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On The Beach At Night Alone

Ein Film von Hong Sang-soo.

Die Worte ver­lau­fen im Sand

Eine reich­lich ver­wir­ren­de auto­bio­gra­fi­sche Liebesaffäre zwi­schen Seoul und Hamburg: „On the Beach at Night Alone“ des süd­ko­rea­ni­schen Regisseurs Hong Sangsoo
Bei einem Spaziergang in einem Park in der Hansestadt Hamburg geht Younghee (Kim Minhee) an einer klei­nen Brücke aus Holz in die Knie. Sie bleibt stumm, im Gebet. Sie wünscht sich, wie sie hin­ter­her sagt, auf einer Bank im Park in Hamburg, eine Zukunft, die sie nach ihren eige­nen Wünschen zu leben vermag.
Sie ist eher unfrei­wil­lig aus Südkorea nach Hamburg gegan­gen. Fast könn­te man mei­nen, sie ist dort­hin geflo­hen. Denn sie hat­te eine Affäre mit einem ver­hei­ra­te­ten Mann, er Regisseur, sie Schauspielerin. Es nützt viel­leicht eher, als dass es scha­det, wenn man weiß, dass auch Hong Sangsoo, der Regisseur von „Bamui hae­by­un-eoseo hon­ja“ (On the Beach at Night Alone), eine Affäre hat­te mit einer Schauspielerin.
In Südkorea war das ein aus­ge­mach­ter Skandal. Es nützt, aber es ist auch nicht son­der­lich wich­tig. Denn ein­fach auto­bio­gra­fisch sind Hong Sang­soos Filme ohne­hin nie. Autobiografisch viel­leicht, aber ein­fach nie­mals. Von Hamburg, wo ein krebs­kran­ker Mann am Klavier ein Kinderlied spielt, geht es im zwei­ten Teil des Films zurück nach Südkorea. Der ers­te Teil endet am Ufer der Elbe. Younghees Freunde gehen nach rechts, wohin ihnen die Kamera folgt. Dann schwenkt sie zurück: Man sieht Younghees Spuren im Sand, sie selbst aber ist nicht zu sehen. Die Kamera schwenkt wei­ter nach links: Da trägt einer, der kei­ne Rolle spielt, Younghee aus dem ers­ten Teil die­ser Geschichte davon. Im zwei­ten Teil putzt der, der kei­ne Rolle spielt, sehr fre­ne­tisch ein Fenster; aber nichts wird dadurch kla­rer, nichts wird erhellt.
Wie immer bei Hong gibt es Gespräche, bei denen sich die Wörter ver­ir­ren, auf der Suche nach ihrem Sinn. Die Menschen trin­ken und die Wörter wer­den betrun­ken. Sätze keh­ren wie­der wie nicht ganz gescheit. Sätze über die Liebe, das Alter; das Alter, die Liebe; die Liebe, das Alter. Die Sätze und die Wörter sind tief emp­fun­den, aber sie bedeu­ten nicht, was sie sagen, jeden­falls nicht ein­fach so. Anders als in man­chen ande­ren Filmen von Hong liegt in „On the Beach at Night Alone“ – so heißt übri­gens auch eines der kos­mischs­ten Gedichte Walt Whitmans – der Schmerz offen zutage.
Er irrt durch den Film, er geht in ver­let­zen­den Wörtern, im Körper, im ver­letz­ten Gesicht Younghees vor Anker, aber immer nur kurz. Dann legt sie sich hin, allein, am Strand, und träumt einen Traum, der die rei­ne Wahrheit ent­hält. So total wie hier hat Hong noch sel­ten eine weib­li­che Figur ins Zentrum gestellt. Männer sit­zen hier buch­stäb­lich in den meis­ten Einstellungen am Rand.
Verletzte Frau
Während es sonst bei Hong so oft dar­um geht, wie sie Frauen auf erbärm­li­che Weise ver­let­zen, geht es hier um die Verletzung der Frau. Die wie alle Menschen bei Hong eine Irrende ist, eine Irrende in Worten und Taten. Sie ver­letzt, wie sie ver­letzt wor­den ist. In „On the Beach at Night Alone“ ist inmit­ten gro­ßer Banalitäten vie­les ele­men­tar. Das Leben, die Liebe, das Altwerden – dar­um kreist alles. Es wird im Film Literatur zitiert, aber nicht von Walt Whitman. Man sieht nicht mal die Sterne im Film. Trotzdem passt die­se Zeile aus „On the Beach at Night Alone“: „As I watch the bright stars shi­ning, I think a thought of the clef of the uni­ver­ses, and of the future.“ Das tut auch die­ser Film eines Meisters.
Ekkehard Knörer in der taz vom 17.2.17 (dan­ke!)

Credits:
Bamui hae­by­un-eoseo honja

Republik Korea 2017, 101 Min., korea­nisch, eng­li­sche OmU
Regie, Buch: Hong Sang-soo
Kamera: Kim Hyungkoo, Park Hongyeol
Schnitt: Hahm Sungwon
Kim Minhee (Younghee)
Seo Younghwa (Jeeyoung)
Jung Jaeyoung (Myungsoo)
Moon Sungkeun (Sangwon)
Kwon Haehyo (Chunwoo)
Song Seonmi (Junhee)
Ahn Jaehong (Seunghee)
Park Yeaju (Dohee)

 

on the beach at night alo­ne trailer

Neujahrspreviews

Bereits am ers­ten Tag des neu­en Jahres gibt es eine Wahl – zwei recht unter­schied­li­che Previews ste­hen bei uns auf dem Programm:

  • Weltuntergang, Zukunftsvision, Familien- und Liebesgeschichte, ein letz­ter Sonnenuntergang am Schluss – DOWNSIZING, Eröffnungsfilm der Filmfestspiele in Venedig hat neben der nied­li­chen klei­nen Welt viel zu bieten.
  • Cool, hef­tig und bit­ter­bö­se kommt dage­gen THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI daher, der in Venedig für sein Drehbuch aus­ge­zeich­net wurde. 

Downsizing

Ein schön pas­sen­der Neujahrsfilm, fin­det doch der Protagonist am Ende eine Art Neuanfang.

In einer nahen Zukunft: die Ressourcen auf der Erde gehen zur Neige, doch ein nor­we­gi­scher Wissenschafter hat eine Methode ent­wi­ckelt, das Problem der Überbevölkerung zu lösen: alle Lebewesen kön­nen ohne Verluste auf ein Miniformat ver­klei­nert wer­den, womit natür­lich an Land, Luft, Essen, Energie super­viel gespart wird. Wer sich frei­wil­lig „schrump­fen“ läßt, kann mit einem kom­for­ta­blen Leben rech­nen, sich ein grau­en­haf­tes Angeber-Anwesen bau­en las­sen und die Zeit mit Wellness, Sport und Sozialisieren ver­brin­gen. Für Paul und Audrey ist dies eine Option, nur kneift Audrey in letz­ter Minute, und Paul steht allei­ne da im Winzling-Reich. Doch auch hier ist mehr Schein als Sein, Drecksarbeiten müs­sen erle­digt wer­den, und Lug und Betrug sind nicht unbekannt.

USA 2017 135 Min. engl. OmU
R.: Alexander Payne (Nebraska)
D.: Matt Damon, Christoph Wltz, Hong Hau, Kristen Wiig

am 1.Januar um 20:00

Three Billboards outside Ebbing, Missouri

Anger is an ener­gy” schreibt Brian Tallerico auf rogerebert.com, und tat­säch­lich gibt es viel Wut und viel Energie in Martin McDonaghs neu­em Film. Frances MacDormand klagt als Mildred, der tief trau­ern­den Mutter der ermor­de­ten Angela die ört­li­che Polizei mit­tels der titel­ge­ben­den drei Werbetafeln an, die Ermittlungen, mil­de gesagt, zu ver­nach­läs­si­gen. Der auf­merk­sam gewor­de­nen Presse wird sie sagen, die Polizei sei mehr damit beschäf­tigt, „Schwarze zu fol­tern” als den Mörder zu suchen. Mildred ist, wie auch die gegen sie auf­ge­brach­ten ehr­ba­ren Bürger, nie um einen mar­ki­gen Spruch ver­le­gen, und es bleibt auch nicht lan­ge bei ver­ba­len Auseinandersetzungen, bei denen kei­ne Seite die ver­meint­lich ande­re schont. Wut und Schmerz, Rache und Selbstjustiz, Rassismus, Sexismus und Homophobie – alles bahnt sich sei­nen Weg nach ganz oben, und der um Ausgleich bemüh­te Sheriff Bill Willoughby (Woody Harrelson) ist macht­los. Kaum zu glau­ben, dass wir es mit einer Komödie (eine der dunk­len Art) zu tun haben.

USA 2017 115 Min. engl. OmU
R.: Martin McDonagh (In Bruges)
D.: Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell

am 1.Januar um 20:15

First Steps Kurzfilmprogramm

Der 21. Dezember ist der kür­zes­te Tag des Jahres, und eini­ge pfif­fi­ge Kurzfilmverleihe haben ihn des­halb zum „Tag des Kurzfilms“ aus­er­ko­ren, 2017 ist es die sechs­te Ausgabe. Diesmal sind wir auch dabei und zei­gen aus­ge­wähl­te Filme des First-Steps-Teams. First Steps – Der Deutsche Nachwuchspreis zeich­net jedes Jahr ers­te Werke in ver­schie­de­nen Kategorien aus.
Wir zei­gen einen Animationsfilm, zwei aus der sel­ten zu sehen­den Gruppe der mit­tel­lan­gen Filme sowie 3 Werbefilme, alle­samt Nominierte bzw. Preisträger aus die­sem Jahr. Höchstwahrscheinlich wer­den es sich so man­che Beteiligte nicht neh­men las­sen, ihren Film per­sön­lich vorzustellen.

Do. 21.12. um 20:00:

Stranden Spielfilm, 28 Min. Regie: Moïra Himmelsbach, KHM Köln
Zulay hat Schwierigkeiten an ihrem ers­ten Praktikumstag. Mila und David machen einen Schiffsausflug. Leonie möch­te in einer Boutique unge­stört ein Kleid anpro­bie­ren. Ruth und ihre Tochter Mira wol­len im Wald die ver­stor­be­ne Katze begra­ben… Ein Film über das Hadern und Scheitern der Kommunikation.

Ayny / Mein zwei­tes Auge Animationsfilm, 11 Min., Regie: Ahmad Saleh, KHM Köln
Als ein Krieg ihre Heimat zer­stört, müs­sen zwei Brüder mit ihrer Mutter flie­hen. Auf der Suche nach einem siche­ren Ort ver­lie­ren sie nie ihren Traum aus den Augen: ein­mal auf einer ganz beson­de­ren Gitarre ihre Musik zu machen – einer wun­der­schö­nen Oud.

Mikel Spielfilm, 31 Min., Regie: Cavo Kernich, UdK Berlin
Mikel führt ein Nomadenleben in Berlin. Als ille­ga­ler Flüchtling arbei­tet er für die Renovierungsfirma von Norbert. Der ver­spricht ihm eine Aufenthaltsgenehmigung und fai­re Bezahlung.

ABC of Death Werbefilm, 43 Sek., Regie: Dorian Lebherz, Daniel Titz, Filmakademie B‑W Ludwigsburg In einem klei­nen eng­li­schen Dorf ereig­nen sich selt­sa­me Todesfälle. Es kann jeden zu jedem Zeitpunkt tref­fen. Doch es gibt ein Muster: den Namen. Eine uner­war­te­te Wendung bricht den Fluch und ret­tet die Zukunft des Dorfes.
Bad Pets I+II Werbefilm, 48 Sek., Regie: Moritz Rautenberg, Christian Ricken, HFF München
Zwei kur­ze und böse Clips über die Rache von Haustieren, die mit ihrem Futter unzu­frie­den sind.
Three Polar Bears Werbefilm 1:39 Min., Regie: Artjom Baranov, HFF München
Drei Polarbären wol­len die Erde vor der Klimaerwärmung ret­ten. Sie stür­men ein Autohaus, um die poten­ti­el­len Käufer von umwelt­schäd­li­chen Autos zu ver­hau­en. Doch sie machen einen Fehler.

Leaning into the Wind – Andy Goldsworthy

Ein Film von Thomas Riedelsheimer.

Man kann über den Weg gehen oder durch die Hecke“ (Andy Goldsworthy)

16 Jahre nach sei­nem groß­ar­ti­gen Rivers and Tides – Andy Goldsworthy working with time hat Thomas Riedelsheimer den in Schottland leben­den und arbei­ten­den Ausnahmekünstler erneut fil­misch durch die Welt beglei­tet. Goldsworthy ist inzwi­schen bekann­ter gewor­den, viel­leicht nach­denk­li­cher und älter. Seine Tochter Holly, eine jun­ge, eigen­stän­di­ge Künstlerin, assis­tiert ihrem mit­un­ter recht ver­schro­be­nen Vater immer mal wieder.

Leaning into the Wind unter­sucht die Spuren, die die Zeit bei Künstler und Werk hin­ter­las­sen haben. Er selbst wird mitt­ler­wei­le Teil sei­ner Kunstwerke, die zugleich zer­bech­rech­li­cher, per­sön­li­cher, erns­ter und rau­er gewor­den sind. Und natür­lich ist Andy Goldsworthy wie­der ein ent­waff­nend offe­ner, eben­so ernst­haf­ter wie ver­schmitz­ter Erzähler, der so fas­zi­nie­rend von der Kunst, der Natur, vom Leben und vom Tod zu spre­chen ver­mag; vom wun­der­ba­ren Gelb der Ulmenblätter, die beim ers­ten Frost schlag­ar­tig schwarz wer­den; von den über­wäl­ti­gen­den, kur­zen Momenten, in denen alles für einen kur­zen Augenblick in höchs­ter Spannung, in der Schwebe, in der Balance ist.

Leaning into the Wind geht weit über das Porträt eines fas­zi­nie­ren­den Künstlers und sei­ner Arbeit hin­aus. Ein Film über die unend­li­chen Möglichkeiten, die Welt wahr­zu­neh­men und zu ent­de­cken, vol­ler Achtsamkeit und Neugier, eine sinn­li­che Reise in die Kunst, die Natur, das Leben. Riedelsheimer fasst das Universum sei­nes Protagonisten in hin­rei­ßen­de Bilder und Fred Frith unter­malt sie auch dies­mal musi­ka­lisch eigen und zurückhaltend.

Um den Titel Leaning into the Wind zu ver­ste­hen, muss man bis zum Schluss des Films war­ten. Zu einer ein­fa­chen, aber berü­cken­den Handlung, in der es kei­nen Unterschied mehr zwi­schen Kunst und Leben gibt. Zum Zentrum sei­ner Arbeit, der fra­gi­len Balance zwi­schen dem Menschen und sei­ner Welt. Und dann ver­lässt man das Kino auf eine merk­wür­di­ge Art ziem­lich glück­lich.“ Georg Seeßlen | Strandgut

Deutschland, UK 2016, engl. OmU, 97 MIn.
Regie, Kamera & Schnitt: Thomas Riedelsheimer
Darsteller: Andy Goldsworthy, Tina Fiske, Holly Goldsworthy
Musik: Fred Frith

 

Leaning into the Wind – Andy Goldsworthy (Offizieller Trailer)

Meine schöne innere Sonne

Ein Film von Clair Denis.

Roland Barthes‘ Buch „Fragmente einer Sprache der Liebe“ ist der Ausgangspunkt, von dem aus Claire Denis gemein­sam mit Christine Angot das Drehbuch ent­wi­ckel­te für die­sen eigen­sin­ni­gen Film, der die immer­glei­chen und immer noch offe­nen Fragen über die Liebe umkreist. Im Mittelpunkt steht die Malerin Isabelle, gespielt von Juliette Binoche mit einer Natürlichkeit und Offenheit, die für sie ein­nimmt, obwohl Isabelles Auseinandersetzungen mit den unter­schied­lichs­ten Männern gele­gent­lich ner­ven­auf­rei­bend sind. Ein Egozentriker, ein sehr Sensibler, ein Arbeiter, ein Künstlerkollege, ein Ex-Mann – Isabelle lebt mit ihnen die unter­schied­lichs­ten Arten der Liebe durch, und alle bemü­hen sich dabei, ver­bal zu fas­sen zu krie­gen, was das jetzt ist, was man da zusam­men hat. Auf der Suche nach dem ver­meint­lich Richtigen schlit­tert Isabelle auf ver­schlun­ge­nen Gefühlswegen, häuft dabei mehr Fragen als Antworten an, bis die Liebe ein ein­zi­ges, gro­ßes Rätsel ist.

Man darf die­sen Film durch­aus auto­bio­gra­phisch ver­ste­hen, als Reflexion einer Regisseurin, die im Lauf ihrer 71 Jahre viel erlebt, viel gelebt hat. In Juliette Binoche hat sie ein idea­les Alter Ego gefun­den, die hier eine bemer­kens­wert natür­li­che Darstellung ablie­fert, frei von der Affektiertheit, die sie oft beglei­tet, viel­leicht auch befreit von den Zwängen eines nar­ra­ti­ven Konstrukts, ganz offen und auch unge­schützt. Zusammen stel­len Binoche und Denis grund­le­gen­de Fragen über das Verhältnis von Frauen und Männern in unse­rer Zeit, über Klischees, Konventionen und den schwie­ri­gen Versuch, aus bekann­ten, auch über­kom­me­nen Mustern auszubrechen.”
Michael Meyns

 

Credits:

OT: Un Beau Soleil Intérieur
Frankreich 2017, 94 Min., frz. OmU
Regie: Claire Denis
Kamera: Agnes Godard
Schnitt: Guy Lecorne

Darsteller: Juliette Binoche, Xavier Beauvois, Philippe Katerine, Paul Blain, Gérard Depardieu, Nicolas Duvauchelle
 

 

UN BEAU SOLEIL INTÉRIEUR – Trailer F/d

Die Spur

Ein Film von Agnieszka Holland.

Duszejko, eine pen­sio­nier­te Brückenbauingenieurin, lebt zurück­ge­zo­gen in einem Bergdorf an der pol­nisch-tsche­chi­schen Grenze. Sie ist cha­ris­ma­tisch, exzen­trisch, eine lei­den­schaft­li­che Astrologin und strik­te Vegetarierin. Eines Tages sind ihre gelieb­ten Hunde ver­schwun­den. Wenig spä­ter ent­deckt sie in einer ver­schnei­ten Winternacht ihren toten Nachbarn und bei des­sen Leiche eine Hirschfährte. Weitere Männer ster­ben auf mys­te­riö­se Weise. Alle hat­ten ihren fes­ten Platz in der dörf­li­chen Gemeinschaft, alle waren pas­sio­nier­te Jäger. Haben wil­de Tiere die Männer auf dem Gewissen? Oder lässt sich ein Mensch zu einem blu­ti­gen Rachefeldzug hin­rei­ßen? Irgendwann fällt der Verdacht auf Duszejko …
Nach ihrem Ausflug in die Welt der Serien mel­det sich Agnieszka Holland mit einem sub­ver­si­ven Krimi auf der gro­ßen Leinwand zurück. Pokot spielt in einer Landschaft mit wech­seln­den Jahreszeiten, deren wil­de Schönheit jedoch nicht über Korruption, Grausamkeit und Dummheit ihrer Bewohner hin­weg­täuscht. Fest ver­wur­zelt in der Realität der pol­ni­schen Provinz, ist der Film so anar­chis­tisch wie sei­ne Heldin – ein wag­hal­si­ger Genremix aus komi­scher Detektivstory, span­nen­dem Ökothriller und femi­nis­ti­schem Märchen.

Berlinale 2017: Silberner Bär Alfred-Bauer-Preis


 
Credits:
Pokot
Polen / Deutschland / Tschechische Republik / Schweden / Slowakische Republik 2017

pol­ni­sche OmU, 128 Min.

Regie: Agnieszka Holland 
in Zusammenarbeit mit Kasia Adamik
Kamera: Jolanta Dylewska, Rafał Paradowski
Schnitt: Pavel Hrdlička

mit: Agnieszka Mandat (Duszejko)
Wiktor Zborowski (Matoga)
Miroslav Krobot (Boros)
Jakub Gierszał (Dyzio)
Patricia Volny (Dobra Nowina/Good News)
Borys Szyc (Wnętrzak)
 
Termine:

 

Manifesto

Ein Film von Julian Rosefeldt.

Manifeste und Texte, vom Kommunistischen über Kunstmanifeste wie Dada, Fluxus, Pop Art bis hin zu Dogma95 und den Goldenen Regeln des Filmemachens von Jim Jarmusch kom­men in Auszügen zur Aufführung, ver­mit­telt von Cate Blanchett in 12 Rollen. Wir sehen sie als Obdachlose, Punk, Kranarbeiterin, Börsenmaklerin, Choreographin, Galeristin, Wissenschaftlerin, Witwe, kon­ser­va­ti­ve Mutter, Nachrichtensprecherin/ Reporterin, Puppenspielerin und als Lehrerin. Die Zusammenstellung von Text und Szene ist mal wit­zig, mal irri­tie­rend, erscheint mal dis­so­nant, aber immer gilt:
„Was dar­aus ent­steht, sind unge­heu­er pro­duk­ti­ve Reibungen, die den ursprüng­li­chen Sinn der Texte wie­der frei­le­gen, das Herzblut sicht­bar machen, mit dem sie der­mal­einst nie­der­ge­schrie­ben wur­den, in der Hoffnung auf die Zukunft, im Bewusstsein der Notwendigkeit von Veränderung. Die Lunte wird auf der Leinwand gezün­det, die Explosion aber fin­det im Kopf der Zuschauerin statt.“ Alexandra Seitz | epd Film

Credits:

D/Ö 2017, 98 Min., engl. OmU, 
Regie: Julian Rosefeldt
Kamera: Christoph Krauss
Schnitt: Bobby Goode
mit:
Cate Blanchett, Ruby Bustamante, Ralf Tempel

Termine:

 

Manifesto – Trailer 1 – Englisch – UT Deutsch

A Ghost Story

Ein Film von David Lowery.

Es ist eine exis­ten­zi­el­le Frage, die der Partygast (Will Oldham) auf­wirft. All das Bestreben, sich mit­tels Kinder oder Kunst unsterb­lich zu machen, sei unnütz, da ein Unglück eines Tages 90% der Erdbevölkerung aus­lö­schen und nie­mand sich an Beethoven oder dein Gedicht erin­nern wird und auch dei­ne Ur-Ur-Enkel dabei ster­ben wer­den. Ungesehener Zuhörer im Haus ist unfrei­wil­lig auch der Geist von C. (Casey Affleck), den einst ein Unfall von sei­ner gelieb­ten Frau M. (Rooney Mara) trenn­te. Sie bewohn­ten die­ses Haus, er konn­te nach sei­nem Tod nicht los­las­sen und ist nun in die­ser Zwischenwelt ein­sam und völ­lig sinn­los gefan­gen. Längst ist M., nach­dem sie ihre tie­fe Trauer über­wun­den hat, mit einer neu­en Liebe aus­ge­zo­gen, nur er muss blei­ben und sich immer neu­en Bewohnern aus­set­zen, bis eine Tages das Haus abge­ris­sen und eine Shopping Mall errich­tet wird.
Es ist eine Liebesgeschichte, eine Geistergeschichte, eine Zeitreise, ein Film, in dem der Regisseur Casey Affleck die meis­te Zeit und auch sich selbst (als Geist von gegen­über) unter ein Bettlaken gesteckt hat und Rooney Mara unge­kürzt einen gan­zen Kuchen essen lässt. Der Geist mit sei­nem typi­schen Bettlaken erscheint erst urko­misch, dann tod­trau­rig, und zum Ende gibt es auch pathe­ti­sche Momente. Der melan­cho­li­sche Grundton jedoch domi­niert die­sen unge­wöhn­li­chen Film, der beim Sundance Festival das Publikum spaltete.

Vielleicht lässt sich A Ghost Story am bes­ten als Märchen beschrei­ben, irgend­wo zwi­schen Weerasethakul und Hans Christian Andersen. … Im schöns­ten Moment der melan­cho­li­schen Gespensterstunde sehen sich zwei Geister aus den Fenstern der Häuser an, an die sie gebun­den sind. Stumm ste­hen sie sich gegen­über, die Untertitel erzäh­len für sie von der Zeit des Wartens. Zeit, die irgend­wann selbst die Erinnerung an das alte Leben zer­stört, einen der Geister ver­ges­sen lässt, auf wen er noch war­tet, was ihn noch an sein Haus bin­det, von dem sich die Kamera nun lang­sam ent­fernt.“ Karsten Munt | critic.de

But the­re is a kind of sen­ti­men­tal romance in the ghost’s silent stoi­cism and deter­mi­na­ti­on to car­ry on. The awful ine­vi­ta­bi­li­ty of death is com­pli­ca­ted by the thought that you might have to sur­vi­ve, as a ghost, for reasons as arbi­tra­ry and meanin­g­less as the cau­se of your death. Which is sca­ri­er still.“ Peter Bradshaw | The Guardian


 
Credits:

USA 2017, 90 Min., engl. OmU 
Regie, Buch & Schnitt: David Lowery 
Kamera: Andrew Droz Palermo 
mit:
Casey Affleck,
Rooney Mara,
Will Oldham,
Rob Zabrecky

 

Die Lebenden reparieren

Ein Film von Katell Quillévéré. 

Als der jun­ge Simon aus Le Havre am frü­hen Morgen mit zwei Freunden zum Surfen auf­bricht, ahnt nie­mand etwas von der dro­hen­den Tragödie. Aber auf dem Rückweg kommt es zu einem schwe­ren Unfall und sein Leben hängt am sei­de­nen Faden. Die nächs­ten 24 Stunden müs­sen sei­ne Eltern eine Ausnahmesituation bewäl­ti­gen und Entscheidungen tref­fen, deren weit­rei­chen­de Konsequenzen sie an ihre Grenzen füh­ren. Unterdessen erfährt die zwei­fa­che Mutter Claire in Paris, dass ihr Herz zu ver­sa­gen droht, wenn nicht umge­hend etwas unter­nom­men wird. Den Ärzten und dem medi­zi­ni­schen Fachpersonal in bei­den Städten läuft die Zeit davon. Plötzlich sind Menschen untrenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den, die sich nie begeg­nen wer­den. In der gleich­na­mi­gen Romanvorlage setzt sich Maylis de Kerangal sehr fein­füh­lig mit dem Thema Organspende aus­ein­an­der, der Film folgt dem und doku­men­tiert prä­zi­se den Balanceakt der Protagonisten, ohne es an Empathie feh­len zu lassen.

Maylis de Kerangal hat ihren Roman als „ges­ti­sches Chanson“ (chan­son de ges­te) bezeich­net. Organe zu spen­den ist nicht nur eine rein orga­ni­sche Angelegenheit, sie ent­hält auch ein sakra­les Element. Ich glau­be, der Mensch spürt instink­tiv, dass es sich um eine Art Grenzüberschreitung han­delt, wenn man unter die Haut schaut, die ja eine natür­li­che Grenze bil­det und unse­re Identität bewahrt.“ Katell Quillévéré


 
Credits:
Réparer les vivants
F 2016, 103 Min., frz. OmU 
Regie: Katell Quillévéré
Buch: Katell Quillévéré, Gilles Taurand
Kamera: Tom Harari
Schnitt: Thomas Marchand
mit: Tahar Rahim, Emmanuelle Seigner, Anne Dorval, Bouli Lanners, Dominique Blanc
 
Termine:
 

 

Señora Teresas Aufbruch in ein neues Leben

Ein Film von Cecilia Atán & Valeria Pivato.

Die 54 Jahre alte Teresa arbei­tet seit Jahrzehnten als Hausmädchen für eine Familie in Buenos Aires. Als die Familie ihr Haus ver­kau­fen muss, ist Teresa gezwun­gen, eine Arbeitsstelle im weit ent­fern­ten San Juan anzu­neh­men. Obwohl ihr das Reisen nicht beson­ders gefällt, bricht sie auf, die Wüste zu durch­que­ren. Bei ihrem ers­ten Zwischenstopp ver­liert sie ihre Tasche mit all ihren Habseligkeiten. Durch die­sen Zwischenfall lernt sie El Gringo ken­nen, einen fah­ren­den Händler, der ihr als Einziger wei­ter­hel­fen kann, ihre Tasche wie­der­zu­fin­den. Seine Zurückhaltung in der Inszenierung und sei­ne ent­schleu­nig­te Erzählweise öff­nen Räume. Das Bedeutende im Minimalen und nicht im Spektakel zu ent­de­cken, macht den Reiz aus. Leider wird die­se Art von Filmen wenig beach­tet, ja gera­de­zu über­se­hen, und ist des­we­gen häu­fig nur auf Festivals zu entdecken.


 
Credits:
OT: La Novia del Desierto,
Arg./Chile 2017, 78 Min., span. OmU,
Regie: Cecilia Atán, Valeria Pivato,
Kamera: Sergio Armstrong,
Schnitt: Andrea Chignoli,
mit: Paulina Garcia, Claudio Rissi u.a.

 
Termine:

 
LA NOVIA DEL DESIERTO / THE DESERT BRIDE (Trailer)

Im Kino mit deut­schen Untertiteln.