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Marriage Story

Ein Film von Noah Baumbach.

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Es beginnt mit zwei gegen­sei­ti­gen Liebeserklärungen: Was ich am ande­ren mag. Doch es sind nur Aufgaben aus einer Paartherapie und schnell wird klar: das Paar wird sich tren­nen. Sie ist Schauspielerin, er Theaterregisseur. Beide arbei­ten zusam­men in New York im Off-Theater, haben ein Kind und als Sie ein Angebot für eine Fernsehserie in LA annimmt, beginnt das Auseinenderleben bis zur Scheidung. Der Film beglei­tet die­sen Prozess. Erst ver­su­chen es die Beiden im guten, bald gibt es ihre Anwältin, dann sei­nen lie­ben ers­ten Anwalt, spä­ter den aus­ge­buff­ten Zweiten. Der Wechsel von der per­sön­li­chen zur juris­ti­schen Ebene ist für alle schwer zu ertra­gen, wird immer wie­der zurück­ge­fah­ren um wenigs­tens noch eine Basis für das zukünf­ti­ge, unver­meid­li­che Miteinanderumgehen zu bewaren.

Baumbachs Film ist dabei aber kein Kramer vs. Kramer rel­oa­ded, kein Rosenkrieg. Es sei ihm, schreibt er sel­ber, nicht dar­um gegan­gen, die Geschichte einer zer­bre­chen­den Familie zu erzäh­len, son­dern die Liebesgeschichte in der Trennung zu fin­den. Drehbuch und Dialoge von Noah Baumbach (Frances Ha, Gefühlt Mitte Zwanzig) sind auf den Punkt geschrie­ben – und was Scarlett Johansson und Adam Driver ablie­fern, ist unglaub­lich gros­ses und facet­ten­rei­ches Schauspiel. Sie beherr­schen alle Töne die­ser „Szenen einer Ehe“, die lei­sen, melan­cho­li­schen, die ver­nünf­ti­gen, aber auch die sehr lau­ten, ver­let­zen­den. Noah Baumbachs Virtuosität besteht unter ande­rem dar­in, mir als Zuschauerin kei­ne Seite auf­zu­zwin­gen, kei­ne Sympathien vor­zu­ge­ben. Selbst die gewitz­ten Scheidungsanwälte (Laura Dern & Ray Liotta), die mit har­ten Bandagen kämp­fen, sind nicht nur die unsym­pa­thi­schen Geldfresser. Für Laura Dern als Anwältin Nora gab’s bei einem lei­den­schaft­lich femi­nis­ti­schen Plädoyer sogar Szenenapplaus. Am Ende steht das Ehepaar nicht ein­fach nur vor dem gros­sen Scherbenhaufen sei­ner kaput­ten Ehe – es bleibt auch das Gefühl, trotz­dem als Familie, die sie ja wei­ter­hin sind, sich irgend­wie arran­giert zu haben und bestehen zu kön­nen.“ Brigitte Häring | Sennhausers Filmblog

Der Film wird von einem gro­ßen Streamingdienst ver­trie­ben, gehört aber defi­ni­tiv auf die (unse­re) Leinwand.

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Credits:

USA 2019, 134 Min., engl. OmU
Regie: Noah Baumbach
Musik: Randy Newman
Kamera: Robbie Ryan
Schnitt: Jennifer Lame
mit: Scarlett Johansson, Adam Driver, Laura Dern, Alan Alda, Ray Liotta, Julie Hagerty

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Bis dann, mein Sohn

Ein Film von Wang Xiaoshuai.

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Sein Debutfilm WINTERTAGE, FRÜHLINGSTAGE, der 1993 im Internationalen Forum der Berlinale (und dann auch bei uns im Kino) lief, erin­ner­te ent­fernt an die Novelle Vague. Nach 26 Jahren und vie­len aus­ge­zeich­ne­ten Filmen mehr, wie dem De-Sica-Remake BEJING BICYCLE, ZUO YOU oder CHONGQING BLUES hat Regisseur Wang Xiaoshuai nun ein gera­de­zu epi­sches Werk geschaf­fen, das bei der dies­jäh­ri­gen Berlinale mit dem Preis für die Beste Darstellerin und den Besten Darsteller geehrt wur­de. In BIS DANN MEIN SOHN fol­gen wir über drei Jahrzehnte lang dem aus dem Norden Chinas stam­men­den Ehepaar Liu Yaojun und Wang Liyun, ihren Familienmitgliedern und Freunden. Die gewal­ti­gen Veränderungen in der poli­ti­schen und sozia­len Lage des Landes gehen ein­her mit pri­va­ten Erlebnissen und Schicksalsschlägen. Der Fokus des Films lag für den Regisseur aller­dings weni­ger auf der Geschichte als auf den Gefühlen, und so fol­gen wir kei­ner linea­ren Zeitlinie. Es gin­ge ihm dar­um, wie die Menschen mit ihren Verletzungen umge­gan­gen sind, sie ein­an­der ver­ge­ben und in die Augen schau­en konn­ten, sag­te Wang Xiaoshuai auf der Pressekonferenz. Für uns Zuschauer*innen bedeu­tet das, Taschentücher bereit­zu­hal­ten und sich die­sem wun­der­bar gefilm­ten Melodram ein­fach erge­ben zu kön­nen, ohne das Hirn aus­schal­ten zu müssen.

Wang Xiaoshuai nimmt sich Zeit: für die Figuren, die Geschichte, die Themen.  Es wird wenig gere­det und doch viel gesagt – über Blicke, Gesten, Bildgestaltung. „Bis dann, mein Sohn“ ist ein Film über Schuld, Vergebung und Versöhnung, der die Menschen in ihrer Zerbrechlichkeit und Stärke in den Mittelpunkt stellt. Und ganz neben­bei erzählt er ein Stück chi­ne­si­sche Zeitgeschichte.„ Jurybegründung „Film des Monats: November 2019”.

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Credits:

Di jiu tian chang
China 2019, 185 Min., chin. OmU
Regie: Wang Xiaoshuai
Kamera: Kim Hyun-seok
Schnitt: Lee Chatametikool
mit: Wang Jingchun, Yong Mei, Qi Xi, Wang Juan, Du Jiang

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BIS DANN, MEIN SOHN – offi­zi­el­ler OmU-Trailer – Kinostart 14.11.2019

 

Midnight Traveler

Einmalige Vorführung des Kotti e.V. (mit beschränk­tem Kartenverkauf)

Eine Todesdrohung der Taliban zwingt den afgha­ni­schen Regisseur Hassan Fazili und sei­ne Frau Fatima Hussaini, eben­falls Filmemacherin, im Jahr 2015 zur Flucht. Zusammen mit den bei­den Töchtern Nargis (11) und Zahra (6) hof­fen sie auf Sicherheit im fer­nen Europa. Mit dem Blick von Filmemachern fil­men sie die Reise über die Balkanroute und die unge­wis­sen Aufenthalte in ver­schie­de­nen Flüchtlingslagern mit ihren Mobiltelefonen. Familiärer Humor und ihr Ziel geben ihnen Kraft, ihre schwie­ri­ge Situation zu dokumentieren.

Dok., USA / Großbritannien / Katar / Kanada 2019, 87′, Englisch, Farsi

Auszeichnungen:
Sundance Film Festival 2019
World Cinema Documentary Special Jury Award

Berlinale Panorama
Lobende Erwähnung der Friedensfilmpreis-Jury
Publikumspreis 2. Rang

Visions du réel: Grand Angle – Prix du Public

The Kindness of Strangers

Ein Film von Lone Scherfig.

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Mit ihren zwei Söhnen auf der Rückbank kommt Clara im win­ter­li­chen New York an. Was für die Kinder als Abenteuer getarnt wird, stellt sich bald als Flucht vor dem gewalt­tä­ti­gen Ehemann und Vater her­aus. Er ist Polizist, und Clara ver­sucht ver­zwei­felt, sei­nen Nachstellungen zu ent­kom­men. Die drei besit­zen wenig mehr als ihr Auto, und als das abge­schleppt wird, ste­hen sie mit­tel­los auf der Straße. Doch die kal­te Großstadt zeigt Güte: Auf der Suche nach Zuflucht begeg­net die Familie der selbst­lo­sen Krankenschwester Alice, die für Betten in einer Notunterkunft sorgt. Beim Mundraub in dem rus­si­schen Restaurant Winter Palace lernt Clara den Ex-Häftling Marc ken­nen, der die Chance bekom­men hat, den Laden in altem Glanz erstrah­len zu las­sen. Das Winter Palace wird zum Ort der uner­war­te­ten Begegnungen von Menschen, die in der Krise ste­cken und in schick­sal­haf­ten Wendungen zusam­men­fin­den. Mit viel Gespür für ihre Figuren erkun­det Lone Scherfig mensch­li­ches Verhalten unter extre­men Bedingungen. Dabei zeigt sich die vol­le Härte des Lebens im urba­nen Dschungel, aber auch, was wach­sen kann, wenn sich Fremde freund­lich und mit offe­nem Herzen gegenübertreten.

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Credits:

DK/CA/SE/DE/FR 2019, 112 Min., engl. OmU
Regie, Buch: Lone Scherfig
Kamera: Sebastian Blenkov
Schnitt: Cam McLauchlin
mit: Zoe Kazan, Andrea Riseborough, Tahar Rahim, Caleb Landry Jones, Jay Baruchel, Bill Nighy

Termine:

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Mein Ende. Dein Anfang.

Ein Film von Mariko Minoguchi.

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Nora, noch nicht lan­ge mit ihrem Freund zusam­men, muss nach sei­nem plötz­li­chem und gewalt­sa­men Tod , die­se Zäsur in ihrem Leben ver­ar­bei­ten. Nach Versuchen alles zu ver­drän­gen, beginnt sie lang­sam den Verlust anzunehmen.
Gleichzeitig, in der sel­ben Stadt, sorgt sich Natan um sei­ne Tochter, die unter einer schwe­ren Krankheit lei­det, deren Behandlung für ihn unbe­zahl­bar ist.
Wie die­se bei­den Geschichten, unter­füt­tert von rela­ti­vi­täts­theo­re­ti­schen Überlegungen, zuein­an­der fin­den und das Leiden der Beteiligten einen even­tu­el­len Trost erfah­ren, ist die gro­ße Kunst die­ser Erzählung, ohne dabei durch ihre Fülle und Komplexität auseinanderzustreben.
Ein Film, der sich aus vie­len klei­nen Szenen und Momenten ele­gant in ein Ganzes zusam­men­fügt, dabei mit­hil­fe von Parallelmontagen und Rückblenden schein­bar Verwirrung stif­tet und doch als Erzählung wun­der­bar har­mo­nisch wirkt, wobei die Geschichte aller­dings alles ande­re als kon­flikt­frei ist: Eine Liebesgeschichte und gleich­zei­tig ein Kriminaldrama. Dabei gelingt es ihm, die zeit­wei­li­gen Orientierungslosigkeit der Protagonisten auf den Zuschauer zu über­tra­gen, um sich dann doch hier und da ein Innehalten, die Möglichkeit in ruhi­ges Fahrwasser zu kom­men, offenzuhalten.

In München zeigt sie nun ihr ful­mi­nan­tes Spielfilmdebüt, ein sel­ten inten­si­ves Kinoerlebnis, stän­dig in Bewegung, intim und nah dran, ohne Angst vor Pathos. Gleich am Anfang insze­niert Minoguchi einen Banküberfall und einen Todesfall, der die Hauptfigur ins Wanken bringt – und für einen kur­zen Moment mag man ver­wun­dert inne­hal­ten, was doch alles in deut­schen Filmen mög­lich ist, wenn dahin­ter ein unbe­ding­ter Erzählwille steckt.
Minoguchi hat das Drehbuch samt Zeitsprüngen und irren Koinzidenzen selbst ver­fasst, sie über­höht das Eigenartige und das Merkwürdige und lässt es zu einer roman­ti­schen Erzählung epi­schen Ausmaßes anwach­sen. „Mein Ende. Dein Anfang.” ist ein Werk, das sehr dar­auf ver­traut, dass das Kino als Affektraum bespielt wer­den kann und es dafür Mechanismen gibt. Dass die­ses Kalkül auf­geht, ist eine umso grö­ße­re Überraschung – die wohl schöns­te in die­sem Münchner Jahrgang.“
Frédéric Jaeger

 

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Credits:

DE 2019, 111 Min., OmeU
Regie: Mariko Minoguchi
Kamera: Julian Krubasik
Schnitt: Andreas Menn,
mit: Saskia Rosendahl, Julius Feldmeier, Edin Hasanovic, Jeanette Hain, Lilly Forgach

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MEIN ENDE. DEIN ANFANG. | Trailer | deutsch/german

 

Eine eiserne Kassette

Ein Film von Nils Olger.

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Von sei­ner Großmutter erhält Nils Olger nach dem Tod des Großvaters eine Kassette. In ihr lie­gen Rollen mit Fotonegativen. »Da hast du nun alle unse­re Geheimnisse«, sagt sie. Die Bilder las­sen ahnen, wor­an der Großvater als SS-Angehöriger im zwei­ten Weltkrieg betei­ligt war. Olger folgt der Spur der Negative und begibt sich an ihre Entstehungsorte. Nach Österreich, Ungarn und Italien. Es ist der Versuch des Nachgeborenen, sei­ne Erinnerungen an den Großvater um die von ihm ver­schwie­ge­nen Elemente zu ergän­zen und mit­hil­fe der Negative ein voll­stän­di­ge­res Bild ent­ste­hen zu lassen.

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Credits:

AU/DE 2018, 102 Min., Deutsch, Italienisch, Ungarisch, Rumänisch OmU
Regie: Nils Olger
Drehbuch: Nils Olger
Kamera: Nils Olger, Juri Schaden, Thomas Marschall
Schnitt: Nils Olger

 

Termine:

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Eine eiser­ne Kassette – offi­zi­el­ler Trailer from bit­ters­weet GmbH on Vimeo.

 

The Gold Diggers (1983) + Performance: Confessions of am actress

Ein Film von Sally Potter mit anschlie­ßen­der Performance CONFESSIONS OF AN ACTRESS von Susanne Sachsse. Am  Mittwoch, 23.10. um 20 Uhr im fsk

THE GOLD DIGGERS (1983) ist das erstaun­li­che Debut von Regisseurin Sally Potter (Orlando, Tango Lesson, The Party), den sie mit einer rein weib­li­chen Crew insze­nier­te und zu den Schlüsselfilmen der 80-er Jahre gehört. Der sw-Film erzählt von zwei Frauen auf der Suche nach ihrer eige­nen Art von Gold. „Ich betrach­te die­sen Film als ein Musical, das eine weib­li­che Suche beschreibt. Während des Arbeits- und Herstellungsprozesses tra­ten die­sel­ben Fragen auf, die der Film sich zu stel­len bemüht: Fragen nach den Beziehungen zwi­schen Gold, Geld und Frauen; nach der Einbildung, Frauen sei­en macht­los; nach der tat­säch­li­chen und der inne­ren Suche nach Gold; nach der Bildsprache des Unbewussten und sei­ner Beziehung zu der Macht des Films; wir rufen uns die Kindheit und die Erinnerungen vor Augen und betrach­ten die Filmgeschichte als kol­lek­ti­ves Gedächtnis der Bilder, die wir von uns haben und die man sich von uns als Frauen macht.” (Sally Potter)

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Credits:

GB 1983 82 Min. engl. OV • Regie: Sally Potter • Drehbuch: Lindsay Cooper, Rose English, Sally Potter • Kamera: Babette Mangolte • Kostüm: Rose English • Musik: Lindsay Cooper • Mit: Julie Christie, Collette Laffont

Termine:

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PJ Harvey – A Dog called Money

Ein Film von Seamus Murphy.

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Musikfilm, Reisefilm, Spurensuche und das Ergebnis der Begegnungen zwei­er sehr unter­schied­li­cher Künstler. Seamus Murphy ist haupt­säch­lich Fotograf und recher­chiert oft in soge­nann­ten Krisengebieten. Seine Arbeiten doku­men­tie­ren die Schattenseite, aber er ver­zich­tet auf die Perspektive des Fotoreporters, der vor­geb­lich das vor­ge­fun­de­ne fest­hält, ohne zu kom­men­tie­ren oder gar zu ästhe­ti­sie­ren. Murphy arbei­tet vor­wie­gend in S/W, sei­ne Bilder kön­nen sich im Auge des Betrachters wie Landschaften ent­fal­ten. Ähnlich wie Musik das kann, für mich sind eini­ge Alben von P J Harvey genau so: Let England shake und die gemein­sams­ten Arbeiten mit John Parish, Dance hall at lou­se point und A woman a man wal­ked by (cita­ti­on nee­ded). Die Kooperation Harvey/Murphy führ­te über sei­ne Kurzfilme zu den Songs von Let England. Shake zu gemein­sa­men Reisen. Dabei ent­stand ein Buch und schließ­lich P J Harveys aktu­el­les Album Hope six demo­liti­an pro­ject. Aufgenommen wur­de in einem mobi­len Studio, Kunstbesucher des Sommerset House in London konn­ten den Musikern bei den Aufnahmen zuschauen/zuhören. .

Natürlich gab es den kri­ti­schen Vorwurf, hier latscht eine Musikerin durch Kabul oder auf der fal­schen Seite der Straße in Washington D.C., kurz hin­term Kapitol etc,. Dann wird aus Elend Kunsthandwerk gemacht. Natürlich darf Musik seit lan­gem genau so ernst genom­men wer­den wie Fotografie oder Film oder Buch. Musik ist eman­zi­piert und nicht nur Jukebox. Die Frage, war­um sehe ich auf Murphys Seite die­se Bilder an und war­um zei­gen wir die­se Filme und war­um schaut die dann wer, ist eine andere.

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Credits:

IR/GB 2019, 90 Min., engl. OmU
Regie, Buch: Seamus Murphy
Kamera: Seamus Murphy
Montage: Sebastian Gollek
mit: PJ. Harvey

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Parasite

Ein Film von Bong Joon Ho.

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Familie Ki lebt in ärm­li­chen Verhältnissen ganz unten auf der sozia­len Leiter. Im wahrs­ten Sinne des Wortes: Der Putz ihrer Wohnung im Tiefparterre blät­tert ab, in den Ecken brei­tet sich Schimmel aus, der Müll staut sich. Die Eltern Ki-taek und Chung-sook sind arbeits­los, die fast erwach­se­nen Kinder, der Sohn Ki-woo und die Tochter Ki-jung unter­stüt­zen die Familie mit Gelegenheitsjobs.

Das Glück wen­det sich als ein Freund Ki-woo eine Tutorenstelle am ande­ren Ende der Stadt, am ande­ren Ende der sozia­len Leiter ver­mit­telt. Im mon­dä­nen, moder­nis­ti­schen Haus der Familie Park soll er der Tochter Englischstunden geben. Es ist der Beginn einer para­si­tä­ren Beziehung der bei­den Familien, denn bald arbei­ten alle Kis für die Parks: Die Tochter küm­mert sich um den Sohn, der Vater wird Chauffeur, die Mutter schließ­lich Haushälterin. Das Schicksal scheint es end­lich gut mit Familie Ki zu meinen.

Was bei ande­ren Regisseuren Stoff genug für einen Film wäre, erzählt Park Joon Ho in einem lan­gen ers­ten Akt. Wie Familie Ki sich nach und nach in das Leben der Familie Park ein­schleicht und uner­setz­bar wird, erin­nert an Filme wie Michael Hanekes „Funny Games“ oder Oskar Roehlers „Herrliche Zeiten“, doch bald dreht Bong die Schraube noch wei­ter. Wie in den meis­ten sei­ner Filme – zuletzt „Okja“ und „Snowpiercer“, vor Jahren „The Host“ und „Memories of Murder“ – lässt sich auch „Parasite“ nur schwer einem Genre zuord­nen. Unbekümmert bedient er sich hier und da, über­rascht immer wie­der mit völ­lig unvor­her­ge­se­he­nen Volten, doch am Ende sind Bongs Filme immer eins: Messerscharfe, genau beob­ach­te­te Satiren.

Wie schon in „Snowpiercer“, in dem in einem Zug auf ewi­ger, unge­brems­ter Fahrt durch eine apo­ka­lyp­ti­sche Schneelandschaft, die ein­zel­nen Waggons die gesell­schaft­li­chen Schichten mar­kier­ten, bedient sich auch „Parasite“ kla­rer geo­gra­phi­scher Metaphern. Ganz unten beginnt der Film, in der Wohnung der Kis, wäh­rend oben die Parks Leben. Wenn da ein Wolkenbruch die Stadt unter Wasser setzt, wird die­se Metapher noch deut­li­cher: Oben wer­den nur die Fenster nass, unten ver­sinkt das Tiefparterre der Kis im schmut­zi­gen Abflusswasser.

Doch bei aller offen­sicht­li­chen Gesellschaftskritik macht es sich Bong dabei nicht zu ein­fach. Den Kis sieht man als offen­sicht­li­che Verlierer des kapi­ta­lis­ti­schen Systems ohne­hin alles nach, doch auch die Parks sind kei­nes­wegs unsym­pa­thi­sche Neureiche, im Gegenteil. Abgesehen davon, dass sie sich über den stren­gen Kellergeruch von Ki-taek wun­dern, ist von ihnen kein böses oder hoch­nä­si­ges Wort über ihre Angestellten zu ver­neh­men. Der wah­re Schuldige an den gesell­schaft­li­chen Missständen sind hier nicht ein­zel­ne Personen, son­dern die Gesellschaft als Ganzes.

Dieser abs­trak­te Antagonist führt dazu, dass „Parasite“ im letz­ten Drittel fah­ri­ger wirkt als im bril­lan­ten Beginn, die Geschichte ein wenig holp­rig zu Ende gebracht wird. Doch auch hier lässt Bong kei­nen Zweifel dar­an auf­kom­men, welch her­aus­ra­gen­der Regisseur er ist, der auch einen Film, der fast aus­schließ­lich inner­halb eines Hauses spielt, zu einem visu­el­len Meisterstück machen kann. Dass er dafür als ers­ter Regisseur aus Südkorea mit der Goldenen Palme aus­ge­zeich­net wur­de, war dann selbst in einem außer­ge­wöhn­lich star­ken Wettbewerb kei­ne Überraschung.

Michael Meyns | programmkino,.de

Cannes 2019: Goldene Palme

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Credits:

Gisaengchung (기생충)
KR 2019, 131 Min., korea­ni­sche OmU

Regie: Bong Joon Ho
Buch: Bong Joon Ho & Han Jin Won
Kamera: Hong Kyung-pyo
Schnitt: Yang Jin-mo
mit: Song Kang Ho, Lee Sun Kyun, Cho Yeo Jeong, Choi Woo Shik, Park So Dam, Lee Jung Eun, Chang Hya Jin

Termine:

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Find me on the surface – Kurzfilmprogramm

LUNAR prä­sen­tiert:

aus­ge­such­te Kurzfilme von Miriam Gossing und Lina Sieckmann im Dialog mit einer Videoarbeit und einer Lesung von Vika Kirchenbauer 

Souvenir •  One Hour Real •  Desert Miracles • China Light  von Miriam Gossing & Lina Sieckmann

Please Relax Now •  Feeling Difference von Vika Kirchenbauer

26.10. 16–18 Uhr