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filmPOLSKA reloaded – Simple Things

Proste rzec­zy / Simple Things

[Tickets]

PL 2020, 84 min, OmU
R/B: Grzegorz Zariczny
K: Weronika Bilska
S: Bartosz Pietras
M: Marcin Dymiter
D: Błażej Kitowski, Magdalena Sztorc, Tomasz Schimscheiner u. a.

Für die jun­ge Aussteiger-Familie geht ein Traum in Erfüllung – ein eige­nes Haus auf dem Land. Hier kann das jun­ge Paar mit sei­ner Tochter in Ruhe pla­nen, wer­keln und gestal­ten. Aber ein altes Haus zu reno­vie­ren ist kei­ne leich­te Bastelarbeit. Deshalb kommt ein Onkel, um zu hel­fen – doch mit ihm kommt auch die Vergangenheit in das Haus, die zuneh­mend die hei­te­re Aufbruchsstimmung überschattet.

Der Film besticht durch nar­ra­ti­ve Einfachheit und eine gro­ße Nähe zu sei­nen Figuren. Weronika Bilskas Kamera rückt eng an Personen und Gegenstände her­an und hilft damit dem Zuschauer, tief in das Leben der Familie ein­zu­tau­chen. Regisseur Grzegorz Zariczny wie­der­um bedient sich meis­ter­haft der Sprache des Dokumentarfilms und nimmt damit die Perspektive eines unprä­ten­tiö­sen Beobachters ein, der auf kon­stru­ier­te Spannungsbögen und den mora­li­schen Zeigefinger verzichtet.

Grzegorz Zariczny (geb. 1983) stu­dier­te Regie in Katowice Dokumentarfilm in Warschau. Sein Kurzfilm „Gwizdek“ (2013) gewann einen Grand Prix beim Sundance-Filmfestival. Darüber hin­aus dreh­te Zariczny u. a. die Dokumentarfilme „Love, love“ (2015), „Ridan“ (2017) und „Ostatnia lek­c­ja“ (2018), sowie den Spielfilm „Fale“ (2016).

 

 

wei­te­re filmPOLSKA Termine:

 

filmPOLSKA – I Never Cry

Jak naj­da­lej stąd / I Never Cry

PL/IRL 2020, 100 min, OmU

R/B: Piotr Domalewski

K: Piotr Sobociński jr.

S: Agnieszka Glińska

M: Hania Rani

D: Zofia Stafiej, Kinga Preis, Arkadiusz Jakubik, Dawid Tulej u. a.

Ola ist sieb­zehn, ziem­lich dick­köp­fig und träumt vor allem von einem eige­nen Auto – denn damit kann man dem Alltag einer tris­ten Kleinstadt ent­flie­hen, die immer ein Stück zu eng ist. Ihren Vater hat sie ewig nicht mehr gese­hen, denn der schuf­tet in Irland für die Familie.

Dann kommt aus hei­te­rem Himmel die Nachricht: Ihr Vater hat­te einen töd­li­chen Arbeitsunfall. Jemand muss nach Irland fah­ren, um die nöti­gen Formalitäten zu erle­di­gen und ihn nach Hause zu über­füh­ren. Da ihre Mutter kein Wort Englisch spricht, macht sich Ola allein auf den Weg, um mit der Aussicht auf die Erbschaft viel­leicht doch den Traum vom Auto zu fül­len. Dort taucht sie tief ein in den Alltag der zahl­lo­sen Migranten, wel­che die iri­sche Wirtschaft am Laufen halten.

Wenn Ken Loach Pole wäre, hät­te er die­sen Film gemacht. Piotr Domalewski bedient sich in Bildsprache und Erzähltechnik beim Meister des Sozialdramas und haucht damit dem Genre neu­es Leben ein. Das gelingt vor allem dank der Hauptdarstellerin Zofia Stafiej, die über­zeu­gend einen unge­stü­men Teenie ver­kör­pert, der lang­sam zur Erwachsenen reift.

Piotr Domalewski (geb. 1983) stu­dier­te Schauspiel in Kraków und Regie in Katowice, bevor er mit sei­nem Langspiel-Debüt „Cicha noc / Stille Nacht“ auf Anhieb beim Filmfestival in Gdynia den Hauptpreis gewann.

Vorführungen in Kooperation mit dem FilmFestival Cottbus

14.10. 18:00 / fsk Kino  [Tickets]

 

filmPOLSKA 2021

filmPOLSKA ist das größ­te pol­ni­sche Filmfestival in Deutschland und wird vom Polnischen Institut Berlin ver­an­stal­tet. In den Jahren 2006–2020 zeig­te das Festival in ver­schie­de­nen Kinos Berlins und Brandenburgs ins­ge­samt 1.574 Filme. 324 Filmemacher/innen waren beim Festival zu Gast.

Insgesamt sie­ben Filme kon­kur­rie­ren die­ses Jahr im Wettbewerb (der kom­plett im fsk zu sehen ist), dar­un­ter gleich zwei Coming-Of-Age-Geschichten: Piotr Domalewski wid­met sich mit sei­nem in Cottbus mit dem Hauptpreis aus­ge­zeich­ne­ten “Jak naj­da­lej stąd / I Never Cry” [Tickets] den pre­kä­ren Lebensbedingungen der pol­ni­schen Arbeitsmigrant*innen in England mit Ken Loach-Anklängen, wäh­rend Tomasz Jurkiewicz in sei­nem Debüt “Każdy ma swo­je lato / Everyone Has A Summer” [Tickets] als Generationenfilm von der ers­ten gro­ßen Liebessehnsucht erzählt. “Sweat” [Tickets] zeigt den Alltag der Fitness-Trainerin und Influencerin Sylwia (​gespielt von Magdalena Koleśnik) und wirft einen ung­la­mou­rö­sen Blick hin­ter die Kulissen per­fekt insze­nier­ter Online-Persönlichkeiten.Um die Verquickung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geht es in Mariusz Wilczyńskis hoch­am­bi­tio­nier­tem, düs­te­rem Animationsfilm “Zabij to i wyje­dź z tego mias­ta / Kill It And Leave This Town“ [Tickets], an dem der Regisseur 14 Jahre lang arbei­te­te. Der ers­te Langfilm des Regisseurs fei­er­te 2020 in der Sektion Encounters der Berlinale sei­ne Premiere. Grzegorz Zaricznys auf wah­ren Begebenheiten und mit “rea­len” Charakteren insze­nier­tes Drama “Proste rzec­zy / Simple Things” [Tickets] berich­tet von der Schwierigkeit, einen Neustart auf dem Land zu wagen, wenn die fami­liä­re Vergangenheit einen nicht los­lässt. Dokumentarisch wird es dann mit Eliza Kubarskas atem­be­rau­bend foto­gra­fier­tem “Ściana cie­ni / Die Wand der Schatten“ [Tickets], der das Abhängigkeitsverhältnis von Sherpas und Alpinist*innen zum Anlass nimmt, über die Grenzen des Tourismus und Macht(un)gleichgewichte nach­zu­den­ken. Und Agnieszka Polska lie­fert mit “Hura. Wciąż żyje­my! / Hurrah, We Are Still Alive!” [Tickets] einen Polit-Thriller und Genrefilm um eine Schauspieltruppe, der ihr Regisseur abhan­den gekom­men ist.

Hinzu kom­men außer­habl des Wettbewerbs Małgorzata Szumowskas mes­ser­schar­fe Gesellschaftssatire “Śniegu już nig­dy nie będ­zie / Der Masseur” [Tickets] und Agnieszka Hollands “Šarlatán / Charlatan“ [Tickets], sowie fol­gen­des Kurzfilmprogramm:

Im Trickfilm-Programm “Polish Animation” [Tickets] erle­ben wir in aktu­el­len Filmen jun­ger Regisseur*innen in diver­sen Animationstechniken die Erforschung des eige­nen Körpers, eine vir­tu­os insze­nier­te Seelenwanderung, einen comic­haft über­zeich­ne­ten Kampf mit dem Körpergewicht, eine im Sterben lie­gen­de Frau bei ihren letz­ten Atemzügen und dar­über hin­aus, eine zwie­lich­ti­ge Vogelretterin mit dunk­len Geheimnissen, eine moder­ne Hexenjagd mit tra­gi­schem Ausgang, einen nächt­li­chen Wandel im Rausch und das in Metaphern ver­pack­te Ringen mit einer trau­ma­ti­schen Kindheit.

Installation:
Das für iPads und iPhones opti­mier­te Augmented-Reality-Projekt “Przyszłość będ­zie świet­la­na / Die Zukunft wird leuch­tend sein” von Wiola Sowa erwei­tert die bestehen­de Realität nicht um eine neue Dimension, son­dern  degra­diert sie, indem sie Informationen aus dem Bild schnei­det und ihm so „Narben“ zufügt. Damit bezieht sich die Arbeit auf Pandemie-Erfahrungen und ruft Verlustgefühle her­vor. In filmPOLSKA-Kinos hän­gen Plakate mit dem QR-Code zum Projekt. Die Arbeit ist für die Anzeige auf iPads und iPhones opti­miert, läuft aber auch auf eini­gen Android-Geräten.

Przyszłość będ­zie świet­la­na / The Future Will Be Bright © Wiola Sowa

Termine:

Do., 7. Sep.:Fr., 8. Sep.:Sa., 9. Sep.:So., 10. Sep.:Di., 12. Sep.:Mi., 13. Sep.:Mi., 13. Dez.:Mi., 17. Jan.:Mi., 14. Feb.:Mi., 13. Mrz.:Mi., 10. Apr.:Mi., 15. Mai.:Mi., 12. Jun.:Mi., 17. Jul.:

JFBB – Jüdisches Filmfestival Berlin Brandenburg 2021

Wir freu­en uns, auch die­ses Jahr das jüdi­sche Filmfestival bei uns zu Gast zu haben, dies­mal mit mehr Filmen und mehr Gästen. Fünf aktu­el­le Dokumentarfilme, von denen sich vier direkt oder indi­rekt auf die Shoah bezie­hen und vier Spielfilme aus der DDR und Polen. Die Spielfilme sind Teil der Reihe deutsch-pol­ni­sche Zeitreise,

in Die Passagierin kommt es bei einer Schiffspassage zur Begegnung zwi­schen der Überlebenden Marta und einer ehe­ma­li­gen KZ-Aufseherin, ein Kammerspiel inmit­ten der end­lo­sen, atlan­ti­schen Weite. Andrzej Wajdas Das gelob­te Land por­trai­tiert ein jüdisch, pol­nisch, deut­sches Trio mit Aufstiegsambitionen zur Zeit der Industrialisierung Ende des 19ten Jahrhunderts. Epische 180 Minuten, und das mein­te 1974 eine Filmreise/eine Reise im Film. Chronik eines Mordes kon­fron­tiert die Jüdin Ruth, die ver­schleppt wur­de und deren Eltern im KZ umka­men, mit den Mördern, die wei­ter­hin unge­stört in Amt und Würden unter uns waren. Die Schauspielerin wagt einen melo­dra­ma­ti­schen Ansatz: die gro­ße Liebe (am Theater, unter Schauspielern). Mark bekommt als Jude Berufsverbot, Maria ver­folgt ihren Weg erfolg­reich wei­ter, bis sie sich radi­kal umentscheidet.
Unter den Dokumentarfilmen ist Displaced eine erneu­te Auseinandersetzung der drit­ten Generation der Holocaust Überlebenden mit der eige­nen Familiengeschichte. Ein wei­te­rer Versuch, das Schweigen auf­zu­bre­chen. Love, it was not the­ma­ti­siert die Abhängigkeitsverhältnisse zwi­schen Opfer und Täter. Die Jüdin Helena, in Auschwitz inhaf­tiert, gefällt einem SS Offizier, er wähnt sich in Liebe, jeder­zeit sei­ner Macht bewußt und extrem bru­tal, wie es sei­ne Totenkopfblechmarke ver­spricht. Sie ver­sucht ihr Leben zu ret­ten und für ihre Mitgefangenen zu spre­chen. Muranow war lan­ge ein Ort bun­ten Gewimmels, mehr­heit­lich jüdisch bewohnt. Nach dem Überfall auf Polen wur­de es zum Warschauer Ghetto und beim Aufstand 1943 fast voll­stän­dig zer­stört. Eine Spurensuche heu­te, wo Ort und Bewohner nichts mit der Vergangenheit zu ver­bin­den scheint. Walter Kaufmann- welch ein Leben por­trai­tiert natür­lich den Schriftsteller, der als jüdi­sches Kind wäh­rend des 12 jäh­ri­gen Reichs nach Großbritannien ent­kam, dort als Deutscher inhaf­tiert auf einem Seelenfänger nach Australien ver­schifft wur­de und schließ­lich der Seefahrt und dem Schreiben frön­te. Zum Abschluß des Festivals bei uns führt Ziyara in ein ganz ande­res Land: Marokko. Lange leb­ten Muslime und Juden hier rela­tiv pro­blem­los zusam­men, auch die Familie der Regisseurin. Eine wei­te­re Spurensuche.

Termine:

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Curveball

ein Film von Johannes Naber.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Eine wah­re Geschichte. Leider!“ heißt es im Vorspann unheil­schwan­ger. Die Wahrheit will auch
BND-Biowaffenexperte Wolf (Sebastian Blomberg) wis­sen, der sich 1997 im Irak auf die Suche nach Massenvernichtungswaffen macht. Die UN-Mission wird ergeb­nis­los abge­bro­chen, womit auch des Agenten Affäre mit der CIA-Kollegin endet. Zwei Jahre spä­ter wird der Wissenschaftler in die Chefetage der BND-Zentrale zitiert. In einem Asylbewerberheim, so berich­tet Abteilungsleiter Schatz, behaup­te der Iraker Rafid Alwan, er wäre in sei­ner Heimat an der Produktion von Anthrax-Erregern betei­ligt gewe­sen. Mehr noch: Er wüss­te zudem von einem töd­li­chen Unfall mit Biowaffen. Gemeinsam mit Verbindungsoffizier Retzlaff reist Wolf sofort nach Zirndorf, um den ver­meint­li­chen Informanten zu treffen.

Beim Verhör im schä­bi­gen Zimmer der BND-Außenstelle gibt sich der Iraker in Plauderlaune. Für sein Wissen frei­lich for­dert er aus Sicherheitsgründen eine eige­ne Wohnung sowie einen deut­schen Pass. Die Erzählungen des Informanten klin­gen indes eher blu­mig als veri­fi­zier­bar. Eine Blutprobe von Rafid mit Anti-Körpern könn­te den Beweis für Milzbrand-Erreger brin­gen. Doch allein die Amerikaner ver­fü­gen über eine zuver­läs­si­ge Analyse-Technologie. Für Abteilungsleiter Schatz ist das kei­ne Option, schließ­lich will sei­ne Behörde der CIA-Konkurrenz einen „Knaller“ prä­sen­tie­ren.
Mit einer schlich­ten Zeichnung kann Informant „Curveball“ die Agenten doch noch über­zeu­gen: Sie zeigt, wie LKWs als mobi­le Labore ein­ge­setzt wer­den, wes­halb Beweise von den UN-Kontrolleuren nie gefun­den wer­den konn­ten. Beim BND knal­len die Korken, Kanzler Schröder dankt per­sön­lich. Der Katzenjammer ist groß, als ein Satellitenfoto die gan­ze Geschichte als Fälschung entlarvt.

Nach den Terroranschlägen vom 11.September ändert sich die Lage dra­ma­tisch. Den USA kommt der angeb­li­che Beweis sehr gele­gen. Außenminister Colin Powell prä­sen­tiert vor der UN die Fälschung als Grund für einen Angriff auf den Irak – und Joschka Fischer schweigt dazu. Der mitt­ler­wei­le beur­laub­te Wolf ist ent­setzt. „Was gibt dir das Recht, die Fakten zu ver­dre­hen?“ will er von sei­ner CIA-Freundin wis­sen. „Wir machen die Fakten!“ bekommt er als küh­le Antwort.

Wie in der süf­fi­san­ten Kapitalismus-Satire „Die Zeit der Kandidaten“ zeigt Regisseur Naber in die­ser Polit-Posse ein gutes Gespür für gelun­ge­ne Situationskomik und exzel­len­te Dialoge. Sein aber­ma­li­ger Hauptdarsteller Sebastian Blomberg gibt den besorg­ten Biowaffenexperten mit spür­ba­rem Vergnügen. Als nai­ver Tor gerät er unauf­halt­sam unter die Räder von Machtinteressen und Intrigen. Ständig im Zugzwang, kämpft Agent Wolf wie ein Löwe gegen die Lügen. Selbst im Schlafanzug trotzt er wacker Schnee und Eis, um mit einem spek­ta­ku­lä­ren Slaptsick-Einsatz per Schlitten den ent­führ­ten Informanten aus sei­nem gehei­men Versteck zu befreien.

Die Wahrheit löst sich auf und alle fin­den es nor­mal!“, zieht der geknick­te Held frus­triert Bilanz. Für eine smar­te Satire ist die­se Erkenntnis ein gefun­de­nes Fressen. Bei allem Spaß geht der Ernst des Themas nie ver­lo­ren. „Der dama­li­ge Kanzleramtschef ist heu­te Bundespräsident“, mel­det der Nachspann nüch­tern. Für Schauspiel-Star Fahri Yardim ein gelun­ge­ner Einstand als Produzent. Auf den nächs­ten Streich von Johannes Naber kann man nach die­sem Komödien-Coup alle­mal gespannt sein.

Dieter Oßwald | programmkino.de

Credits:

DE 2019, 108 Min.
Regie: Johannes Naber
Kamera: Sten Mende
Schnitt: Anne Jünemann
Darsteller: Sebastian Blomberg, Dar Salim, Virginia Kull, Michael Wittenborn, Thorsten Merten

Trailer:
CURVEBALL | Offizieller Trailer | Ab 9. September im Kino
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Thomas Brasch: Aus meinen Augenfenstern

Im Rahmen des inter­na­tio­na­les lite­ra­tur­fes­ti­val ber­lin [ilb] 2021 zei­gen wir am 12.9. ein Thomas Brasch Programm:

Thomas Brasch [1945–2001] war Dichter, Dramatiker, Autor, Filmschaffender und Übersetzer. In allen Bereichen scho­nungs­los, unkon­ven­tio­nell und unnach­gie­big, gleich­zei­tig fein­füh­lig und sanft. Als Kind jüdisch-kom­mu­nis­ti­scher Eltern wuchs Brasch in der DDR auf, wo sein Vater zum stell­ver­tre­ten­den Kulturminister auf­stieg, wäh­rend er selbst mit sei­ner Kritik an den real­so­zia­lis­ti­schen Verhältnissen aneck­te. 1976 ver­ließ er das Land, um in der BRD sein Schaffen fort­zu­set­zen. Zwischen den 70er und 90er Jahren kon­fron­tier­te er das Publikum scharf­sin­nig und ori­gi­nell mit den Widersprüchen der deut­schen Nachkriegszeit. Seine Werke, dar­un­ter zahl­rei­che Gedichte, der Roman „Vor den Vätern ster­ben die Sohne“ und der Film „Engel aus Eisen“, zeich­nen sich durch eine kla­re Bildsprache und einen „beschwingt aggres­si­ven“ Witz [SZ] aus. Das ilb zeigt in Filmvorführungen, Performances und Lesungen die Facetten sei­nes Schaffens.

U.a. mit Annett Gröschner D, Andreas Kleinert D, Matthias Mücke D. Claus Peymann D [live zuge­schal­tet], Masha Qrella D, Hilde Stark D, Hanns Zischler D und Alexander Polzin, der das Programm der Brasch-Reihe mitgestaltete.


So., 12.09.2021; 12:00 Uhr – fsk Kino [Tickets]

THOMAS BRASCH: AUS MEINEN AUGENFENSTERN
ENGEL AUS EISEN“. FILMVORFUHRUNG

Das Filmdebut des Dramatikers Thomas Brasch, das 1981 im Auftrag des Zweiten Deutschen Fernsehens ent­stand, erhielt im Jahr sei­ner Entstehung den Bayerischen Filmpreis. Erzählt wird die wah­re Geschichte des jugend­li­chen Bandenchefs Werner Gladow, der zur Zeit der Berliner Luftbrücke Raubzuge durch Berlin unter­nahm. Lebensnah demons­triert er Figuren, „in denen sich die Widerspruche und die Verstörung der Menschen nach dem Krieg beson­ders deut­lich zei­gen.“ [Lexikon des inter­na­tio­na­len Films]

Engel aus Eisen

So., 12.09.2021; 14:30 Uhr – fsk Kino [Tickets]

THOMAS BRASCH: AUS MEINEN AUGENFENSTERN
DOMINO“. FILMVORFUHRUNG

Der mit Katharina Thalbach, Bernhard Wicki und Anne Bennent hoch­ka­ra­tig besetz­te Spielfilm von 1982 han­delt von einer jun­gen Theaterschauspielerin, die sich unsi­cher zwi­schen Fiktion und Realität bewegt und nach dem Tod ihres Mentors end­gül­tig den Halt ver­liert. „Die Geschichte die­ser künst­le­ri­schen Identitätskrise ist mit Versatzstucken des Zaubermärchens zu einem viel­schich­ti­gen, ver­track­ten Zeitbild ver­bun­den, zu einem Essay über Realitätsprobleme.“ [Lexikon des inter­na­tio­na­len Films]

Domino

So., 12.09.2021; 16:30 Uhr – fsk Kino [Tickets]

THOMAS BRASCH: AUS MEINEN AUGENFENSTERN
DER PASSAGIERWELCOME TO GERMANY”. FILMVORFUHRUNG

Braschs vier­ter und letz­ter Spielfilm von 1988 mit Tony Curtis in der Hauptrolle han­delt von einem Hollywood-Regisseur, der in Westberlin einen Film dre­hen will, um eige­ne Erlebnisse aus der Nazizeit zu bewäl­ti­gen: 1942 war er einer von 13 jüdi­schen KZ-Häftlingen, die als Statisten für einen anti­se­mi­ti­schen Film aus­ge­wählt wur­den, wobei er den Tod eines Freundes ver­schul­de­te. Der Film beleuch­tet „die Schwierigkeit, die Vergangenheit durch Kunst bewäl­ti­gen zu kön­nen.“ [Lexikon des inter­na­tio­na­len Films]

Der Passagier

So., 12.09.2021; 18:30 Uhr – fsk Kino [Tickets]

THOMAS BRASCH: AUS MEINEN AUGENFENSTERN
CHRISTOPH RÜTER: „BRASCH, DAS WÜNSCHEN UND DAS FÜRCHTEN

Der Dokumentarfilm über Thomas Brasch, der 2011 auf der Berlinale urauf­ge­führt wur­de, stellt eine Montage von hin­ter­las­se­nen Interviews, Selbstgesprächen, pri­va­ten Beobachtungen sowie Archivaufnahmen, Fernsehbeiträgen und Filmausschnitten dar, die sich zu einem künst­le­ri­schen und per­sön­li­chen Porträt des Künstlers fügt. Im Anschluss folgt ein Gespräch über Brasch als Filmemacher mit Christoph Rüter, Joachim von Vietinghoff und Hanns Zischler.

Coup

ein Film von Sven O. Hill.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Sommer 1988: Ein 22-jäh­ri­ger Bankangestellter, Familienvater, Rocker, raubt sei­ner Bank Millionen. Aber nicht mit Pistole und „Hände hoch“, son­dern indem er eine Sicherheitslücke ent­deckt und mit einem aus­ge­tüf­tel­ten Coup die Beute zur Seite schafft. Mit den geklau­ten Millionen setzt er sich nach Australien ab und weiht erst von dort aus am Telefon sei­ne Lebensgefährtin ein. Sie will aber nicht zu ihm nach­kom­men. Damit hat er nicht gerech­net. Sein Aufenthalt im aus­tra­li­schen Luxushotel wird zum gol­de­nen Käfig.

Der Film erzählt in einem Mix aus Spiel‑, Dokumentar- und Animationsfilm die wah­re und unglaub­li­che Geschichte eines Bankangestellten, beru­hend auf den Original-Interviews. Gewinner des Förderpreis Neues Deutsches Kino bei den Hofer Filmtagen 2019.

Credits:

DE 2019, 81 Min.
Regie & Buch: Sven O. Hill
Kamera: Sven O. Hill
Montage: Sven O. Hill, Hendrik Schmitt
mit: Daniel Michel, Paula Kalenberg, Tomasz Robak, Rocko Schamoni, Laurens Walter, Fabienne Hollweg
e

Trailer:
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Der Atem des Meeres

 

ein Film von Pieter-Rim de Kroon.

 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

 

DER ATEM DES MEERES – ein poe­ti­scher Kinodokumentarfilm über das beein­dru­cken­de Universum des größ­ten Marschlandes der Welt: das Wattenmeer. Im Rhythmus von Ebbe und Flut erzählt DER ATEM DES MEERES vom Wattenmeer, von den Menschen und der Natur, die die­se außer­ge­wöhn­li­che Region for­men. Von Den Helder in den Niederlanden über die ost­frie­si­schen Küsten bis nach Skallingen in Dänemark erstreckt sich eine Ansammlung von Inseln und Gemeinden, wovon jede ihren eige­nen Charakter, ihre eige­nen Besonderheiten hat. Doch sie alle gehö­ren zum Wattenmeer, das seit 20 Jahren den Titel UNESCO-Weltnaturerbe trägt.
Ständig wech­seln­des Licht, Nebel, und Wind ver­än­dern die Landschaft und Lebensräume von Seehunden, Krabben und Flundern. Das kom­ple­xe Binnensystem, mit sei­ner ein­zig­ar­ti­gen Flora und Fauna birgt unzäh­li­ge Geschichten und ein­zig­ar­ti­ge Lebensformen, deren Entdeckung DER ATEM DES MEERES erleb­bar macht.
Mal rich­tet sich der Blick auf klei­ne Details, mal auf das gro­ße Ganze. Zugvögel und Touristen, die jedes Jahr kom­men und gehen, die Veränderung der Farbgebung von Watt und Wasser und der fas­zi­nie­ren­de Wechsel der Gezeiten sind ein sich wie­der­ho­len­der Zyklus.
DER ATEM DES MEERES ist ein poe­ti­scher Kinodokumentarfilm, der eine Region vol­ler Gegensätze zeigt. Das Wattenmeer ist geprägt von Stille und Sturm, Leben und Tod und natür­lich vom Ein- und Ausatmen des Meeres, dem bestim­men­den Faktor, nach dem sich alles richtet.

 

 

 

 

Credits:

 

NL/DE 2020, 105 Min.,
Regie: Pieter-Rim de Kroon
Kamera: Victor Dekker
Schnitt: Erik Disselhoff

 

Trailer:

 

 

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Der Masseur

ein Film von Malgorzata Szumowska. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

In einer anony­men pol­ni­schen Villensiedlung beglückt ein ukrai­ni­scher Masseur sei­ne KundInnen nicht nur mit sei­nen hei­len­den Händen. Er wird zu einer Art Guru für die spi­ri­tu­ell obdach­lo­sen und nicht nur sexu­ell frus­trier­ten Neureichen. Małgorzata Szumowska (DIE MASKE) und Michał Englert erzäh­len von einer pol­ni­schen Gegenwartsgesellschaft, die ihre Identität ver­lo­ren hat. Weltpremiere im Wettbewerb des Filmfestivals von Venedig!

Der Oscarkandidat von Polen für 2021. Die Süddeutsche schreibt dazu: „Man weiß irgend­wann nicht mehr, wor­auf der Film hin­aus will, aber da kann man sich ihm schon nicht mehr entziehen“.

Hypnosekino auf sub­ti­le und humor­vol­le Art und Weise.

Credits:

OT: ŚNIEGU JUŻ NIGDY NIE BĘDZIE – Never Gonna Snow Again
PL/DE 2020, 115 Min., poln. OmU
Regie & Buch: Małgorzata Szumowska & Michał Englert
Kamera: Michał Englert P.S.C.
Schnitt: Jaroslaw Kaminski, Agata Cierniak
mit: Alec Utgoff, Maja Ostaszewska, Agata Kulesza, Lukasz Simlat, Weronika Rosati, Katarzyna Figura, Andrzej Chyra

Trailer:
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Die Dohnal

ein Film von Sabine Derflinger.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

November 1979. Parteitag der SPÖ, Villach, 23 Uhr. Johanna Dohnal gibt ihr ers­tes Interview als Frauenstaatssekretärin. Ein ORF-Journalist kommt gleich zur Sache. „Was ist das für ein Gefühl?“, will er wis­sen. Sie ant­wor­tet schnell und direkt: „Überhaupt kein Gefühl im Moment. Außer, dass es hier sehr heiß ist.“ Doch er lässt nicht locker: Ob sie sich als Frau wie jeder ande­re Staatssekretär auch füh­len wer­de? „Ich weiß über­haupt nicht, wie sich ein Staatssekretär fühlt. Ich glau­be, so wie jeder ande­re Mensch auch. Aber die Frauenfrage ist eine gesell­schafts­po­li­ti­sche und nach mei­ner Auffassung kei­ne Frauenfrage.“

Und damit zeigt die ehe­ma­li­ge, ers­te öster­rei­chi­sche Frauenministerin klar ihren Standpunkt. Sie will sich nicht in eine Ecke drän­gen las­sen. Der Kampf für Frauenrechte ist für sie gleich­be­deu­tend mit dem Kampf für eine Gesellschaft mit mensch­li­chem Antlitz. Als unehe­li­ches Kind einer ledi­gen Mutter arbei­te­te sie sich aus armen Verhältnissen im Nachkriegsösterreich in der sozia­lis­ti­schen Partei hoch. Bei der Grossmutter auf­ge­wach­sen fühl­te sie sich als Außenseiterin. Die Freiheit jen­seits von Normen zu den­ken und zu füh­len, behält sie selbst nach ihrem Aufstieg in der öster­rei­chi­schen Politik bei.

Ihre Bestellung in den 1970er Jahren unter Bruno Kreisky war damals eine Sensation. Ihre früh­zei­ti­ge Abberufung gegen ihren Willen durch die eige­ne Partei eigent­lich ein Skandal. Denn nach sechs­zehn Jahren Regierungstätigkeit hat­te sie ihren Schwung nicht ver­lo­ren. Trotzdem wur­de sie im März 1995 von Kanzler Franz Vranitzky aus dem Amt gedrängt. Geblieben sind ihre Errungenschaften, die heu­te oft­mals wie­der zur Diskussion ste­hen, was den Film zusätz­lich bri­sant macht. Dabei ver­blüfft nach wie vor die Fülle an Initiativen, Gesetzen, Regelungen und Einrichtungen, die direkt auf ihre Initiative zurück­ge­hen. Das reicht von der Einführung der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe über die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Pension bis zu den ers­ten Frauenhäusern und einem Gesetz gegen sexu­el­le Belästigung am Arbeitsplatz.

Vor dem Hintergrund patri­ar­chal gepräg­ter Machtverhältnisse bün­del­te die femi­nis­ti­sche Visionärin die Kräfte aller öster­rei­chi­schen Frauenorganisationen, von der Katholischen Frauenbewegung bis zur Aktion Unabhängiger Frauen, um öffent­li­chen Druck für gemein­sa­me Anliegen zu erzeu­gen. So setz­te sie die Gründung und dau­er­haf­te Finanzierung der Wiener Frauenhäuser durch. Sabine Derflingers berüh­ren­de Doku spie­gelt das poli­ti­sche Klima des Landes bis hin zum neo­li­be­ra­len Umschwung treff­lich. Mitreißend bebil­dert die Grimme-Preisträgerin den wei­ten Weg den Johanna Dohnal im Kampf gegen alle Widerstände und Männerbünde gehen muss­te. Ein Stück leben­di­ge, inspi­rie­ren­de Frauengeschichte, die den Blick schärft.

Luitgard Koch | programmkino.de

Credits:

AT 2019, 104 Min.,
Regie: Sabine Derflinger
Drehbuch: Sabine Derflinger
Kamera: Christine A. Maier, Eva Testor
Schnitt: Niki Mossböck
mit: Annemarie Aufreiter, Johanna-Helen Dohnal, Ingrid Dohnal, Sonja Ablinger, Ferdinand Lacina, Elfe Semotan, Trautl Brandstaller, Brigitte Ederer, Hanna Herbst, Julia Herr, Käthe Kratz, Alice Schwarzer.

Trailer:
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