Wie Tausende andere junge Menschen aus Israel reist eine Gruppe quer durch Polen, um an authentischen Schauplätzen etwas über die Geschichte ihrer Vorfahren und derenystematische Vernichtung durch die deutschen NS-Besatzer zu erfahren. Dabei werden Frisch, Ido, Nitz und ihre Klassenkamerad*innen nicht nur von Zeitzeugen begleitet, sondern auch von Sehnsüchten und Sorgen, welche alle Teenager in diesem Alter umtreiben – die erste Liebe, die erste Enttäuschung, die erste Identitätssuche, die erste Fernreise ohne den kontrollierenden Blick der Eltern.
Das Coming-of-Age-Roadmovie zeigt einerseits eine Reise, die prototypisch für jene Mischung aus hochemotionaler Geschichtsstunde und Partytour ist, wie sie viele Jugendliche aus Israel erlebt haben, bevor sie in die Armee eingezogen wurden. Gleichzeitig schildert der Film ein filigranes Beziehungsdreieck, das von einer Überdosis an Impressionen und Hormonen kräftig durchgerüttelt wird. Der Film schafft es gekonnt, die Bustour weder als bloßes Erinnerungskultur-Theater zu diskreditieren noch sie pathetisch zu überhöhen. Vielmehr zeichnet er ein warmherziges, glaubwürdiges Panorama über das Erwachsenwerden und die Schwierigkeiten der Erinnerungskultur im 21. Jahrhundert – auch dank der herausragenden Leistungen der jungen Hauptdarsteller*innen, allen voran Neomi Harari als draufgängerische und gleichzeitig verletzliche Nitzan. [Rainer Mende]
Credits:
Ha’Mishlahat IL/PL/DE 2023, 101 Min., Polish, English, HebrewOmU Regie: Asaf Saban Kamera: Bogumił Godfrejów Schnitt: Michal Oppenheim mit: Neomi Harari, Yoav Bavly, Leib Lev Levin, Ezra Dagan, Alma Dishy u. a.
Der über 90-jährige Faruk wird zusehends zur Hauptfigur des Films, den seine Tochter über den drohenden Abriss seines Wohnblocks in Istanbul dreht. In der Hoffnung, den Abriss des Hauses, in dem er mehrere Jahrzehnte seines Lebens verbracht hat, noch abzuwenden, besucht Faruk regelmäßig Sitzungen der Gebäudeverwaltung. Während die Tochter ihren Vater filmt, beginnen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion zu verschwimmen. Gedreht an Originalschauplätzen, basierend auf wahren Begebenheiten und inspiriert von realen Personen, gibt Aslı Özges neuer Film Einblick in das Leben eines betagten Mannes in der lebhaften Metropole Istanbul. Im Vordergrund stehen dabei neben den Folgen von Gentrifizierung auch die Verstrickungen innerhalb einer komplexen Vater-Tochter-Beziehung.
Credits:
DE/TR/FR 2024, 97 Min., türkische OmU Regie: Aslı Özge Kamera: Emre Erkmen Schnitt: Andreas Samland, Aslı Özge mit: Faruk Özge, Derya Erkenci, Gönül Gezer, Nurdan Çakmak, Semih Arslanoğlu, Fikret Özge
Jafar Panahi dreht diesmal einen Film über ein Liebespaar, das mit gefälschten Pässen nach Frankreich flüchten will – in der Türkei. Doch wie schafft das der iranische Regisseur, der ein Arbeitsverbot hat und das Land nicht verlassen darf? Panahi hat sich in eine Provinz nahe der iranisch-türkischen Grenze zurückgezogen und gibt seinem Regieassistenten über eine höchst instabile Internetverbindung Anweisungen. Nachts treffen sie sich heimlich zur Übergabe der Festplatte mit dem neusten Drehmaterial. Aber Panahis Filme sind stets mehrdimensional. Wie schon zuvor verwebt er auch hier geschickt Fiktion und Wirklichkeit, denn auch das ländliche Dorf ist Schauplatz einer fiktiven Geschichte – über einen Regisseur, der den staatlichen Repressionen zum Trotz versucht, seine Arbeit als Filmemacher fortzusetzen. Obwohl er sich unauffällig verhält, um nicht identifiziert und den Behörden gemeldet zu werden, gerät er wegen eines vermeintlich geschossenen Fotos in Schwierigkeiten. Er soll ein Liebespaar abgelichtet haben, aber der junge Mann war nicht der Verlobte, dem das Mädchen versprochen ist. Schon bald steht das ganze Dorf Kopf.
Auch in «No Bears» sind Panahis autobiografische Erfahrungen und die Entstehungsbedingungen seines Werks ein zentrales Motiv. Er hat damit einen eindrucksvollen, wenn auch für ihn gefährlichen Weg gefunden, für die Freiheit des Kunstschaffens im Iran zu kämpfen. Darüber hinaus ist «No Bears» eine vielschichtige Parabel über den beklemmenden Stillstand einer Gesellschaft und die panische Ablehnung von Veränderung: in der Stadt unter dem Druck der Autoritäten, im Dorf in der Befangenheit des Aberglaubens. Wie macht man Kunst, um die Gesellschaft zum Wandel zu bewegen, wenn diese es nicht will? Zu dieser Frage kehrt «No Bears» immer wieder zurück und verzweifelt dabei leise an der Welt. Der Film gewann an den Filmfestspielen von Venedig den Spezialpreis der Jury, Jafar Panahi selbst wurde im Juli erneut inhaftiert und vor Kurzem auf Kaution wieder freigelassen.
Credits:
Khers nist IR 2022, 107 Min., farsi OmU Regie: Jafar Panahi Kamera: Amin Jafari Schnitt: Amir Etminan mit: Naser Hashemi, Jafar Panahi, Vahid Mobasheri, Mina Kavani
Schon von Berufs wegen kommt Souleyman (Abou Sangare) kaum zur Ruhe: Als Fahrradkurier rast er durch die Straßen von Paris, hetzt von Restaurants zu Empfängern, unerbittlich überwacht von der App seines Auftragsgebers. Jede Minute zählt, Zeit ist Geld, allzu viel bleibt am Ende der Woche ohnehin nicht übrig, denn Souleyman ist ein sans-papier, ein Migrant ohne Papiere, der deswegen keiner regulären Arbeit nachgehen kann.
So mietet er quasi das legale Konto eines Kameruners, der schon länger in Frankreich ist, der legal vor Ort ist und deswegen auch schon mal über „diese Afrikaner“ motzt, die immer wieder ihren Ruf als unzuverlässig zu bestätigen scheinen. Nur die Hälfte seines Verdienstes kann Souleyman behalten, zumindest ist das die Abmachung, aber dass daraus nichts wird, ahnt man schnell.
Dabei braucht Souleyman jeden Euro, manchen schickt er nach Hause, zu seiner Mutter, die teure Medikamente braucht, von denen er nicht weiß, ob sie sie bekommt. In Paris wiederum steht bald ein entscheidender Moment an, der über Souleymans Schicksal entscheiden könnte: Ein Termin beim Amt für Migration, wo der Mann aus Guinea eine wilde Geschichte auftischen will: Ein Mitglied der UFDG, der Union des forces démocratiques de Guinée behauptet Souleyman zu sein, eine der politischen Fraktionen seiner Heimat, er behauptet, politisch verfolgt zu sein und bittet daher um Asyl. Reine Phantasie ist diese Story, Souleyman lernt sie wie in der Schule auswendig, bekommt von einem Mittelsmann die passenden Papiere, einen Mitgliedsausweis der Partei und anderes besorgt – natürlich für Geld.
Während zu Hause in Guinea eine Frau auf ihn wartet, lebt Souleyman in Paris in einer Unterkunft für Asylsuchende, irgendwo am Rand der Stadt, weit weg vom Zentrum der Metropole, deren Dienstleistungsgewerbe ohne Migranten wie Souleyman nicht mehr funktionieren würde, in der sich besserstehende Franzosen aber eben so sehr über eine Veränderung des Stadtbildes beklagen dürften, wie Friedrich Merz und Co.
In einem früheren Film hatte der französische Autor und Regisseur Boris Lojkine den langen Weg von Westafrika nach Europa beschrieben, in „Souleymans Geschichte“ geht es nun um das Schicksal, das viele Migranten im Herzen Frankreichs erleben. Hauptdarsteller Abou Sangare stammt selbst aus Guinea, einer ehemaligen französischen Kolonie in Westafrika, spielt hier seine erste Rolle in einem Film, in die auch eigene Erlebnisse eingeflossen sind.
In jeder Szene ist Souleyman zu sehen, ganz nah bleibt die Kamera an ihm dran, folgt ihm, wenn er durch die Straßen fährt, Autos ausweicht, möglichst schnell seine Lieferungen erledigen will. Kontakt mit Kunden, mit weißen Franzosen, gibt es kaum, auch in den Restaurants werden Lieferanten wie Souleyman meist nicht gerne gesehen, müssen oft draußen warten, trotz der Kälte. Und immer droht die Gefahr, eine schlechte Bewertung zu bekommen, eine zerknitterte Tüte kann ausreichen, würde den Jobverlust bedeuten, die Probleme verschärfen.
Unterstützung erhält Souleyman von kaum jemanden, in der Unterkunft hat er einen Freund, für ein paar Momente tauscht man sich aus, herrscht so etwas wie Normalität, doch früh am nächsten Morgen geht die Hetze wieder los. Unerbittlich schildert Lojkine dieses Leben, das exemplarisch für das vieler Migranten steht, die irgendwie im Westen bleiben wollen, dem Staat nicht auf der Tasche liegen, von den Strukturen der Gig-Economy jedoch nur allzu gerne ausgenutzt werden.
Wer Lieferando oder Flink benutzt, wer seine Pakete von Amazon bekommt, mag nach diesem Film beim nächsten Mal vielleicht ein bisschen genauer hinschauen, wer denn da das Essen oder Anderes liefert. Meist sind das auch in Deutschland Menschen mit Migrationshintergrund, denn andere haben auf diese Jobs meist keine Lust. Ihr Schicksal stellt „Souleymans Geschichte“ in den Mittelpunkt, ihnen verleiht Boris Lojkines eindringlicher Film eine Stimme. Michael Meyns | programmkino.de
Eine sensible und sinnliche Verfilmung des Romans von Elisa Shua Dusapin, in der Roschdy Zem die Rolle eines einsamen Comiczeichners spielt, der in einem verschneiten südkoreanischen Badeort gestrandet ist. In Sokcho, einer kleinen Stadt am Meer in Südkorea, führt die 23-jährige Soo-Ha ein routiniertes Leben zwischen den Besuchen bei ihrer Mutter, einer Fischhändlerin, und der Beziehung zu ihrem Freund Jun-oh. Die Ankunft des Franzosen Yan Kerrand in der Pension, in der sie arbeitet, weckt Fragen über ihre eigene Identität. Während der Winter die Stadt betäubt, beobachten sie sich gegenseitig, prüfen sich und knüpfen eine zerbrechliche Verbindung.
Credits:
FR 2024, 105 Min., Französisch, Koreanisch, Englisch OmU Regie: Koya Kamura Kamera: Élodie Tahtane Schnitt: Antoine Flandre mit: Bella Kim & Roschdy Zem
Father Mother Sister Brother ist ein behutsam als Triptychon komponierter Spielfilm. Die drei Geschichten kreisen um die Beziehungen erwachsener Kinder zu ihren teils distanzierten Eltern und untereinander. Jedes der drei Kapitel spielt in der Gegenwart, jedes in einem anderen Land: FATHER ist im Nordosten der USA angesiedelt, MOTHER in Dublin und SISTERBROTHER in Paris. Es ist eine Reihe von Charakterstudien, ruhig, beobachtend und ohne Wertung – und zugleich eine Komödie, durchzogen von feinen Fäden der Melancholie.
Father Mother Sister Brother wurde bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.
„Mit „Father Mother Sister Brother“ folgt Jarmusch nun einem noch weit schlichteren Konzept – und fast scheint es so, als habe sich der Autorenfilmer zwischenzeitlich Inspiration von einem anderen Regisseur geholt: dem hierzulande noch immer übersehenen Hong-Sang soo („Right Now, Wrong Then“), der nur deshalb so unglaublich produktiv sein kann, weil er für seine Filme kaum mehr braucht als sein Stamm-Ensemble, Tisch und Stühle sowie einen Vorrat an Reiswein. Die meisterliche Observierung sozialer Awkwardness, vor allem aber die von Wiederholungen bestimmte episodische Struktur von „Father Mother Sister Brother“ erinnern unweigerlich an das unverwechselbare Dialogkino des Südkoreaners.” Filmstarts
Credits:
US,FR,IT,DE,IR 2025, 101 Min., Englisch OmU Regie: Jim Jarmuch Kamera: Frederick Elmes, Yorick Le Saux Schnitt: Affonso Gonçalves mit: Tom Waits, Adam Driver, Mayim Bialik, Charlotte Rampling, Cate Blanchett, Vicky Krieps, Sarah Greene, Indya Moore, Luka Sabbat, Françoise Lebrun
Rose und ihr älterer Bruder Sam haben eine enge Bindung. Als Sam der Vergewaltigung beschuldigt wird, soll Rose im Rahmen der Ermittlungen gegen ihn aussagen. Das stellt sowohl die Beziehung der beiden als auch Roses moralische Integrität auf die Probe. Regisseurin Sarah Miro Fischer erkundet in Schwesterherz eine innige Geschwisterbeziehung. Sie untersucht, inwiefern die Nähe zu einer Person den Blick auf die Realität verstellen kann und welche Ereignisse die Kraft haben, auch die engsten Bindungen zu zerstören. In ihrer Arbeit mit den Schauspieler*innen legt sie besonderen Wert auf körperlichen Ausdruck, um Geschichten auch jenseits des gesprochenen Worts erzählen zu können.
Credits:
DE/ES 2025, 96 Min., Deutsch, Englisch OmU Regie: Sarah Miro Fischer Kamera: Selma von Polheim Gravesen Schnitt: Elena Weihe mit: Marie Bloching, Anton Weil, Proschat Madani, Laura Balzer, Jane Chirwa
Masha, ein belarussisches Model, träumt von einer Karriere in China. Misha arbeitet in einer Minsker Leichhalle und erweckt die Toten in seinen Ölgemälden zum Leben. Die beiden Außenseiter fühlen sich auf ungewöhnliche Weise voneinander angezogen und streifen gemeinsam durch die warmen Sommernächte. Misha eröffnet Masha eine unbekannte Welt, die ihr Gefühl von Schönheit und Sterblichkeit auf die Probe stellt. WHITESNAIL ist die fragile Liebesgeschichte zweier Außenseiter, die erkennen, dass sie nicht alleine auf der Welt sind.
Ein alter Ginkgobaum im botanischen Garten in Marburg steht im Mittelpunkt dieses poetisch angehauchten filmischen Essays. Der Baum ist stiller Zeuge dreier Lebensgeschichten zu unterschiedlichen Zeiten. Im Jahr 1908 versucht die erste Studentin der Uni Marburg, Grete (Luna Wedler), mit ihrer Kamera verborgene Naturmuster zu entdecken. 1972 erfährt der Student Hannes (Enzo Brumm) durch die stille Begegnung mit einer Geranie eine innere Wandlung. Und 2020 reist ein Neurowissenschaftler (Tony Leung Chiu-wai) aus Hongkong an, um ein ungewöhnliches Experiment an und mit dem Ginkgobaum vorzunehmen. Sein Ziel: Tiefere Einblicke in die menschliche Seele zu erlangen.
In „Silent Friend“ ist es kein menschlicher Charakter, der die einzelnen Elemente miteinander verbindet. Es sind die Pflanzen und vor allem der majestätisch anmutende, fast 25 Meter hohe Ginkgobaum, der als Bindeglied der drei Episoden fungiert. Allein dieser Umstand macht „Silent Friend“ schon rein inhaltlich ungewöhnlich. Der Baum ist stummer Zeuge der Zeit, die unaufhörlich vorbeirinnt und der Leben, die sich vor ihm abspielen.
Überhaupt nimmt Ildikó Enyedi das „Silent“ im Filmtitel mehr als wörtlich. Der erste abendfüllende Film der ungarischen Regisseurin und Drehbuchautorin seit vier Jahren ist geprägt von Ruhe, Entschleunigung und einer andächtigen Aura. Sie erzählt langsam und besonnen. Ergänzend kommen, passend dazu, lange Einstellungen und Kamerafahrten sowie außergewöhnliche Blickwinkel und Perspektiven hinzu. Wenn Enyedi zwischen den Ästen hindurchfilmt, regelrecht in die Blätter hineinzoomt und verschiedener Pflanzen mal aus der Ferne, mal in Close-Ups zeigt, dann kommen wir der Natur (optisch) auf besondere Weise nah.
Die Kameraarbeit von Gergely Pálos und der gesamte visuelle Stil zählen ohnehin zu den großen Stärken. Das Besondere: Jede Episode ist in einem anderen Filmmaterial (16mm, 35mm, digital) gehalten und die Optiken der jeweiligen Zeitebenen variieren stark. So unterscheiden sich die Episoden nicht nur inhaltlich und thematisch, sondern ebenso in ihrer Wirkung und sorgfältig durchkomponierten Ästhetik.
Einige Gemeinsamkeiten zwischen den Figuren der lose miteinander verknüpften Einzelgeschichten gibt es allerdings durchaus. Sie alle, von Grete über den Studenten bis hin zum Neurowissenschaftler, stellen sich folgende Fragen: Was nehmen Pflanzen wahr? Und wie kann man mit ihnen in Kontakt treten bzw. kommunizieren? Die Kernfrage, die Enyedi antreibt, geht nochmals weiter und tiefer. Sie erforscht in „Silent Friend“ zuvorderst die Aspekte der (menschlichen) Verbundenheit mit der Natur und wie sich die Wechselwirkungen zwischen den Lebewesen genau manifestieren. Die Pflanze als beeindruckendes, sensitives Geschöpf, das dem Menschen Kraft und Halt geben kann – nach der Betrachtung von „Silent Friend“ hallt vor allem diese Botschaft lange nach.
Ebenso bleiben die überzeugenden darstellerischen Leistungen im Gedächtnis. Allen voran Luna Wedler im historischen Erzählstrang und Tony Leung Chiu-wai faszinieren mit feinfühligen, nuancierten Performances. Mit würdevoller Zurückhaltung agieren sie in ihren Rollen und lassen den Pflanzen Raum für Entfaltung und, im wahrsten Sinne, Wachstum. Björn Schneider | programmkino.de
Credits:
DE/HU/FR 2025, 147 Min., deutsch, englische OmU Regie: Ildikó Enyedi Kamera: Gergely Pálos Schnitt: Károly Szala mit: Tony Leung Chiu-wai, Luna Wedler, Enzo Brumm, Sylvester Groth, Martin Wuttke, Johannes Hegemann, Rainer Bock, Marlene Burow, Léa Seydoux
Ein einfacher Unfall, Gewinner der Goldenen Palme von Cannes, ist eine furchtlose Leistung des Filmemachers Jafar Panahi – zugleich hochpolitisch und zutiefst menschlich. Mit unerbittlicher Klarheit stellt der Film moralische Fragen nach Wahrheit und Ungewissheit, Rache und Gnade. Als der Automechaniker Vahid zufällig auf den Mann trifft, der ihn mutmaßlich im Gefängnis gefoltert hat, entführt er ihn, um Vergeltung zu üben. Doch der einzige Hinweis auf Eghbals Identität ist das unverkennbare Quietschen seiner Beinprothese. Auf der Suche nach Gewissheit wendet sich Vahid an einen zerstreuten Kreis anderer, inzwischen freigelassener Opfer. Doch je tiefer sie in ihre Vergangenheit eintauchen und je mehr ihre unterschiedlichen Weltanschauungen aufeinanderprallen, desto größer werden die Zweifel: Ist er es wirklich? Und was hieße Vergeltung überhaupt?
„Die Figuren des Films sind zwar fiktiv, doch die Geschichten, die sie erzählen, basieren auf realen Ereignissen, die von echten Gefangenen erlebt wurden. Echt ist auch die Vielfalt dieser Figuren und ihrer Reaktionen. Einige werden sehr gewalttätig und von Rachegelüsten getrieben. Andere wiederum versuchen, einen Schritt zurückzutreten und über langfristige Strategien nachzudenken. Einige waren stark politisiert – oder wurden es. Andere waren es überhaupt nicht und wurden fast zufällig verhaftet. Letzteres trifft auf Vahid, die Hauptfigur, zu: Er war ein Arbeiter, der einfach nur seinen Lohn einforderte. Das Regime macht keinen Unterschied zwischen diesen Menschen. Jede der anderen Figuren repräsentiert eine der vielen, mehr oder weniger fest organisierten Oppositionsgruppen. Diese Gruppen geraten oft aneinander, sogar hinter Gittern. Sie alle sind sich einig, dass sie das Regime ablehnen, aber darüber hinaus gehen die Meinungen auseinander. Seit dem Tod von Mahsa Amini und dem Aufkommen von „Frau, Leben, Freiheit” hat sich die Ablehnung des Regimes weit verbreitet. Oft wissen die Menschen jedoch nicht, womit sie es ersetzen sollen. Das sieht man heute deutlich: Zum Beispiel zeigen sich viele Frauen nun ohne Hidschab in der Öffentlichkeit. Eine solche Form des massiven zivilen Ungehorsams war vor wenigen Jahren noch undenkbar. Die Szenen im Film, die mit unverschleierten Schauspielerinnen auf der Straße gedreht wurden, spiegeln jedoch die heutige Realität wider. Es sind die iranischen Frauen, die diesen Wandel herbeigeführt haben.„ Jafar Panahi
Credits:
Yek tasadef sadeh یک تصادف ساده, IR/FR/LU 2025, 102 Min., farsi OmU Regie: Jafar Panahi Kamera: Amin Jafari Schnitt: Amir Etminan mit: Vahid Mobasseri, Maryam Afshari, Ebrahim Azizi, Hadis Pakbaten
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