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Das deutsche Volk

Das deutsche Volk

Ein Film von Marcin Wierzchowski. Am 26.9 mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Der Film erzählt die Geschichte des ras­sis­ti­schen Anschlags in der hes­si­schen Stadt Hanau im Jahr 2020 aus der Perspektive der Hinterbliebenen und Überlebenden. Innerhalb weni­ger Minuten erschoss der Täter neun jun­ge Menschen, weil er sie nicht für Deutsche hielt. Welche direk­ten und lang­fris­ti­gen Folgen hat ein sol­cher Anschlag auf die Menschen und ihre Stadt? Regisseur Marcin Wierzchowski beglei­te­te die Protagonist*innen vier Jahre lang in ihrem Umgang mit der Trauer und bei der per­sön­li­chen Verarbeitung des Verlusts eines gelieb­ten Menschen. Er zeigt aber auch ihren Kampf um Anerkennung und Zugehörigkeit zu dem Land, das sie ihr Zuhause nen­nen. Die Angehörigen füh­len sich von Behörden und Politik im Stich gelas­sen, denn trotz vie­ler Worte des Mitgefühls sind sie es selbst, die die Umstände der Tat auf­de­cken müs­sen. Dabei sto­ßen sie auf die kal­te Bürokratie eines Systems, das auf solch ein Verbrechen nicht vor­be­rei­tet ist – obwohl rech­ter Terror zur trau­ri­gen Normalität der deut­schen Geschichte gehört.

Credits:

DE 2025, 132 Min., Deutsch, Rumänisch, Türkisch, Englisch OmU
Regie: Marcin Wierzchowski
Schnitt: Stefan Oliveira-Pita
Kamera:
Marcin Wierzchowski, Peter Peiker

Trailer:
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To nie mój film / It’s Not My Film / Das ist nicht mein Film

filmPOLSKA 2025

Vom 10. –  17. September fin­det die­ses Jahr zum 20. Mal das größ­te pol­ni­sche Filmfestival außer­halb Polens statt (mehrKatalog). Im fsk zei­gen wir alle sie­ben Wettbewerbsbeiträge und zwei Specials:

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Kontinental ’25

Ein Film von Radu Jude.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Als die Protagonistin mit einem Bekannten, den sie von frü­her kennt, in der Bar eines Kinos sitzt, prangt links ein Plakat von Kuhle Wampe (1932) und rechts eines von Europa ’51 (1952). Dazwischen ver­schluckt sich der Bekannte am Rotwein, viel­leicht weil er unab­läs­sig Zen-Weisheiten zum Besten gibt. Brecht wird nicht nur ein­mal erwähnt und Rossellinis Film spie­gelt sich nicht nur im Titel von Kontinental ‘25, son­dern lie­fert mit dem Neorealismus auch den fil­mi­schen Modus, in des­sen Tradition der Regisseur Radu Jude sei­nen Film sieht. Jude arbei­tet sich in sei­nen sar­kas­ti­schen Tragikomödien durch Geschichte und Gesellschaft Rumäniens. Aferim! behan­del­te das Schicksal der ver­sklav­ten Roma im 19ten Jahrhundert, Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte ein­ge­hen die Beteiligung am Holocaust. Bad luck ban­ging or loo­ny porn kam als Gesellschaftssatire daher und gewann den Goldenen Bären. Damals in der Maskenzeit. Selbstverständlich tru­gen auch im Film alle Masken (über den Masken). So ver­blüf­fend ein­fach und genau ins schwär­zes­te Schwarz tref­fen nur rumä­ni­sche Filme und des­halb lohnt sich der Gang durch den Saurierwald von Cluj, der zweit­größ­ten, auf­stre­ben­den Metropole Rumäniens: Transsilvaniens finest. Denn so beginnt Kontinental ‘25, ein Flaschensammler flucht sich suchend durchs Vergnügungsgelände, ver­liert sei­nen Unterschlupf und ver­zwei­felt kur­zer­hand am Schicksal. Die zustän­di­ge Gerichtsvollzieherin fühlt sich schul­dig und fängt ihre Suche nach Sinnhaftig- keit in den zer­klüf­te­ten Gebilden der Stadt aus Prachtbauten der Zeit der Doppelmonarchie, Plattenbauten der Sowjetzeit und Glas/Alu Klötze kapi­ta­lis­ti­scher Prägung an. Silbernen Bär 2025 für das bes­te Drehbuch.

First life takes time, then time takes life. Now the next move‚s up to me“ David Berman 

Das Thema ist ernst, sicher, doch das hält ihn (Radu Jude) nicht davon ab sei­nen bösen Witz ein­zu­streu­en, iro­ni­sche Brechungen, Absicherungen und Provokationen zu eta­blie­ren. Man muss mitt­ler­wei­le nicht mehr erwäh­nen, wie gut das gelingt, wie ziel­si­cher Jude zwi­schen gal­li­gem Humor und welt­li­chen Problemen char­giert, Klassenfragen, Banalitäten, phi­lo­so­phi­sche Diskurse und absur­de Profatäten zusam­men­bringt. Das funk­tio­niert auch hier wie­der ganz groß­ar­tig, es ist ein him­mel­schrei­end komi­scher Film gewor­den, immer kurz vorm Zynismus, die­sen aber nur her­vor-blit­zen las­send, ohne ihm je wirk­lich zu ver­fal­len.“
Benedikt Guntentaler, Artechock

Credits:

RO 2025, 109 Min., Rumänisch, Ungarisch, Deutsch OmU
Regie: Radu Jude
Schnitt: Cătălin Cristuțiu
Kamera: Marius Panduru
mit: Eszter Tompa, Gabriel Spahiu, Adonis Tanța, Oana Mardare, Șerban Pavlu, Annamária Biluska, Ilinca Manolache

Trailer:
KONTINENTAL ’25 by Radu Jude | Trailer | Berlinale 2025

Im Kino mit deut­schen Untertiteln.

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Miroirs No.3

Ein Film von Christian Petzold.

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Genau wie ande­re Regiekollegen, Jim Jarmusch, Hong Sang-Soo oder Wes Anderson bei­spiels­wei­se, liebt auch Christian Petzold die Kontinuität bei der Zusammenarbeit beim Filmen. Sie schafft eine Vertrautheit, auf die man auf­bau­en kann, und trotz­dem immer wie­der Neues her­vor­bringt. Aber nicht nur Team und Cast, auch bestimm­te Motive erfreu­en sich einer gewis­sen Beliebtheit. Mit einem pro­vo­zier­ten Autounfall endet Die inne­re Sicherheit, den Freitod per Auto sucht Ali in Jericho und in Wolfsburg und Yella wird die Geschichte, wie auch dies­mal, durch einen (töd­li­chen) Crash erst in Bewegung gebracht.
Laura, eine jun­ge Pianistin aus Berlin, scheint ver­lo­ren und nicht mehr in ihre Jetzt-Welt zu gehö­ren. Sie merkt, dass sie an dem Ausflug aufs dem Land mit dem ober­fläch­li­chen Trio aus ihrem Musiker-Freund, des­sen Produzenten samt Freundin nicht teil­neh­men will, und als ver­meint­li­che Spaßbremse wie­der­um wird sie nur all­zu ger­ne zie­hen gelas­sen. Auf der Fahrt zurück zum Bahnhof kommt das rote Cabrio von der Straße ab – ihr Freund stirbt bei dem Unfall, Laura über­lebt. Die ver­wirrt her­um­ir­ren­de wird von der im nahe gele­ge­nen Haus woh­nen­den Betty auf­ge­nom­men und gepflegt.
„Laura … fängt in der trü­ge­ri­schen länd­li­chen Idylle gewis­ser­ma­ßen ein neu­es Leben an, in einem Phantasma, das sie gemein­sam mit Betty und dann auch der Mitwirkung ihrer Familie erschafft und in der jeder sein eige­nes Spiel zu spie­len scheint. Es ist ein zärt­lich gezeich­ne­ter Kokon aus fami­liä­rer Geborgenheit, gemein­sa­men Essen, Besuchen in der Autowerkstatt. Doch die gan­ze Zeit ist klar, dass er nicht von Dauer sein kann. [Es ist] … ein Spiel mit reiz­vol­len Motiven, die aber teils skiz­zen­haft blei­ben. Im Kontext mit sei­nen ande­ren Werken betrach­tet ist er ein wei­te­rer sehens­wer­ter Mosaikstein in sei­ner an fas­zi­nie­ren­den Geschichten und Metaphern so wun­der­bar rei­chen erzäh­le­ri­schen Welt.“
Patrick Seybold | epd Film

Credits:

DE 2025, 86 Min., deut­sche OmeU
Regie: Christian Petzold

Schnitt:  Bettina Böhler
Kamera: Hans Fromm

mit: Paula Beer, Barbara Auer, Matthias Brandt, Enno Trebs

Trailer:
Trailer MIROIRS NO. 3 – ab 18. September im Kino
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Bitter Gold

Ein Film von Juan Francisco Olea.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Inmitten der end­lo­sen Weite der Atacama-Wüste träumt die jun­ge Carola von einem Leben am Meer.
Doch der Alltag mit ihrem Vater Pacifico ist erbar­mungs­los: Gemeinsam betrei­ben sie eine ille­ga­le Mine und hüten ein gefähr­li­ches Geheimnis – eine Goldader, die sie heim­lich in nächt­li­cher Arbeit abbau­en.
einer der ande­ren Bergmänner die ver­bor­ge­ne Fundstelle ent­deckt, eska­liert die Situation in Gewalt. Pacifico wird schwer ver­letzt, und Carola muss sei­nen Platz über­neh­men. Aber kann sie sich gegen die Feindseligkeit der Männerwelt und ihre eige­nen Ängste behaupten?

Ein fes­seln­der Neo-Western, der in die unglaub­li­che Weite der Wüste und tief ins Innere der Erde führt, und die Frage stellt: Wie weit wür­dest du gehen, um dei­ne Träume zu retten?

Credits:

CL/MX/UY/DE 2024, 83 Min., span. OmU
Regie: Juan Francisco Olea
Kamera: Sergio Armstrong
mit: Katalina Sánchez, Francisco Melo, Michael Silva

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Wenn der Herbst naht

Ein Film von François Ozon. 

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Eine wun­der­bar unmo­ra­li­sche Story: Eingehüllt in sanf­te, herbst­li­che Farben und mit stei­gen­der Spannung prä­sen­tiert François Ozon, inzwi­schen nicht nur als beson­ders flei­ßi­ger Regisseur, son­dern auch als raffi­nierter Geschichtenerzähler bekannt, eine Komödie, die sich peu à peu zum intel­li­gen­ten Kriminalfall stei­gert.
Michelle ist eine lie­bens­wer­te, rüs­ti­ge Kleinstadtrentnerin mit einem hüb­schen Häus­chen, in des­sen Garten sie Gemüse anbaut. Gleich um die Ecke wohnt Marie Claude, ihre bes­te Freundin. Die bei­den alten Damen ver­ste­hen sich blen­dend, sie gehen gemein­sam spa­zie­ren und Pilze sam­meln, und sie unter­stüt­zen sich, wo es geht. Michelle chauf­fiert die Freundin auch zum na­heliegenden Gefängnis, wo Marie Claudes Sohn Vincent inhaf­tiert ist. Michelle ist gera­de in Vorfreude auf die kom­men­den Herbstferien, denn dann wird ihr 12-jäh­ri­ger Enkel Lucas, den sie über alles liebt, für ein paar Tage zu ihr kom­men. Als Michelles Tochter Valérie mit Lucas ein­trifft, hat sie schon alles aufs Beste vor­be­rei­tet. Aber dann: ein schreck­li­cher Unfall – eine Pilzvergiftung, für die Michelle ver­ant­wort­lich ist – Valérie ist stock­sauer und reist mit Lucas ab, und ihr Entschluss steht fest: Ihre Mutter darf kei­nen Kontakt mehr mit Lucas haben.
Mehr soll über die Handlung nicht ver­ra­ten wer­den. Nur so viel: Es geht unter aller­s­trengs­ter Nichtbeach­tung irgend­wel­cher Klischees um Schuld, um Wahrheit, um Moral und Doppelmoral. Und am Rande auch um Freundschaft und Familie. …“ Gaby Sikorski | programmkino.de
„… In bemer­kens­wer­ter Ambivalenz schil­dert Ozon, wie kom­pli­ziert Familienbande und Entfremdung sein kön­nen. Und wie enorm belas­tend es sich anfühlt, even­tu­ell eine fal­sche Entscheidung getrof­fen zu haben. Auch Michelles Hintergrundgeschichte ent­birgt sich erst all­mäh­lich. … Wenn der Herbst naht ist lus­tig und cle­ver, melan­cho­lisch und tief­grün­dig, lebens­nah und zugleich magisch. Sogar Geister haben dar­in Platz – und haben eben­falls gar kei­ne Lust auf eine ste­reo­ty­pe Darstellung.“ Andreas Köhnemann | kino-zeit

Credits:

Quand vient l’au­t­om­ne
FR 2024, 102 Min., frz. OmU
Regie: François Ozon
Kamera: Jérôme Alméras
Schnitt: Anita Roth
mit: Hélène Vincent, Josiane Balasko, Ludivine Sagnier

Trailer:
Wenn der Herbst naht | Teaser OmU HD | Im Kino – Regie: François Ozon
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Die Farben der Zeit

Ein Film von Cédric Klapisch. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

IDas Grundstück eines ver­las­se­nen Bauernhofes in der Nähe von Le Havre soll zum Parkplatz für ein Mega-Einkaufszentrum wer­den, aber recht­lich muss die Angelegenheit noch mit den ermit­tel­ten Nachfahren der letz­ten Besitzerin geklärt wer­den. Diese 30 vom Erbe über­rasch­ten Erben schi­cken zunächst vier von ihnen los, sich die Sache näher anzu­schau­en. Also fah­ren ein jun­ger Fotograf, eine in Trennung leben­de Ingenieurin, ein kurz vor der Pensionierung ste­hen­der Lehrer und ein gern reden­der Imker (Vincent Macaigne, der­zeit in Zikaden als Nina Hoss‚ Ehemann zu sehen) zum Anwesen. Bei ihrem ers­ten Besuch fin­den sie im Haus vie­le Fotos, Gemälde, Bilder und Briefe, die ihre Fantasie anre­gen, und Adele, ihrer gemein­sa­men Ahnin und letz­ter Bewohnerin des Hofs, eine Geschichte ima­gi­nie­ren. Die führt führt Ende des 19ten Jahrhunderts die damals 21-jäh­ri­ge nach Paris, auf der Suche nach der ihr unbe­kann­ten Mutter, die auch ihre ganz eige­ne Geschichte hat. Große Namen der Kunstszene spie­len eine Rolle, und kom­men dann letzt­end­lich wie­der mit den Er’binnen zusam­men.
Mit Die Farben der Zeit hat Klapisch einen gro­ßen Ensemblefilm geschaf­fen, der vir­tu­os mit den Zeitebenen spielt und Humor, mal sanft, mal bis­sig, manch­mal albern, mit Melancholie ver­bin­det. Vor dem Hintergrund tech­ni­scher Neuerungen wie Fotografie oder Elektrizität und künst­le­ri­scher Aufbrüche einst und Fortschrittsglauben heu­te führt er die Menschen zusam­men, erzählt eine Geschichte vom Impressionismus, von Paris und dem Klischee von Paris, dem Garten von Claude Monet, und erzählt zum Glück am Ende doch nicht alles aus.
Die Farben der Zeit bie­tet neben sei­ner bewe­gen­den Familiengeschichte eine spie­le­ri­sche und unter­halt­sa­me Reflexion über den Begriff der Moderne, eine selbst­be­wuss­te Unterhaltung, die sich sich an der Kitschästhetik von Postkarten eben­so erfreut wie an impres­sio­nis­ti­schen Meisterwerken und gleich­zei­tig die Bewunderung des Filmemachers für Künstler und Pioniere zum Ausdruck bringt.“ Cineuropa

Credits:

La venue de l’a­ve­nir
FR 2024, 124 Min., fran­zö­si­sche OmU
Regie: Cédric Klapisch
Kamera: Alexis Kavyrchine
Schnitt: Anne-Sophie Bion
mit: Suzanne Lindon, Vincent Macaigne, Cécile de France, Paul Kircher, Julia Piaton, Vassili Schneider, Vincent Perez 

Trailer:
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Wilma will mehr

Ein Film von Maren-Kea Freese. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Ende der 1990er Jahre. Wilma hat ihr Leben im Lausitzer Braunkohlerevier ver­bracht. Es war geprägt von Arbeit und Wandel zwei­er poli­ti­scher Systeme. Als ihr per­sön­li­ches und beruf­li­ches Leben zer­bricht, ver­lässt sie Ende der 1990er Jahre ihr Heimatdorf und zieht nach Wien. Dort beginnt sie neu, fin­det fri­sche Perspektiven und ent­deckt alte Utopien wie­der, die sie einst inspi­rier­ten. Mit ihren alten Überzeugungen und neu gewon­ne­ner Kraft setzt sie sich nicht nur für sich selbst, son­dern auch für eine bes­se­re Zukunft und die Umwelt ein. Ein Film über Verlust, Neuanfang und den uner­müd­li­chen Glauben an Veränderung.

Dass es Wilma nach Österreich ver­schlägt und nicht in die alten Bundesländer, erweist sich als geschick­ter Schachzug von Regisseurin und Drehbuchautorin Maren-Kea Freese. Im Westen wäre Wilma sofort auf ihre Herkunft redu­ziert wor­den. Womöglich hät­ten Vorurteile einen Neuanfang erschwert oder ver­ei­telt. Zumindest wäre „Wilma will mehr“ ein gänz­lich ande­rer Film gewor­den. Wien dage­gen, als eigen­stän­di­ge, aus­län­di­sche, aber deutsch­spra­chi­ge Metropole, ist ein ande­res Pflaster. Dort kennt man sich mit deutsch-deut­schen Befindlichkeiten und Streitigkeiten weni­ger aus. Zwar fin­den auch die Ösis, dass die Ossis mit­un­ter naiv sind. Doch wenn Wilma etwas leis­tet – und sie leis­tet viel –, wird das anerkannt.

Eigentlich schert man sich in Wien nicht um Herkunft. Doch wenn Wilma über ihr ver­gan­ge­nes Leben und die Mentalität ihrer Landsleute spricht, stößt sie doch auf Interesse. Bei einem feucht-fröh­li­chen Abend mit einem Dia-Vortrag von Wilma über die Lausitz und ihr ehe­ma­li­ges Kraftwerk wird sie von ihren neu­en Freunden gefei­ert. Man stößt ganz im inter­na­tio­na­lis­ti­schen Sinne auf Karl Marx an und into­niert gemein­sam das DDR-Agitationslied „Sag mir, wo du stehst“.

Dennoch hat sich der Film weder Ostalgie noch eine Analyse der Umbruchszeit auf die Fahnen geschrie­ben. Es geht in ers­ter Linie um eine Frau, die aus der Enge ihrer Heimat her­aus­fin­det und sich nach lan­ger Zeit wie­der ent­fal­ten kann. Als die Arbeits- und Lebensgrundlagen um sie her­um zusam­men­bre­chen, wagt Wilma den Ausbruch und stellt fest, dass sie auch in der Fremde gut zurecht­kommt. Das liegt an ihrer beruf­li­chen Vielseitigkeit, aber auch an ihrem Pragmatismus, mit dem sie sich auf neue Menschen und Mentalitäten ein­las­sen kann. Sie greift Gelegenheiten beim Schopfe – aus Notwendigkeit, aber auch, weil sie die Abenteurerin in sich ent­deckt. Fritzi Haberlandt trägt den Film mit Bravour und wirkt durch und durch glaub­haft. Selbst in Momenten der Verzweiflung rafft sich ihre Figur mit Brandenburger Dialekt wie­der auf. Von dem, was sie in ihrem bis­he­ri­gen Leben gelernt hat, kann sie in Wien jede Menge anwen­den.“
Kira Tazman | filmdienst

Credits:

DE 2025, 112 Min.,
Regie: Maren-Kea Freese
Kamera: Michael Kotschi
Schnitt: Andrea Muñoz
Darsteller*innen: Fritzi Haberlandt, Thomas Gerber, Stephan Grossmann, Xenia Snagowski, Katrin Schwingel, Isabel Schosnig

Trailer:
Kinotrailer „Wilma will mehr” – Kinostart 31. Juli 2025
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La Haine

Ein Film von Mathieu Kassovitz. Wiederaufführung.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Eine Geste aus die­sem Film wird man so schnell nicht ver­ges­sen. Es ist die wie eine Pistole mit aus­ge­streck­ten Fingern in Anschlag gebrach­te Hand von Vinz, die immer wie­der an die Möglichkeit des Ausbruchs explo­si­ver Gewalt erin­nert. Wie vie­le ande­re Aktionen in dem Film ist die­se Geste sowohl Imponiergehabe, Pose und Spiel als auch tat­säch­li­che Bedrohung. Immer ist die Gefahr gegen­wär­tig, daß das Spiel plötz­lich und unum­kehr­bar furcht­ba­re Zerstörungskräfte aus­löst. Es geht um 24 Stunden des Lebens von drei jun­gen Männern aus der ‚cite‘ ( einer Trabantenstadt an der Peripherie von Paris ). Einer von ihnen wird am Ende tot sein.” Weniger ein bru­ta­ler Film, als viel­mehr ein neu­er ‚film noir‘. – Wer ’71 Fragmente…‘ nicht moch­te (und das, so befürch­te ich, wird die Mehrheit sein), wird die­sen Film sehr mögen, die ande­ren wer­den ihn viel­leicht als ein wenig zu didak­tisch emp­fin­den. Aber wahr­schein­lich ist die­ser Vergleich auch ziem­lich blöd. (fsk Programmhefttext von 1995)

Die Wucht, mit der Kassovitz den Zuschauer in die Auseinandersetzungen der drei Freunde zieht, resul­tiert aus der fil­mi­schen Gestaltung, aber auch aus dem her­vor­ra­gen­den Spiel der drei Hauptdarsteller, die der Geschichte hohe Authentizität ver­lei­hen. Schwarzweiße Bilder, har­te Schnitte und die aus­schließ­li­che Verwendung von Originaltönen erzeu­gen einen bedrän­gen­den Alltagsrealismus, der nicht nur den „sozia­len Riß” durch die fran­zö­si­sche Gesellschaft spür­bar macht, son­dern auch ein Gefühl für die Ausweglosigkeit sei­ner Helden ver­mit­telt. Wie sehr es dem 27jährigen Kassovitz trotz sei­ner unge­teil­ten Sympathie für die Bewohner der Banlieue doch gelingt, die Balance zwi­schen Parteilichkeit und Stilisierung zu hal­ten, wird immer wie­der in ein­zel­nen Einstellungen deut­lich, in denen sich sei­ne Intentionen zur Metapher ver­dich­ten. Als Vinz den bei­den Gefährten zum ersten­mal die Pistole zeigt, schre­cken die­se zurück und wei­sen ihn ab, indem sie davon­lau­fen; dabei iso­liert die Kamera den kahl­köp­fi­gen Vinz, der selbst­ver­ges­sen über die Waffe streicht und plötz­lich hoch­schreckt, als er merkt, daß er allein ist. Das schöns­te Bild, das Kasssovitz für die über­le­bens­not­wen­di­ge Solidarität unter­ein­an­der fin­det, ist dezent an den Rand gesetzt: nach­dem Saïd und Hubert ver­haf­tet, gequält und ernied­rigt, dann aber wie­der frei­ge­las­sen wur­den und im mon­dä­nen Stadtzentrum auch Vinz wie­der­ge­fun­den haben, wan­delt Saïd im Vorbeigehen mit der Sprühdose einen Werbeslogan ab: Die Welt ist nicht mehr „dein”, son­dern „unser”: Miteinander, nicht getrennt kön­nen sie dem Morgen ent­ge­gen­se­hen. Doch da flim­mert über eine rie­si­ge Videowand die Nachricht vom Tod Abdels.” Josef Lederle | filmdienst

Credits:

FR 1995, 98 Min., franz. OmU
Regie und Buch: Mathieu Kassovitz
Kamera: Pierre Aïm
Schnitt: Mathieu Kassovitz, Scott Stevenson
mit: Vincent Cassel, Hubert Kounde, Said Taghmaoui

Trailer:
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Monk in Pieces

Monk in Pieces

Ein Film von Billy Shebar & David Roberts.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Egozentrische Erkundung ihrer Psyche“ – bös­ar­ti­ge Kritiken beglei­te­ten ihre ers­ten Arbeiten. Die NYT sah gar „Eine Schande für das Ansehen des Tanzes“, um aller­dings schon bei ihrem Stück JUICE, das sie in der Rotunde des Guggenheim aus­füh­ren durf­te, zu urtei­len: „Miss Monk, die oft das Alltägliche in Bewegungen iso­liert hat, ent­puppt sich nun mit etwas Hilfe von Frank Lloyd Wright als Meisterin des Spektakulären. Ihre Nutzung der archi­tek­to­ni­schen Möglichkeiten des Guggenheim für eine 85-köp­fi­ge Performancegruppe war ein­fach bril­lant.“ Ihre Erforschung und Nutzung der Stimme als eige­nes Instrument, sowie die Arbeiten an der Schnittstelle von Musik und Bewegung, Bild und Objekt, Licht und Klang waren Neuland. Als Frau war sie in der von Männern domi­nier­ten New Yorker Avantgarde-Musikszene der 1960er- und 1970er-Jahre jedoch ein Solitär und muss­te um Anerkennung und Ressourcen kämp­fen.“
Regisseur Billy Shebar hat­te Glück. Seine Frau Katie spiel­te in vie­len Stücken von Monk mit. Er ent­deck­te sei­ne Liebe zu ihrer Musik und bekam Zugang zu einem wun­der­ba­ren Archiv aus Filmen, Fotos und Musik. „Man bekommt viel Lust, ihre Alben hin­ter­her in Ruhe anzu­hö­ren.“ TC Böhme | taz
„Die Gegenkultur der 60er Jahre, in der Monk ihre Stimme fand, wand­te sich gegen ras­sis­ti­sche und geschlechts­spe­zi­fi­sche Diskriminierung, Konsumdenken und den Vietnamkrieg. Ihr Werk ist zwar nicht offen­kun­dig poli­tisch, ver­kör­pert aber all die­se Werte und wirkt heu­te noch genau­so bewusst­seins­er­wei­ternd wie zu Beginn.“
Billy Shebar

Credits:

US/DE/FR 2025, 93 Min., engl. OmU
Regie: Billy Shebar, David Roberts
Kamera:  Jeff Hutchens, Ben Stechschulte
Schnitt: Sabine Krayenbühl 

Trailer:
MONK IN PIECES – Offizieller Trailer
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