Im Jahr 1968 verwandelt sich ein Klassenzimmer eines Münchner Mädchengymnasiums unter Leitung des jungen Edgar Reitz in ein Filmstudio. Die Filmstunde beginnt: der erste in der Filmgeschichte dokumentierte Versuch, Filmästhetik als eigenständiges Fach zu unterrichten. 2023 wird Edgar Reitz, mittlerweile weltberühmter Regisseur des Filmepos Heimat, von einer älteren Dame angesprochen, die sich als eine der damaligen Schülerinnen zu erkennen gibt. Sie verabreden ein Klassentreffen. Montiert aus einem Dokumentarfilm über das damalige Projekt, den Super-8-Filmen der Schülerinnen und dem gefilmten Wiedersehen im Jahr 2023, entsteht eine Art Langzeitbelichtung der letzten 55 Jahre Filmgeschichte. Zeigt sich die Persönlichkeit der Schülerinnen bereits in den Übungsfilmen? Und was sagen die Damen zur Filmkultur der Gegenwart? Filmstunde_23 ist eine Liebeserklärung an das Filmemachen.
Credits:
DE 2024, 89 Min., Regie: Jörg Adolph, Edgar Reitz Kamera: Matthias Reitz-Zausinger, Markus Schindler, Daniel Schönauer, Thomas Mauch (1968), Dedo Weigert (1968) Schnitt: Jörg Adolph, Anja Pohl
Anlässlich der Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie bieten wir allen kurz vorm Höhepunkt der Feierlichkeiten eine Erholungspause vom Weihnachtstrubel an: Nan Goldin ist keine gewöhnliche Künstlerin. Für die renommierte Fotografin verschmelzen Privatleben und Beruf vollständig – auf ihrem Lebensweg porträtiert sie die Menschen, die sie auf diesem begleiten. Goldin trifft in diesem Dokumentarfilm unter Anderem alte Freunde, und erzählt von ihren wilden Jahren in Berlin, ihrer Familie und ihrer Sammel-Leidenschaft religiös konnotierter Kunst. Der Film von Sabine Lidl entstand bereits 2013, vor Goldins Oxycodon-Abhängigkeit, die im Film All the Beauty and the Bloodshed thematisiert wird, und ist nun erstmals regulär im Kino zu entdecken.
Credits:
DE 2023, 62 Min., engl. OmU Regie & Kamera: Sabine Lidl Schnitt: Barbara Gies mit: Nan Goldin, Clemens Schick, Käthe Kruse, Joachim Sartorius, Piotr Nathan, Christine Fenzl, Guido Costa, Jack Ritchey, Thomas Dupal
„Jeder glaubt zu wissen, was Licht ist“, sagt der Quantenphysiker Daniele Faccio. „Aber dann gräbt man ein bisschen tiefer und merkt, dass man keine Ahnung hat.“ Tracing Light – Die Magie des Lichts erkundet in faszinierenden Bildern und Begegnungen das wohl bedeutendste aller Naturphänomene. Thomas Riedelsheimer, dessen Filme Rivers and Tidesund Touch The Soundwir lieben, blickt diesmal mehr als dort auch auf eine künstlerische Herangehensweise an das Wesen des Lichts, die mit der Forschung zusammengeht. So bringt er herausragende Wissen- schaftler:innen mit Künstler:innen zusammen, die mit Licht arbeiten, und sich fragen: Was ist Licht als Material? Wie verhält es sich in seiner rätselhaften Doppelgestalt als Welle und Teilchen? Verändert sich Licht, wenn wir es sehen? In welchem Verhältnis stehen Licht, Raum und Zeit? Wie prägt unsere Wahrnehmung des Lichts unser Verständnis der Welt? Im Zusammenspiel mit seinen charismatischen Protagonist:innen und der kongenialen Filmmusik von Fred Frith (nb – ab 6.3. als WA im Kino: Step across the Border) und Gabby Fluke-Mogul machen Thomas Riedelsheimers faszinierende Bilder das Licht in seinen unzähligen Facetten, Erscheinungen und Formen, in all seiner Komplexität erfahrbar. „Zwischen den Forscherinnen des Max-Planck-Instituts in Erlangen und der ’Extreme Light Group‚ der Universität Glasgow sowie international renommierten Künstlerinnen wie Ruth Jarman, Joe Gerhardt, Julie Brook, Johannes Brunner und Raimund Ritz entwickelt sich ein intellektuell-poetisches Pingpong-Spiel. In dessen Verlauf führen die verschiedenen Perspektiven auf das Thema Licht auf allen Seiten zu Erkenntnissen, die ohne dieses methodische Cross-over kaum entstanden wären: von Laserkraft und Farbpigmenten, von schwarzen Löchern und schwebenden Skulpturen. In kurzen Momenten mögen Unkundige sogar eine Vorstellung von den gemeinhin als nicht-darstellbar geltenden Regeln der Quantenphysik bekommen.“ Luc-Carolin Ziemann | Dok-Leipzig (Eröffnungsfilm 2024)
Credits:
DE/GB 2024, 99 Min., engl./dt. Originalfassung mit deutschen und englischen Untertiteln Regie, Kamera, Schnitt: Thomas Riedelsheimer Musik: Fred Frith, gabby fluke-mogul
Kurz nachdem Iman zum Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht befördert wurde, erstarkt nach Jina Mahsa Aminis Tod die Protestbewegung im Land. Während er mit dem Druck des neuen Jobs zu kämpfen hat, engagieren sich seine Töchter bei den Protesten. Seine Frau Najmeh wiederum versucht verzweifelt, die Familie zusammenzuhalten. Regisseur Mohammad Rasoulof hat viel Zeit seines Lebens in Unfreiheit verbracht, im Gefängnis, unter Hausarrest oder mit Ausreiseverbot, dazu kommt das Berufsverbot. Umso erstaunlicher ist nicht nur, dass er überhaupt noch dreht, und, dass seine Arbeiten immer direkter, gewagter wurden. Während „Iron Island“ von 2005 noch als mehrdeutige Allegorie erscheint, und „The White Meadows“ (2009) parabelhafte Fantasie ist, geht der autobiografisch geprägte „Goodbye“ (2011), schon wesentlich direkter auf die subversive staatliche Repression ein. Der Thriller „Manuscripts don‘t burn“ (2013) verklausuliert nichts mehr. Die Geschichte über die Geheimdienst-Morde an Schriftstellern hat sogar einen realen Hintergrund. In „A Man of integrity“ (2017) geht es um Korruption, der Berlinale-Gewinner „There is no Evil“ verknüpft vier persönliche Schicksale mit den politischen Gegebenheiten. Nach Verhängung einer mehrjährigen Haftstrafe und Peitschenhieben konnte Rasoulof aus dem Iran fliehen und „Die Saat des heiligen Feigenbaum“ beim Wettbewerb in Cannes persönlich vorstellen. Natürlich steht die Familie, die sich aufgrund der politischen Entwicklungen entzweit, stellvertretend für die iranische Gesellschaft, aber die Vorkommnisse sind durchaus real. ,Die Saat des heiligen Feigenbaums‘ wird Deutschland bei den Oscars vertreten. Die Jury: der Film ist das Psychogramm der auf Gewalt und Paranoia aufgebauten Theokratie des Iran. … Ein meisterhaft inszenierter und berührend gespielter Film, der Szenen findet, die bleiben. Die beiden aufbegehrenden Töchter stehen für die mutigen Frauen des Iran und ihren aufopferungsvollen Kampf gegen die Patriarchen ihrer Familien wie ihres Staates. Er ist eine herausragende Arbeit eines der großen Regisseure des Weltkinos, der in Deutschland Schutz gefunden hat vor staatlicher Willkür im Iran. Wir sind sehr froh darüber, Rasoulof sicher in unserem Land zu wissen.
Credits:
IR, DE, FR 2024, 168 Min., farsi OmU Regie: Mohammad Rasoulof Kamera: Pooyan Aghababaei Schnitt: Andrew Bird mit Missagh Zareh, Soheila Golestani, Mahsa Rostami, Setareh Maleki, Niousha Akhshi
Es war der erste indische Film seit 30 Jahren, der in den Wettbewerb des Filmfestes in Cannes eingeladen wurde. In ihrem Spielfilmdebüt thematisiert die Dokumentarfilmerin Payal Kapadia die ökonomischen Ungleichheiten Indiens und nimmt uns mit in die Megacity Mumbai. Hier gilt ihr Blick drei Frauen, die in einem Krankenhaus arbeiten. Die zurückhaltende Pflegerin Prabha lebt in ihrer Arbeit, die sie mit Ruhe und Sorgfalt bewältigt. Der ihr zunächst unbekannte Mann, mit dem sie eine arrangierten Ehe einging, verließ sie kurz nach der Trauung Richtung Deutschland, der Arbeit wegen, und hat sich seitdem nicht mehr gemeldet. Die Wohnung teilt sie sich deshalb seit einiger Zeit mit ihrer jüngeren Kollegin Anu. Die ist lebhaft, risikofreudig und frisch verliebt, in Shiaz, einen Mann mit der falschen Religion. Die Schwierigkeiten mit der Familie und die Gerüchteküche im Krankenhaus sorgen Anu wenig, wohl aber, dass sie mit dem Geliebten nie und nirgendwo allein sein kann. Für Prabha hingegen schwärmt offensichtlich ein Arzt, für sie aber gilt das Ehegelöbnis. Als die Post allerdings einen Reiskocher aus Deutschland bei ihr abliefert, ohne Absender oder Gruß, fragt sie sich schon, was diese erste Nachricht seit drei Jahren bedeuten könnte – vielleicht ist es doch eine Art Abfindung, ein Vorbote der Trennung? Die dritte Frau ist Parvaty, Köchin im Krankenhaus und Prabhas beste Freundin. Ihr droht nach dem Tod des Ehemanns der Verlust der Wohnung, denn er hat ihr keine Papiere hinterlassen, die die Rechte klären. Prabha versucht ihr zu helfen, aber sie sind chancenlos. Resigniert verlässt Parvaty Mumbai und zieht zurück in ihr Heimatdorf. Dort besuchen sie Prabha und Anu, und diese Tage werden zu einem ganz besonderen Erlebnis. Trotz der dokumentarischen Sicht und aller Authentizität wirkt „All we imagine as Light“ stets wie unwirklich und verzaubert, vielleicht aber auch nur aus westlicher Sicht.
„Kino, das im besten Sinne den Blick auf andere Welten öffnet“ schreibt programmkino.de dazu. Unzweifelhaft ist jedoch, dass er ganz wunderbar eine Entwicklung hin zu weiblicher Solidarität und immer mehr Selbstbewusstsein aufzeichnet.
„Sehnsüchtig suchte man [im Wettbewerb der 77. Filmfestspiele von Cannes] nach einem Film, der sich auf die Schönheit, die elementare Kraft des Kinos verließ. Und er kam dann auch. „All we imagine as Light“ von der indischen Regisseurin Payal Kapadia folgt drei Frauen, die als Krankenschwestern und Köchin in einem Krankenhaus in Mumbai arbeiten. Mit einer ruhigen Kamera gleitet man in drei Leben hinein. Zwischen Schichtarbeit, Kochen und Einkaufen geht es um die Dinge des Lebens. „All we imagine as Light“ bekam in Cannes den Großen Preis der Jury, und dieser berührende Film, ein wahrhaftiger Lichtblick, zeigt, was Kino sein kann: Alles, was wir uns als Licht vorstellen.“ Katja Nikodemus | Die Zeit
Wettbewerb Cannes Filmfestival 2024. Mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet.
Credits:
IN, FR, NL, LU 2024, 114 Min., Malayalam, Hindi OmU Regie: Payal Kapadia Kamera: Rabadir Das Schnitt: Clément Pinteaux mit Kani Kusruti, Divya Prabha, Chhaya Kadam, Hridhu Haroon
Die Geschichte der langsamen Annäherung zwischen zwei Außenseitern, dem eigenwilligen Lang und einem schwarzen Hund, wurde in Cannes dieses Jahr mit dem Hauptpreis in der Sektion „Un certain regard“ ausgezeichnet. Xin, der Hund, bekam zudem die begehrte „Dog-Palm“. Lang saß viele Jahre im Gefängnis, jetzt kehrt er in seinen Heimatort am Rande der Wüster Gobi zurück. Wir werden den Einzelgänger allerdings noch als völlig verschieden kennenlernen von dem, was die eigenen Vorurteile uns diktieren. Die Umgebung, in die er zurückkehrt, ist schwer von Umgestaltung betroffen, denn die bedeutet fast immer Abriss. Zwar findet die Olympiade – der Film spielt 2008 – woanders statt, aber auch in den nicht nur im räumlichen Sinn fernen glitzernden Großstädte muss jetzt „aufgeräumt“ werden. Betroffen davon sind auch die vielen streunenden Hunde. Ein Tier mit besonders schwarzem Fell entwischt den Fängern immer wieder, da wird ihm die Tollwut angedichtet und ein Preis für ihn ausgesetzt. Lang fühlt sich dem widerspenstigen Wesen verwandt und nimmt es, nicht ohne Blessuren zu erleiden, zu sich. Beide müssen nun schauen, wie es für sie weitergehen kann. Regisseur Guan Hu zählte zusammen mit u.a. Zhang Yuan, Wang Xiaoshuai, He Jianjun, Jia Zhang-Ke und Yu Le zur sogenannten 6. Generation chinesischer Filmemacher*innen, die es sich erlaubten, in ihren Filmen auch mit politischem Blick das Alltagsleben ungeschönt darzustellen. Nach mehreren Großprojekten scheint Black Dog – Weggefährten sein Schritt zurück zu den Anfängen zu sein. „Auch Black Dog setzt zwar durchaus hier und da kleine Spitzen gegen die offizielle Fortschrittsrhetorik Chinas, ist aber insgesamt kein subversiver Film. Indem er das Leid und das Freiheitsbedürfnis der Menschen auf das Leid und das Freiheitsbedürfnis der Tiere überträgt, wird beides erträglicher und universeller. Traurige Hundeaugen blicken überall auf der Welt gleich. Später tauchen außerdem noch andere Tiere auf, Tiger und Schlangen, sowie eine Bauchtänzerin, die ein Auge auf Lang wirft und dem ansonsten ziemlich männlich dominierten Film durchaus guttut. Wie man überhaupt Black Dog seine rührselige Schlagseite keineswegs zum Vorwurf machen muss. Das Kino hat nicht die Pflicht, immer gleich das Regime stürzen zu wollen. Manchmal genügt es vollauf, eine herzenswarme – und wirklich wunderschön fotografierte – Ballade von einem Mann und einem Hund zu erzählen.“ Lukas Foerster | Die Presse
Cannes 2024 – Un Certain Regard Preis
Credits:
CN 2024, 110 Min., MandarinOmU Regie: Guan Hu Kamera: Gao Weizhe mit Eddie Peng, Zhangke Jia, Jing Liang
Trailer:
BLACKDOG – WEGGEFÄHRTEN | offizieller Trailer mit Dt. Untertiteln | ab 12. Dezember im Kino
Nach mehr als zehn Jahren kehrt Rona in ihre Heimat auf den entlegenen Orkneyinseln zurück. Während sie die einzigartige, raue Landschaft, in der sie aufgewachsen ist, wiederentdeckt, vermischen sich ihre Kindheitserinnerungen mit solchen aus der letzten, von Sucht geprägten Zeit. Ihr damaliger Aufbruch in die Stadt und die folgenden ausschweifenden Jahre in London mündeten in einem schmerzhaften Absturz. Doch nach und nach wird die Begegnung mit den verwunschenen, windgepeitschten Küsten der Inseln zu einer Chance auf ein neues Leben. Nora Fingscheidts Adaption von Amy Liptrots autobiografischem Bestseller blickt in erschütternden Rückblenden auf die Abwärtsspirale, die Rona in London durchlebt, und auf ihre Zeit in einem strengen Entzugsprogramm. Im Zentrum des Films steht jedoch ihre Befreiung von persönlichen Dämonen durch die Verbindung mit der Natur der Heimat ihrer Kindheit. „Gerade durch die Verweigerung einfacher Antworten und die konsequente Konzentration auf die Alltäglichkeit des Kampfes seiner Protagonistin entwickelt The Outrun eine stille, aber nachdrückliche Kraft. Besonders in den introspektiven Momenten gelingt es Saoirse Ronan, ihrer Figur eine beeindruckende Menschlichkeit zu verleihen. Die Hoffnung, die ihre Rona am Ende empfindet, mag klein sein – aber sie ist echt. Und genau darin liegt die Stärke dieses eindringlichen Porträts eines Heilungsprozesses.“ Arabella Wintermayr | taz
Credits:
GB/DE 2024, 117 Min., engl. OmU Regie: Nora Fingscheidt Kamera: Yunus Roy Imer Schnitt: Stephan Bechinger mit Saoirse Ronan, Paapa Essiedu, Stephen Dillane, Saskia Reeves, Nabil Elouahabi, Izuka Hoyle, Lauren Lyle
Anfang des letzten Jahrhunderts entstehen in Togo, des damaligen deutschen Übersee-Imperiums namens Togoland, Abenteuer‑, Dokumentar- und sogenannte Kulturfilme, die in Deutschland großen Erfolg haben und wesentlich zum Afrikabild hier beitragen. Im Ursprungsland aber hat niemand sie je zu Gesicht bekommen, oder von ihrer Existenz gewusst. Gedreht wurden sie von Hans Schomburgk, der als Großwildjäger, Tierfänger, Expeditionsleiter, Kartograf, Schriftsteller, Filmproduzent und Regisseur immer wieder nach Afrika reiste, und nach dem 2. Weltkrieg als Autor und mit Vorträgen sein Geld verdiente. Über 100 Jahre später begibt sich Regisseur Jürgen Ellinghaus mit einem mobilen Kino und anhand der Reiseberichte der Schauspielerin Meg Gehrts zu den Original-Drehorten. Was denken die Menschen dort über die Bilder ihrer Vorfahren? Zusammen mit den togolesischen Zuschauer:innen ergründet Ellinghaus den historischen Kontext der Filmbilder, die Realität und die Auswirkungen des Kolonialismus. Was zeigen die Filme, was verschweigen sie über „Togoland“, das seinerzeit als „Musterkolonie“ des Deutschen Reiches gepriesen wurde?
Credits:
DE 2023, 96 Min., div. OmU Regie: Jürgen Ellinghaus Kamera: Rémi Jennequin Schnitt: Nina Khada
Night Moving Company – was kann man sich darunter vorstellen? Jedes jahr werden in Japan ca. 80.000 Menschen als vermisst gemeldet. Viele tauchen wieder auf, aber Tausende bleiben verschwunden. Sie werden „Johatsu“ genannt, die „verdunsten, sich in Luft auflösen“. Ihre Gründe können eine gewalttätige Umgebung, Verwicklung in kriminelle Machenschaften oder Scham wegen vermeintlichem Versagen sein. Nicht wenige davon davon haben sicher die Dienste einer „Night Moving Company“ in Anspruch genommen, die bei der Flucht, der neuen Identität, dem neuen Ort, vielleicht auch beim Job hilft und moralische Unterstützung gibt. Saita ist die Chefin eines solchen – weitgehend legal agierenden – Unternehmens. Sie gibt Auskunft über ihre Aufgabe, und der Film geht den Schicksalen einiger ihrer Kund:innen nach. Eine Mutter wiederum lässt seit Jahren ihren verschwundenen Sohn suchen, und der beauftragte Detektiv berichtet auch von den Schwierigkeiten seiner Arbeit. „Die beiden Dokumentarfilmer, Andreas Hartmann und Arata Mori, kommen diesen Menschen durch behutsame Fragen und geduldige, aber intime Kameraarbeit (Andreas Hartmann) sehr nahe. Und durch diese Nähe erfährt der Zuschauer eben auch hautnah, welche Verletzungen Menschen davontragen, die sich den Prinzipien einer Gesellschaft unterwerfen, in der das Scheitern als unauslöschliche Schande begriffen wird. … Der Film stimmt nachdenklich, er wirkt beunruhigend. Die japanische Gesellschaft, die der Film zeigt, ist unseren europäischen Lebensmodellen mittlerweile zu nahegekommen, als dass man diesen kommerzialisierten Identitätsverlust als exotisch abtun könnte.“ Gabi Sikorski | programmkino.de
Credits:
DE/JP 2024, 86 Min., japan. OmU Regie: Andreas Hartmann, Arata Mori Kamera: Andreas Hartmann Schnitt: Kai Eiermann (BFS)
Pema, eine junge Frau aus der oberen Himlaya-Region Nepals, heiratet. Zu erst einmal Tashi, aber zugleich werden der Tradition nach seine beiden Brüder Kama und Dawa auch ihre Ehemänner. Nach den Flitterwochen muss Tashi auf eine längere Handelsreise, Karma kehrte zurück ins Kloster, nur der vorlaute Schuljunge Dawa bleibt an ihrer Seite, und wird zum Problem. Pema ist schwanger, und er streut das Gerücht, nicht Tashi, sondern der Schullehrer sei der Vater des Kindes. Als Tashi nicht mit den anderen Männern zurückkehrt, befürchtet Pema, er habe auch davon gehört und bliebe deshalb in den Bergen. Um ihn zu finden, begibt sie sich auf eine beschwerliche, aber gleichsam erkenntnisreiche Reise in überwältigender Landschaft. „Der Film lebt von seinen beeindruckenden, zum Teil sensationell prächtigen Aufnahmen. Bewundernswert ist auch, wie die Darsteller auch bei Eiseskälte die im Schnee spielenden Szenen meistern. Bham ist ein sehr sorgfältiger Beobachter und bedächtiger Erzähler. Die Gefühle der Figuren zeigen sich in kleinen Gesten; die Story entwickelt sich anhand alltäglicher Handlungen und Begebenheiten. Bham [verzichtet] auf jede dramatische Übersteigerung, was den Film aus dem von Hektik und Effekthascherei geprägten Strom filmischer Erzeugnisse herausragen lässt. Doch es lohnt sich, sich auf Shambhala und seine innere Geruhsamkeit einzulassen. Außerdem sollte man im Hinterkopf behalten, dass Rinpoche ein Titel ist, der vorwiegend an Menschen vergeben wird, die als Wiedergeburt eines früheren Meisters anerkannt werden. Erst dann versteht man nämlich, was Karma während der Reise zu Pema sagt: dass nämlich die Frage nach der biologischen Vaterschaft belanglos sei, weil sich das wahre Wunder des Lebens erst mit der Geburt offenbare. Das wird zum eigentlichen Schlüssel dieses wunderschönen Films, der weniger über weibliche Emanzipation als vielmehr von der Weisheit des (Zusammen-)Lebens erzählt.” Irene Genhart | Filmdienst.
Credits:
NP/FR/NO/HK/CN/TK/TW/US/QA 2024, 150 Min., Tibetisch, Nepali Originalfassung mit deutschen und englischen Untertiteln Regie: Min Bahadur Bham Kamera: Aziz Zhambakiyev Schnitt: Liao Ching Sung, Kiran Shrestha mit: Thinley Lhamo, Sonam Topden, Tenzin Dalha, Karma Wangyal Gurung, Karma Shakya, Loten Namling, Tsering Lhamo Gurung, Janga Bahadur Lama
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