Archiv der Kategorie: archiv

Certain Women

Ein Film von Kelly Reichardt.

[Pressezone]

In ihrem schö­nen neu­en Film ver­knüpft Kelly Reichardt (Old Joy, Wendy & Lucy, Meek’s Cutoff, Night Moves) lose drei Geschichten mit vier Frauen in Livingston, Montana, oder vier Autostunden davon entfernt:
Laura ist Anwältin, die einen ver­zwei­fel­ten Klienten davon über­zeu­gen will, dass eine Arbeitsrechtsklage erfolg­los sein wird. Gina und ihr Mann Ryan begin­nen mit­ten im Wald mit dem Bau eines eige­nen Hauses und möch­ten dafür dem alten Nachbarn die Natursteine abluch­sen, und haben eine schwer puber­tie­ren­de Tochter im Gepäck. Die jun­ge Pferdepflegerin Jamie ver­liebt sich in Beth, die ihr Jurastudium gera­de abge­schlos­sen hat und als ers­ten Job Abendschulunterricht auf dem Land gibt.
Der Film, basie­rend auf Kurzgeschichten der Schriftstellerin Maile Meloy, ver­wei­gert sich der Zuschreibung von übli­chen Frauen-Filmfigur-Klischees (von der„starken Frau“ bis zum „Opfer“). Er gewinnt dadurch rea­lis­ti­sche, nach­voll­zieh­ba­re Charaktere, die sich mit all­täg­li­chen Problemen her­um­schla­gen – Anerkennung als Kompetenz, Verständnis ohne Gönnerhaftigkeit, Einsamkeit und (herz­ze­rei­ßen­de) Sehnsucht. Mit aller Ruhe und beson­de­rer Aufmerksamkeit fürs Subtile und für Zwischentöne ermög­licht Certain Women ein wun­der­bar ange­neh­mes, gelas­se­nes Schauen, das es natür­lich in sich hat: gera­de das schein­bar Nebensächliche, die all­täg­li­chen Kleinigkeiten prä­gen hier Beziehungen und Verhältnisse, nicht gro­ße Ereignisse.

»Die wun­der­ba­re Laura Dern, die sub­ti­le Michelle Williams, die stil­le Kristen Stewart und die viel­leicht berüh­rends­te unter ihnen, die eigen­sin­ni­ge Lily Gladstone, machen Certain Women zu einem herausragendenKinoereignis. … Erneut erweist sich Reichardt als Meisterin, Inhalte über Bilder zu trans­por­tie­ren, die ohne red­un­dan­te Dialoge, ohne umständ­li­che Erklärungen aus­kom­men, und aus einer puren visu­el­len Kraft geschöpft sind.« Viennale

USA 2016, 105 Min., engl. OmU
Regie, Buch, Schnitt: Kelly Reichardt
Kamera: Christopher Blauvelt
mit Laura Dern, Michelle Williams, Kristen Stewart, Lily Gladstone, James LeGros u.a.

frei­ge­ge­ben ohne Altersbeschränkung (pdf)

Kritiken:

Trailer „Certain Women” OmU from Peripher Filmverleih on Vimeo.

Dahlienfeuer

Ein Film von Stefan Hayn. Am 4.2. und 5.2. im fsk. Am 4.2. mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch.

Ein son­ni­ger Herbsttag in Berlin. Im Süden Neuköllns ver­sam­meln sich die Besucher*innen des Dahlienfeuers, einer jähr­li­chen Gartenausstellung im Britzer Garten. Sie bewun­dern die bun­te Blütenpracht, machen einen Familienausflug und suchen nach Ruhe, schö­nen Stunden oder dem nächs­ten Motiv für ihre Fotosammlung. Zwischen ihnen bewegt sich der Filmemacher. Sein Interesse gilt weni­ger den Pflanzen, mögen sie auch noch so anspre­chend in 4:3 kadriert sein. Vielmehr rich­tet er den Blick auf den Menschen und das, was ihn umtreibt.  Mit höf­li­chen, fast naiv anmu­ten­den Fragen nähert sich Hayn einem Lebensgefühl an, einem Moment, das an die­sem Tag, an die­sem Ort, in und an der Luft liegt. Ein klei­ner Ausschnitt, der einen gro­ßen Einblick erlaubt – in die Köpfe der Protagonist*innen, die Lage einer Nation und die Fotokalender für das nächs­te Weihnachtsfest. Denn immer wie­der geht es auch um den Akt es Aufnehmens, des Einfangens – und vor allem um die Frage, wel­che Beobachtungen für uns Bedeutung erlangen.

D 2016, 67 Min.,
Regie: Stefan Hayn
Kamera: Bernadette Paaßen

Dahlienfeuer

Elle

Ein Film von Paul Verhoeven.

Ursprünglich woll­te Paul Verhoeven sei­ne Adaption von Philippe Dijans Roman „Oh…“ in Amerika ansie­deln, doch kei­ne bekann­te ame­ri­ka­ni­sche Schauspielerin wag­te sich an die Rolle. Zum Glück muss man sagen, denn nach den 130 spek­ta­ku­lä­ren, bril­lan­ten Minuten von „Elle“, mag Weiterlesen

Liebmann

Ein Film von Jules Herrmann. Ab 26.1. im fsk. Am 31.1. mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch mit Jules Herrmann.

Der Lehrer Antek Liebmann („Liebmann“ = „amour” und „hom­me”, erklärt er ein­mal)  lässt sein Leben in Deutschland hin­ter sich und mie­tet sich im som­mer­li­chen Nordfrankreich ein. Als er von sei­nem Vermieter erfährt, dass in den umlie­gen­den Wäldern ein Mörder sein Weiterlesen

The Salesman

Ein Film von Asghar Farhadi.

Als The Salesman – Forushande letz­tes Jahr im Iran ins Kino kam, brach er, für einen Autorenfilm eher unge­wöhn­lich, sämt­li­che Zuschauerrekorde. Sogar noch um 2Uhr nachts stan­den die Leute in Teheran an den Kinokassen an, erzählt man sich. Grund dafür mag die Popularität der bei­den Hauptdarsteller sein, die gera­de in einer erfolg­rei­chen Serie zu sehen sind und auch schon mehr­mals mit Farhadi gear­bei­tet haben – viel­leicht erin­nert sich auch hier noch jemand an sei­nen Film Elly, wo sie die Titelheldin gab. Möglicherweise aber traf auch das Thema des Films einen Nerv, behan­delt er doch kom­ple­xe Konstrukte wie Ehre, Männlichkeit und Gerechtigkeit. Emad und Rana sind ein jun­ges Paar aus Teheran, die eine gleich­be­rech­tig­te Ehe füh­ren und kul­tu­rell enga­giert sind, so pro­ben sie zur Zeit pro­ben sie mit Freunden in Theater Arthur Millers Tod eines Handlungsreisenden. Nach einem Erdbeben müs­sen sie eine neue Wohnung bezie­hen. Ihre dor­ti­ge Vormieterin hat­te, so die Nachbarn, häu­fi­gen Männerbesuch und führ­te wohl ein unmo­ra­li­sches Leben. Im Zuge einer Verwechslung kommt es dann auch zu einem Übergriff in ihrem eige­nen Bad. Emads fol­gen­de Reaktion dar­auf ver­än­dert die Beziehung des Paares nach­hal­tig, auch da er Ranas Bedürfnisse und Wünsche übergeht.
„Diese Gewalt, die schein­bar gerecht­fer­tigt ist, hat mich inter­es­siert. Wenn der Handelnde  über­zeugt ist, er habe gute Gründe Gewalt aus­zu­üben, obwohl er ein kul­ti­vier­ter, tole­ran­ter und hilfs­be­rei­ter Mann ist. Was bringt ihn dazu? Diesen Prozess woll­te ich zei­gen, ohne ein Urteil zu fäl­len. Das über­las­se ich dem Zuschauer. “ Asghar Farhadi
„Mit enor­mer Eleganz ent­wi­ckelt sich die­ses cle­ver kon­stru­ier­te Drama, das durch plau­si­ble Figuren sowie exzel­len­te Darsteller über­zeugt – und dabei span­nend wie ein Thriller aus­fällt.“ programmkino.de

wei­te­re Filme von Asghar Farhadi: „Nader und Simin“, „Le Passé”, Elly …”)

OT: Forushande
F/Iran, 2016, 125 Min., far­si OmU

Regie & Buch: Asghar Farhadi
Kamera: Hossein Jafarian
Schnitt: Hayedeh Safiyari

Darsteller:
Shahab Hosseini
Taraneh Alidoosti
Babak Karimi
Farid Sajjadihosseini
Mina Sadati
Maral Bani Adam

THE SALESMAN – Trailer OV/d

Havarie

Ein Film von Philip Scheffner, ab 26.1. im fsk, am 27.1. mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch mit Philip Scheffner.

93 Minuten lang bleibt die Leinwand blau. Eine ein­zi­ge, unge­schnit­te­ne Einstellung zeigt ein Bild, das sich nur ver­lang­samt bewegt: ein Boot als klei­nes und dunk­les, figür­li­ches Stillleben im azur­blau­en Meer. Die Bewegung der Kamera ist abge­hackt, das Bild springt, denn das Handyvideo, das Regisseur Phillip Scheffner (REVISION, DER TAG DES SPATZEN) auf YouTube fand und hier auf andert­halb Stunden gestreckt hat, ist im Original ledig­lich drei­ein­halb Minuten lang und wur­de von Terry Diamond auf dem Kreuzfahrtschiff „Adventure of the Seas” im Mittelmeer auf­ge­nom­men. Das erfah­ren wir aller­dings wie vie­les ande­re erst im Abspann. Klar sind ledig­lich die Koordinaten: 37°28.6’N und 0°3.8’E. Dort befin­det sich das Boot, ein Flüchtlingsboot mit 13 Insassen. Dazu hören wir auf der Ton-Ebene mehr als 20 Stimmen, die wir im Gegensatz zum Boot nicht ver­or­ten kön­nen, und die sich zu einem Mosaik der Informationen, Fährten, Mutmaßungen und Geschichten ver­dich­ten. Diese Puzzlestücke fügen sich aller­dings zu kei­nem kla­ren Ganzen zusam­men und sol­len es auch nicht. HAVARIE ist eine expe­ri­men­tel­le Auseinandersetzung mit mas­sen­me­dia­ler Bildpolitik und den dar­aus resul­tie­ren­den Blickwinkeln auf trans­at­lan­ti­sche Fluchtbewegungen. Doch das wäre nur eine von vie­len Lesarten. Ein Film, der Fragen auf­wirft und sein Publikum war­ten lässt, und genau dadurch eine phy­si­sche Erfahrbarkeit pro­du­ziert, die das Filmische und das Dokumentarische tran­szen­diert. Man kann die­sen Film posi­tiv als Zumutung beschrei­ben, denn Scheffner mutet sei­nem Publikum zu, für andert­halb Stunden das Warten, die Orientierungslosigkeit und die Spannung aus­zu­hal­ten, wodurch HAVARIE äußerst schlau die Situation der Boatpeople in den Kinosaal zu spie­geln weiß. Ein klei­nes, offe­nes Meisterwerk als Beitrag zu einer immer uner­träg­li­che­ren Debatte um Menschenleben.

Toby Ashraf | indiekino.de

D 2016, 93 Min., arab., engl., frz, russ. OmU 
Regie: Philip Scheffner
Buch: Merle Kröger, Philip Scheffner
Kamera: Terry Diamond, Bernd Meiners
Mit: Rhim Ibrir, Abdallah Benhamou, Leonid Savin, Terry Diamond

 

Personal Shopper

Ein Film von Oliver Assayas.

Wer kennt Hilma af Klint (1862−1944)? Nach dem Film wis­sen die Zuschauer mehr von der Pionierin der abs­trak­ten Kunst – Jahre vor Kandinsky, Mondrian und Malewitsch. Sie fühl­te sich als Medium und war über­zeugt, dass ihre Werke durch Eingebungen aus dem Jenseits kamen.

Auch Maureen begreift sich als Medium, das mit Toten in Kontakt tre­ten kann. In ihrer Auseinandersetzung mit die­ser Gabe stösst die Amerikanerin im Film auf die Künstlerin und ihre Bilder, eben­so wie auf Aufzeichnungen von Victor Hugo und sei­nen Seancen.

Maureen ist per­sön­li­che Einkäuferin für Stars und Sternchen. Momentan arbei­tet sie für ein lau­ni­sches Model namens Kyra und ist für sie in den schicks­ten und ange­sag­ten Designer- und Haute Couture-Läden in Paris unter­wegs. In die­ser Stadt ist ihr Zwillingsbruders Lewis kürz­lich gestor­ben, hier erwar­tet sie ein Zeichen von ihm. Während einer beruf­li­chen Einkaufstour nach London bekommt sie im Euro-Star plötz­lich geheim­nis­vol­le Nachrichten von einer unbe­kann­ten Nummer. Ist es ihr Bruder, der aus dem Jenseits Kontakt zu ihr auf­nimmt? Oder nur der sehr leben­di­ge Geliebte ihrer Chefin, der es auf sie abge­se­hen hat?

Der ganz auf sei­ne Hauptdarstellerin zuge­schnit­te­ne Film ist nach „Die Wolken von Sils Maria” die zwei­te Zusammenarbeit von Olivier Assayas (Irma Vap, Carlos, Ende August – Anfang September, Die wil­de Zeit …) mit Kristen Stewart.

»Assayas legt das Geisterhafte unse­res post­mo­der­nen Medienalltags offen. Und schließ­lich lebt auch sei­ne Protagonistin selbst ein gespens­ti­sches Leben: Als ewi­ge Doppelgängerin ihrer nur flüch­tig auf­tre­ten­den Chefin fris­tet sie ein beklem­men­des Schattendasein. All die­se Facetten erge­ben ein auf inter­es­san­te Art ver­wir­ren­des Stück Gegenwartskino, das mit sei­ner Auflösung der Grenzen zwi­schen poe­ti­schem Realismus und Genreelementen den Finger am Puls der Zeit hat.«

Tim Lindemann | epd-Film 1–17

 Frankreich 2016, 105 Min., engl. OmU
Regie: Olivier Assayas
Drehbuch: Olivier Assayas
Kamera: Yorick Le Saux
Schnitt: Marion Monnier
Darsteller: Nora von Waldstätten, Kristen Stewart, Anders Danielsen Lie, Lars

 

Diamond Island

Ein Film von Davy Chou.

[Im Indiekino Club]

In Kambodschas Hauptstadt Phnom Pheng hält der Luxus Einzug, so auch in Form eines rie­si­gen Neubauprojektes, viel­ver­spre­chend und illus­trie­rend „Diamond Island“ genannt. Bis es ein­mal fer­tig ist, müs­sen aller­dings vie­le, die sich eine der Wohnungen dort nie­mals wer­den leis­ten kön­nen, schlecht­be­zahlt und unter mise­ra­blen Umständen das Schmuckstück bau­en. Bora, der jun­ge Mann vom Land, ist einer von ihnen. Er und auch sei­ne neu­en Freunde auf der Baustelle fin­den es auf­re­gend, in der Großstadt zu sein, träu­men von Mopeds, mit denen sie die Mädchen beein­dru­cken und umher­fah­ren könn­ten, und fan­ta­sie­ren von bes­se­ren Jobs im Ausland. So auch Boras Bruder, der die Heimat Richtung Phnom Pheng vor Jahren ver­ließ, den Aufstieg aber geschafft zu haben scheint. Und mit sei­ner Hilfe kommt Bora auch auf die ande­re, rei­che Seite der Stadt.
Wer jetzt eine hoch­dra­ma­ti­sche oder tiefst mora­li­sche Entwicklung der Geschichte erwar­tet, wird ent­täuscht wer­den. David Chou, des­sen Debut ein Dokumentarfilm über die zer­schla­ge­ne, einst präch­ti­ge Filmlandschaft sei­nes Heimatlandes war (Golden Slumbers, Berlinale 2012), liegt es eher, genaus­tens auf die klei­nen Dramen im Alltag sei­ner jugend­li­chen Helden zu schauen.
»Wesentlicher Mitakteur ist dabei die Örtlichkeit selbst, deren schar­fe Kontraste Kamera und Farbgestaltung wir­kungs­voll ins Licht set­zen: archi­tek­to­ni­sche Brutalität unter sen­gen­der Sonne. Sanfte nächt­li­che Intimität. Ein Ballett von Motorrädern im licht­durch­flirr­ten Raum der Verheißung, der manch­mal durch einen Song zum Tableau still­ge­stellt wird. So lernt man unter ande­rem die kam­bo­dscha­ni­sche Version des 60er-Jahre-Songs Quando, quan­do, quan­do ken­nen.« Silvia Hallensleben, epd-Film 1 | 2017


Frankreich, Kambodscha, Deutschland, Katar, Thailand 2016, 99 Min., khmer OmU

Regie: Davy Chou
Drehbuch: Davy Chou, Claire Maugendre
Kamera: Thomas Favel
Schnitt: Laurent Leveneur
mit: Nuon Sobon, Nov Cheanick, Chhem Madeza, Korn Mean, Nut Samnang, Khim Samnang


Davy Chou: Diamond Island (2016) from Rapid Eye Movies on Vimeo.

Wild Plants

Ein Film von Nicolas Humbert.

Wild Plants, Wildpflanzen, wach­sen ganz ohne mensch­li­ches Zutun, sogar in schein­bar unwirt­li­cher Umgebung. Im neu­en Film von Nicolas Humbert geht es aber nicht nur um Pflanzen, mit „Wild Plants“ sind auch die wider­stän­di­gen Protagonistinnen und Portagonisten des Films gemeint: z.B. Maurice Maggi, der nachts in Zürich auf den Grünflächen am Straßenrand Pfanzensamen streut. Oder Kinga Osz und Andrew Kemp, die sich als Urban Gardener in der insol­ven­ten US-Metropole Detroit selbst ver­sor­gen. Oder das Gartenkollektiv „Les Jardins de Cogagne“, das am Rand von Genf neue Formen des Gartenbaus und Wirtschaftens erprobt.

In „Wild Plants“ wer­den Alltagsbeobachtungen und Gespräche auf eine ganz eige­ne poe­ti­sche Weise mit­ein­an­der ver­bun­den – und wie bei den vor­an­ge­gan­ge­nen Filmen von Nicolas Humbert spielt auch beim neu­en die Musik wie­der eine wich­ti­ge Rolle.
„Wovon erzäh­len in die­ser Zeit mit all ihren Zerstörungsszenarien, wenn nicht von Lebensmöglichkeiten? Vom Gestaltungsraum, der uns offen steht. Das war immer der Ausgangspunkt mei­nes Interesses am Filmemachen. In ‚Step Across the Border’ war es die Musik und in ‚Middle of the Moment’ das noma­di­sche Leben, in dem sich Lebensentwürfe kris­tal­li­sier­ten. Jetzt ist mit ‚Wild Plants’ ein Film ent­stan­den, der von Menschen und ihrer beson­de­ren Verbindung zu Pflanzen erzählt. … Überall ist Leben mög­lich. Das zeigt sich in allen Menschen, denen ich begeg­net bin und die im Film auf­tau­chen. Die poe­ti­sche Kraft, die sich in ihren Leben offen­bart, fin­det ihre Entsprechung in der fil­mi­schen Form. Das war für mich die Herausforderung als Filmemacher. Film als eine Erfahrungsmöglichkeit.“ Nicolas Humbert

D/CH 2016, OmU, 108 Min.
Regie: Nicolas Humbert
Kamera: Marion Neumann
Schnitt: Simone Fürbringer

Hell or High Water

Ein Film von David Mackenzie.

Toby und Tanner, zwei ungleich tem­pe­ra­ment­vol­le Brüder und tem­po­rä­re Bankräuber, sowie Marc und Alberto, zwei sehr ver­schie­de­ne Texas-Ranger, die ihre Verfolgung auf­neh­men, stel­len das Personal die­ses in einer hoff­nungs­los her­un­ter­ge­wirt­schaf­te­ten Gegend West-Texas‘ ange­sie­del­ten Neo-Westerns. Er spielt heu­te, und so spie­len auch die Banken ihre unrühm­li­che Rolle. „Deine Vorfahren haben mei­ne Vorfahren von ihrem Land ver­trie­ben, und jetzt wer­det ihr von euren Banken ver­trie­ben“ sagt der Texas-Ranger india­ni­scher Abstammung zu sei­nem kurz vor der Rente ste­hen­den Kollegen, wäh­rend er mit stoi­scher Ruhe des­sen ras­sis­ti­sche Witzeleien hin­nimmt. „Lange genug, um zu sehen, wie die Bank aus­ge­raubt wird, die mich seit 30 Jahren aus­raubt.“ ant­wor­tet ein Rancher dem Texas Ranger auf die Frage, wie lan­ge er schon im Diner gegen­über der Bank sitzt.
„Ab Freitag kön­nen sie zwangs­voll­stre­cken, also tilgt bis dahin die Hypothek, kom­me was wol­le (hell or high water)“ rät der Anwalt den Brüdern, und sie holen sich dafür, was ihnen ihrer Meinung nach zusteht. Bei klei­nen Filialen geht das noch gut, die Digitalisierung und Personaleinsparung sor­gen jedoch für die Schließung von unren­ta­blen Standorten. Die nächs­te Filiale aber ist wesent­lich grö­ßer und gefähr­li­cher, trägt doch hier fast jeder eine Waffe.
Der erfolg­reichs­te Independent-Film in den USA 2016 ist weni­ger bru­tal, als es der Trailer ver­mu­ten lässt, son­dern eher ein melan­cho­li­scher Abgesang. Die gro­ße Freiheit war­tet hier auf nie­man­den mehr.

»Hell or High Water ist eine Kinoentdeckung, in Cannes wie nun auch in den US-Kinos. Die Akteure, die Schauplätze, gedreht wur­de vor­wie­gend in New Mexico, und die Musik machen die­se moder­ne Texas-Ballade zu einem bild­star­ken Meisterwerk.« Rolf Breiner | cineman
»Mühelos schleust Taylor Sheridans Drehbuch, das den jewei­li­gen schau­spie­le­ri­schen Stärken der Hauptdarsteller gekonnt in die Hände arbei­tet, bewähr­te Motive klas­si­scher Western in eine Geschichte aus der wirt­schafts­po­li­ti­schen Gegenwart ein und beweist damit ein­mal mehr die beein­dru­cken­de Anpassungsfähigkeit die­ses urame­ri­ka­ni­schen Genres.« Alexandra Seitz, epd-Film

 

USA 2016, 102 Min., engl. OmU
Regie: David Mackenzie
Drehbuch: Taylor Sheridan
Musik: Nick Cave, Warren Ellis
Darsteller: Chris Pine, Ben Foster, Jeff Bridges, Gil Birmingham

HELL OR HIGH WATER Trailer