Thomas Schütte - Ich bin nicht allein

Thomas Schütte – Ich bin nicht allein

Ein Film von Corinna Belz. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Im Werk von Thomas Schütte geht es immer um den Menschen. Seine Arbeiten haben Schwere und Leichtigkeit, zei­gen Beschädigungen, Machtverhältnisse, Ängste, Abhängigkeiten, böse, schrä­ge und schö­ne Gestalten. Das Arbeiten mit den Händen, das Zeichnen, das Aquarellieren, das Modellieren, das Formen mit Ton und Knetmasse, das Bauen mit Holz und ande­ren Materialien ste­hen im Zentrum sei­ner künst­le­ri­schen Tätigkeit; sein Wissen um hand­werk­li­che Techniken ver­bin­det ihn eng mit sei­nen Werkstätten. Schütte stu­dier­te an der Kunstakademie Düsseldorf bei Fritz Schwegler und Gerhard Richter. Heute zählt er zu den bedeu­tends­ten Künstlern der Gegenwart und ist welt­weit in allen gro­ßen Museen und Sammlungen ver­tre­ten.
Corinna Belz wähl­te für ihr Porträt einen klas­si­schen Weg. Am Anfang steht eine wie­der­ent­deck­te Idee, am Ende das Kunstwerk, die „Nixe“, als fer­ti­ge Skulptur. Dazwischen gibt es Begegnungen mit lang­jäh­ri­gen Mitarbeiter:innen und Galerist:innen, Innenansichten und Rückschauen.
„Für Corinna Belz und ihr Interesse am krea­ti­ven Akt ist Thomas Schütte ein idea­ler Kandidat. Nicht nur wegen sei­nes tro­cke­nen Witzes und sei­ner locker-zugäng­li­chen Art. Sondern zum einen, weil man inner­halb des arbeits­tei­li­gen Prozesses, bei dem auch vie­le Handwerker nötig sind, den spe­zi­fi­schen Beitrag des Künstlers bes­ser sieht. Und zum andern, weil Thomas Schütte gern schnell arbei­tet. … Mit ein­fühl­sa­men Kamerafahrten und auf­ge­räum­ten Bildern funk­tio­niert [der Film] als Dialog zwi­schen kine­ma­to­gra­fi­scher und bil­den­der Kunst. Durch den Austausch auf Augenhöhe wirkt er dem Elitären ent­ge­gen, das sich meist mit der abge­schot­te­ten Welt der Sammler ver­bin­det. Und er durch­kreuzt das Vorurteil, dass man als „nor­ma­ler“ Mensch heut­zu­ta­ge sowie­so kei­nen Zugang mehr zu Werken von Gegenwartskünstlern fin­de. Thomas Schütte und Corinna Belz bewei­sen das Gegenteil – mit einer immer wie­der unter­halt­sa­men Reise zu den Brüchen und Kontinuitäten im Werk eines sich treu blei­ben­den Künstlers.“
Peter Gutting | kino-zeit

Credits:

DE 2023, 94 Min., engl., franz. deut­sche OmU
Regie: Corinna Belz
Schnitt: Rudi Heinen
Kamera: David Wesemann, Jule Katinka v. Cramer

Trailer:
THOMAS SCHÜTTEICH BIN NICHT ALLEIN – Offizieller Trailer
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Nostalgia

Nostalgia

Ein Film von Mario Martone. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Kaum ist Felice wie­der in Neapel, geht er hin­aus auf die Straße und taucht ein in das Chaos der tru­beli­gen Großstadt mit ihrem Lärm, ihren unzäh­li­gen ver­schlun­ge­nen Gassen und Gässchen, ein Labyrinth vol­ler Mysterien, vol­ler Dreck und Blumen – eine Mischung aus alt und neu, hell und dun­kel, pit­to­resk und häss­lich zugleich. Am nächs­ten Tag besucht er sei­ne Mutter, die allein in einer düs­te­ren, zuge­räum­ten Wohnung lebt. Sie ist nur noch Haut und Knochen. Ihretwegen ist er gekom­men, und ihret­we­gen will er blei­ben. Er ver­sorgt sie, badet sie und kauft ihr neue Kleidung. Wenige Tage spä­ter hat er in sei­nem alten Viertel mit dem schö­nen Namen Sanità eine Wohnung ange­mie­tet und nimmt die Mutter bei sich auf. Immer öfter holen ihn die Erinnerungen an sei­ne Jugend ein – er war damals eine gro­ße Nummer im Kiez mit sei­nem Moped, stän­dig auf Achse und gie­rig, etwas Neues zu erle­ben. Kaum jemand erkennt ihn heu­te noch, doch er wird gewarnt: Sein ehe­ma­li­ger bes­ter Freund Oreste ist der „Malommo“, ein schlech­ter Mensch, einer der Mafiabosse in der Gegend. Skrupellos und gewalt­tä­tig gebie­tet er über das gesam­te Viertel. Sein größ­ter Gegner ist der kämp­fe­ri­sche Pfarrer Don Luigi, der ver­sucht, mit Idealismus und guten Ideen die Herrschaft der Camorra zu bre­chen. Nach dem Tod der Mutter schlie­ßen Felice und Don Luigi Freundschaft. Immer tie­fer taucht Felice ein in die Stadt am Fuße des Vesuvs, aber wie ein Damoklesschwert schwebt ein Geheimnis über ihm.

Vom sanf­ten Beginn bis zu sei­nem unaus­weich­li­chen Ende behält der Film eine undurch­schau­ba­re Stimmung. Da ist sehr viel Abgründiges, man­ches ist rau und sprö­de oder schwer ver­ständ­lich, viel­leicht nur für Eingeweihte. Doch der Zauber die­ser kaum fass­ba­ren Metropole teilt sich auch denen mit, die noch nie in Neapel waren. In lan­gen, meist ruhi­gen Einstellungen zeich­net Mario Martone ein fas­zi­nie­ren­des Bild die­ser Stadt, genau­er gesagt: des Viertels Sanità, in dem Felice auf­wuchs und wo er sei­ne Jugend ver­brach­te, bis er auf­grund eines schlim­men Ereignisses Neapel ver­las­sen muss­te. Für die Rückblenden wählt Martone das alt­mo­di­sche Academy Format – ein Filmbild im Format 4:3. Die Erinnerungen tau­chen anfäng­lich wie kur­ze Blitze auf und wer­den immer inten­si­ver. Da begeg­nen sich das alte und das neue Neapel, so wie der alte und der jun­ge Felice und sein Jugendfreund, der blond­schöp­fi­ge Oreste (Tommaso Ragno), der ein Mafiaboss wur­de und jeden von Felices Schritten beob­ach­ten lässt.

Man taucht förm­lich ein in den Lärm und in die unver­gleich­li­che Atmosphäre die­ser Stadt. Wenn Felice nach so lan­ger Zeit sei­ne Mutter wie­der­sieht, dann ist da viel Zärtlichkeit und Wehmut, und wenn er sie in die Badewanne setzt und sie wäscht, wobei sie sich sehr schämt, dann hat das etwas sehr Anrührendes. Doch Martone führt das Publikum geschickt in die Irre, denn dies ist kei­nes­falls ein rühr­se­li­ges Kitschdrama. Im Gegenteil: Der Reiz die­ses schwie­ri­gen, aber schö­nen Filmes ent­fal­tet sich vor allem beim Hinschauen. Zu Beginn hat Felice vie­les ver­ges­sen, doch je län­ger er in Neapel bleibt, des­to stär­ker wer­den die Erinnerungen und des­to mehr fällt ihm wie­der ein von dem, was er 40 Jahre lang ver­drängt hat. Und was als Mutter-Sohn-Geschichte begann, wird zu einem Thriller, in dem es um Schuld und Unschuld geht, um Freundschaft und Verrat.

Pierfrancesco Favino spielt den Felice als ruhi­gen, schwer durch­schau­ba­ren Mann, der offen­bar eini­ges hin­ter sich hat. Er strahlt viel Gelassenheit aus, lässt sich kaum aus der Ruhe brin­gen, lächelt sel­ten. Er lässt sich durch die Stadt trei­ben und ist doch kein Getriebener. Nebenbei erfährt man, dass er mitt­ler­wei­le als rei­cher Mann im Libanon lebt, eine Ärztin gehei­ra­tet hat und Moslem wur­de. Doch sei­ne Rückkehr nach Neapel löst offen­bar etwas in ihm aus, was er nur schwer kon­trol­lie­ren kann. Er will sich der Vergangenheit stel­len, will Klarheit – tabu­la rasa für sich selbst. Dafür braucht er die Mitwirkung des Malommo, sei­nes alten Freundes Oreste. Nur mit sei­ner Hilfe kann Felice sich sei­nen Traum erfül­len, sei­ne Frau zu sich holen und in Neapel blei­ben. Ein Hoffnungsschimmer …

Gaby Sikorski | programmkino.de

Credits:

IT / FR 2022, 118 Min., ital. OmU
Regie: Mario Martone
Kamera: Carmine Guarino
Schnitt: Jacopo Quadri
mit: Pierfrancesco Favino, Francesco Di Leva, Tommaso Ragno

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How to Blow up a Pipeline

Ein Film von Daniel Goldhaber. 

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Terrorismus oder Selbstverteidigung? Ist es ange­sichts des fort­schrei­ten­den Klimawandels und den abzu­se­hen­den ver­hee­ren­den Auswirkungen legi­tim, einen radi­ka­le­ren Weg ein­zu­schla­gen als den bis­he­ri­gen fried­fer­ti­gen? Acht jun­ge Leute aus diver­sen Zusammenhängen haben sich in How to blow up a pipe­line dafür ent­schie­den und wol­len eine Ölleitung sabo­tie­ren. Der Akt soll nicht nur auf­rüt­teln, son­dern direk­te, auch finan­zi­el­le Auswirkungen auf die Petroindustrie haben und dort Ängste schü­ren. In die­sem zuneh­mend span­nen­den Polit-Thriller, der das pro­vo­kan­te, gleich­na­mi­ge Manifest des schwe­di­schen Wissenschaftlers Andreas Malm ernst nimmt, beglei­ten wir die Aktionen der Klimaaktivist*innen in der texa­ni­sche Wüste zunächst so minu­ti­ös wie in jedem ordent­li­chen Heist-Film, unter­bro­chen nur durch Rückblenden, in denen die per­sön­li­chen Beweggründe aus­ge­führt wer­den. Da jeder­zeit etwas in die Luft flie­gen kann, auf tech­ni­scher Ebene wie unter­ein­an­der, fie­bern wir mit und fra­gen uns dann, wie die Sache wohl aus­geht …
Der Film ist im Übrigen kei­ne Anleitung zum Bombenbau, son­dern eine Genre-Film mit hohem Eskapismus-Potential, der höchst aktu­el­le Fragen auf­wirft.
„… Der Film ori­en­tiert sich an sei­nen Helden: Er will das Publikum zum Handeln anre­gen, statt sich zu unter­wer­fen. Es ist eine Höllenfahrt. Nach sei­ner Premiere in Toronto im ver­gan­ge­nen Jahr bezeich­ne­te die New York Times HOW TO BLOW UP A PIPELINE als „kul­tu­rel­les Wahrzeichen“ für sei­ne sym­pa­thi­sche Sicht auf den Öko-Terrorismus, wäh­rend die Washington City Paper sei­ne jugend­li­che Besetzung als ‚eine viel inten­si­ve­re, explo­si­ve Version von The Breakfast Club‘‚ beschrieb.“ Simran Hans | The Guardian

Credits:

US 2022, 106 Min., engl. OmU,
Regie: Daniel Goldhaber
mit Ariela Barer, Kristine Froseth, Lukas Gage, Forrest Goodluck, Sasha Lane, Jayme Lawson , Marcus Scribner, Jake Weary, Irene Bedard, Olive Jane Lorraine 

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Das Lehrerzimmer

Ein Film von İlker Çatak. 

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Die jun­ge Lehrerin Carla arbei­tet mit viel Schwung und Idealismus in ihrem ers­ten Job an einem Hamburger Gymnasium. Ununterbrochen in Action schuf­tet sie wie ein Pferd, ist trotz allem gut­ge­launt, hilfs­be­reit, kol­le­gi­al und stets für alle ansprech­bar, kurz: eine Pädagogin wie aus dem Bilderbuch. Carla ach­tet zudem sehr dar­auf, sich den Kindern gegen­über kor­rekt zu ver­hal­ten. Sie setzt sich für Integration und Geschlechtergerechtigkeit ein, sie unter­stützt und för­dert die Schwächeren eben­so wie die Leistungsstarken, aber sie zeigt den Kids auch ihre Grenzen und kann sehr ener­gisch wer­den. Eigentlich soll­te sie ein Vorbild für alle ande­ren Lehrkräfte sein. aber statt­des­sen wird sie miss­trau­isch beäugt von den alten Häsinnen und Hasen im Kollegium, denen Carlas Engagement suspekt erscheint. Carlas Methoden sind aller­dings wirk­lich erfolg­reich, sie hat ihren Laden im Griff, die Kids ver­trau­en ihr und fol­gen ihr aufs Wort. In Carlas Stunden läuft alles wie geschmiert, sie hat schnell bestimm­te Routinen eta­bliert, die von allen ange­nom­men wer­den, ihre Methoden sind modern, und die 7. Klasse, in der sie Mathe und Sport unter­rich­tet, macht pri­ma mit. Es scheint, als ob Carla in ihrem Beruf rund­her­um glück­lich ist, obwohl sie sich viel zu viel zumu­tet. Doch ganz plötz­lich, prak­tisch von einer Minute zur ande­ren, wen­det sich das Blatt: Bei der Aufklärung von Diebstählen an der Schule über­schrei­tet Carla ihre Kompetenzen, sie macht sich schul­dig und droht zum Opfer ihrer eige­nen mora­li­schen Ansprüche zu wer­den. Carla wird von allen Seiten mit Anfeindungen und Schuldzuschreibungen konfrontiert.

Gibt es eigent­lich eine all­ge­mein gül­ti­ge Wahrheit? Wie funk­tio­niert Gerechtigkeit? Wie steht es um die mora­li­schen Werte unse­rer Gesellschaft? In sei­nem neu­en Film stellt İlker Çatak vie­le Fragen und zeigt die Schule als Mikrokosmos. Da geht es ein­mal nicht um die Bildungskrise und um die „rich­ti­ge“ Erziehung, son­dern viel­mehr um Debattenkultur, um Idealismus und um den Kampf für das Gute. Lohnt sich das alles über­haupt? Was ist gut und was ist böse? Und wie kann man bei­des von­ein­an­der unter­schei­den? İlker Çatak hält der Gesamtgesellschaft einen kri­ti­schen Spiegel vor, und was er dar­in sieht, ist alles ande­re als ange­nehm. Darüber hin­aus zeigt İlker Çatak das Psychogramm einer taf­fen Frau, die in jeder Beziehung cha­rak­ter­lich und mensch­lich gefes­tigt wirkt und alles rich­tig machen möch­te. Sie will die per­fek­te Lehrerin sein, und die­se Vorstellung betrifft prak­tisch jeden Aspekt ihrer Arbeit: Erziehung, Bildung, Wertevermittlung, Kommunikation, Kooperation, Integration. Sie steckt ihre gan­ze Kraft in die­se Aufgabe, und sie macht sich selbst dabei kaputt. Für Carla steht die Gemeinschaft im Vordergrund, wäh­rend sich alle ande­ren vor­ran­gig mit Formalismen und ihrem eige­nen Egoismus beschäf­ti­gen. Niemand von den Erwachsenen, weder Eltern noch Lehrkräfte, scheint bereit zu sein, ande­ren auch nur zuzuhören.

Das Lehrerzimmer wird zum Ort, wo die Handlung kul­mi­niert, wo Carla, ver­folgt von nei­di­schen Kolleginnen und satu­rier­ten Kollegen, an ihre Grenzen kommt. Und Leonie Benesch, die ver­mut­lich dank ihrer schau­spie­le­ri­schen Ausnahmebegabung zum neu­en Star des deut­schen Films avan­ciert, spielt die­se Carla mit sehr viel posi­ti­ver Energie und einer zu Herzen gehen­den Ausdruckskraft. In ihren sanf­ten, gro­ßen Augen spie­gelt sich das Unverständnis über das, was mit ihr pas­siert, eben­so wie die stän­dig wach­sen­de Angst vor dem Kontrollverlust. Die Kamera hängt an ihr, nahe­zu den gesam­ten Film über steht Leonie Benesch im Zentrum des Geschehens, und sie trägt den Film mit ihrer Dynamik und mit einer Leidenschaft, die sich aufs Publikum über­trägt. Mit sehr viel insze­na­to­ri­schem Geschick fängt der Berliner Filmemacher İlker Çatak, der mit jedem Film siche­rer und sou­ve­rä­ner zu wer­den scheint, die durch Aggressionen und Vorurteile auf­ge­heiz­te Atmosphäre einer dys­funk­tio­na­len Aufregungsgesellschaft ein. Das ist ent­lar­vend und extrem span­nungs­ge­la­den, dank Leonie Benesch und ihrem sub­ti­len Spiel aber auch stre­cken­wei­se sehr zu Herzen gehend, kurz: ein tol­ler Film, unbe­dingt sehenswert!

Gaby Sikorski | programmkino.de

Credits:

DE 2023, 94 min, Deutsch,  Türkisch,  Polnisch,  Englisch OmU
Regie: İlker Çatak
Schnitt: Gesa Jäger
Kamera: Judith Kaufmann
mit: Leonie Benesch, Leonard Stettnisch, Eva Löbau, Michael Klammer, Anne-Kathrin Gummich

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DAS LEHRERZIMMER | Trailer deutsch | Jetzt im Kino!
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Bis ans Ende der Nacht

Ein Film von Christoph Hochhäusler.

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Die Stadt, der Müll und der Tod. Sicher hat Frankfurt mehr Kulissen zu bie­ten, aber es pass­te auch zur Berlinale 23, die­se Stadt in Christoph Hochhäuslers sechs­tem Film zu sehen, wäh­rend man den Unort Potsplatz fast schon moch­te, weil die Beschissenheit des Mercedes Dings Platz schwe­rer wog. Natürlich ist Bis ans Ende der Nacht aber haupt­säch­lich ein Kammerspiel an dunk­len, zugi­gen, abschüs­si­gen Orten, auch Melodram mit einem Geschmack von Fassbinder, Film Noir mit ver­zwick­ter Handlung. Der ver­deck­te Ermittler Robert soll in das Umfeld des Großdealers Victor ein­tau­chen, dazu benutzt er Leni, der dafür die Haft gestri­chen wird. Allerdings waren Robert und Leni mal ein Paar und Leni war damals noch ein Mann. Schließlich ver­läuft auch das Eintauchen zu per­fekt, Robert und Victor ver­ste­hen sich zu gut und Leni freun­det sich zu sehr mit Nicole an, der Partnerin von Victor.
Kinofilme über ver­deck­te Ermittlungen gibt es vie­le, es han­delt sich um ein eige­nes Untergenre. Aber Christoph Hochhäuslers Film Bis ans Ende der Nacht, der letz­te von fünf deut­schen Beiträgen im Berlinale-Wettbewerb, schlägt einen eige­nen Weg ein. Er hält sich an die Gesetze des Genres und lädt den Thriller melo­dra­ma­tisch auf. Die Spannung, die dar­aus erwächst, ist auch den Hauptdarstellern Timocin Ziegler und Thea Ehre zu ver­dan­ken. Zum Soundtrack gehö­ren Chansons von Zarah Leander, Evelyn Künneke und Hildegard Knef. Eine Verfolgungsjagd ist mit Howard Carpendales Soul-Schlager „Du hast mich“ unter­legt…
(Tagesspiegel, Christian Schröder)
Bis ans Ende der Nacht bleibt den­noch ein Mund, der hin­ter der Scheibe zum Kuss ansetzt, um nur auf Glas zu tref­fen; ein Film, des­sen Schichten Verstecke bie­ten, bei deren Erkundung sich die wah­ren Tränen offen­ba­ren.
(critic.de, Anne Küper)

Credits:

DE 2023, 123 min, Deutsch OmeU
Regie: Christoph Hochhäusler
Schnitt: Stefan Stabenow
Kamera: Reinhold Vorschneider
mit: Timocin Ziegler, Thea Ehre, Michael Sideris, Ioana Iacob, Rosa Enskat

Trailer:
Bis ans Ende der Nacht (offi­zi­el­ler Trailer) – Ein Film von Christoph Hochhäusler mit Thea Ehre
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Miyama – Kyoto Prefecture

Ein Film von Rainer Komers. 

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Das kar­ge und aut­ar­ke Leben in den japa­ni­schen Bergen, ein­ge­fan­gen zwi­schen Regenzeit und ers­tem Schnee. Abgelegen und ruhig: ein Ort, den die Zeit ver­ges­sen hat – und doch, selbst hier, ein Gefühl der Unruhe … Die Welt ver­än­dert sich, und es gibt kein Entrinnen, nur Anpassung.

Rainer Komers por­trai­tiert in sei­nem neu­en Film die Dorfgemeinschaft von Miyama, einer Bergregion nörd­lich von Kyoto, und trifft dabei auf eine Welt, in der Tradition und Moderne, auf viel­fäl­ti­ge Weise ver­wo­ben, mit­ein­an­der exis­tie­ren. Junge Familien, die ver­su­chen, sich eine eigen­stän­di­ge Existenz auf­zu­bau­en, die Alten, die ein genüg­sa­mes Leben aus einer ande­ren Zeit zu füh­ren schei­nen, die immer gegen­wär­ti­ge Natur, der tra­di­tio­nel­le Reisanbau und der Kampf gegen die Makaken bil­den den Fluss der Erzählung.

Diesem gesellt sich als Melodie die Geschichte von Uwe Walter hin­zu, der aus dem Ruhrgebiet stammt und seit drei Jahrzehnten mit sei­ner japa­ni­schen Frau in Miyama lebt. Für die Alteingesessenen ist Uwe der Außenseiter, aber zugleich auch ein Kenner des tra­di­tio­nel­len Nō-Theaters und ein Meister der Shakuhachi-Flöte, einem prä­gen­den Instrument der klas­si­schen Musik Japans. Kaum vor­stell­bar, dass es einen wei­te­ren Deutschen gibt, der so sehr die japa­ni­sche Kultur lebt und sich der dörf­li­chen Gemeinschaft ange­passt hat.

MIYAMA, KYOTO PREFECTURE erzählt vom Leben in die­ser Dorfgemeinschaft, von der der Leiter des Dokumentarfilmfestivals Leipzig, Christoph Terhechte sagt: „Der eigent­li­che Gegenstand die­ses Films ist nicht der grau­blond gelock­te Deutsche, son­dern eben jene Gemeinschaft, die Rainer Komers in bit­ter­sü­ßer Vielstimmigkeit por­trä­tiert. Sie ent­steht im Spiel der Kinder, in den Verrichtungen der Erwachsenen und den Erzählungen der Alten, in den som­mer­li­chen Wolkenbrüchen der Regenzeit, im wei­ßen Mond über dem nächt­li­chen Dorf und in den blut­rot gefärb­ten Blättern im Herbst – ein herr­li­cher Film, der zeigt, wie anpas­sungs­fä­hig wir Menschen sind.“

Credits:

DE 2022, 97 min, Deutsch, Japanisch OmU
Regie & Kamera: Rainer Komers
Schnitt: Gregor Bartsch

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Fucking Bornholm

Ein Film von Anna Kazejak. 

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Das gemein­sa­me Campingwochenende auf der däni­schen Insel Bornholm ist Tradition. Maja und Hubert rei­sen mit ihren Kindern Eryk und Wiktor an, wäh­rend ihr Freund aus Studienzeiten, der geschie­de­ne Dawid, die­ses Jahr mit Sohn Kaj und sei­ner deut­lich jün­ge­ren Tinder-Freundin, der Psychologiestudentin Nina, auf­taucht. Die Reisegruppe freut sich auf ent­spann­te Maitage im Ostseeparadies, doch bereits auf der Fähre wirkt die Stimmung ange­spannt – und Nina und Hubert flir­ten mit­ein­an­der. Kaum sind die Wohnwagen direkt am Strand bezo­gen, kommt es unter den vor­pu­ber­tä­ren Kindern zu einem sexua­li­sier­ten Übergriff. Erschüttert ver­sucht die erschöpf­te Maja rich­tig zu reagie­ren, wäh­rend die ande­ren Erwachsenen sich nicht aus der Urlaubsruhe brin­gen las­sen. Bald bre­chen Konflikte auf, die schon lan­ge unter der Oberfläche schwe­len. (indie­ki­no)
„Nicht nur die Ausgangskonstellation von Anna Kazejaks Fucking Bornholm erin­nert deut­lich an die mora­li­schen Versuchsanordnungen, mit denen der schwe­di­sche Regisseur Ruben Östlund in den letz­ten Jahren gro­ße Erfolge fei­er­te. Besonders sein Force Majeure, in dem eben­falls eine Familie im Urlaub mit männ­li­cher Schwäche kon­fron­tiert wur­de, scheint Vorbild gewe­sen zu sein, mit einem gro­ßen Unterschied: Kazejak wirft einen dezi­diert femi­nis­ti­schen Blick auf ihre Figuren, wobei beson­ders Maja im Mittelpunkt steht.
In poin­tier­ten Dialogen ent­fal­tet sich ein kom­ple­xes Figurengeflecht, bei dem immer wie­der ange­deu­tet wird, wie sehr sich Maja in den Dienst ihrer Familie, ihres Mannes und ihrer Kinder stellt und ihre eige­nen Wünsche dabei zurück­stellt. Während sie sich um die Kinder küm­mert, geht Hubert sei­nen Hobbys nach. Ganz selbst­ver­ständ­lich mutet die­se Aufgabenverteilung an, ein Ausbruch aus die­sen tra­di­tio­nel­len Konventionen scheint kaum mög­lich.
Dementsprechend wird auch die Situation zwi­schen den Kindern bald ver­ges­sen, schei­nen die unter­schwel­li­gen Konflikte immer wie­der aus­zu­bre­chen, nur um dann doch wie­der zu ver­schwin­den. Eine Katharsis bleibt somit aus, ein ver­söhn­li­ches oder ander­wei­tig zuge­spitz­tes Ende sucht man ver­ge­bens. Man mag das unbe­frie­di­gend fin­den, aber es passt zu einem genau beob­ach­te­ten Film, der auf über­zeu­gen­de Weise zwi­schen komö­di­an­ti­schen und dra­ma­ti­sche­ren Momenten chan­giert und dabei viel über Geschlechterrollen und Vorstellungen von Männlichkeit erzählt.“
M.Meyns | programmkino.de

Credits:

PL 2022, 96 min, poln. dän. OmU
Regie: Anna Kazejak
Kamera: Jakub Stolecki
Schnitt: Maciej Pawlinski
mit Agnieszka Grochowska, Maciej Stuhr, Grzegorz Damięcki, Jasmina Polak and Magus Krepper

Trailer:
F***ING BORNHOLM | Trailer OmdU
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Die Linie

Ein Film von Ursula Meier. 

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Ihre Gewaltausbrüche haben Margaret, 35Jahre alt, ihre Beziehung gekos­tet. Sie zieht wie­der zu ihrer Mutter Christina. Doch die labi­le, unrei­fe 55-Jährige macht sie als ältes­te Tochter für das Scheitern ihrer Karriere als Konzertpianistin ver­ant­wort­lich. Ein Streit der bei­den eska­liert, und die wüten­de Margaret schlägt auf ihre Mutter ein. Die Justiz wird aktiv und die Dynamik in der Familie noch kom­pli­zier­ter: Aufgrund eines Kontaktverbots darf Margaret sich dem Haus ihrer Mutter nun nur noch auf 100 Meter nähern, was ihre Sehnsucht nach fami­liä­rer Nähe ver­stärkt. Täglich erscheint Margaret an der Bannkreisgrenze und gibt ihrer 12-jäh­ri­gen Schwester Marion Musikstunden. In La ligne lotet Ursula Meier erneut eine unge­wöhn­li­che Familienkonstellation aus und gibt dem Wort „Familienkreis“ auch eine topo­gra­fi­sche Dimension. Wie die beein­dru­cken­de Hauptdarstellerin aus die­sem Kreis ver­bannt und der Mutter „ent­ris­sen“ wird, erin­nert an das Trauma der Geburt. Kennzeichnend für den Film sind die Stimmungswechsel, mit denen er die Gefühlswelten der Protagonist*innen nach­emp­fin­det und dabei immer wie­der ohne Vorwarnung zwi­schen Komödie und Tragödie hin- und her­schal­tet. Tonalität und Regiearbeit sind treff­si­cher und hef­tig wie ein Schlag ins Gesicht.

Credits:

La Ligne
CH/FR/BE 2022, 104 Min., frz. OmU
Regie: Ursula Meier
Kamera: Agnès Godard
Schnitt: Nelly Quettier
mit Stéphanie Blanchoud, Valeria Bruni Tedeschi, Elli Spagnolo 

Trailer:
DIE LINIE – offi­zi­el­ler OmU-Kinotrailer – ab 18.05.2023
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All the Beauty and the Bloodshed

All the Beauty and the Bloodshed

Ein Film von Laura Poitras. 

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In den 80er Jahren wur­de Nan Goldin in New York als Underground-Künstlerin bekannt, mitt­ler­wei­le zählt sie zu den renom­mier­tes­ten Fotografinnen welt­weit. Ihre Werke hän­gen in den gro­ßen Museen, mög­lich macht die­se Einkäufe auch finanz­star­ke Mäzene, wie z.B. die Sackler-Familie. Viel Geld geben die­se Leute aus, um Kunst zu unter­stüt­zen. Verdient wur­de die­ses Geld in die­sem Fall vor allem mit OxyContin, einem zwar lega­len, aber hoch­gra­dig abhän­gig machen­dem Schmerzmittel, das für hun­dert­tau­sen­de Tote und unzäh­li­ge Drogenabhängige in den USA ver­ant­wort­lich ist. Obwohl die extre­me Suchtgefahr (schon 3 Tabletten des Opioids rei­chen dazu aus) bekannt ist, blieb das Pharmaunternehmen bei sei­ner aggres­si­ven Werbekampagne und beein­fluss­te und kauf­te wei­ter­hin Ärzte, damit sie das Medikament ver­schrei­ben. Nan Goldin war eines der Opfer. 2014 bekam sie bekam sie das Schmerzmittel nach einer Operation ver­schrie­ben und kämpf­te jah­re­lang gegen ihre Abhängigkeit. Nach ihrem erfolg­rei­chen Entzug schloss sie sich 2018 dem Protest gegen die Sacklers an, initi­ier­te Aktionen in Museen, wo ihre Fotos aus­ge­stellt wur­den, wie dem Guggenheim oder der National Gallery.
Der in Venedig mit dem gol­de­nen Löwen preis­ge­krön­te Film teilt sich in zwei Stränge. Er beschert uns ein Wiedersehen mit den Anfängen der Queer- und LGBT-Szene in New York, der Factory und dem Punk. Dazwischen immer wie­der Proteste und Aktionen in Museen und Galerien, wie dem Guggenheim und der Tate.
Der letzt­end­li­che Erfolg (die Firma Purdue Pharma mel­de­te Konkurs an) kann aller­dings nicht dar­über hin­weg­täu­schen, dass welt­weit Stiftungen sich mit Kunstsponsoring qua­si rein­wa­schen wol­len, und Institutionen dabei ger­ne mit­ma­chen – auch die finan­zi­el­len Entwicklungen auf dem Kunstmarkt tra­gen ihren Teil dazu bei.
Was All the Beauty and the Bloodshed vor allem zeigt, sind zwei Dinge: Dass zivi­ler Ungehorsam durch­aus einen Effekt haben kann, und was für eine inter­es­san­te Künstlerin Nan Goldin ist.“ MM | programmkino.de

Credits:

US 2022, 117 Min., engl. OmU,
Regie: Laura Poitras
Kamera: Nan Goldin
mit: Nan Goldin, David Armstrong, Marina Berio 

Trailer:
All the Beauty and the Bloodshed (OmU Trailer) – Nan Goldin, Laura Poitras
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Suzume

Ein Film von Makoto Shinkai. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Die 17-jäh­ri­ge Suzume hat früh ihre Mutter ver­lo­ren und lebt bei ihrer Tante in einer Kleinstadt auf Japans süd­li­cher Hauptinsel Kyushu. Auf dem Schulweg lernt sie einen rät­sel­haf­ten jun­gen Mann namens Souta ken­nen, der auf der Suche nach einer Tür ist. Sie folgt ihm in die Berge und stößt zwi­schen Ruinen auf eine alte, maro­de Tür. Einem Impuls fol­gend dreht sie den Knauf und ent­fes­selt so das Unheil, das von der Tür zurück­ge­hal­ten wur­de. Überall in Japan öff­nen sich wei­te­re Türen, hin­ter denen sich Gefahren für die nichts ahnen­de Bevölkerung ver­ber­gen. Gemeinsam machen Suzume und Souta sich auf, sie alle wie­der zu schlie­ßen. Bei die­ser epi­schen Abenteuerreise von Anime-Regisseur und Drehbuchautor Makoto Shinkai fol­gen wir Suzume auf ihrer ver­zwei­fel­ten Suche nach den Unheilstüren kreuz und quer durch Japan, gera­ten fern­ab der Metropolen in ent­völ­ker­te Landstriche und erken­nen, dass die Reise auch die Freiheitssuche einer jun­gen Frau ist, die erwach­sen wer­den will. Suzume ist ein ein­fühl­sa­mes Porträt, eine Studie über eine gefähr­de­te, kämp­fe­ri­sche Nation – und ein Signal der Widerstandskraft in einer Zeit, in der die Menschheit den Zorn von Mutter Erde zu spü­ren bekommt.

Credits:

JP 2022, 122 Min., Japanisch mit dt. UT,
Regie & Schnitt: Makoto Shinkai
Character Design: Masayoshi Tanaka
Animation Director: Kenichi Tsuchiya


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Suzume | OFFIZIELLER TRAILER
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