Archiv des Autors: fsk

Untitled

Ein Film von Michael Glawogger und Monika Willi.

Am 3. Dezember 2013 brach Michael Glawogger gemein­sam mit Kameramann Attila Boa und Tonmann Manuel Siebert auf, um Untitled‚ zu dre­hen, einen Dokumentarfilm, der Glawoggers bis­her radi­kals­tem Konzept folg­te. Geplant war eine Reise um die Welt, die ein Jahr dau­ern und durch nichts unter­bro­chen wer­den soll­te. Der Film, der dar­aus ent­stand, ver­moch­te die Welt so zu zei­gen, wie sie dem klei­nen Filmteam in die­ser zufäl­li­gen, maxi­mal offe­nen Versuchsanordnung ent­ge­gen­tre­ten wür­de. Natürlich gab es eine unge­fäh­re Reiseroute, und es gab eini­ge vor­her fest­ge­leg­te Drehorte. Aber dane­ben und dar­über­hin­aus gab es kein Thema, kei­ne Handlung, kei­nen „roten Faden“. Glawogger woll­te die Welt ein­fan­gen, wie sie war, ohne Erwartung, ohne fil­tern­de Brille. Einen „Film ohne Namen“ wünsch­te er sich, die Möglichkeit ein Jahr lang umher­zu­fah­ren und ohne ein vor­ge­ge­be­nes Thema oder Sujet zu dre­hen, war für ihn die Glücksform des Filmemachens. Nachdem der Regisseur wäh­rend der Reise an Malaria ver­starb, hat sei­ne lang­jäh­ri­ge Mitarbeiterin Monika Willi den Film mon­tiert, der aus dem ver­blie­be­nen Material so asso­zia­ti­ve wie ein­dring­li­che Bögen schlägt, beglei­tet von hin­ter­las­se­nen Tagebucheinträgen. Ein Testament der Welt und eines ganz eige­nen Blicks dar­auf, von Körpern in Arbeit und Spiel, in Anstrengung und Glück, von Momenten von Freiheit und ihren Bedingtheiten.

So, dach­te ich, kann ein Film sein. Eine Bewegung, die nur sel­ten unter­bro­chen wird – und wenn, dann von einem mar­kan­ten Ereignis. Nicht war­ten, son­dern immer wei­ter­fah­ren. Denn nur in der größt­mög­li­chen Bewegung kom­men die Geschichten auf einen zu. Nur wenn das Leben von selbst anhält, muss man auch inne­hal­ten und solan­ge ver­har­ren, bis man erlebt hat, was es zu erle­ben gibt, und gefilmt hat, was es zu fil­men gilt.“ Michael Glawogger

Die ers­ten Quicktime-Movies, die ich ihm schick­te, ver­dien­ten es weder Rohschnitt noch Sequenz genannt zu wer­den. Ich nann­te sie Flächen. Das gefiel uns, und so gestal­te­te ich Flächen, bis sie uns wie­der lang­wei­lig wur­den. Aber auf die­se Weise schritt die Stilfindung vor­an, nicht nur im Schneideraum, son­dern auch drau­ßen, beim Dreh. Alles war ja neu, das Konzept bot kei­nen Halt, dage­gen viel Raum für Zweifel.“ Monika Willi

Österreich / Deutschland 2017, engl. dt. OmU, 107 Min .
Regie: Michael Glawogger, Monika Willi
Kamera: Attila Boa
Schnitt: Monika Willi

UNTITLED – Offizieller Trailer

Casting

Ein Film von Nicolas Wackerbarth.

Weil Fassbinder bald 75 gewor­den wäre, wäre er nicht schon mit 37 Jahren gestor­ben, soll einer sei­ner Filme neu ver­filmt wer­den, für’s Öffentlich-Rechtliche, Bildungsauftrag sozu­sa­gen. Bekommen hat den Regie-Job die 47-jäh­ri­ge Vera, es ist erst ihr drit­ter Film und sie will sich des­halb ganz sicher sein mit dem, was sie da tut. Zum zen­tra­len Problem vor dem eigent­li­chen Dreh gestal­tet sich aller­dings die Frage, wer die weib­li­che Hauptrolle spie­len soll. Keine der Schauspielerinnen passt Vera, jede Vorsprech-Situation wird viel­mehr zum Machtkampf, indem mal die Schauspielerin, mal die Regisseurin unter­liegt. Je mehr Vorsprech-Situationen, des­to bes­ser wie­der­um für Gerwin, den männ­li­chen Anspielpartner (gespielt vom Andreas Lust), der zwar den Schauspielberuf an den Nagel gehan­gen hat, momen­tan aber drin­gend Geld braucht und des­halb froh ist, wenn noch ein paar bezahl­te Stunden dazu kom­men. Je län­ger das Casting dau­ert, des­to ange­spann­ter wird aller­dings die Grundstimmung. – Dabei zuzu­schau­en macht vor allem des­halb Spaß, weil jede/r den Wechsel zwi­schen einer Szene aus dem Fassbinder-Film nach­spie­len und „sich selbst“ spie­len so vir­tu­os spielt, dass man hofft, Vera möge sich noch lan­ge nicht ent­schei­den können.

Gut 80 Stunden Produktionsmaterial waren letz­ten Endes in den 21 Drehtagen im rea­len SWR-Studio zusam­men­ge­kom­men, erklär­te Wackerbarth im anschlie­ßen­den Q & A im Delphi-Filmpalast. Verdichtet auf 91 sehr kurz­wei­li­ge Filmminuten gehö­ren sie zwei­fels­oh­ne zum Besten, was die­ser Berlinale-Jahrgang bis­her zu bie­ten hat­te. Oder um es noch ein­mal in den Worten Veras zu sagen – ohne Ironie, ver­steht sich: ‚Das ist aber super! Das gefällt mir sehr, sehr gut, muss ich sagen.‘“ Simon Hauck | kino-zeit.de 

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D 2017, 91 Min. 
Regie: Nicolas Wackerbarth 
Kamera: Jürgen Carle 
Schnitt: Saskia Metten 
Mit: Andreas Lust, Judith Engel, Ursina Lardi, Corinna Kirchhoff, Andrea Sawatzki, Milena Dreissig, Nicole Marischka, Stephan Grossmann, Marie-Lou Sellem

Termine:

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Casting (Offizieller Trailer)

Die Welt sehen

Ein Film von Muriel und Delphine Coulin.

[Pressezone]

Zwei jun­ge Soldatinnen, Aurore und Marine, kom­men von ihrem Einsatz aus Afghanistan zurück. Mit ihrer Truppe ver­brin­gen sie drei Tage in einem Fünf-Sterne-Hotel auf Zypern. Hier, inmit­ten von Touristen, sol­len sie ler­nen, das Erlebte hin­ter sich zu las­sen. Im Militärjargon: »Dekompression«. Doch so leicht ist es nicht, den Krieg zu vergessen.

»Was sieht man im Krieg? Gar nichts. Erstens, weil im Camp über lan­ge Strecken kei­ne Kampfhandlungen statt­fin­den. Zweitens, weil man während des Kampfes überhaupt nichts sieht – man kämpft um sein Leben. Und schließ­lich, weil jeder aus sei­ner eige­nen Perspektive sieht, was geschieht, also nur eine par­ti­el­le Sicht der Realität. Während der »Dekompression« neh­men Aurore und Marine an Einsatznachbesprechungen teil, nach denen sie anders darüber den­ken wer­den, was sie gese­hen haben. Die Psycholog*innen ver­wen­den Virtual-Reality-Videotechnologie, die die Erlebnisse der Soldat*innen in Echtzeit bebil­dert. Das Ziel ist, dass sie sich durch Worte und Bilder von ihren schmerz­haf­ten Erinnerungen distan­zie­ren können. (…) Es ist unmöglich – und viel­leicht auch nicht wünschenswert – den Krieg zu ver­ges­sen, die­se Kriege, an denen wir direkt oder aus der Distanz betei­ligt waren. Wir wer­den täglich dar­an erin­nert. In Voir du pays geht es um die­se Frage: Wie kann man überhaupt sein Leben bewältigen, wenn man sol­che Gewalt erlebt hat?«
Delphine und Muriel Coulin

Gewinner des Spielfilmpreises des
Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund Köln 2017

Kritiken: Tagesspiegel - FAZ- tazBR

Voir du pays
Frankreich 2016, 102 Min., frz. OmU
Kamera: Jean-Louis Vialard, Benoît Dervaux
Schnitt: Laurence Briaud
Darsteller*innen:
Soko, Ariane Labed, Ginger Romàn, Karim Leklou, Andreas
Konstantinou
frei­ge­ge­ben ab 12 Jahren (FSK Prüfkarte)

Termine:

 

Trailer „Die Welt sehen” OmU from Peripher Filmverleih on Vimeo.

Verleih mit Unterstützung des:

 

 

The Square

Ein Film von Ruben Östlund.

Vielfach als Gesellschaftssatire gelobt, ist der Gewinnerfilm der Goldenen Palme in Cannes doch weit mehr als nur böse, komisch und absurd. Er mutet auch uns Zuschauenden Fragen nach Eigenverantwortung, Moral und Integrität zu.

Der Museums-Chefkurator Christian ist smart, erfolg­reich und bemüht, alles rich­tig zu machen: ver­läß­lich sein, ver­ant­wor­tungs­voll han­deln, empa­thisch auf sei­ne Umgebung zu reagie­ren. Er liebt sei­ne Arbeit und die Auseinandersetzung mit der Kunst. Jetzt aber lau­ern Hindernisse und Fallstricke auf sei­nem Weg: eine neue Ausstellung im Stockholmer Museum für zeit­ge­nös­si­sche Kunst ist zu bewer­ben, lei­der ist die Künstlerin zu unbe­kannt und ihr Werk wenig pro­vo­ka­tiv. Ein beson­de­res Gala-Diner zu Ehren der Sponsoren des Kunsttempels for­dert ihn her­aus. Die Journalistin Anne, mit der er eine Nacht ver­brach­te, stellt sein Verhältnis zu Frauen auf den Prüfstand, und auch sei­ne zwei Töchter bean­spru­chen ihn. Bei einem per­for­mance-arti­gen Straßenraub ver­liert er Smartphone und Portemonnaie, doch mit Hilfe der Kollegen kann die Beute mit­tels moder­ner Technik geor­tet wer­den. Die danach getrof­fe­nen Maßnahmen kata­pul­tie­ren ihn aller­dings aus sei­ner Komfortzone, und auch das Promotionsvideo für die Ausstellung und die Performance beim Festessen ent­wi­ckeln sich desaströs.

In Ruben Östlunds Filmen geht es meist um eine gro­ße Verunsicherung – er schickt sei­ne Protagonisten in unan­ge­neh­me und kon­flikt­rei­che Situationen, aus denen sie dann nur mit viel Mühe wie­der her­aus­fin­den. Das war bei Play – Nur ein Spiel und bei Höhere Gewalt so und ist es auch hier (ein „Gesamtwerk, das die libe­ra­le Gesellschaft mit sich selbst kon­fron­tiert” – Cargo #35). Schön ist das für die Figuren nicht, aber immer­hin sind es unge­fäh­re Alter Egos des Regisseurs, er weiß um ihre Lage und fühlt mit ihnen. Bei The Square hat er die Schrauben aller­dings noch ein wenig ange­zo­gen, und Christian rutscht Stück für Stück tie­fer in sei­nen Schlamassel hin­ein, was sehr erkennt­nis­reich und dabei wahl­wei­se ver­gnüg­lich, pein­lich oder schmerz­haft ist. Eines ist es aber, trotz ande­rer Verlautbarungen und Rezensionen, mit­nich­ten: eine Abrechnung mit moder­ner Kunst oder Political Correctness.

Ach ja, der Titel: der im Film als Teil der neu­en Ausstellung vor­kom­men­de „Square” ist eine Installation von Östlund und sei­nem Produzenten Kalle Bomann von 2014, die inzwi­schen in zwei Schwedischen und Norwegischen Städten zu erle­ben ist, ein Platz, wo man sich an die eige­ne Verantwortung für die Gesellschaft erin­nern und sicher füh­len soll.


 
Credits:
 

Schweden 2017, schw. OmU, 142 Min.
Regie & Buch: Ruben Östlund
Darsteller: Claes Bang, Elisabeth Moss, Dominic West, Terry Notary, Christopher Laesso, Jan Lindwall
 
Termine:


 

Streetscapes

Eine Filmserie von Heinz Emigholz. Vom 14. – 29.10. im fsk.

Verleihwebseite

Aus vier Kapiteln besteht die Serie STREETSCAPES, jedes Kapitel ist zugleich ein eigen­stän­di­ger Film, die vier Filme hän­gen aber auf unter­schied­lichs­te Weise mit­ein­an­der zusam­men und erklä­ren sich gegenseitig.

Die Dreharbeiten für die­se Serie hat Heinz Emigholz 2013 in Tiflis, Georgien, begon­nen, in einem Aufnahmestudio, in das sich die Musiker von Kreidler ein­ge­mie­tet hat­ten, um die neue CD mit dem Titel ABC auf­zu­neh­men (Kapitel I: 2+2=22 [THE ALPHABET]).

Das zwei­te Kapitel beschäf­tigt sich mit der Architektur des Kibbutz-Baumeisters Samuel Bickels (BICKELS [Socialism]).

Im drit­ten Kapitel mit dem Titel des Gesamtzyklus (STREETSCAPES [Dialogue]) wird Bezug genom­men auf die ande­ren Kapitel: in einem Gespräch zwi­schen einem Psychoanalytiker und einem Filmemacher, der von sei­nen Blockaden erzählt, wird schließ­lich auch das Filmemachen ana­ly­siert, es geht dar­um, was der Filmemacher über­haupt sinn­voll fin­det am Filmemachen und was nicht und mit wel­chen Projekten er sich aktu­ell beschäf­tigt: mit den ande­ren Kapiteln aus der Serie.

29 Bauwerke des uru­gua­ya­ni­schen Architekten und Schalenbaumeisters Eladio Dieste und – als Prolog – drei Bauwerke von Julio Vilamajó im Montevideo wer­den im vier­ten Kapitel mit dem Titel DIESTE [Uruguay] genau betrachtet.

Ich mache das Framing, und wäh­rend ich das Bild ein­rich­te, küm­mert sich Till Beckmann um die Technik, damit ein durch­ge­zeich­ne­tes Bild dabei her­aus­kommt. Das Framing ist für mich ein foto­gra­fi­scher Akt: den Ausschnitt fest­zu­le­gen im Wissen, was man noch fil­men wird oder schon gefilmt hat. Das ist eine kine­ma­to­gra­fi­sche Entscheidung, aber gleich­zei­tig den­ke ich, dass jedes ein­zel­ne Bild so kon­zen­triert kom­po­niert sein muss, dass es für sich selbst ste­hen kann. Also nicht nur ein Füllbild oder Schnittbild sein, oder wie man das so nennt beim Filmemachen. Das ist eine kom­po­si­to­ri­sche Anstrengung, die auch in der Fotografie zu fin­den ist. Hier kommt aller­dings das Element Zeit hin­zu. Die Dauer und der Schnitt, der ja immer ein Science-Fiction-haf­ter Eingriff ist in die Zeitkonstruktion.“ Heinz Emigholz

D 2013 – 2017, 407 Min.,
Buch, Regie: Heinz Emigholz
Kamera, Schnitt: Heinz Emigholz, Till Beckmann

Wir freu­en uns, dass Heinz Emigholz zwei­mal im fsk zu Gast sein wird:
Am 15.10. fin­det nach der Vorführung von STREETSCAPES [Dialogue] (Filmstart: 14:30) ein Gespräch zwi­schen Heinz Emigholz und dem Architekten Arno Brandlhuber statt;

am 22.10. wird es nach BICKELS [Socialism] (Filmstart: 15:00) ein zwei­tes Filmgespräch geben, ange­fragt dafür ist der Leiter des Forums der Berlinale, Christoph Terhechte.

wei­te­re Termine:

Sa 14.10. 2+2 80′ 15.45
So 15.10. Streetscape 132′ + FG 14.30

Sa 21.10. 2 + 2 80′ 13.00
Sa 21.10. Streetscape 132′ 15.00
So 22.10. Dieste 95′ 13.00
So 22.10. Bickels 92′ 15.00

Sa 28.10. Bickels 92′ 13.30
Sa 28.10. Dieste 95′ 15.30
So 29.10. Streetscape 132′ 13.15
So 29.10. 2 + 2 80′ 15.45

STREETSCAPES [Official Trailer] – im Kino

Die Einsiedler

Ein Film von Ronny Trocker.

Die Einsiedler erzählt die Geschichte von Albert, der den elter­li­chen Bergbauernhof ver­las­sen hat um sich im Tal eine Existenz auf­zu­bau­en. Parallel dazu wird das Leben der Mutter auf dem abge­schie­de­nen Hof gezeigt. Ein Leben voll har­ter Arbeit und Entbehrungen, das sie ihrem Sohn unter allen Umständen erspa­ren will. Dazu ist sie sogar bereit, den Unfalltod ihres Mannes zu ver­tu­schen. Doch Albert fin­det her­aus, was gesche­hen ist. Am Ende steht er vor der Entscheidung, Tradition und Pflichtgefühl oder Aufbruch und Neubeginn, so als ob es aus dem Gefängnis der Vergangenheit kein Entrinnen gibt und sich kein Weg für die Zumutungen der Gegenwart öffnet.
„Die schrof­fe Schicksalswelt der Berge: Oben, auf einem alten, her­un­ter­ge­kom­me­nen Hof, die Eltern iso­liert und sprach­los, unten im Marmorbruch schuf­tet der ein­zig ver­blie­be­ne Sohn, der sich nach Nähe sehnt. Der Autor und Filmemacher Ronny Trocker erzählt in Die Einsiedler radi­kal und ein­dring­lich von Abschied, Veränderung und Liebe. Vor monu­men­ta­ler Kulisse führt er sein gran­dio­ses Ensemble, allen vor­an Ingrid Burkhard als unsen­ti­men­ta­le und har­te Bergbäuerin, durch eine so schweig­sa­me wie unwirt­li­che Welt. Die Einsiedler hat die Jury über­zeugt, weil er Raum schafft für Bilder, die über das Gezeigte hin­aus gehen.“ (aus der Jury Begründung für den „Fünf Seen Filmpreis“)

Österreich 2016, 100 Min.
Regie: Ronny Trocker
Kamera: Klemens Hufnagl
Schnitt: Julia Drack
mit: Andreas Lust, Ingrid Burkhard, Hannes Perkmann, Peter Mitterutzner, Oris Toth 

Happy End

Ein Film von Michael Haneke.

Ich schau‚ halt ger­ne Filme. Inzwischen mache ich sie auch ger­ne“ M. Haneke

Bei sei­ner 7. Wettbewerbsteilnahme in Cannes bleibt sich der „der gro­ße Autoritäre des gegen­wär­ti­gen euro­päi­schen Autorenkinos“ (critic.de) treu: gleich­sam böse wie prä­zi­se ana­ly­siert und seziert er eine wohl­ha­ben­de Familie, ihr nicht-Verhältnis und ihre Ignoranz. Wütend ist er dabei, und geht manch­mal mit grim­mem Humor zur Sache. Die Unternehmerfamilie Laurent lebt in einer luxu­riö­sen Großstadtvilla in Calais, der Transitstation von Geflüchteten in Europa. Das geht an den Laurents natür­lich völ­lig vor­bei, haben sie doch ganz ande­re Probleme. Patriarch Georges (Jean-Louis Trintignant kehr­te für Haneke noch ein­mal vor die Kamera zurück) erfreut sei­ne Verwandten mit poin­tier­ten sar­do­ni­schen Bemerkungen, sehnt sich aber eigent­lich nach dem Tod. Tochter Anne muss einen schwe­ren Unfall auf einer ihrer Baustellen ver­tu­schen, die Ehe von Sohn Thomas sieht auch bes­ser aus, als sie ist, und die 13-jäh­ri­ge Enkelin Eve passt sich den Familienverhältnissen bereits gut an.

Ich kann kei­nen Film über Immigranten machen, weil ich zuwe­nig über sie weiß. Ich habe weder mit ihnen gelebt, noch bin ich sel­ber einer. … Wovon ich aber sehr wohl etwas ver­ste­he, ist von unse­rer Haltung gegen­über Immigranten.« sagt Haneke im Kurier-Interview, und auch: »Der Film ist kei­ne Tragödie. Wir sind ja einer Tragödie nicht mehr wür­dig. Es ist eine Farce und auch als sol­che gedacht. … Es ist eigent­lich unmög­lich, uns noch ernst zu neh­men, denn die Leiden fin­den rund­her­um statt. Wir, in den ver­wöhn­ten Ländern, sehen es als Fernsehbericht, als Schauspiel: Wir sind nicht drin, wir kön­nen es von außen betrach­ten.“ M. Haneke

Happy End ist ein sati­ri­scher Alptraum des Reichtums im groß­bür­ger­li­chen Europa: So klar, bril­lant und unver­söhn­lich wie Halogenlicht. Es ist so mit­rei­ßend wie eine teuf­li­sche Soapopera, eine Dynastie der ver­lo­re­nen Seelen.“ The Guardian

F, D, Österreich 2017, 110 Min., franz. OmU
Regie & Buch: Michael Haneke
Kamera: Christian Berger
Schnitt: Monika Willi
mit: Isabelle Huppert, Toby Jones, Jean-Louis Trintignant, Mathieu Kassovitz, Franz Rogowski, Laura Verlinden, Fantine Harduin, Loubna Abidar

Die Nile Hilton Affäre

Ein Film von Tarik Saleh.

Kairo, am Vorabend der Revolution in Ägypten. In der Luxussuite des Hotels Nile Hilton liegt die bekann­te Popsängerin Lalela, tot. Ihr wur­de der Hals auf­ge­schlitzt und ins Gesicht geschla­gen. Alles deu­tet auf ein Verbrechen aus Leidenschaft hin. Eine jun­ge Sudanesin Salwa (Mari Malek) macht im Hotel sau­ber. Sie hört ein Geräusch. Sie sieht den Täter. Aber sie will nicht aus­sa­gen. Sie hat Angst, ihren Job zu ver­lie­ren. Polizist Noredin (Fares Fares), der sich nach dem Tod sei­ner Frau nur noch mit Tabletten und Alkohol betäubt, über­nimmt die Ermittlungen.

Ziemlich bald ver­mu­tet der hart gesot­te­ne, des­il­lu­sio­nier­te Cop, dass die Elite des Landes in den Mordfall ver­wi­ckelt ist. Schließlich war sie dort mit dem rei­chen Immobilienhändler und Politiker Hatem Shafiq (Ahmed Selim) ver­ab­re­det, mit dem sie eine Affäre hat­te. Doch sein Vorgesetzter und Onkel Kammal (Yasser Ali Maher) bremst ihn gna­den­los aus. Der bri­san­te Fall soll als Selbstmord zu den Akten gelegt wer­den. „Sie hat sich selbst die Kehle durch­ge­schnit­ten“, ver­sucht Noredin ihn aus der Reserve zu locken. Umsonst.

Noredin frei­lich beißt sich fest. Legt sich mit allen an. Plötzlich taucht die hüb­sche Freundin der Toten auf. Die mys­te­riö­se Gina (Hania Amar). Sie ver­hilft ihm nicht nur zu neu­en Hinweisen. Und auch der ver­däch­ti­ge Politiker will plötz­lich, dass er den Fall auf­klärt. Durch Korruption und poli­ti­sche Intrigen stol­pert Noredin von einer Falle in die nächs­te. Die Staatssicherheit zieht der­weil im Hintergrund die Fäden. Auf dem Tahir Platz kommt es bei einer Demonstration zum Showdown.

Atmosphärisch dicht insze­niert Regisseur Tarek Saleh das düs­te­re Stimmungstableau sei­nes klas­si­schen Noir-Krimis. Dabei kann der Schwede mit ägyp­ti­schen Wurzeln sich bei sei­nem erhel­len­den Politthriller voll auf sei­nen exzel­len­ten Hauptdarsteller Fares Fares ver­las­sen. Der talen­tier­te Schauspieler ver­leiht sei­ner Figur als brü­chi­ger, des­il­lu­sio­nier­ter Held ein ein­deu­ti­ges Profil. Nicht umsonst wur­de das fes­seln­de Gesellschaftsportrait beim dies­jäh­ri­gen Sundance Film Festival mit dem Grand Jury Prize (World Cinema – Dramatic) aus­ge­zeich­net und auch beim Münchner Filmfest begeis­tert aufgenommen.

Luitgard Koch | programmkino.de

Ich hat­te nie vor, einen poli­ti­schen Film zu dre­hen. Im Gegenteil, ich woll­te eher einen per­sön­li­chen Film machen. Es geht dar­um, dass man nicht nur ein wenig kor­rupt sein kann. Das funk­tio­niert nicht. Entweder man ist es oder nicht.
Korruption in Ägypten ist nicht das Gleiche, wie Korruption in Europa. In Ägypten ent­stand die Korruption, weil es für die Menschen kei­nen ande­ren Weg gab, um zu über­le­ben. Es gab immer aus­län­di­sche Machthaber. So ent­stand ein System neben dem System, um mit den Römern, den Griechen, den Türken, den Engländern oder den Franzosen, wer auch immer gera­de die Macht hat­te, zu kom­mu­ni­zie­ren. Man brauch­te stän­dig jeman­den, der in sei­nem Namen sprach. Dieses System war sehr sta­bil, es bestand seit tau­sen­den von Jahren. Nach der natio­na­len Revolution durch die die aus­län­di­schen Machthaber ver­drängt wur­den, ent­stand nicht sofort ein kom­plett neu­es System.
Deshalb wird Korruption in Ägypten nicht so wahr­ge­nom­men wie woan­ders. Das Wort Korruption selbst zum Beispiel: Es gibt in Ägypten, also auf Arabisch das Wort „was­ta“ und das bedeu­tet „Gefallen“ oder „wen man kennt“. Jeder in Ägypten braucht „was­ta“, egal wer. Sogar der Präsident. Deshalb ist es ist kein nega­tiv, son­dern ein posi­tiv beleg­tes Wort.

Tarik Saleh | Regisseur

Schweden, Dänemark, Deutschland, 2017
Regie & Drehbuch: Tarik Saleh

Darsteller: Fares Fares, Mari Malek, Yaser Maher, Hania Amar, Ahmed Seleem, Slimane Dazi, Hichem Yacoubi, Mohamed Yousry, Ger Duany. Yasser Ali Maher.


im Kino mit deut­schen Untertiteln

Bunch of Kunst – A Film About Sleaford Mods

Gleich drei Pop-Dokus erzäh­len im September Geschichten der elek­tro­ni­schen Musik. REVOLUTION OF SOUND. TANGERINE DREAM und CONNY PLANKTHE POTENTIAL OF NOISE erzäh­len von den bei­den sehr unter­schied­li­chen Linien der elek­tro­ni­schen Popmusik in Deutschland. Auf der einen Seite steht die eher an klas­si­scher Musik ori­en­tier­te „Berliner Schule“, zu der Tangerine Dreams Gründungsmitglied Edgar Froese zähl­te. Auf er ande­ren Conny Planks Studio in Wolperath, wo Plank zunächst expe­ri­men­tel­len Krautrock pro­du­zier­te, und mit den ers­ten Platten von Cluster, NEU!, Harmonia und Kraftwerk die Grundlagen einer völ­lig neu­en, groo­ve- und sound­ori­en­tier­ten elek­tro­ni­schen Popmusik leg­te. A BUNCH OF KUNSTTHE SLEAFORD MODS ist dage­gen ein hand­ge­strick­ter wir­ken­der Film über die Post-Punk-Band aus Nottingham, deren Sound nicht ganz zufäl­lig an die von Conny Plank pro­du­zier­ten ers­ten Platten von DAF erinnert.

Alle drei Filme sind natür­lich auch Promo für neue Veröffentlichungen. Edgar Froese von Tangerine Dream ist zwar 2015 ver­stor­ben, hat aber Tapes hin­ter­las­sen, an denen die letz­te Besetzung sei­ner Band wei­terf­ri­ckelt. Conny Planks Sohn Stefan, der auch für den Film über sei­nen Vater ver­ant­wort­lich zeich­net, hat Rechte an Connys Bändern geerbt, und da sich Herbert Grönemeyers exqui­si­tes Groenland-Label seit län­ge­rem dar­auf spe­zia­li­siert hat, die frü­hen Meisterwerke aus dem NEU!/Cluster/Kraftwerk/Harmonia-Umfeld zu ver­öf­fent­li­chen, wird da in nächs­ter Zeit sicher auch noch eini­ges aus­ge­gra­ben wer­den. Ein Plank-Sampler ist ange­kün­digt. Die Sleaford Mods pro­du­zie­ren im Film eine neue Platte, und alle, die sie in ihrem Proberaum gefragt haben, fin­den das neue Zeug super: „Yeah, mate, it’s fuck­in‘ great!“

Dabei ist TANGERINE DREAM zugleich der bie­ders­te und trau­rigs­te der Filme. Alexander Hacke liest einen sehr ordent­li­chen Text von Band-Gründer Edgar Froese vor, der alle his­to­ri­schen Stationen sei­nes Lebens der Reihe nach abklap­pert und dazwi­schen ein wenig New Age Philosophie streut: Zeit ist eine Illusion, eben­so die Trennung der Menschen unter­ein­an­der usw. Und ein biss­chen Musiktheorie: Die Basis der Musik ist Bach, der Basso Continuo und der Kontrapunkt usw. Persönliches ver­rät Froese selbst nicht. Am span­nends­ten sind die Momente, in denen Wegbegleiter von den ers­ten Experimenten mit elek­tro­ni­schen Musikinstrumenten erzäh­len: zunächst mit einem Rauschgenerator, der eini­ge Filter hat­te, dann mit dem legen­dä­ren EMS VCS‑3, um schließ­lich bei der Verwendung des Moog-Synthesizers als Sequenzer zu lan­den, was den typi­schen Sound der Band aus­ma­chen soll­te. Interessant sind auch Passagen über die Arbeit der Band an Soundtracks wie den für SORCERER, William Friedkins einst wegen Heiligenschändung (der Film war ein Remake von Henri-George Couzots LOHN DER ANGST) ver­ris­se­nen, inzwi­schen aber zum Kultfilm avan­cier­ten Thriller. Zu sehen gibt es nur Ausschnitte aus RISKY BUSINESS, einem Teenager-Film von 1983, aber SORCERER hät­te durch­aus mal eine Wiederaufführung ver­dient, auch wegen des inno­va­ti­ven Soundtracks, der für Tangerine Dream den Durchbruch in den USA bedeu­te­te. Obwohl die Band sich kurz danach immer wei­ter auf­löst, schil­dert REVOLUTION OF SOUND kei­nen ein­zi­gen Konflikt der Bandmitglieder unter­ein­an­der. Ab Mitte der 80er Jahre muss Edgar Froese allein wei­ter­ma­chen und umgibt sich mit wech­seln­den Massen von Studiomusikern. Die letz­ten 30 Jahre der Band wir­ken wie ein lan­ger, depres­si­ver Zerfall, der sich mit Pomp und Pseudo-Philosophie über die Runden rettet.

CONNY PLANK war das Soundgenie und der expe­ri­men­tel­le Advocatus Diaboli hin­ter Kraftwerk, NEU!, Harmonia, Cluster, Devo, Ultravox, Les Rita Mitsouko, DAF und den Eurythmics, aber auch Italo-Popstar Gianna Nanini zähl­te zu Planks Kunden, und natür­lich eine gan­ze Reihe von Krautrock-Bands, die auch in der Doku dem Vergessen anheim­ge­fal­len sind, wie Grobschnitt, Eroc oder Jane. Die CONNY PLANK-Doku kommt per­sön­li­cher und wesent­lich ent­spann­ter daher als TANGERINE DREAM, und sie schafft es bes­ser, einen Eindruck von der Arbeitsweise und dem spe­zi­fi­schen Sound von Planks Studio ver­mit­teln, unter ande­rem weil die Ausschnitte aus den ein­zel­nen Stücken län­ger sind. Vor allem aber inter­es­siert sich Stefan Plank auf­rich­tig für die Arbeit sei­nes 1985 ver­stor­be­nen Vaters, und wenn er sagt, er ver­su­che, sich mit die­sem Film ein Stück Erinnerung an sei­ne Kindheit zurück­zu­ho­len, dann nimmt man ihm das am Ende sogar ab. Einigen Musikern scheint es ähn­lich zu gehen. Die älte­ren Herren, die einst zum Hip Hop-Duo Whodini gehör­ten, erzäh­len mit Tränen in den Augen, wie sie mit 1718, ohne vor­her jemals Brooklyn ver­las­sen zu haben, zu Plank aufs Kaff kamen: „You were our litt­le brot­her, man!“ Den Musikern, mit denen Stefan Plank spricht, ist die Liebe zu Conny anzu­mer­ken, und so trau­en sie sich auch, Geschichten zu erzäh­len, die ein weni­ger ehr­li­cher Regisseur her­aus­ge­schnit­ten hät­te. Wir erfah­ren unter ande­rem, dass der Sound von Hitlers Reden auf dem Reichsparteitag ein Vorbild für die ver­zerr­ten Gesangsaufnahmen für Plank gewe­sen ist: „Das macht Menschen zu Göttern“, soll er erklärt haben, wäh­rend er die Regler nach oben schob. Vor allem aber schil­dern sie Planks Begeisterung für das Experiment und Spontaneität und erklä­ren den Anteil, den sein krea­ti­ver Geist an den Aufnahmen hat­te. „The Potential of Noise“ ist ein völ­lig gerecht­fer­tig­ter Untertitel, denn Plank hat nicht nur das Potential des „Sounds“, jen­seits von Melodie, Rhythmus und Groove ent­deckt, son­dern den Lärm, den Soundfehler, das Nichtharmonische in die (elek­tro­ni­sche) Pop-Musik gebracht.

Die Arbeitsweise der SLEAFORD MODS unter­schei­det sich nicht beson­ders von dem, was Gabi Delgado in der Conny-Plank-Doku von den Aufnahmen zum ers­ten DAF-Album erzählt: Robert Görl ent­wi­ckel­te mit Plank den Groove, Gabi impro­vi­sier­te dazu. Die Zusammenarbeit von Sänger Jason Williamsons mit sei­nen Partnern Simon Parfrement (bis 2012) und Andrew Robert Lindsay Fearn sieht offen­bar genau­so aus. Andrew macht den Groove, Jason impro­vi­siert, schreibt und edi­tiert im Proberaum, wäh­rend Jason und diver­se ande­re „mates“ ihn ansta­cheln. Alles mit dem heu­te übli­chen win­zi­gen Equipment: ein klei­nes Keyboard, ein biss­chen Software – der Sound der Sleaford Mods und vie­ler ande­rer moder­ner Electro-Bands lässt sich zur Not zum Preis einer E‑Gitarre der Mittelklasse repro­du­zie­ren, wäh­rend Tangerine Dream selbst als Trio gan­ze Lastwagenladungen vol­ler Equipment benö­tig­ten. SLEAFORD MODS – A BUNCH OF KUNST ist hei­ßer, wüten­der Stoff, der in der Tradition nord­eng­li­scher Bands wie The Fall und The Smiths steht. Aber ohne die Soundpioniere der sieb­zi­ger und acht­zi­ger Jahre gäbe es sie ver­mut­lich gar nicht. Dass die Wiederentdeckung des „Krautrock“ eben­falls über England, und vor allem über das vom ehe­ma­li­gen The Teardrop Explodes-Sänger Julian Cope geschrie­be­ne Buch „Krautrocksampler – One Head’s Guide to the Great Kosmische Musik – 1968 Onwards“ von 1995 geschah, ist auch ein Teil die­ser Geschichte.

Tom Dorow

Deutschland 2017, 103 min
Sprache: Englisch
Genre: Biografie, Dokumentarfilm, Musikfilm
Regie: Christine Franz
Drehbuch: Christine Franz
Kamera: Christine Franz
Darsteller: Andrew Fearn, Sleaford Mods, Steve Underwood

Körper und Seele

Ein Film von Ildikó Enyedi.

Der Gewinner des Goldenen Bären – Berlinale 2017.

Ein Hirsch und eine Hirschkuh strei­fen durch den win­ter­li­chen Wald, essen und trin­ken und schau­en sich, wie die Inszenierung uns sug­ge­riert, mal lie­be­voll, mal besorgt (und alles ande­re, was wir in sie hin­ein­se­hen wol­len) mit ihren gro­ßen Knopfaugen an. Ein wun­der­ba­res Spiel mit Projektionen. Auf der ande­ren Seite, die die­sel­be ist, sehen wir einem Personalchef eines Schlachthofes und einer neu­en Angestellten für Qualitätsprüfung und bei deren vor­sich­ti­gen Annäherungen zu. Es stellt sich her­aus, dass die Tierszene, zwar unab­hän­gig von ein­an­der geträumt und doch der gemein­sa­me Traum bei­der Protagonisten ist. Schon ist zu befürch­ten, dass mit sol­chen Analogien ein lieb­li­cher Kitsch in Bezug auf Beziehung und Liebe auf uns nie­der­geht. Zunächst bleibt es auch ein Rätsel, war­um gera­de das nicht pas­siert. Am Ende liegt es wahr­schein­lich dar­an, dass mit har­ten Kontrasten immer wie­der die dicho­to­mi­sche Erzählung geer­det und auf die Dissonanzen, Unstimmigkeiten, Gegensätze hin­ge­wie­sen wird und letzt­lich der Frage nach­ge­gan­gen wird, wie die ein­zel­nen Teile, der Körper und die Seele, har­mo­ni­siert wer­den können.

In ihrem Regiedebüt „Mein 20. Jahrhundert“ waren es die Sterne, die sich ins Geschehen ein­misch­ten, und auch dies­mal haben sur­rea­le neben den rea­lis­ti­schen Einschlägen einen fes­ten Platz; eine unsicht­ba­re Schicksals­macht scheint über das Wohl der Figuren zu wachen. So ist „Körper und Seele“, mit dem Ildikó Enyedi im Februar 2017 den „Goldenen Bären“ bei der „Berlinale“ gewann, ein Werk, in dem Form und Inhalt mit sel­te­ner Meisterschaft zusam­men­tref­fen. Dieser Film über eine zar­te Liebe ver­rät in jeder fein kom­po­nier­ten, in war­men Farben leuch­ten­den Einstellung die Liebe zum Erzählen und zum Kino – der Welt, in der es tat­säch­lich mög­lich ist, sich gemein­sam in Träume zu ver­sen­ken. Marius Nobach | FILMDIENST

Testről és lélekről
Ungarn 2017, unga­ri­sche OmU, 116 Min.

Regie, Buch: Ildikó Enyedi
Kamera: Máté Herbai
Schnitt: Károly Szalai

Mit:
Alexandra Borbély (Mária)
Géza Morcsányi (Endre)
Réka Tenki (Klára)
Zoltán Schneider (Jenő)
Ervin Nagy (Sándor)
Itala Békés (Zsóka, Putzfrau)
Éva Bata (Jenős Frau)
Pál Mácsai (Detektiv)
Zsuzsa Járó (Zsuzsa)
Nóra Rainer-Micsinyei (Sári, Arbeiterin im Schlachthaus)