nen. Dem Filmemacher Moumouni Sanou ist es über die Jahre gelun­gen, das Vertrauen aller Beteiligten zu gewin­nen und einen tie­fen Einblick in das Leben von Odile und Farida zu bekom­men, die bei­de auf die Dienste von Frau Coda ange­wie­sen sind. Zärtlich und sehr genau beob­ach­tet er alle Aspekte ihres Lebens, Hausarbeit, Freizeit, inti­me Momente des Mutterseins, auch ihre Beziehung zu Frau Coda und wie die­se ihre Kinder erzieht. Im Mittelpunkt des Films ste­hen die Erfahrungen von Frauen. Männer und Väter sind abwe­send, außer in den mal amü­san­ten, mal zutiefst erschüt­tern­den Geschichten, die Farida und Odile von ihrer Arbeit erzäh­len. Sanous zurück­hal­ten­der, respekt­vol­ler Blick macht die Vorzüge hori­zon­ta­len Filmemachens deut­lich, das sich durch größt­mög­li­che Aufmerksamkeit und Sensibilität den Protagonisten gegen­über auszeichnet.

Credits:

Garderie noc­turne
UV/FR/DE 2021, 67 Min., Dioula OmU,
Regie Moumouni Sanou
Kamera: Pierre Laval
Schnitt: François Sculier
mit: Odile Kambou, Fatim Tiendrebeogo 

Trailer:
Night Nursery | Official Trailer | Berlinale 2021
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Sing Me a Song

ein Film von Thomas Balmès.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Das Recht auf Glück ist in Bhutan per Gesetz Ziel allen staat­li­chen Handelns. Dokumentationen wie Die Ökonomie des Glücks, Speed – Auf der Suche nach der ver­lo­re­nen Zeit oder What Happiness Is such­ten und suchen nach dem Geheimnis der Lebenszufriedenheit der Einwohner des bud­dhis­ti­schen Himalaya-Staates.
Glück ist jedoch eine sehr brü­chi­ge Angelegenheit. Regisseur Thomas Balmés dreh­te 2012 erst­mals im wun­der­ba­ren und weit abseits gele­ge­nen Kloster in Laya sei­nen Film namens, genau, Happiness, wo er den damals 8‑jährigen Peyangki por­trä­tiert, der auf Wunsch sei­ner Mutter mit Leib und Seele Mönch wer­den will. Der Regisseur regis­triert die hohe Anziehungskraft moder­ner Medien, kurz nach deren Einzug in der Abgeschiedenheit der Berge. Acht Jahre spä­ter sind Smartphone und Internet im Kloster Standard. Peyangki ist Teenager und hat sich online ver­liebt, in Internetsängerin Nguen aus Bhutans Hauptstadt Thiumphu. Er setzt alles dar­an, sie zu tref­fen, und auch sie setzt gro­ße Hoffnungen in ihn und sei­ne finan­zi­el­len Möglichkeiten. Eine aus­sichts­lo­se Liebe, und es scheint, als hal­te die Sache mit dem glück­li­chen Leben auch in Buthan lei­der nur bis zur wirt­schaft­lich-gesell­schaft­li­chen Anpassung an den Rest der Welt.

Credits:

FR/DE/CH 2019, 90 Min., Dzongkha OmU,
Regie & Kamera: Thomas Balmès,
Schnitt: Alex Cardon, Ronan Sinquin


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Bilder (m)einer Mutter

ein Film von Melanie Lischker.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Eine schein­bar ganz nor­ma­le Kindheit in den 80er Jahren, fest­ge­hal­ten auf unzäh­li­gen Videokassetten. Darauf eine Kleinfamilie in der jeder sei­ne Rolle spielt. Doch über dem Alltag liegt eine Schatten. Der Vater doku­men­tiert mit sei­ner Kamera fast neben­läu­fig wie die Mutter zwi­schen Weihnachten und Schulfest immer mehr zum Schatten ihrer selbst wird. Zuerst ver­schwin­det sie aus den Videoaufnahmen, dann schließ­lich ganz aus dem Familienleben. Mit dem Film for­dert die Regisseurin ihre Familie her­aus,
das jah­re­lan­ge Schweigen um den Verlust ihrer Mutter zu bre­chen. Ein Tagebuch wird gefun­den und die alten Super8 Filme des Vaters, auf denen die Mutter noch ver­liebt in die Kamera lach­te.
Wir tau­chen ein in die Lebensgeschichte von Gabi, die sich als Teenager weg­träumt aus der bay­ri­schen Kleinstadt und von ihren alt­ba­cke­nen Eltern. Trotz der revo­lu­tio­nä­ren Klischees der 70er Jahre, bleibt die Ehe für das Paar der ein­zig logi­sche Weg in die Selbstständigkeit. Das dama­li­ge Klima zwi­schen Emanzipation und behä­bi­gen Denkmustern färbt ab auf die Biografie der jun­gen Frau. Fragmente aus Gesellschaft und Politik zei­gen Plenarsäle vol­ler Männer und Flugzeuge ohne Pilotinnen. Gabi har­dert mit der Umsetzung ihrer Träume wäh­rend ihr Mann Karriere macht.
Die Kamera beglei­tet den tra­gi­schen Lebensweg einer Frau, die in die Mutterrolle stol­per­te und die­se nie rich­tig anneh­men konnte.

Credits:

DE 2021, 78 Min, dt. OmeU,
Regie & Buch: Melanie Lischker,
Kamera: Thomas Lischker, Melanie Lischker,
Schnitt: Mechthild Barth, Melanie Lischker


Trailer:
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The Power of the Dog

ein Film von Jane Campion.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Montana in den 1920er Jahren: Die Brüder George und Phil füh­ren gemein­sam eine Ranch. Als George die Witwe Rose hei­ra­tet, die den Teenager Peter mit in die Ehe bringt, gerät ihr Kräfteverhältnis aus dem Gleichgewicht: Phil, der Mann fürs Grobe, posi­tio­niert sich immer stär­ker gegen George, den sich kul­ti­viert geben­den Schreibtischmann, vor allem aber gegen die ver­letz­li­che Rose. Eine gespann­te Atmosphäre, unter der zunächst Peter am meis­ten zu lei­den hat. Campions Neo-Western kommt ohne viel äußer­li­che Action aus und kon­zen­triert sich auf die dyna­mi­sche Widersprüchlichkeit der Figurenkonstellation.
(Barbara Schweizerhof)

Credits:

NZ/AU 2021, 126 Min, engl. OmU
Regie: Jane Campion
Kamera: Ari Wegner
Schnitt: Peter Scibberas
mit: Benedict Cumberbatch
Jesse Plemons
Kirsten Dunst
Kodi Smit-McPhee


Trailer:
The Power of the Dog | Official Teaser | Netflix
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Adam

ein Film von Maryam Touzani.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Während vie­le Filme im letz­ten Monat von Paar- und Familienbeziehungen han­del­ten, sind im Programm der nächs­ten Wochen die Begegnungen von Fremden prä­sent, die sich gera­de durch wid­ri­ge Umstände ver­bun­den füh­len. Adam, das Spielfilmdebüt der Marokkanerin Maryam Touzani, die auch das Drehbuch schrieb, war­tet mit Einblicken in die Kunst des Teigknetens auf. Ein schö­nes Tutorial, so kurz vorm Fest. Abla, Bäckerin, allein­er­zie­hend, abge­schot­tet, freun­det sich wider Willen mit Samia an, die schwan­ger ist und eine Bleibe braucht. Die Backstubenwohnung irgend­wo in einer Seitengasse mit­ten in Casablanca, wo Msemen und Rziza aus dem Fenster her­aus ver­kauft wer­den, ist der Ort der Geborgenheit für die bei­den Frauen und Ablas Tochter Warda. Was folk­lo­ris­tisch und kit­schig hät­te aus­ufern kön­nen, wur­de ein Film vol­ler Nuancen, schö­nen Momenten und einer wahr­haf­ti­gen Geschichte.
Wäre Adam aus einem Teigklumpen gekne­tet und geformt wor­den und nicht aus Möttke, hät­te sich viel­leicht alles anders ent­wi­ckelt. Aber zu spät.
„Der Spielfilm Adam ist aus der per­sön­li­chen Begegnung der Regisseurin Maryam Touzani mit einer jun­gen Frau in ihrer Jugend ent­stan­den, die für bei­de schmerz­haft, für die Filmemacherin aber inspi­rie­rend war und unaus­lösch­li­che Spuren hin­ter­ließ. Vertieft wur­de die Erfahrung, als die­se selbst Mutter wur­de: ‚Als ich zum ers­ten Mal mein eige­nes Kind in mei­nem Körper spür­te, als ich sah, dass mein Bauch sich in den Bauch einer Mutter ver­wan­del­te, dach­te ich an jene Frau zurück, der ich damals begeg­net war. Ich fühl­te eine Dringlichkeit, die Geschichte von damals zu erzäh­len und dann zu ver­fil­men. Das half mir, die Wunden jener Begegnung zu hei­len, die Erfahrung des Verlustes, der Not, der Verleugnung, der Trauer jener Frau, aber auch die Freude zu genie­ßen, sel­ber Mutter gewor­den zu sein. So nahm der Film Adam Gestalt an.‘“
Hanspeter Stalder | Der ande­re Film

Credits:

MA/FR 2019, 98 Min., arab. OmU
Regie: Maryam Touzani
Kamera: Adil Ayoub
Schnitt: Julie Naas
mit: Douae Belkhaouda, Aziz Hattab, Hasna Tamtaoui u. a.


Trailer:
ADAM Trailer German Deutsch (2021)
im Kino mit deut­schen Untetiteln
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Drive my car

ein Film von Ryûsuke Hamaguchi.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Nach Lee Chang-Dongs BURNING (2018) ist Ryûsuke Hamaguchi mit DRIVE MY CAR die zwei­te umwer­fen­de Verfilmung eines Stoffes von Haruki Murakami gelun­gen. Murakamis Erzählungen über trau­ri­ge Menschen erzäh­len oft davon, dass es hel­fen kann, sich Zeit zu neh­men, um irgend­wo zu sit­zen, wie der Erzähler im Roman „Der Aufziehvogelmann“, der sich, als er nicht mehr wei­ter­weiß, mona­te­lang auf einen öffent­li­chen Platz setzt, bis etwas pas­siert. In DRIVE MY CAR lässt sich der Regisseur und Schauspieler Yûsuke im Auto her­um­fah­ren, wenn nichts mehr hilft. Das hat den Vorteil, eine lee­re Zeit zu erzeu­gen, in der er den­ken kann, und er kommt irgend­wo an, an einer Müllverbrennungsanlage, am Meer, an einem Dorf, an dem ein furcht­ba­res Unglück gesche­hen ist – und etwas ver­än­dert sich.

Die ers­te Dreiviertelstunde des Films erzählt die Vorgeschichte der Erzählung, dann erst lau­fen die Titel über das Bild. Yûsuke (Hidetoshi Nishijima) und sei­ne Frau Oto (Reika Kirishima) hat­ten gera­de Sex, sie erzählt eine Geschichte von einem jun­gen Mädchen, die immer wie­der in das Haus eines Schulfreundes ein­dringt, und jedes Mal ein Objekt aus des­sen Zimmer mit­nimmt und ein eige­nes Okjekt hin­ter­lässt. Die bei­den malen sich die Geschichte in ver­schie­de­nen Situationen wei­ter aus: ein Künstlerpaar, sie ist Drehbuchautorin beim Fernsehen. Ihre Beziehung scheint glück­lich und pro­duk­tiv, und auch nach­dem Yûsuke sei­ne Frau zufäl­lig beim Sex mit dem jun­gen Schauspieler Kôji (Masaki Okada) beob­ach­tet hat, scheint sich nichts in ihrem Zusammenleben zu ver­än­dern. Gemeinsam trau­ern sie am Todestag ihrer Tochter, gemein­sam spin­nen sie Geschichten wei­ter und schla­fen mit­ein­an­der. Bis ein furcht­ba­res Unglück passiert.

Zwei Jahre spä­ter beginnt die eigent­li­che Geschichte des Films. Yûsuke, der sich auf expe­ri­men­tel­le Inszenierungen mit Übertiteln und Schauspielern aus ver­schie­de­nen Sprachräumen spe­zia­li­siert hat, ist nach Hiroshima ein­ge­la­den wor­den, wo er sei­ne Inszenierung von Tschechows „Onkel Wanja“ mit einem neu­en Ensemble insze­nie­ren soll. Aus Versicherungsgründen erhält er eine Fahrerin, die schweig­sa­me jun­ge Misaki (Tôko Miura). Der Film ver­webt die Produktion des Theaterstücks und die exis­ten­ti­el­len Krisen der Figuren in „Onkel Wanja“ mit denen von Yûsuke, Kôji, Oto und Misaki. Wie um sich selbst zu befrei­en und sich im Geheimen an Kôji zu rächen, gibt Yûsuke ihm die Rolle des Wanja, der alles ver­liert und mit sei­ner Trauer und Enttäuschung wei­ter­le­ben muss.

Wie in Yûsukes (und wohl auch Ryûsuke Hamaguchis) Theatermethode geht es aber auch um die klei­nen Momente, in denen zwi­schen Menschen und Schauspielern „etwas pas­siert“, wie Yûsuke nach einer Szene zwi­schen einer chi­ne­sisch und einer in korea­ni­scher Zeichensprache spre­chen­den Darstellerin sagt. Die zurück­hal­ten­den, sehr beherrsch­ten Menschen, die der Film zeigt, öff­nen sich nur lang­sam. Die Momente, in denen die pure Emotion durch­bricht, sind um so über­wäl­ti­gen­der. Die sich all­mäh­lich ent­wi­ckeln­de Nähe zwi­schen Yûsuke und der Fahrerin Misaki, deren Geschichte am Ende des Film erzählt wird, ist dabei beson­ders inten­siv. Ein stil­ler, klu­ger Film, der in Cannes den Preis für das Beste Drehbuch, den Kritikerpreis und den Preis der Ökumenischen Jura gewann.

Tom Dorow | indiekino.de

Credits:

ドライブ・マイ・カー Doraibu mai kâ
JP 2021, 179 Min., japan. OmU
Regie: Ryûsuke Hamaguchi
Drehbuch: Ryûsuke Hamaguchi, Haruki Murakami, Takamasa Oe
Kamera: Hidetoshi Shinomiya
Schnitt: Azusa Yamazaki
mit: Hidetoshi Nishijima, Tôko Miura, Masaki Okada, Reika Kirishima

Trailer:
Drive My Car Trailer OmdU Deutsch | German
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Vater – Otac

ein Film Srdan Golubovic. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Nachdem Nikolas Frau einen Selbstmordversuch unter­nom­men hat, wer­den dem Gelegenheitsarbeiter sei­ne bei­den Kinder weg­ge­nom­men und bei Pflegeeltern unter­ge­bracht, zunächst angeb­lich vor­über­ge­hend. Doch nach einer Begutachtung der Wohnverhältnisse befin­det der Leiter des Sozialamts des klei­nen ser­bi­schen Dorfes, Nikola sei zu arm, um ein ange­mes­se­nes Lebensumfeld für die Kinder zu gewähr­leis­ten. Der zurück­hal­ten­de Mann beschließt, eine Beschwerde beim Ministerium für Soziales in Belgrad ein­zu­le­gen. Die 300 Kilometer dort­hin will er zu Fuß zurück­zu­le­gen. Er will den Behörden zei­gen, wie weit er für sei­ne Kinder zu gehen bereit ist – im wahrs­ten Sinne des Wortes.
Srdan Golubović erzählt in authen­ti­schen, bewe­gen­den Bildern von der Ungleichheit der Verhältnisse. Sein stil­ler, aber zäher Protagonist erforscht nicht nur das Land, son­dern auch die Grenzen zwi­schen Recht und Unrecht. Entschlossen, sei­ner wach­sen­den Verzweiflung nicht nach­zu­ge­ben, unter­nimmt der beharr­li­che Vater eine Heldenreise, die das Wort Held neu definiert.

Credits:

RS, FR, DE, SL, HR, BA 2020, 99 Min., ser­bi­sche OmU
Regie: Srdan Golubovic
Drehbuch: Srdan Golubovic, Ognjen Svilicic
Kamera: Aleksandar Ilić
Schnitt: Petar Marković
mit: Goran Bogdan, Boris Isaković,
Nikola Rakocevic, Milan Maric
Länge: 99 Minuten


Trailer:
Father (Otac) (2020) | Trailer | Goran Bogdan | Boris Isakovic | Nada Sargin | Srdan Golubovic
im Kino mit deut­schen Untetiteln
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Die Zähmung der Bäume – Taming the Garden

ein Film von Salomé Jashi. 

[Indiekino Club] [Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Ein Mann sam­melt Bäume.
Gut – Bäume sind kei­ne Briefmarken oder Sammeltassen, aber was es bedeu­tet wenn ein über 100-jäh­ri­ger Baum aus­ge­gra­ben, abtrans­por­tiert und über das Meer zu sei­nem Bestimmungsort, einem Privatpark , ver­schifft wird, ist schwer zu for­mu­lie­ren – aber ele­men­tar ein­fach zu emp­fin­den.
Salome Saschi fin­det in ihrem Film Bilder, die uns tief im Unterbewussten bewe­gen. Wenn eine Dorfgemeinschaft dem ver­kauf­ten Baum wie in einer Trauerprozession nach­zieht, oder ein rie­si­ger Baum auf einem Frachtkahn über das Meer gescho­ben wird.
Bäume beglei­ten Generationen von Menschen, ein 100 jäh­ri­ger Baum 4 Generationen, ein 200 jäh­ri­ger Baum 8 Generationen. Deutschlands berühm­tes­te Baumdenkmäler sind 500 bis 1200 Jahre alt, ent­spre­chen 20 bis 48 Generationen, die neben die­sen Bäumen ihr Leben gelebt haben.
Auch bei uns wird Bäumen oft ihre Alltäglichkeit zum Verhängnis, man bemerkt sie erst wenn sie krank sind oder gefällt wer­den sol­len, wenn sie irgend­ei­nem Plan im Wege ste­hen.
So ist „Die Zähmung der Bäume“ ein Plädoyer dafür gewor­den Bäume zu bemer­ken,
und in sei­ner jewei­li­gen Umgebung über die Geschichte eines Baums nach­zu­den­ken.
Die meis­ten Baumdenkmäler in Deutschland sind Bäume die sich auf einer Dorfalmende oder einem Park erhal­ten haben.
Viele hun­dert­jäh­ri­ge Bäume bil­den Alleen aus der Gründerzeit, oder ste­hen in Parks, Friedhöfen und in pri­va­ten Gärten, vor allem gegen Ende des zwei­ten Weltkrieges wur­den in den städ­ti­schen Parks vie­le Bäume durch die Bombardierungen zer­stört, oder in den ers­ten Nachkriegsjahren als Brennstofflieferant abge­holzt. Dadurch sind über 100 jäh­ri­ge Bäume auch in Deutschland in besie­del­ten Gebieten sehr sel­ten.
In Wäldern die forst­wirt­schaft­lich genutzt wer­den ste­hen auch Laubbäume sel­ten län­ger als 100 Jahre.

Credits:

CH/DE/GE 2021, 92 Min., geor­gi­sche OmU
Regie und Buch: Salomé Jashi

Kamera: Goga Devdariani, Salomé Jashi
Schnitt: Chris Wrightenn

Trailer:
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Große Freiheit

ein Film von Sebastian Meise. 

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1968. Zwei Jahre Zuchthaus bekommt Hans (Franz Rogowski) auf­ge­brummt, nach­dem er beim Sex mit einem Mann auf einer öffent­li­chen Toilette gefilmt wur­de. Nicht zum ers­ten Mal, denn Hans ist ein stu­rer Bock und will sich von Nichts und Niemandem sagen wie er zu leben und schon gar nicht wen er zu lie­ben hat. Im Bau begeg­net er Viktor (Georg Friedrich), nicht zum ers­ten Mal wie sich bald zeigt. 1945 waren die bei­den Männer bereits Zellengenossen, Viktor am Anfang einer lan­gen Strafe wegen eines aus Eifersucht began­ge­nen Totschlags und Hans weil er Männer liebt. So homo­phob sich Viktor anfangs gezeigt hat­te: Das Hans direkt aus einem Konzentrationslager in ein Gefängnis der Alliierten über­stellt wur­de, das scho­ckiert ihn doch. Eine ers­te Berührung, ein ers­ter inti­mer Moment geschieht, als Viktor Hans des­sen in den Arm gesto­che­ne Nummer mit einem Tattoo überdeckt.

Die Jahre zie­hen ins Land, wäh­rend Viktor immer ein­sitzt, bewegt sich Hans fast wie in einer Drehtür zwi­schen Freiheit und Knast, weiß bald weder drin­nen noch drau­ßen etwas mit sich anzu­fan­gen. Nichts scheint sich zu ändern, das Gefängnis ist schon 1945 ran­zig und hat offen­bar bis Ende der 60er Jahre kei­nen Anstrich erhal­ten. Was sich auch kaum ändert sind die Antipathien, denen sich schwu­le Männer aus­ge­setzt sehen, die Strafen mit denen die Mehrheits-Gesellschaft die ihnen unlieb­sa­men Elemente weg­sper­ren will.

Erst 1994 wur­de der §175 aus den Gesetzen gestri­chen, auch wenn er damals schon län­ger nicht zur Anwendung kam. Als Der Spiegel im Mai 1969 über die Aufweichung des §175 titel­te und frag­te: „Das Gesetz fällt – bleibt die Ächtung?“ war sol­che eine öffent­li­che Thematisierung von Homosexualität noch alles ande­re als selbst­ver­ständ­lich. Dass es gera­de für Menschen, die Jahrzehnte im gehei­men Leben muss­ten, die ihre Sexualität ver­steck­ten oder gar unter­drück­ten kei­nes­wegs ein­fach war, qua­si von einem Tag auf den ande­ren umzu­schal­ten, nun offen zu leben, davon erzählt „Große Freiheit.“

Ein wenig kon­stru­iert mutet der lan­ge Zeitraum der Geschichte zwar an, gebo­ren aus dem Wunsch, den Übergang vom Dritten Reich zur Bundesrepublik eben­so zu erzäh­len, wie die Entkriminalisierung von Homosexualität im Jahre 1969. Aber das Konstrukt funk­tio­niert, gera­de auch weil Sebastian Meise in sei­nem zwei­ten Spielfilm die Mauern des Gefängnisses nur ganz am Ende ver­lässt, er ansons­ten immer in den Zellen und Gängen bleibt, die sich über die Jahrzehnte kaum ändern. Auch die Kleidung der Gefangenen bleibt gleich und selbst Viktor und Hans altern zwar, doch fast unmerk­lich, der dezen­te Einsatz von der jewei­li­gen Zeit ent­spre­chen­den Haaren und Frisuren deu­tet auch hier einen Stillstand an, der am Ende tra­gisch wird.

So sehr sind die­se bei­den Männer in ihren Rollen ver­harrt, Rollen, in die sie vom System gezwun­gen wur­den, dass sie wirk­li­che Freiheit kaum ertra­gen kön­nen. In man­chen Momenten erin­nert das an Texte von Jean Genet, an gro­ße Gefängnis-Filme, in denen die ganz eige­ne Subkultur die­ses Ort leben­dig wird. Nicht zuletzt dank des her­aus­ra­gen­den Darstellerduos Franz Rogowski und Georg Friedrich, die in den beeng­ten Zellen eine ganz beson­de­re, sich über lan­ge Jahre ent­wi­ckeln­de Liebesgeschichte zum Leben erwecken.

Michael Meyns | programmkino.de

Credits:

Deutschland/Österreich 2021, 116 Min.
Regie: Sebastian Meise

Kamera: Crystel Fournier
Schnitt: Joana Scrinzi
Buch: Thomas Reider & Sebastian Meise
mit: Franz Rogowski, Georg Friedrich, Anton von Lucke, Thomas Prenn


Trailer:
Große Freiheit – offi­zi­el­ler Kinotrailer – Kinostart am 18.11.2021
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First Cow

ein Film von Kelly Reichardt. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer] [Pressezone]

Ein Fluss fließt ruhig dahin. An den Ufern läuft die Zeit rück­wärts und för­dert ver­schüt­te­te Geschichten zuta­ge. Im frü­hen 19. Jahrhundert wagen sich nicht nur Pelzjäger, son­dern auch ein wort­kar­ger Koch ins wil­de Oregon. Der Einzelgänger trifft auf einen chi­ne­si­schen Einwanderer, der sich als geschick­ter Unternehmer erweist und sein Freund wird. Das Duo kommt auf die Idee, Donuts zu backen und zu ver­kau­fen, die im rau­en Westen sehr gut ankom­men. Der Haken: Den Rohstoff beschaf­fen sie ille­gal.
Das Drehbuch schrieb Kelly Reichardt mit Jonathan Raymond, dem Autor der Romanvorlage. Einmal mehr erzählt die Regisseurin meis­ter­haft von einem Amerika fern­ab der gro­ßen Städte, das vol­ler Verheißungen steckt. Wie ein Western ist First Cow eine Hommage an Menschen im Abseits, die ihr Schicksal in die eige­ne Hand neh­men müs­sen – und hier statt mit dem Revolver mit Honiglöffel und Milcheimer han­tie­ren. Auf die­se Weise zei­gen die Outlaws die „fron­tier“, Amerikas Projektionsfläche natio­na­ler Träume, nicht als wirt­schaft­lich oder mate­ri­ell zu erobern­den Raum, son­dern als Ort der Begegnung. Ein groß­ar­ti­ges Alternativszenario mit beson­de­rer gesell­schaft­li­cher und poli­ti­scher Bedeutung für die Gegenwart.

Kritiken:

Interview mit dem Drehbuchautor Jon Raymond

Credits:

US 2019, 122 Min., engl. OmU
Regie: Kelly Reichardt
Kamera: Christopher Blauvelt
mit: John Magaro, Orion Lee, Toby Jones, Scott Shepherd, Gary Farmer, Lily Gladstone

Trailer:
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