Archiv der Kategorie: archiv

Projekt A

Marcel Seehuber und Moritz Springer tref­fen Menschen, die eine Alternative zur behaup­te­ten Alternativlosigkeit leben. Ein Kollektiv im Athener Stadtteil Exarchia ver­sucht, ein zube­to­nier­tes Stückchen Land so umzu­ge­stal­ten, dass die Bedürfnisse der BewohnerInnen in den Nachbarhäusern gedeckt wer­den. Hier in Deutschland ver­mit­telt Hanna prak­ti­sches Wissen zur Durchführung von Aktionen und lässt sich an Eisenbahnschienen anket­ten, um als Sandkorn im Getriebe den Atommüll nicht völ­lig unge­hin­dert durch­fah­ren zu las­sen. In Spanien tref­fen die bei­den Regisseure den Aktivisten Enric, der sich bei 39 Banken fast eine hal­be Millionen Euro gelie­hen hat, mit dem Ziel, es nie­mals zurück­zu­zah­len, son­dern für sozi­al­re­vo­lu­tio­nä­re Projekte zu nut­zen. Das Münchener Kartoffelkombinat ist eine land­wirt­schaft­li­che Genossenschaft, die ihre Produkte ohne Zwischenhändler an die Mitglieder ver­teilt. Das Motto bringt eine Liedzeile der Ärzte auf den Punkt: Es ist nicht Deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur Deine Schuld, wenn Sie so bleibt.

Ihr Leben ist ein Ringen mit Obrigkeiten und ihre Prinzipien machen es ihnen alles ande­re als leicht. Ein Kampf für die gre Sache, der sich auch in bana­len Diskussionen ver­lie­ren kann. Und den­noch sind die ers­ten Schritte in Richtung einer neu­en Gesellschaft sicht­bar. PROJEKT A soll Mut machen, Diskussionen anstoßen und zei­gen, dass es an der Zeit ist, die Dinge wie­der selbst in die Hand zu neh­men. Die Notwendigkeit zur Verände­rung unse­rer Welt ist offen­sicht­lich, nicht nur für Anarchisten.“ Marcel Seehuber, Moritz Springer

[gss ids=„2512,2511,2510,2508” options=„timeout=4000”]

Deutschland 2015, 87 Min.
Regie, Kamera: Marcel Seehuber
Regie, Ton: Moritz Springer
Schnitt: Frank Müller

Valley of love

In „Loulou“, einem tol­len Film von Maurice Pialat aus dem Jahr 1980, spie­len Isabelle Huppert und Gérard Depardieu, bei­de noch sehr jung, ein unglei­ches Paar, das sich liebt und ent­täuscht und trotz­dem nicht trennt. Wenn man dann 35 Jahre spä­ter in „Valley of Love“ den Filmfiguren mit den Namen Isabelle und Gérard dabei zusieht, wie sie sich zum ers­ten Mal seit ihrer Scheidung wie­der­se­hen, denkt man unwei­ger­lich an die lei­den­schaft­li­che Liebe zwi­schen ihnen im älte­ren Film. Guillaume Nicloux arbei­tet sozu­sa­gen mit die­sem film-kol­lek­ti­ven Gedächtnis, indem er die Rollen der Geschiedenen mit die­sen bei­den Schauspielern besetzt.

Das Testament ihres ver­stor­be­nen Sohnes führt Isabelle und Gérard ins Death Valley, dort sol­len sie zu vor­ge­ge­be­nen Uhrzeiten bestimm­te Dinge tun. Und wäh­rend sie in der Hitze einer unwirt­li­chen Landschaft auf ein Zeichen ihres Sohnes war­ten, über­rascht bei­de, wie tief die Vertrautheit zwi­schen ihnen noch immer ist, obwohl sie sich doch so weit aus­ein­an­der­ge­lebt hatten.

Mit sei­nem gigan­ti­schen Körper schiebt sich Depardieu regel­recht raum­fül­lend durchs Bild. Es ist wie­der­um Hupperts eigen­wil­li­ge phy­si­sche Präsenz, die sich von sei­ner Körperfülle nicht domi­nie­ren lässt, die eben auf ihre Weise das Bild füllt. Und man muss ein­fach gese­hen haben, mit wel­cher Sanftheit Depardieu mit sei­ner Pranke über ihr som­mer­spros­si­ges Gesicht strei­chelt.“ Anke Leweke, Deutschlandradio Kultur, 21.1.2016

Frankreich, Belgien 2015, 93 Min., engl./franz.  OmU

Buch und Regie: Guillaume Nicloux

Kamera: Christophe Offenstein

Schnitt: Guy Lecorne

Mit: Isabelle Huppert, Gérard Depardieu u.a.

Mustang

Ein Film von Deniz Gamze Ergüven

Sommer in einem tür­ki­schen Dorf. Lale und ihre vier Schwestern wach­sen nach dem Tod der Eltern bei ihrem Onkel auf. Als sie nach der Schule beim lus­ti­gen Herumtollen mit ein paar Jungs im Meer beob­ach­tet wer­den, lösen sie einen Skandal aus. Ihr als scham­los wahr­ge­nom­me­nes Verhalten hat dra-mati­sche Folgen: Das Haus der Familie wird zum Ge-fäng­nis, Benimmunterricht ersetzt die Schule und Ehen wer­den arran­giert. Anfangs ver­su­chen die fünf sich mit klei­nen Fluchten, Gesten des Widerstands zu hel­fen. Hier mal weg­schlei­chen, da den geplan­ten gegen den gewüsch­ten Ehemann tau­schen. Doch ihre ver­schwo­re­ne Gemeischaft bröckelt.

Was Mus­tang aber wirk­lich zu einem sehens­wer­ten Film macht, ist der visu­elle Stil, den Ergü­ven zu-sam­­men mit ihren Kame­ra­män­nern Ersin Gok und David Chiz­al­let ent­wi­ckelt. Mit wei­chem Licht fil­men sie die Mäd­chen, erzäh­len die Geschichte in flir­ren­den Far­ben, die oft etwas Unwirk­li­ches, Mär­chen­haf­tes haben. Sicher nicht zufäl­lig fühlt man sich oft an die Filme von Sofia Cop­pola erin­nert, beson­ders an den auch the­ma­tisch ähn­li­chen The Vir­gin Sui­ci­des. Durch das Über­hö­hen einer im Ansatz rea­lis­ti­schen Geschichte in das Reich der Phan­ta­sie bekommt Mus­tang sei­nen beson­de­ren Reiz, erzeugt er einen mit­rei­ßen­den Sog, der auch das ver­söhn­li­che Ende kon­se­quent erschei­nen lässt.“ (programmkino.de)

Ich woll­te erzäh­len, wie es ist, ein Mädchen bzw. eine Frau in der Türkei von heu­te zu sein. In einem Land, in dem die Rolle der Frau so stark wie nie im Zentrum der öffent­li­chen Debatte steht. Es war sehr hilf­reich, dass ich nicht stän­dig in der Türkei lebe und das Land auch von außen betrach­ten kann. Jedes Mal, wenn ich dort­hin zurück­keh­re, spü­re ich eine Art Korsett, das mich ein­engt. Alles, was mit Weiblichkeit in Verbindung steht, wird oft auf Sexualität redu­ziert. Es ist, als wäre jede weib­li­che Geste sexu­ell auf­ge­la­den. Es gibt Schulen, die Jungen und Mädchen ver­bie­ten, die­sel­be Treppe zu benutzen.
(Deniz Gamze Ergüven)


Türkei/ Frankreich/ Deutschland 2015, 97 Min., türk. OmU

Regie: Deniz Gamze Ergüven
Buch: Deniz Gamze Ergüven, Alice Winocour
Kamera: David Chizallet, Ersin Gok,
Schnitt: Mathilde van de Moortel

Darsteller: Nihal Koldas, Ayberk Pekcander, Ilayda Akdogan, Tugba Sunguroglu, Elit Iscan, Doga Zeynep Doguslu, Gunes Nezihe Sensoy

MUSTANG (ein Film von Denise Gamze Ergüven) | im kult.kino Basel

Lichtes Meer

Ein Film von Stefan Butzmühlen. ab 4.2. im fsk, am 6.2. mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch mit Stefan Butzmühlen.

Vom elter­li­chen Bauernhof in Vorpommern weg, hin­aus in die Welt: Marek beginnt ein Praktikum auf einem Containerschiff, des­sen Ziel Martinique ist. Auf dem Schiff darf er aller­dings nur Kaffee kochen und schrub­ben. Er ver­liebt sich hef­tig in den Matrosen Jean, der jedoch kein Interesse an einer fes­ten Bindung hat, son­dern nach Abenteuern sucht und in jedem Hafen jeman­den zu haben scheint. Auf der Fahrt über den Atlantik erlebt Marek Himmel und Hölle und am Ende hat er zwar nicht viel über die Schifffahrt gelernt, aber eini­ges über sich selbst. Mareks Reisegeschichte wird dabei von ihm selbst kom­men­tiert und von tol­len Seemannsliedern begleitet.

LICHTES MEER ist für mich ein Reisefilm. Indem wir Marek beglei­ten, aus sei­ner vor­pom­mern­schen Heimat zu den fran­zö­si­schen Antillen, beob­ach­ten wir einen jun­gen Mann bei der Entdeckung sei­ner selbst. Dies geschieht weni­ger in einem akti­ven Sinn, viel­mehr pas­siert das Marek, wäh­rend er mit ganz ande­ren Geschichten beschäf­tigt ist. Auf jeden Fall ist er am Ende die­ses Films ein etwas Anderer, und das fas­zi­niert mich. Nicht, dass ich dar­an glau­be, dass man sich als Mensch groß ändert, aber ich glau­be fest dar­an, dass man in sich selbst Seiten fin­den kann, von denen man lan­ge nichts wuss­te. Die Kenntnis dar­um macht einen selbst­be­wuss­ter, und das ist Marek auf die­ser Reise sicher­lich gewor­den: ein Stückchen selbstbewusster.“
(Stefan Butzmühlen)

D 2015 , 79 Min., deutsch/französisch/ eng­li­sche OmU 

Regie:  Stefan Butzmühlen 

Kamera: Jonas Schmager 

Schnitt: Cristina Diz 

Mit: Martin Sznur,  Jules Sagot u.a.

 

Lichtes Meer – Offizieller Trailer from Salzgeber & Co. Medien GmbH on Vimeo.

Alles andere zeigt die Zeit

Ein Film von Andreas Voigt,  am 31.1. 15:30 & 7.2 16:00 im fsk Kino.
Am 31.1. mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch.

Der Dokumentarfilmer Andreas Voigt kehrt 18 Jahre nach den Filmen sei­ner „Leipzig-Reihe“ (1986−1997), in denen er Leipziger Bürger durch die Zeiten des poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Umbruchs beglei­te­te, noch ein­mal in die Stadt zurück. Er trifft drei sei­ner eins­ti­gen Porträtierten erneut, fragt, was aus ihnen wur­de und was sich seit­dem in Leipzig getan hat. Es tre­ten auf: Isabel, eine ehe­ma­li­ge Punkerin, jetzt als Steuerprüferin kaum wie­der­zu­er­ken­nen. Sven, immer wie­der arbeits­los, ver­hei­ra­tet, geschie­den, mal poli­tisch rechts, mal links und wie­der zurück und schließ­lich Renate und ihr tra­gi­sches Leben, in dem Täter- und Opferrolle häu­fig nicht mehr zu unter­schei­den sind.  „Man spürt bereits die Gabe die­ses Regisseurs, Menschen lebens­welt­lich zu begrei­fen. Er erfühlt, wie Land und Leute ein­an­der durch­drin­gen. Selten fragt er drän­gend, nie­mals mani­pu­la­tiv. Man kann und möch­te ihm ant­wor­ten, denn man wird ja nach sich selbst gefragt. Und er lässt gel­ten, was man ihm erzählt.“ (Die Zeit, Christoph Dieckmann)  Nach dem Sehen von Alles ande­re zeigt die Zeit ent­steht eine gro­ße Lust alle sechs Filme aus sei­ner „Leipzig-Reihe“ zu sehen und zu zei­gen, was wir uns vor­ge­nom­men haben, noch die­ses Jahr in die Tat umzusetzen.

D 2015, 90 Min.
Regie: Andreas Voigt,
Kamera: Sebastian Richter, Schnitt: Kathrin Dietzel

Interview mit Andreas Voigt bei der Dokfilmwoche Leipzig:

Interview Andreas Voigt

Family Business

Ein Film von Christiane Büchner. Ab 28.1. im fsk Kino. 

Eine 24-Stunden-Betreuungskraft aus Polen über­nimmt, was die berufs­tä­ti­gen Töchter nicht leis­ten kön­nen: sie küm­mert sich um Anne, die 88-jäh­ri­ge Mutter. Auf der Schwelle zur Demenz darf man sie nicht allein las­sen, und die­se Regelung scheint die bes­te zu sein. Joswita braucht drin­gend Geld für Familie und Haus. Sie macht eine Ausbildung zur Pflegerin und bekommt schnell eine Stelle in Bochum. Sie soll Anne betreu­en. Im 2‑mo­nats-Rhythmus pen­delt sie ab nun zwi­schen Zuhause und Arbeitsstätte. Aber rund­um-Pflege ist eine sehr per­sön­li­che Sache, mit wenig Privatsphäre für bei­de Seiten.

Noch hat Anne ihren eige­nen Kopf und will die Kontrolle nicht auf­ge­ben, und Joswita mag sich nicht in ihre Arbeit hin­ein­re­den las­sen. Zudem ver­liert die alte Dame zuneh­mend den Bezug zur Realität, Joswita wie­der­um ver­misst ihre Familie.Der Film taucht in den Alltag bei­der Familien ein und zeigt, wie die Wirtschaft nach und nach in das Familienleben Einzug erhält. Zeit und Lohn wer­den aus­ge­tauscht. Doch wie sieht die mensch­li­che Bilanz in die­sem Geschäft aus?

Ob Sprachbarrieren, kul­tu­rel­le Andersartigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten ob der Haushaltsführung – der Zuschauer ist direkt mit ein­ge­bun­den und erlebt so direkt vie­le hei­te­re, anstren­gen­de, schwie­ri­ge aber auch berüh­ren­de Momente. Dies ver­dankt der Film einer gro­ßen und stets spür­ba­ren Vertrautheit zwi­schen der Regisseurin und den Menschen, die sie beglei­tet. Trotz der gro­ßen Nähe beob­ach­tet Büchner nur und mischt sich nicht ein. Das Thema hät­te aktu­el­ler nicht gewählt sein kön­nen. Es gibt unzäh­li­ge älte­re Menschen in Deutschland, die auf Pflege ange­wie­sen sind, sie sich aber nicht leis­ten kön­nen. Eine aus­ge­bil­de­te Haushaltshilfe aus Polen ist oft der ein­zi­ge Ausweg für die Familien. Auch die­sen Aspekt bringt der Film unauf­dring­lich näher, ohne direkt mit dem Finger auf das Problem zu zei­gen. FAMILY BUSINESS ist ein groß­ar­ti­ger Dokumentarfilm über ein wich­ti­ges und aktu­el­les Thema unse­rer Zeit. Unaufdringlich, und doch zutiefst berüh­rend.“ FBW

D / PL 2015  89 Min., deutsch, pol­ni­sche OmU 

Regie: Christiane Büchner 

Buch: Christiane Büchner. 
Kamera: Justyna Feicht, Thomas Plenert, Ton: Claas Berger, Schnitt: Henk Drees, Stefan Oliveira-Pita

Cemetery of Splendour

Ein Film von Apichatpong Weerasethakul.

[Indiekino Club]

In einem zur Klinik umge­wan­del­ten Schulgebäude wer­den schlaf­kran­ke Soldaten behan­delt. Während die Ärzte mit Hilfe neu­es­ter Technik das Leid der Soldaten zu lin­dern ver­su­chen, inter­es­sie­ren sich die bei­den Pflegerinnen Jen und Keng für eine ganz ande­re Sichtweise auf die Krankheit, deren Ursachen und mög­li­cher Heilung. Keng kann die Gedanken und Erinnerungen der schla­fen­den Soldaten lesen und teilt sie den Angehörigen mit. Jen ver­sucht die Skizzen im Notizbuch eines Soldaten zu deu­ten, zu dem sie sich hin­ge­zo­gen fühlt. Möglich wäre auch ein Zusammenhang zwi­schen der Geschichte des Ortes und dem aktu­el­len Leiden der Soldaten – wenn man Sinneserfahrung, Gedanken und Träume als gleich­wer­ti­ge Weisen der Erkenntnis ansieht.

(…)„Dies ist mein per­sön­lichs­ter Film“, sagt Apichatpong Weerasethakul, der selbst an die Wiederkehr der Toten glaubt. „Ich spü­re ihre Anwesenheit tat­säch­lich“, bekennt er im Gespräch, „aber nur zu Hause, nicht wenn ich in Frankreich bin“. Man muss ihm kei­nes­wegs in eso­te­ri­sche Gefilde fol­gen, um dem Zauber die­ses behut­sa­men Filmgedichts zu erlie­gen. Als Kind eines Arztes ver­brach­te er einen Großteil sei­ner Jugend in einem Krankenhaus, was die hei­me­li­ge Atmosphäre die­ses Hospitals der Geister erklä­ren mag.

Höhepunkte sind eine rät­sel­haf­te Montageszene, in der er den heil­sa­men Farben bis in ein Multiplexkino folgt, wo man einen bil­li­gen Fantasy-Blockbuster mit ganz ande­ren Geistern spielt. Oder eine Exkursion in den Wald, der das Krankenhaus umgibt und in dem die Frauen einen unsicht­ba­ren Palast ent­de­cken…“ Daniel Kothenschulte, FR

Thailand, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Malaysia 2015,
122 Min.,  thai­länd. OmU 
Regie: Apichatpong Weerasethakul 
Kamera: Diego Garcia 
Schnitt: Lee Chatametikoo 
Mit: Jenjira Pongpas Widner, Banlop Lomnoi, Jarinpattra Rueangram u.a.

Im Schatten der Frauen

Ein Film von Philippe Garrel. Ab 28.1. im fsk.

Pierre und Manon sind mit­tel­los. Sie dre­hen Dokumentarfilme ohne Geld und kom­men mit ver­schie­de­nen Brotjobs gera­de so über die Runden. Eines Tages begeg­net Pierre der jun­gen Praktikantin Elisabeth, die zu sei­ner Geliebten wird. Manon zu ver­las­sen, kommt für ihn aber nicht infra­ge, er möch­te bei­de. Doch als Elisabeth ent­deckt, dass Manon einen Geliebten hat, teilt sie das Pierre mit, was die­sen zum rasen bringt.

Lebenslügen und Selbstbetrug wer­den in „Im Schatten der Frauen” ver­han­delt, gespie­gelt durch das Sujet von Pierres aktu­el­lem Projekt, einem Film über einen Widerstandskämpfer aus dem Zweiten Weltkrieg, von dem sich her­aus­stellt, dass er im Krieg kei­nes­wegs so mutig war wie er vor­gibt. In einer prä­gnan­ten Szene hän­gen Pierre und Manon da an den Lippen des Widerstandskämpfers, lau­schen sei­nen (erfun­de­nen) Heldengeschichten und igno­rie­ren geflis­sent­lich die Frau des Ehemanns, die ihnen lie­be­voll selbst geba­cke­ne Plätzchen anbie­tet. Wie so oft ste­hen die Frauen im Schatten der Männer, so wie auch Manon ganz für ihren Mann lebt, nicht selbst Erfüllung in einem Beruf sucht, son­dern ihn bei sei­ner Arbeit unter­stützt.   Natürlich sind auch die Frauen bei Garrel schön, aber mehr als in vie­len ande­ren Filmen sind sie hier nicht nur Objekte. Die Bilder, die beson­ders schön sind, zumal Garrel in wun­der­ba­rem, grob­kör­ni­gen schwarz-weiß und in Scope dreh­te, objek­ti­vie­ren zwar wie eh und je, doch dem setzt Garrel eine aus­gie­bi­ge Kommentarspur ent­ge­gen, die den emo­tio­na­len Reigen mit iro­ni­schen Bemerkungen kom­men­tiert. Sie ermög­licht es, das Treiben prak­tisch von Außen zu betrach­tet, erzeugt eine Distanz zu der ste­reo­ty­pen Dreiecks-Beziehung und dekon­stru­iert sie. So ist „Im Schatten der Frauen” am Ende bei­des: Ein ganz typi­scher fran­zö­si­scher Liebesfilm, der gleich­zei­tig sei­ne eige­nen Strukturen hin­ter­fragt.”  Michael Meyns

OT: L’ombre des femmes
F 2015 73 Min., frz. OmU
Regie:  Philippe Garrel
Kamera Renato Berta
Schnitt: Jean-Louis Aubert
Darsteller:  Clotilde Courau, Stanislas Merhar,  Lena Paugam,  Vimala Pons,  Antoinette Moya,  Jean Pommier,  Therese Quentin, Mounir Margoum 

Trailer: Der Schatten von Frauen (L’ombre des femmes, Philippe Garrel F‑2015) HD OmdU

Anomalisa

Ein Film von Charlie Kaufman & Duke Johnson. Ab 21.1. im fsk Kino.

Die Geschichte eines Motivationstrainers, der an der Kälte und Einsamkeit des Lebens bei­na­he zugrun­de geht und der, trotz Begegnungen mit zahl­rei­chen Frauen, immer tie­fer in sei­ner pri­va­ten Hölle ver­sinkt, hat nichts mit Disney-Nettigkeiten zu tun, son­dern setzt Stop-Motion wie ein distan­zie­ren­des Element ein, das der Entfremdung eine zwin­gen­de und gleich­zei­tig beklem­men­de Form ver­leiht. «Was macht das Wesen des Menschlichen aus?», heißt es ein­mal. «Ist es der Schmerz?»

Von Charlie Kaufman, dem Drehbuchautor von BEING JOHN MALKOVICH, ETERNAL SUNSHINE OF THE SPOTLESS MIND und Regisseur von SYNECDOCHE, NEW YORK kann man min­des­tens einen Film erwar­ten, der anders ist. ANOMALISA ist sehr anders: Ein Stop-Motion-Animationsfilm für Erwachsene, den Kaufman über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter finan­ziert hat.
Hauptdarsteller des Films sind extrem rea­lis­ti­sche, etwa drei­ßig Zentimeter gro­ße Puppen, die irr­wit­zig detail­rei­chen Sets sind hand­ge­baut. Die Gesichter der Puppen bestehen aus zwei Teilen, wodurch ein schwar­zer Strich über den Augen sicht­bar bleibt, als wäre der Blick der Figuren durch­ge­stri­chen. In die­sem Film, in dem es um die ent­zau­ber­te Wahrnehmung einer Welt geht, die nur aus Fassaden besteht, wirkt das eben­so plau­si­bel wie fas­zi­nie­rend. (…) Die Puppen, deren Gesichter durch aus­tausch­ba­re Gesichtsteile ani­miert wer­den, sind so aus­drucks­stark, dass die US-Ratingagentur den Film ab 17 frei­ge­ge­ben hat, schließ­lich wird in Kaufmans Film auf die Toilette gegan­gen, mas­tur­biert und Michael und Lisa haben außer­dem eben­so lei­den­schaft­li­chen wie unbe­hol­fe­nen, sehr pri­va­ten Sex, bei dem man ihre Puppennatur bei­na­he ver­gisst und sich ein wenig schämt, einem so inti­men Moment bei­zu­woh­nen.“ (Tom Dorow)

ANOMALISA gewann den Großen Preis der Jury auf dem Filmfestival in Venedig.

[gss ids=„2186,2185,2184,2183,2426” options=„timeout=4000”]

USA 2015, 90 Min., engl. OmU
Regie: Charlie Kaufman, Duke Johnson
Drehbuch: Charlie Kaufman
Kamera: Joe Passarelli
Schnitt: Garret Elkins
Musik: Carter Burwell

Stimme Lisa: Jennifer Jason Leigh
Stimme Michael: David Thewlis
Stimme alle ande­ren: Tom Noonan

die „Dreharbeiten”:

 

Familie Haben

ab 7.1. im fsk Kino.

Nach jahr­zehn­te­lan­gem Schweigen trifft der Regisseur, Jonas Rothlaender, sei­nen Großvater Günther, der im Laufe sei­nes Lebens meh­re­re Millionen in ris­kan­ten Börsenspekulationen ver­un­treut hat. Günther lebt 90-jäh­rig, schwer krank und völ­lig ver­armt in einem Altersheim. Als Bettina, Jonas Mutter und Günthers Tochter, ihn nach sehr lan­ger Zeit besucht, in der Hoffnung, sich end­lich mit ihrem Vater zu ver­söh­nen, scheint kei­ne Annäherung mehr mög­lich zu sein.
Der Filmemacher ver­folgt die Spuren von schein­bar nicht zu lösen­den Konflikten inner­halb sei­ner Familie und stellt sich immer wie­der die Frage nach der Möglichkeit von Tradierung die­ser Zerwürfnisse und ihrer schmerz­haf­ten Folgen. Ein per­sön­li­cher Film, der in der furcht­ba­ren mikro­kos­mi­schen Familienkonstruktion das Universelle sucht.

Deutschland 2015, 130 Min., deutsch
Regie, Kamera: Jonas Rothlaender, Schnitt: Dietmar Kraus