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Fallende Blätter

Fallende Blätter – Fallen Leaves

Ein Film von Aki Kaurismäki. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Seit 30 Jahren dreht Aki Kaurismäki Filme, die das Bild sei­ner fin­ni­schen Heimat im Ausland geprägt haben. Eigentlich hat­te er sich schon zur Ruhe gesetzt, mit „Fallen Leaves“ hat Kaurismäki nun doch noch einen Film gedreht, einen sei­ner schöns­ten. Eine zar­te Liebesgeschichte in Helsinki, ein Film, der in jedem Moment ein Kaurismäki-Film ist, völ­lig aus der Zeit gefal­len und dabei durch und durch eigen.

In der fin­ni­schen Hauptstadt Helsinki (bzw. der Kaurismäki-Version von Helsinki) leben Ansa (Alma Pöysti) und Holappa (Jussi Vatanen) beschei­de­ne Leben. Sie arbei­tet in einem Supermarkt, räumt die Regale ein und nimmt bis­wei­len eine Packung abge­lau­fe­ner Wurst mit nach Hause, wes­we­gen sie bald ent­las­sen wird. Er arbei­tet auf dem Bau – zumin­dest noch – lebt in einem Container und geht gele­gent­lich mit sei­nem Freund zur Karaoke, an der er aber nicht teil­nimmt, denn: Harte Jungs sin­gen nicht. Noch wis­sen die bei­den Nichts von­ein­an­der, leben vor sich hin, in einer zeit­lo­sen Welt, die weder bewusst die Vergangenheit dar­stellt, noch deut­lich die Gegenwart.

Das Radio in Ansas Küche etwa, scheint aus den 60er Jahren zu stam­men, aber sie hört dar­in Nachrichten, die auf den aktu­el­len Krieg in der Ukraine Bezug neh­men. Fernseher gibt es in die­ser Welt dage­gen nicht, die Moderne scheint noch kei­nen Einzug gehal­ten zu haben. Irgendwann kommt es zu einer ers­ten Verabredung – man sieht sich Jim Jarmuschs „The Dead don’t die“ im Kino an – doch bevor Ansa und Holappa wie der klei­ne Tramp und das Mädchen in den Sonnenaufgang gehen kön­nen, wol­len noch eini­ge Hindernisse über­wun­den werden.

Ein eigen­ar­ti­ges Gefühl hin­ter­lässt Aki Kaurismäkis „Fallen Leaves“: Ein neu­er Film des fin­ni­schen Kultregisseurs ist dies, der sich den­noch in jedem Moment, in prak­tisch jedem Dialog, jeder Geste, jedem Schauplatz bekannt anfühlt. Als hät­te es Kaurismäki zum dies­mal viel­leicht end­gül­ti­gen Ende sei­ner Karriere dar­auf ange­legt, ein Pastiche sei­ner bis­he­ri­gen Arbeiten zu dre­hen, eine Art Best Of-Kaurismäki.

Die Welt, die er dabei zeigt, scheint sich seit den 80er Jahren, als Kaurismäki begann, Filme zu dre­hen, kaum geän­dert zu haben. Damals war das kar­ge Set-Design wohl nur wenig von der fin­ni­schen Realität ent­fernt, im Laufe der Jahre hat sich dage­gen Finnland selbst weit mehr ent­wi­ckelt als die Filme des im Ausland wohl berühm­tes­ten Finnen.

Kein Regisseur und auch sonst kein Künstler dürf­te das Bild von Finnland stär­ker geprägt haben als Kaurismäki. Das Bild eines wort­kar­gen, melan­cho­li­schen Volkes, dass das Leben lako­nisch an sich vor­bei­zie­hen lässt ist dabei im Lauf der Jahre ent­stan­den, ist die Welt, in der Kaurismäkis Filme spie­len, unver­wech­sel­bar gewor­den. In gewis­ser Weise ist „Fallen Leaves“ also pure Nostalgie, erlaubt es dem Zuschauer ein­mal mehr in die bekann­te, auch die hei­le, Kaurismäki-Welt ein­zu­tau­chen, in der die Dinge sich im Lauf der Jahrzehnte nicht ver­än­dert haben. Doch die Kaurismäki-Nostalgie funk­tio­niert anders als etwa der Versuch all­zu vie­ler Serien und Filme der letz­ten Jahre, sich auf eine Reise in die 80er oder 90er Jahre zu bege­ben und eine nur ver­meint­lich ein­fa­che­re Zeit wie­der­auf­le­ben zu lassen.

Kaurismäkis-Filme haben bei allem Realismus, bei aller Sympathie für die Arbeiterklasse („Fallen Leaves“ soll als Weiterführung der um 1990 ent­stan­de­nen Proletarischen Trilogie ver­stan­den wer­den), immer auch etwas Irreales, etwas Märchenhaftes. Das Finnland, das Kaurismäki zeigt, hat so ver­mut­lich nie exis­tiert, es war schon Mitte der 80er Jahre eine Illusion und ist es 40 Jahre spä­ter noch viel mehr. Allein an der Lust, sich von Kaurismäki, sei­nen ein­zig­ar­ti­gen Figuren und sei­nem spe­zi­el­len Blick auf die Welt ver­zau­bern zu las­sen hat sich nichts geändert.

Michael Meyns | programmkino.de

Credits:

Kuolleet leh­det
FI 2023, 81 Min., finn. OmU
Regie: Aki Kaurismäki
Kamera: Timo Salminen
Schnitt: Samu Heikkilä
mit: Alma Pöysti, Jussi Vatanen

Trailer:
Fallen Leaves (2023) | Trailer | Aki Kaurismäki Alma Pöysti | Jussi Vatanen
im Kino mit deut­schen Untertiteln
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L’Amour du Monde

Ein Film von Jenna Hasse.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Ein Sommerfilm, der in einem Sommer aus einer ande­ren Zeit spielt. Niemand stellt stän­dig von zu heiß auf zu kalt, von extrem tro­cken auf Cats’n’Dogs, es ist ein­fach der Zustand der Gelöstheit, der Entdeckungen, des sich trei­ben las­sen. Dazu haben die ProtagonistInnen aller­dings zu wenig Zeit. Margaux ist vier­zehn und macht in den Sommerferien eher unbe­geis­tert ein Praktikum in einem Kinderheim am Genfer See, der ruhig im Licht der Tage glänzt und ufer­los scheint. Sie freun­det sich mit einem der Kinder an, Juliette heißt sie, die erst ins Wasser springt und dann schwim­men ler­nen möch­te, ein unge­stü­mer Flohzirkus vol­ler Energie und Entdeckungsfreude. Die bei­den ler­nen Joël ken­nen, der lan­ge in Indonesien war und jetzt wie­der als Fischer arbei­tet. Für einen Sommer kreu­zen sich die Wege der Suchenden in Jenna Hasses poe­ti­schem Debütfilm.
„Der Sommer flirrt am Ufer des Genfer Sees, wo das Trio, jeder auf sei­ne eige­ne Weise, nach einem Platz und einer Perspektive sucht. Die 1989 in Lissabon gebo­re­ne Hasse sie­delt ihren Film dort an, wo sie selbst groß wur­de. Inspirieren ließ sie sich von Roman Charles-Ferdinand Ramuz‘ eben­falls am Genfer See spie­len­dem Roman L’amour du mon­de, des­sen Titel sie ent­lehnt hat. Margaux gibt Juliette einen zwi­schen­mensch­li­chen Halt, den sie selbst sucht. Das Verhältnis zum Papa ist ange­knackst, und die Teenagerin sehnt sich mit jeder Faser an einen ande­ren Ort. Als ihre Freundinnen sich via Handy aus dem Italienurlaub mel­den, foto­gra­fiert Margaux eine Naturdokumentation im TV und schreibt: „Liebe Grüße aus dem Paradies“. In dem Hotelzimmer, in dem sie mit dem Vater lebt, hängt die Malerei eines Dschungels an der Wand. „Ich möch­te mit dir nach Indonesien gehen“, sagt sie Joël, der für sie in viel­deu­ti­ger Hinsicht zu einem Fixpunkt wird.“
Jens Balkenborg | epd Film

Credits:

CH 2023, 76 Min., frz. OmU
Regie: Jenna Hasse
Kamera: Valentina Provini
Schnitt: Noémie Fy
mit: Clarisse Moussa, Esin Demircan, Marc Oosterhoff, Adèle Vandroth, Pierre Mifsud, Mélanie Doutey, Filipe Vargas, Théo Rossi, Hadrien Motta, Elias Alves, Maël Ney

Trailer:
L’AMOUR DU MONDE – Sehnsucht nach der Welt // Kinostart: 24. August
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Welcome Venice

Ein Film von Andrea Segre.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Nachdem wir vor nicht all­zu lan­ger Zeit sei­nen essay­is­ti­schen Film, Moleküle der Erinnerung, gezeigt haben, indem sei­ne Heimat im Corona Lockdown eine wun­der­bar pas­sen­de Kulisse zu einer Aufarbeitung des Verhältnisses zu sei­nem Vater bil­de­te, nun der neue Film von Andrea Segre.
Welcome Venice behan­delt die Auseinandersetzung zwei­er Brüder über den Erhalt einer Fischertradition und den grund­le­gen­den Veränderungen ihrer Heimat:
Die Brüder Pietro und Alvise gehö­ren zu einer alten Fischerfamilie aus Giudecca, einer der Inseln, aus denen die Stadt Venedig besteht. Ihr Leben kol­li­diert vor dem Hintergrund des unauf­halt­sa­men Wandels, der die Realität und die Identität Venedigs und sei­ner Bewohner ver­än­dert: Der zuneh­men­de Einfluss des glo­ba­len Tourismus ver­än­dert die Beziehungen zwi­schen der Stadt und ihren Bewohnern. Obwohl es anstren­gend und ein­sam ist, möch­te Pietro wei­ter­hin „moe­che“, die typi­schen Krebse der Lagune, fischen; Alvise hin­ge­gen sieht in sei­nem Elternhaus die Möglichkeit, neu anzu­fan­gen und sich den neu­en Bedingungen anzu­pas­sen, wohl wis­send nicht nur alte Traditionen, son­dern auch sein Verhältnis zu sei­nem Bruder in Frage zu stel­len.
„Zehn Jahre nach mei­nem Film Io sono Li keh­re ich mit Welcome Venice zu einem Film zurück, in dem die Stadt Venedig, die Orte und ihre Bewohner eine grund­le­gen­de Rolle spie­len. Ein Film, der in die Gassen und Gewässer eines Venedigs ein­taucht, das Angst hat, zu ver­schwin­den und nicht weiß, wohin die Zukunft führt, aber den­noch die Kraft fin­det, zu exis­tie­ren und zu sich selbst und zur Welt zu spre­chen. Ein Venedig, das Gefahr läuft, von sei­ner eige­nen Schönheit und sei­nem Ruhm ver­schlun­gen zu wer­den, eine Stadt, die die uns alle betref­fen­den glo­ba­len Veränderungen sym­bo­li­siert, eine Stadt, die Leben, Bürger und Räume braucht. In einer schwie­ri­gen Zeit wie die­ser freue ich mich, dass mein Film einen Dialog zwi­schen dem Kino und der Stadt Venedig, zwi­schen dem Kino und der Welt da drau­ßen anre­gen kann.“ Andrea Segre

Credits:

IT 2021, 100 Min.,
Regie: Andrea Segre
Kamera: Matteo Calore
Schnitt: Chiara Russo
mit: Paolo Pierobon, Andrea Pennacchi, Ottavia
Piccolo, Roberto Citran, Sara Lazzaro

Trailer:
Trailer „Welcome Venice”
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Forever Young

Ein Film von Valeria Bruni Tedeschi.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

In ihrer jüngs­ten Regiearbeit ver­ar­bei­tet Valeria Bruni Tedeschi die eige­ne Zeit an der berühm­ten Pariser Schauspielschule Théâtre des Amandiers. FOREVER YOUNG folgt einer Gruppe Schauspielstudentinnen über ein knap­pes Jahr, vom Vorsprechen bis zur Premiere der ers­ten Studieninszenierung. Dabei ist die Kamera immer so nah bei ihnen, dass fast der Eindruck eines Dokumentarfilms ent­steht. Innerhalb des Figurenensembles, dem der Film durch Partys, Liebschaften und Workshops folgt, erhält die Beziehung zwi­schen Stella (Nadia Tereszkiewicz) und Etienne (Sofiane Bennacer) die Hauptaufmerksamkeit: Sie, die Tochter aus rei- chem Hause (und offen­sicht­li­ches alter ego der Regisseurin), ist dem schau­spie­le­risch inten­si­ven und pri­vat selbst­de­struk­ti­ven Junkie-Bad-Boy mit Mutterkomplex ver­fal­len, egal, wie oft er sie warnt, sie schlecht behan­delt und sie bestiehlt. Ähnlich wie in Joanna Hoggs Upper-Class-Gesellschaft in THE SOUVERNIR ist in Les Amandiers kein Platz für emo­tio­nal gesun­de Beziehungen und die Verarbeitung von Stress. Stattdessen wird in den spä­ten 1980ern, an die sich Bruni Tedeschi erin­nert, kon­stant geraucht, die Schulleiter nut­zen ihre abso­lu­te Macht, um die Lieblinge des Kollegen im Probenraum fer­tig zu machen oder sich den eige- nen Lieblingen anzu­nä­hern, und die Studentinnen las­sen sich in ihren hedo­nis­ti­schen Experimenten von der stän­dig prä­sen­ten Bedrohung durch AIDS kaum auf­hal­ten. Die Premiere naht, „The Show must go on!“, und geweint wer­den kann hin­ter der Bühne. Das bra­chia­le Regime scheint zu funk­tio­nie­ren, hat es doch der Regisseurin und vie­len ihrer Kommiliton*innen zu einer Karriere ver­hol­fen. FOREVER YOUNG erin­nert aber auch an die, die auf dem Weg ver­lo­ren gin­gen, und an die kind­li­che Naivität, die die able­gen muss­ten, die ihr Leben mit Spielen ver­brin­gen.
Christian Klose | indiekino

Wenn es gut läuft, wie hier, ähneln die Filme von Valeria Bruno Tedeschi den Figuren, die sie vor­zugs­wei­se als Darstellerin spielt, z.B. in dem Film Oublie moi. Ist das noch Hysterie oder schon Borderline? Dabei will sie auch nur Anerkennung und scheint doch in ihrer Jugend ste­cken geblie­ben zu sein. Völlig über­dreht, ein wenig neben der Spur, hart­nä­ckig, gren­zen­los, über­grif­fig, ist sie in ihrer Penetranz nicht gera­de eine Symphatieträgerin, und trotz­dem oder gera­de des­we­gen eine Emphatie zu ent­wi­ckeln, bedeu­tet eine loh­nen­de Aufgabe für uns Zuschauer*innen.

Credits:

Les Amandiers
FR 2022, 126 Min, frz. OmU
Regie: Valeria Bruni Tedeschi
Kamera: Julien Poupard
Schnitt: Anne Weil
mit: Louis Garrel, Sofiane Bennacer, Nadia
Tereszkiewicz, Micha Lescot, Clara Bretheau

Trailer:
Kinotrailer „Forever Young” – Kinostart 17. August 2023
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Chevalier Noir

Ein Film von Emad Aleebrahim Dehkordi.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Viel Nacht, Musik, Drogen, Tanz: Chevalier Noir blickt auf einen im ira­ni­schen Kino sel­ten zu sehen­de Welt Stoff, eine Generation jun­ger Erwachsener mit etwas Geld in der Tasche, die sich schein­bar frei­er von Zwängen und Unterdrückung bewegt.
„Gehst du schon? Ist die Party so schlecht?“ fragt Mayram Iman, den sie vor der Tür trifft.„Schon? Die Sonne geht auf.“ gibt der jun­ge Mann zurück. Ein all­täg­li­cher Dialog, vor­stell­bar in vie­len Städten der Welt – aber in Teheran?
Iman und sein jün­ge­rer Bruder Payar sind sich sehr ver­bun­den und leben bei ihrem Vater in einem der wohl­ha­ben­de­ren Viertels der Stadt. Die Mutter starb vor kur­zem. Während sich Payar um den kran­ken und opi­um­ab­hän­gi­gen Vater küm­mert und eine Karriere als Boxer anstrebt, ver­sucht sich Iman in Drogenhandel, liebt sein Motorrad und nächt­li­che Parties mit Freunden. Das kann auf Dauer nicht gut­ge­hen…
„Eines Tages, als ich bereits in Paris leb­te, rief mich mei­ne Mutter an und erzähl­te mir eine wah­re Geschichte, die sich gera­de in mei­nem Viertel im Norden Teherans ereig­net hat­te und in die eini­ge mei­ner Freunde ver­wi­ckelt waren – eine Geschichte über eine geschei­ter­te Rache. Diese Geschichte erschüt­ter­te mich, ich war von ihrer abrup­ten Gewalt und ihrem tra­gi­schen Potenzial beein­druckt. Die Resonanz auf Geschichten, die in der ira­ni­schen Mythologie erzählt wer­den, sprang mir ins Auge: Es gibt dort vie­le Geschichten über Rache und Vererbung. …“
Emad Aleebrahim Dehkordi
„… die­ser dop­pel­te Blick, von außen und von innen, tut dem Film gut. Denn es ist frag­lich, ob die stän­dig im Iran leben­den Filmemacher eine solch unge­schön­te Milieuschilderung über­haupt ohne über­gro­ßes Risiko rea­li­sie­ren könn­ten.
Regisseur Emad Aleebrahim Dehkordi, der am fran­zö­si­schen „Fresnoy-Studio natio­nal d’arts con­tem­po­rains“ Kunst stu­dier­te, unter­legt sei­ne nächt­li­che Sozialstudie geschickt mit Thrill und Spannung, bevor sie am Ende doch zum Drama wird….“
Peter Gutting | kino-zeit

Credits:

A Tale of Shemroon
FR/DE/IR/IT 2022, 102 Min. far­si OmU
Regie: Emad Aleebrahim-Dehkordi
Kamera: Amin Jafari
Schnitt: Félix Rehm
mit: Iman Sayad Borhani, Payar Allahyari, Masoumeh Beygi, Behzad Dorani, Nima Nouri Zadeh

Trailer:
CHEVALIER NOIR – Offizieller Trailer
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Besties

Besties

Ein Film von Marion Desseigne Ravel. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Raus aus Amal trifft Romeo & Julia trifft Bandes de Filles
Sommer in einem Pariser Vorort. Mit leich­ter Hand erzählt Besties von Nedjma, deren Welt sich auf den Kopf stellt, als sie Zina, der neu­en Nachbarin, begeg­net. Das gro­ße Problem: Zina gehört einer ver­fein­de­ten Clique an. Nedjmas Freundinnen, mit denen sie um die Häuser zieht, wür­den eine sol­che Verbindung nie tole­rie­ren. Sie haben einen Ruf zu ver­tei­di­gen und schä­di­gen mit nie­der­träch­ti­ger Finesse den Ruf derer, die sich ihrer Meinung nach respekt­los ver­hal­ten, sich also bei­spiels­wei­se auf „ihre“ Bank set­zen. Zinas Freundinnen wie­der­um las­sen sich auch nichts gefal­len. So steht Nedjma vor einem Dilemma, war­tet sie sich doch immer sehn­süch­ti­ger auf das nächs­te heim­li­che Treffen mit der gelieb­ten Zina, möch­te aber loy­al zur Clique ste­hen. Zu den not­wen­di­gen Lügen kommt noch die Unsicherheit der ers­ten gro­ßen Liebe, zudem zu einer Frau.
„Auf eine Wand in mei­ner Nachbarschaft wur­de gesprüht: Der ers­te, der sich ver­liebt, hat ver­lo­ren. Das ist wahr. Denn danach reden alle über dich und du bist aus­ge­lie­fert. Ich habe ver­lo­ren. Ich bin in ein Mädchen ver­liebt, ich weiß nicht, was ich tun soll …“ Nedjma
Besties ist psy­cho­lo­gisch stark, auch gefühl­voll, vor allem wirkt er aber authen­tisch und wahr­haf­tig. Eine klei­ne Perle des jun­gen quee­ren Kinos Frankreichs.“ programmkino.de

Credits:

Les meil­leu­res
FR 2021, 80 Min. frz. OmU
Regie & Buch: Marion Desseigne Ravel
Kamera: Lucile Mercier
Schnitt: Julie Picouleau, Elif Uluengin
mit: Lina El Arabi, Esther Rollande, Leila, Mahia Zrouki, Tasnim Jamlaoui

Trailer:
BESTIES Trailer Deutsch | German [HD]
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Gehen und Bleiben

Ein Film von Volker Koepp.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Eine Karte von Mecklenburg hing in Uwe Johnsons letz­tem Arbeitszimmer im eng­li­schen Sheerness. Die Region sei­ner Kindheit, in die er nach der Auswanderung in den Westen nicht mehr zurück­ge­hen und die er danach nur noch lite­ra­risch rekon­stru­ie­ren konn­te. Volker Koepps Film ist als Geobiografie ange­legt, er reist mit Johnsons Texten zu den Lebensorten des Autors, fin­det Menschen und Landschaften, die mal einen engen, mal einen frei­en Bezug zum Werk und zur Person haben. Koepps und Johnsons poe­ti­sche Projekte ver­bin­den sich: Ihre Landschaften und Biografien ken­nen kei­ne linea­ren Entwicklungen, in ihnen bleibt die Geschichte gespei­chert und legt sich selbst immer wie­der frei. Für Johnson sind beim Bad in der Ostsee die Toten anwe­send, die nach der Versenkung der Cap Arcona 1945 in der Lübecker Bucht trie­ben. Eine Gesprächspartnerin von Koepp denkt bei Italienurlauben an heu­ti­ge Fluchten über das Mittelmeer. Johnsons Trauer über den Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts in Prag spie­gelt sich im aktu­el­len Angriff Russlands auf die Ukraine, der die Dreharbeiten bestimmt. Wenn ein Fluss lang­sam fließt, kann er bei etwas Wind die Richtung ändern und kommt wie­der zur Quelle.

Credits:

DE 2023, 168 Min. deut­sche OmeU
Regie: Volker Koepp
Schnitt: Christoph Krüger
Kamera: Uwe Mann
mit Stuart Roberts, Judith Zander, Erhard Siewert, Peter Kurth, Hans-Jürgen Syberberg, Helga Elisabeth Syberberg, Aukje Dijkstra, Undine Spillner, Fritz Rost, Heinz Lehmbäcker, Hanna Lehmbäcker, Dietrich Sagert, Kristian Wegscheider, Christian Höser, Thomas Irmer, Uta Löber, Erdmut Wizisla, Karin Bosinski, Hartmut Bosinski

Trailer:
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Mit Liebe und Entschlossenheit

Ein Film von Claire Denis.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Urlaub am Meer. Sara (Juliette Binoche) und ihr Lebensabschnittsgefährte Jean (Vincent Lindon) füh­len sich frei und glück­lich, wie zwei Delphine schwim­men sie neben­ein­an­der her. Nach ihrer Rückkehr ins Pariser Stadtleben kehrt die Alltagsroutine zurück, eine Zäsur ergibt sich, als Sara im Gewimmel einer Metrostation zufäl­lig einen län­ge­re Zeit nicht gese­he­nen Freund ent­deckt. Dieser Moment trifft sie wie ein Blitzschlag. Zufällig erzählt ihr Jean, dass just die­ser Freund ihm die Partnerschaft in einer Agentur zur Vermittlung jun­ger Rugby-Talente ange­bo­ten hat. Eine Begegnung von Sara mit François (Grégoire Colin), über den sie vor mehr als zehn Jahren Jean über­haupt erst ken­nen­ge­lernt hat­te, bleibt nicht aus. Und die­ses Wiedersehen sorgt in der Folge dafür, dass nicht nur für Sara eine Achterbahnfahrt der Emotionen beginnt und sie sich ent­schei­den muss, mit wel­chem der bei­den Männer, denen sie sich auf doch recht unter­schied­li­che Weise in Liebe ver­bun­den fühlt, sie zusam­men­le­ben möchte.

Die Geschichte, die Claire Denis in ihrem jüngs­ten, 2022 bei den Filmfestspielen in Berlin mit dem Silbernen Bären aus­ge­zeich­ne­ten und im Herbst dann auch bei den Französischen Filmtagen in Tübingen/Stuttgart vor­ge­stell­ten Werk ver­han­delt, ist im Grundsatz kei­ne neue. Doch erzählt und vor allem gespielt ist sie mit einer Intensität, wie man sie auf der Leinwand nur sel­ten zu sehen bekommt. Was Sara fühlt, das meint man als Zuschauender förm­lich sel­ber zu spü­ren. „C’est repar­tie“, sagt Sara über die Rückkehr schlaf­lo­ser Nächte und über ihr inne­res Aufgewühltsein, wel­ches sie manch­mal wie unter einer Trance erschei­nen lässt. Auch Lindon ist in sei­nen Reaktionen und in sei­ner Haltung wahr­haf­tig, gestresst zudem durch im Nebenplot ver­han­del­te Probleme mit sei­nem jugend­li­chen Sohn, um den zu küm­mern sich des­sen Großmutter (Bulle Ogier) jedoch über­for­dert fühlt. Denis legt dabei immer wie­der auch die Mechanismen gesell­schaft­li­cher Rollenbilder offen, die zum Beispiel die Frau als ohn­mäch­tig und bevor­mun­det cha­rak­te­ri­sie­ren, ohne dass es den Männern des Films in irgend­ei­ner Art und Weise bewusst wäre und dazu führt, dass bei­de Männer auf jeweils ihre Art und Weise Druck auf die von ihnen begehr­te Frau aus­üben. Nach und nach ein­streu­te Hinweise auf die Vorgeschichte der bei­den Männer hel­fen dabei, die Figuren in ihrem Verhalten bes­ser zu verstehen.

Claire Denis und ihre Co-Autorin Christine Angot haben schon 2017 beim Spielfilm „Meine schö­ne inne­re Sonne“, in dem es um Roland Barthes Buch „Fragmente einer Sprache der Liebe“ ging, zusam­men­ge­ar­bei­tet. Diesmal gab Angots Roman „Un tour­nant de la vie“ den Anstoß für die­ses sei­nen Figuren immer wie­der auch in Nahaufnahmen auf den Leib rücken­des Liebesdrama. Ein Drama, dass sich bekann­ten Erzählmustern jedoch ent­zieht und mit der mensch­li­chen Psyche zu spie­len weiß.

Interessant auch zu beob­ach­ten, wie und wann pan­de­mie­be­dingt Masken getra­gen wer­den, wie Küsschen links und rechts selbst bei Begegnungen mit sehr ver­trau­ten Menschen unter­blei­ben und zu Distanz füh­ren. Weitere gesell­schaft­li­che Aktualität lie­fern Interviews von Sara als Radiojournalistin mit der liba­ne­si­schen Verlegerin Hind Darwish zum Thema Flucht und Immigration oder Aussagen über die von Ex-Fußballstar Lilian Thuram in sei­nem 2021 erschie­ne­nen Buch „Das wei­ße Denken“ geäu­ßer­ten Gedanken zu Rassismus und der Rolle der Hautfarbe als psy­cho­lo­gi­schem Problem. Nicht unwe­sent­lich ist auch die Rolle, die ein­mal mehr die bri­ti­sche Band Tindersticks – seit „Nénette et Boni“ sind sie bei Claire Denis gesetzt – spielt. Ihr hyp­no­ti­scher Score mit oft düs­te­ren Streichern, die in ihrer Schwere an die Auftragsarbeit „Ypres“ (2014) erin­nern, ver­stärkt die beweg­ten Gefühle von glück­li­chen Zeiten am Meer bis hin zu auf­brau­sen­den Streitigkeiten in Paris aufs Intensivste.

Thomas Volkmann | programmkino.de

Credits:

Avec amour et acharne­ment
FR 2022, 116 Min., frz. OmU
Regie: Claire Denis
Kamera: Eric Gautier
Musik: Tindersticks
Schnitt: Emmanuelle Pencalet, Sandie Bompar, Guy Lecorne
mit Juliette Binoche, Vincent Lindon, Grégoire Colin, Issa Perica, Bulle Ogier, Mati Diop

Trailer:
AVEC AMOUR ET ACHARNEMENT – Trailer F/d
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Geranien

Geranien

Ein Film von Tanja Egen. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Muss man muss weder aus dem Ruhrgebiet (oder vom Rand) kom­men, noch Mutter, noch Tochter sein, um die­sen Film zu ver­ste­hen, und eben­falls nicht ambi­tio­nier­te Schauspielerin mit Traumschiff-Angebot, so wie Nina„ die Protagonistin.
Nina kommt zur Beerdigung der gelieb­ten Oma nach Holzwickede in ihr Elternhaus. Wegen plötz­li­cher Sarglieferschwierigkeiten aber muss der Termin ver­scho­ben wer­den. So bleibt sie unwil­lig und unfrei­wil­lig noch ein paar Tage län­ger bei den Eltern, obwohl es sie eigent­lich zurück nach Amsterdam zieht, zu Freund und Kind und Theaterauftritt. Lakonisch, lebens­nah und nicht ohne Witz erzählt der Film von Entfremdung und Wiederannäherung, Verlust und Trauer, und, obwohl alle dem eigent­lich längst ent­wach­sen sein soll­ten, vom Kind-Sein und Eltern-Sein, einem offen­bar lebens­lan­gen Zustand.
„Regisseurin Egen lässt ihren Film an ein paar weni­gen Tagen spie­len, es ist Hochsommer, alles licht­durch­flu­tet, und im klei­nen Kosmos des Reihenhauses bro­deln Konflikte – geschick­ter­wei­se lässt Egen die­se nie aus­bre­chen. Denn im wirk­li­chen Leben bre­chen sie auch nicht aus, wenn man die Mutter, den Vater besucht; auch nicht unbe­dingt in einer Ausnahmesituation wie dem Todesfall der Oma. Das macht den Film so lebens­nah, in sei­ner gan­zen Zugespitztheit…“ H. Mühlberge | kino-zeit

Credits:

DE 2023, 83 Min., Deutsch OmeU
Regie: Tanja Egen
Kamera: Claudia Schröder
Schnitt: Nicolas Dusollier
mit Friederike Becht, Marion Ottschick, Peer Martiny, Jasmina Musić, Stefanie Meier, Aleksandra Ćorović, Adi Hrustemović, Oliver Möller, Bruno Kirchhof

Trailer:
„On Mothers and Daughters” (Geranien) | Trailer | Berlinale 2023
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Trenque Lauquen

Trenque Lauquen

Ein Film von Laura Citarella. 

[Credits] [Tickets & Termine – Teil1] [Tickets & Termine – Teil2] [Trailer]
Wer bei­de Teile als Doppelprogramm sehen möch­te, kann 2x den ermä­ßig­ten Preis buchen. Leute mit Ermäßigungsberechtigung kön­nen 2x den Berlinpass Preis buchen und Berlinpass Berechtigte zah­len 1x den Normalpreis für bei­de Teile.

Laura, eine jun­ge Biologin aus Buenos Aires, kommt für einen Forschungsauftrag in die Provinzstadt Trenque Lauquen – und ver­schwin­det plötz­lich. Zwei Männer machen sich auf die Suche nach ihr, bei­de lie­ben die­se Frau, bei­de ver­ste­hen nicht, war­um sie gegan­gen ist. Spielt die rus­si­sche Autorin Alexandra Kollontai eine Rolle, die Laura zuletzt las? Was hat es mit dem geheim­nis­vol­len Briefwechsel auf sich, den Laura gefun­den hat­te, ver­steckt in den Büchern der loka­len Bibliothek? Während die bei­den Männer sich auf ihre Spur bege­ben und Vermutungen anstel­len, hält eine unheim­li­che Entdeckung im See des ört­li­chen Parks die Menschen der Kleinstadt in Atem …
Mit ihrem drit­ten Spielfilm fei­ert Laura Citarella die Lust am Geschichtenerzählen und bedient sich bei so unter­schied­li­chen Genres wie Detektivgeschichte, Liebesfilm, Film noir und Mysterydrama mit einer an David Lynch erin­nern­den Note. Citarella ist Mitglied des argen­ti­ni­schen Filmkollektivs El Pampero Cine, das uns 2018 das vor Ideen über­spru­deln­de Kinowunderwerk La Flor bescherte.

Credits:

AR/DE 2022, Teil 1: 128 Min./Teil 2: 132 Min., span. OmU,
Regie: Laura Citarella
Kamera: Agustín Mendilaharzu, Inés Duacastella, Yarará Rodriguez,
Schnitt: Miguel de Zuviría, Alejo Moguillansky,
mit Laura Paredes, Ezequiel Pierri, Rafael Spregelburd, Elisa Carricajo, Juliana Muras, Verónica Llinás, Cecilia Rainero u. a.

Trailer:
TRENQUE LAUQUEN – ein Film von Laura Citarella
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