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Exil

Ein Film von Visar Morina.

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Eigentlich ist Xhafer ja per­fekt inte­griert. Er lebt und arbei­tet schon lan­ge in Deutschland, ange­stellt als Ingenieur bei einem gro­ßen Pharmaunternehmen, ist Familienvater, ver­hei­ra­tet mit Nora und wohnt in einem moder­nen Einfamilienhaus. Aber schon bei der Begrüßungsrunde mit neu­en Kunden fängt es an: „Xhafer Kryezi? Wo kom­men Sie (denn) her?“ Eigentlich halt – und nichts ist da selbst­ver­ständ­lich. Da sind die schein­ba­ren Missverständnisse – ein nicht mit­ge­teil­ter Termin, die Versetzung an einen neu­en Arbeitsplatz. Die Schwierigkeiten mit der Schwiegermutter erschei­nen da als zu ver­nach­läs­si­gen­des Problem. Xhaver ver­mu­tet, dass er auf­grund sei­ner koso­va­ri­schen Herkunft in der Firma gemobbt wird, aber selbst als eine tote Ratte am ihrem Gartentor hängt, will sei­ne Frau davon nichts wis­sen. Es gibt mehr ver­lo­re­ne Informationen, mehr Ratten, fol­gen­lo­se Gespräche mit dem Chef, und Nora (auch hier wie­der sehr sou­ve­rän: Sandra Hüller) fin­det ihn para­no­id: „du ach so Benachteiligter“.
Je wei­ter sich Xhafer in die Enge getrie­ben fühlt, je ver­zwei­fel­ter er wird, des­to grö­ßer wird sein Misstrauen gegen­über bestimm­ten Kollegen, auch das mit fata­len Folgen.
Es ist fas­zi­nie­rend, wie anschau­lich und packend Visar Morina die Auswirkungen eines laten­ten gesell­schaft­li­chen Rassismus auf den Punkt bringt. Man könn­te mei­nen, der Regisseur habe eige­ne Erfahrungen mit verarbeitet.
EXIL ist ein fas­zi­nie­ren­der Thriller über Paranoia und Identität. Schwarz, sur­re­al, mit Anklängen ans Genrekino und gepaart mit eigen­wil­li­gem Humor. Seine Weltpremiere hat EXIL auf dem Sundance Filmfestival gefei­ert. Die Deutschlandpremiere erfolg­te im Panorama-Programm der Berlinale.

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Credits:

Deutschland / Belgien / Kosovo 2020, 121 Min., deutsch, alba­ni­sche Om
Regie: Visar Morina

Kamera: Matteo Cocco
Montage: Laura Lauzemis, Hansjörg Weißbrich, Visar Morina
mit Mišel Matičević, Sandra Hüller, Rainer Bock, Thomas Mraz

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Trailer:

EXIL I Offizieller Trailer deutsch I Jetzt im Kino
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The Wild Pear Tree

Ein Film von Nuri Bilge Ceylan.

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Ja, die Sprache. In Nuri Bilge Ceylans jüngs­tem Film, der erst jetzt, zwei Jahre nach sei­ner Premiere in Cannes, in Deutschland end­lich ins Kino kommt – spielt sie eine beson­de­re Rolle und ist, neben den ein­neh­men­den Bildern und der ele­gan­ten Kameraführung ein Kernstück des Werks. Sinan hat sein Lehramtsstudium in Çanakkale fast abge­schlos­sen, nur eine Prüfung fehlt noch, aber zuerst will er sei­nen fer­tig geschrie­ben ers­ten Roman, „The Wild Pear Tree“ ver­öf­fent­li­chen. In sei­ner west­tür­ki­schen Heimatstadt Çan erhoff­te er finan­zi­el­le Hilfe dafür, er zeigt das Werk sei­ner Familie, ört­li­chen Kunstliebhabern und Unternehmern. Was soll man sagen: es ist schwie­rig. Sinan trifft alle, Mutter, Vater, Freunde, Freundinnen, den Bürgermeister, Schulkameraden, Schriftsteller. Niemand kann oder will ihn beim Druck des Buches unter­stüt­zen. Stattdessen dis­ku­tiert, redet, strei­tet sich Sinan durch den Film. Themen gibt es genug, die Schriftstellerei, die Kunst, die Kunst an sich, natür­lich die Politik, natür­lich die Liebe, die Religion, Karrieren, die Verbindungen zwi­schen allem. Selten bin ich einem Film, in dem so aus­gie­big gere­det wird, so gespannt und ger­ne gefolgt. Ein Film wie ein Fluss, die Bewegungen wäh­rend der Begegnungen schei­nen durch die Dialoge vor­an­ge­trie­ben zu wer­den, und Sinan ist stän­dig unter­wegs (nur als er Hatice trifft, kehrt Ruhe ein). So durch­que­ren wäh­rend eines ange­reg­ten Diskurses mit zwei sehr unter­schied­lich ein­ge­stell­ten Imamen die drei Männer das gesam­te Dorf bis hin­aus in die Landschaft. Aber, was bringt das Reden? Schwer zu sagen, aber klar ist, es ist essen­zi­ell und unent­behr­lich, aber auch das wie ist wich­tig. Sinans Mutter Asuman ist mehr als ein­mal ver­zwei­felt, weil der Vater, ein char­mant-sym­pa­thi­scher, einst ange­se­he­ner Grundschullehrer, durch sei­ne Spielsucht die Familie in den Ruin treibt. Aber sie bereue nicht, ihn gehei­ra­tet zu haben, sagt sie. Alle ande­ren spra­chen immer von Geld, er hin­ge­gen von der Natur, von den Farben, und er sprach so schön, so wie er es heu­te noch tut.

»… ein wun­der­schön viel­schich­ti­ger Film …« programmkino.de

 

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Credits:

Ahlat Agaci
Türkei 2018, 188 Min., türk. OmU
Regie: Nuri Bilge Ceylan
Schnitt: Nuri Bilge Ceylan
Kamera: Gökhan Tiryaki 
mit: Aydin Doğu Demirkol, Murat Cemcir, Bennu Yıldırımlar, Hazar Ergüçlü

Termine:

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Trailer:

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Die Kordillere der Träume

Ein Film von Patricio Guzmán.

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Patrizio Guzman ist mit sei­nen Filmen schon lan­ge ein gern gese­he­ner Gast in unse­rem Kino.

DIE KORDILLERE DER TRÄUME nun ist der letz­te Teil sei­ner Trilogie über sein Heimatland Chile.

Nach der Betrachtung des Meeres (DER PERLMUTTKNOPF) und der Atacama-Wüste (NOSTALGHIA DE LA LUZ) nimmt er dies­mal die Anden-Bergkette (Kordillere) zum Ausgangspunkt. Sie begrenzt das Land östlich,zieht sich von der Grenze zu Peru im Norden bis nach Feuerland im äußers­ten Süden und nimmt 80% sei­ner Gesamtfläche ein.

Mit impo­san­ten Bildern geht der Regisseur in sei­nem per­sön­lichs­ten Film zurück bis zu den Ruinen des Hauses sei­ner Kindheit, und zeigt die Natur als Sinnbild der poli­ti­schen Geschichte von revo­lu­tio­nä­rer Utopie, faschis­ti­scher Diktatur und neo­li­be­ra­lem Raubbau an der Gesellschaft.

Patricio Guzmán führt uns, beglei­tet und gelei­tet von sei­ner sanf­ten Stimme und einem per­sön­li­chen Text, sowohl hin zu poli­ti­schen Fragen und öko­no­mi­schen Realitäten des Landes als auch hin­ein ins künst­le­ri­sche Verarbeiten und ins Bildermachen. Sein Film ist ein Werk der Bewusstmachung, eines, das nicht zuletzt die Frage nach dem Sinn der Bilder stellt in einer Zeit, in der alle, die ein Mobiltelefon besit­zen auch Filme machen kön­nen.“ trigon-film

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Credits:

CL 2019, 85 Min., span. OmU
Regie: Patricio Guzmán
Drehbuch Patricio Guzmán
Schnitt: Emmanuelle Joly
Musik: Miranda y Tobar
Kamera: Samuel Lahu 

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Trailer:

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Sunburned

Ein Film von Carolina Hellsgård.

[Credits] [Termine & Tickets] [Trailer]

Claire ver­bringt ihre Ferien mit ihrer nur unwe­sent­lich älte­ren Schwester und ihrer Mutter in Andalusien. Alle drei sind mit ihren eige­nen Problemen beschäf­tigt. Die Schwester Cleo ver­bringt ihre Zeit lie­ber mit ihrer Strandbekanntschaft und ihre Mutter scheint ihre pro­vi­so­risch über­deck­ten Probleme durch andau­ern­des Flirten zu kom­pen­sie­ren. Die Ferienanlage mit ihren Betonbauten, ihren bemüh­ten Animateuren und stän­di­gen Partys, stel­len eine gera­de­zu sur­rea­le Kulisse dar, eine Klangfarbe, die den gesam­ten Film begleitet.

Claire lernt bald den gleichaltrigenVerkäufer Amram ken­nen, der aus Afrika gekom­men ist, mit sei­ner Community am Strand lebt und sei­nen Geschäften nach­geht. Je tie­fer die­se Beziehung wird, umso kom­pli­zier­ter wird sie auch. Claires Emanzipationsgeschichte scheint nicht ohne Kollateralschäden aus­zu­kom­men. Und doch bleibt auch alles in einem schwe­ben­den Zustand.

Der Film stellt Spiegelungen, Projektionen und Grenzüberschreitungen häu­fig in den Mittelpunkt sei­ner Beobachtung. Diese Metaebene ver­leiht dem Film sogar eine unter­grün­di­ge Strenge, ganz im Kontrast zu dem äußer­lich locke­rem Geschehen. Er ver­fällt aber nicht in den Fehler, die Analogien zwi­schen Claires und Amams Situation nur auf­zu­zei­gen, son­dern unter­läuft sie sofort wie­der, indem er andau­ernd die Machtverhältnisse zwi­schen den bei­den betont: Ständig wird für die ein oder ande­re Gefälligkeit Geld bezahlt. Die Unterschiede bei­der Lebenssituationen wird so wie­der her­ge­stellt, auch wenn es hier und da Berührungspunkte zu geben scheint.

Das, was sich lang­sam zwi­schen Claire und Amram ent­wi­ckelt und das der Film sehr schön im Ungefähren, nicht genau­er Benannten belässt, ist der­ma­ßen von öko­no­mi­schen Zwängen und der scho­nungs­lo­sen Allgegenwart des Kapitalismus infi­ziert, dass stets Zweifel blei­ben, ob es Emotionen und Bindungen ver­schie­dens­ter Art wirk­lich gibt oder ob nicht am Ende doch alles auf Tausch- und Abhängigkeitsverhältnisse hin­aus­läuft.“ (Joachim Kurz)

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Credits:

Deutschland/Niederlande/Polen 2019, 92 Min.
Regie & Buch: Carolina Hellsgård
Kamera: Wojciech Staron
Schnitt: Ruth Schönegge
mit: Zita Geier, Gedion Odour Wekesa, Sabine Timoteo, Nicolais Borger, Flora Li Thiemann, Malik Blumenth

Trailer:

 

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Tokyo Story

[indie­ki­no Club]

Das Ende einer Ozu-Retrospektive ist immer ein per­sön­li­cher Verlust.” schrieb ein­mal Fritz Göttler, Filmredakteur der SZ.. – Wir stim­men dem zu, und weil die letz­te aus­führ­li­che Retro in Berlin schon über 6 Jahre her ist, steht jetzt als Trost einer sei­ner bes­ten, und wohl auch sein bekann­tes­ter Film zwei Wochen lang als Wiederaufführung auf unse­rem Programm : „Tokyo Monogatari – Reise nach Tokio,” eine behut­sa­me, in ruhi­gem Bildrhythmus ent­fal­te­te Studie über das Auseinanderleben einer Familie, über die Begegnung von Tradition und Moderne. Ein Elternpaar vom Lande besucht die erwach­se­nen Kinder in der Stadt, und sie sind nicht sehr will­kom­men. Man bemüht sich zwar um sie und strickt Programme, aber schon ein paar Tage spä­ter wer­den sie in ein Seebad abgeschoben.

Wer die­ses Meisterwerk der Filmkunst, oder Filme von Yazujiro OZU über­haupt noch nicht kennt, darf sich die Gelegenheit, den Film auf der Leinwand in der Originalfassung mit dt. Untertiteln zu sehen, nicht ent­ge­hen las­sen. Alle ande­ren kön­nen sich ihn zum zwei­ten oder drit­ten Mal anschau­en, ist er doch stil­prä­gend für vie­le ernst­zu­neh­men­de Filmemacher und ganz all­ge­mein weg­wei­send für vie­le Kinosozialisationen.”

Japan 1953, 136 Min.,
jap. OmU

R.: Yasujiro Ozu
B. : Y. Ozu, Kogo Noda

D.: Chishu Ryu,
Chieko Higashiyama, Setsuko Hara

schwei­zer Webseite

Isadoras Kinder

Ein Film von Damien Manivel.

[Credits] [Trailer]

Nach dem Unfalltod ihrer bei­den Kinder im April 1913 cho­reo­gra­fier­te die US-ame­ri­ka­ni­sche Tanzpionierin Isadora Duncan ein Solo mit dem Titel „Mutter”, in dem sie die­ses trau­ma­ti­sche Erlebnis in einem zar­ten Bewegungszauber zu exor­zie­ren versuchte.

Regisseur Damien Manivel war Tänzer, bevor er Filme mach­te. In „Isadoras Kinder”, sei­nem mitt­ler­wei­le vier­ten Spielfilm, ver­bin­det er das Schicksal und die­sen Solotanz von Isadora Duncan in drei Geschichten mit den Leben von vier ver­schie­de­nen Frauen im Frankreich von heute.

Es ist fast ein Wunder, wel­che Kraft aus die­ser schein­bar so klei­nen und schlich­ten Erzählung her­an­wächst und sich immer mehr in den fil­mi­schen Raum entfal­tet. In ruhi­gen Bildern, die auf prä­zi­se Weise Details wie Arme, Hände, Füße und das Gesicht in den Blick neh­men, stellt Manivel Körperarbeit und Alltag neben­einander. Der Tanz ver­än­dert den Blick auf Kinder, die auf einem Schulhof her­umrennen, oder auf eine Qigong-Gruppe.“ Esther Buss, Spiegel online

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Credits:

LES ENFANTS D’ISADORA
Frankreich, Korea 2019, 84 Min., frz.OmU
Regie: Damien Manivel
Kamera: Noé Bach
Schnitt: Dounia Sichov
mit: Agathe Bonitzer, Manon Carpentier, Marika Rizzi, Elsa Wolliaston

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Trailer:

ISADORAS KINDER, offi­zi­el­ler Trailer from eksys­tent dis­tri­bu­ti­on on Vimeo.

 

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Der nackte König – 18 Fragmente über Revolution

Ein Film von Andreas Hoessli. Termin folgt.

[Credits] [Termine] [Trailer]

Über die Verwandlung des Menschen in der Revolution, über Geheimdienstagenten und den Versuch, ein neu­es Lebensgefühl im Gedächtnis festzuhalten.

1979, Revolution im Iran. 1980, Revolution in Polen. Der Sturz des Schahs, des „Königs der Könige” im Iran, Massenstreiks und die Bewegung „Solidarnosc” in Polen. Was geschah in den Köpfen der jun­gen Frauen und Männer, die damals an den Revolutionen betei­ligt waren? Was ging in ihnen vor, als die Revolution nie­der­ge­schla­gen wur­de, oder – wie im Iran – eine reli­gi­ös-auto­ri­tä­re Elite die Macht über­nahm? Der Filmautor Andreas Hoessli leb­te damals als Forschungsstipendiat in Polen. Dort lern­te er den Reporter Ryszard Kapuscinski ken­nen, der von der Revolution im Iran berich­te­te. Kapuscinskis Aufzeichnungen sind Ausgangspunkt der Filmerzählung, in der der Filmautor auch die Berichte des pol­ni­schen Geheimdiensts über ihn selbst auf­greift – er ent­deckt dabei, dass er als Figurant unter dem Name „Hassan” für die gehei­men Dienste der Polnischen Volksrepublik ange­wor­ben wer­den sollte.
„Der nack­te König – 18 Fragmente über Revoution” wur­de am Dokumentarfilmfestival München 2019 mit dem Hauptpreis im inter­na­tio­na­len Wettbewerb aus­ge­zeich­net. Begründung der Jury: „We reco­gni­ze a pre­cise psy­cho­lo­gi­cal por­trait of a per­pe­tual­ly shat­te­ring world. As this essay moves across time, it tran­s­cends the power of record and docu­men­ta­ti­on alo­ne, to sur­vey the remains of revo­lu­ti­on, in con­ver­sa­ti­on with roman­ti­cism and limitation.”

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Credits:

CH/DE/PO 2019., 108 Min., Polnisch, Farsi, Englisch, Deutsch OmU, 
Buch und Regie: Andreas Hoessli
Schnitt: Lena Rem
Kamera: PeterZwierko

Termine:

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Trailer:

DnK – Der Nackte König_Trailer-DE from Mira Film on Vimeo.

 

Giraffe

Ein Film von Anna Sofie Hartmann.

Hier als „Video on demand”:

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Ein Tunnel soll gebaut wer­den, um Dänemark und Deutschland zu ver­bin­den; die Gegenwart macht sich in Richtung Zukunft auf, Veränderung liegt in der Luft. Die Ethnologin Dara doku­men­tiert die zum Abriss bestimm­ten Häuser. Der jun­ge Pole Lucek und sei­ne Kollegen berei­ten die kom­men­de Baustelle vor. Käthe arbei­tet auf der Fähre, bringt ste­tig Menschen mit ihren Geschichten und Waren hin und her. Birte und Leif ver­las­sen ihr über Generation ver­erb­tes Haus. Agnes‘ Leben spie­gelt sich in ihren Tagebucheinträgen, ihren Sammlerstücken und den Wänden ihres Hauses, das bald abge­ris­sen wird. Ein däni­scher Sommer: lan­ge Tage wer­den zu blau­en Nächten. Menschen begeg­nen sich, dann tren­nen sich ihre Wege wieder.

Raffiniert ver­steckt in einem Detail, könn­te die Erklärung für den Titel des Films auch unbe­merkt blei­ben. Augenscheinlich sind hin­ge­gen das behut­sa­me Vorgehen und der erho­be­ne Blickwinkel einer fik­ti­ven Geschichte, die − ver­wur­zelt im his­to­ri­schen Materialismus − eine euro­päi­sche Tunnelbaustelle, die Dänemark und Deutschland mit­ein­an­der ver­bin­den soll, dazu nutzt, die Erinnerung an ein Gebiet zu bewah­ren, das zum Verschwinden ver­ur­teilt ist. Dabei wer­den auch die sozia­len Beziehungen, die einer Ideologie des Fortschritts zum Opfer fal­len, untersucht.”
Antoine Thirion

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Credits:

DK/DE 2019, 87 Min.,  deutsch/englisch/dänisch/polnische OmU
Buch & Regie: Anna Sofie Hartmann 
Kamera: Jenny Lou Ziegel 
Schnitt: Sofie Steenberger
mit Lisa Loven Kongsli, Maren Eggert, Jakub Gierszał, Mariusz Feldman,

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Trailer: (vor­läu­fig)

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Sibyl

Ein Film von Justine Triet.

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SIBYL von Justine Triet war einer von gera­de­zu sen­sa­tio­nel­len vier (!) Filmen von Regisseurinnen, die 2019 in Cannes mit 17 ande­ren Werken um die Goldene Palme kon­kur­rier­ten (bei im Schnitt 1,14 Filmen von Frauen in 72 Jahren Wettbewerb). Er kommt jetzt als letz­tes Werk aus die­ser Reihe, nach PORTRAIT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN von Celine Sciamma und LITTLE JOE von Jessica Hausner (Mati Diobs ATLANTIQUE hat­te hier lei­der kei­nen Kinostart) auf unse­re Leinwand.

In Frankreich ist sie ein Star, in Deutschland noch eher unbe­kannt: Virginie Efira ver­kör­pert Sibyl, eine recht jun­ge, aber bereits geschie­de­ne Psychotherapeutin mit klei­ner Tochter, die genug hat von ihrem Beruf. Direkt nach ihrem Beschluss, sich mit vol­ler Kraft ihrer eigent­li­chen Leidenschaft, dem Schreiben, zu wid­men, ereilt sie sogleich eine ordent­li­che Blockade. Als Rettung erscheint Margot. Die ver­zwei­fel­te Frau setzt ihr hart­nä­ckig so lan­ge zu, bis es zu einer Therapiestunde kommt. Sie ist Schauspielerin, unglück­lich liiert mit Igor, dem bereits ver­ge­be­nen Filmpartner ihres aktu­el­len Films, und schwan­ger. Sibyl saugt ihre Geschichte als Inspiration gera­de­zu auf, und ver­liert immer mehr die Übersicht über ihre emo­tio­nel­le Beteiligung.

Beim Dreh direkt am Vulkan Stromboli, bei dem Sibyl ihre Patientin psy­cho­lo­gisch unter­stüt­zen soll, trifft sie auch noch auf Mika, Igors Lebensgefährtin. Die ist nicht weni­ger ist als die Regisseurin des Films, und wird von Sandra Hüller als unkon­ven­tio­nel­le Künstlerin, die der Arbeit auch per­sön­li­che Interessen unter­ord­net, ful­mi­nant gege­ben. Auch Mika will sie für sich ein­span­nen. Unter den viel­fäl­ti­gen Ansprüchen, die auf sie ein­pras­seln, droht Sibyls Leben voll­ends aus den Fugen zu geraten.

… In der Tat hat Triets drit­ter Spielfilm den Geist von Francois Ozon in sei­ner ver­spiel­tes­ten und aus­ge­las­sens­ten Form, leicht gekippt durch die sym­pa­thi­sche weib­li­che Perspektive der Regisseurin auf Frauen, die am Rande eines Nervenzusammenbruchs ste­hen und ohne Rücksicht auf Verluste wei­ter­ma­chen müs­sen. … Guy Lodge, Variety

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Credits:

FR 2019, 100 Min., frz. OmU
Regie : Justine Triet
Kamera: Simon Beaufils
Schnitt: Laurent Sénéchal
mit: Virginie Efira, Adèle Exarchopoulos, Gaspard Ulliel, Sandra Hüller

 

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Trailer:

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Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien

Ein Film von Bettina Böhler.

[Credits] [Tickets &Termine] [Trailer]

Welch eine Freude, wie­der ein­mal Christoph Schlingensief zuzu­hö­ren und zuzu­se­hen! Die gedank­li­che Schärfe, die schel­mi­sche Ironie und die poli­ti­sche Klarheit, mit der er in Bettina Böhlers Film über sich, sei­ne Kunst und sei­ne Filme spricht, las­sen den Ausnahmekünstler schmerz­lich ver­mis­sen, gleich­zei­tig aber auch quick­le­ben­dig auf der gro­ßen Leinwand auf­er­ste­hen. 2020 wäre Christoph Schlingensief 60 gewor­den. Bettina Böhler ist das gro­ße Kunststück gelun­gen, in nur zwei Stunden und aus­schließ­lich aus Archivmaterial ein Leben und ein Werk durch vir­tuo­sen Schnitt neu zu erzäh­len. Von Schlingensiefs ers­ten Super-8-Filmen bis zum Fluxus-Oratorium „Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“ umspannt ihr Film ein 40-jäh­ri­ges Schaffen und damit auch 40 Jahre (deutsch-)deutscher Geschichte, an der sich Schlingensief Zeit sei­nes Lebens radi­kal abge­ar­bei­tet hat. Meisterhaft mon­tiert Böhler Filmausschnitte und Privatvideos, Theatermitschnitte und viel bis­lang unver­öf­fent­lich­tes, neu digi­ta­li­sier­tes Material. Am Ende der Tour de Force bleibt die Frage: Wäre Schlingensiefs Kunst heu­te so noch denkbar?

Das Filmgespräch mit Bettina Böhler am 23.8. kann man hier anschauen.

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Credits:

DE 2020, 124 Min., 
Regie, Buch, Schnitt: Bettina Böhler
mit Christoph Schlingensief, Margit Carstensen, Irm Hermann, Alfred Edel, Udo Kier

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Trailer:

Schlingensief – In das Schweigen hin­ein­schrei­en | Offizieller Trailer HD | Jetzt im Kino