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Im Prinzip Familie

Im Prinzip Familie

Ein Film von Daniel Abma. Ab 5.6. im fsk. Am 9.6. mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch.

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Der neue Film von Daniel Abma (Autobahn 2019, Nach Wriezen 2012) ist zeit­wei­se Mal ein rich­ti­ger „Tearjerker“, aber auch alle, die weit weg vom Wasser gebaut haben, dürf­ten sich gerührt füh­len.
In einem Haus am Ufer eines idyl­li­schen Sees arbei­ten drei Erzieher:innen im Schichtdienst in einer Wohngruppe mit fünf vor­pu­ber­tä­ren Jungen. Die Kinder nen­nen sie Herr Wagner, Frau Wagner und Herr Gerecke. Kochen, waschen, ein­kau­fen, die Kinder zum Schulbus und zu und Freizeitaktivitäten zu brin­gen, gehört eben­so zu ihrem Alltag, wie zuhö­ren, trös­ten, auf dem Sofa kuscheln, Filmabende und Gute-Nacht-Geschichten vor­le­sen. Die Betreuer:innen wol­len kei­ne Ersatzeltern sein, und den­noch zei­gen, wie sich ein fami­liä­res Miteinander anfüh­len kann.
Alle Kinder, die hier leben, ver­eint vor allem eines: der Wunsch eines Tages nach Hause zurück­zu­keh­ren. Dafür set­zen sich die Erzieher:innen uner­müd­lich ein: sie spre­chen mit Vormund, Eltern und Jugendamt, doku­men­tie­ren, orga­ni­sie­ren, set­zen gemein­sam Ziele und tref­fen Verabredungen – und wer­den häu­fig ent­täuscht, weil die­se nicht ein­ge­hal­ten wer­den. Das erin­nert an einen Kampf gegen Windmühlen, an den Grenzen eines über­for­der­ten Systems.
„Im Prinzip Familie gelingt damit, was nur den bes­ten Dokumentarfilmen gelingt: allein durch inten­si­ves Hinschauen Vorurteile abzu­bau­en und neue Perspektiven zu eröff­nen. Er zeigt (zwischen)menschliche Höhen und Tiefen, die schö­nen und die schwie­ri­gen Momenten zwi­schen Sozialarbeiter*innen und Kindern, Konflikte und Versöhnung, schickt sein Publikum auf eine emo­tio­na­le Achterbahnfahrt aus Freude, Wut, Verständnis und Mitgefühl. Und ver­mit­telt dabei ein­drück­lich und auf­dring­lich, wie kom­plex Menschen und ihre Probleme sind.“ Christian Neffe | kino-zeit

Credits:

DE 2024, 91 Min., dt. OmeU
Regie: Daniel Abma

Kamera: Johannes Praus
Schnitt: Jana Dugnus 

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Das Fest geht weiter!

Ein Film von Robert Guédiguian. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]


Nach einem Ausflug ins afri­ka­ni­sche Mali kehrt der fran­zö­si­sche Regisseur Robert Guédiguian für Das Fest geht wei­ter in sei­ne Heimat Marseille zurück, der Stadt in der er einen Großteil sei­ner Filme insze­niert hat, deren Menschen und Macken er kennt und por­trä­tiert wie kein Zweiter. Fast doku­men­ta­risch mutet sein Blick daher an, sozia­lis­tisch und huma­nis­tisch, wenn­gleich auch zuneh­mend skeptisch.Am 5. November 2018 stürz­ten in Marseille zwei Gebäude ein, acht Menschen kamen unter den Trümmern ums Leben. Schauplatz war das Viertel Noailles, unweit des Hafens gele­gen, dort wo das tra­di­tio­nel­le Marseille noch deut­li­cher zu spü­ren ist, als in den schi­cke­ren, moder­ne­ren Vierteln. …
Mit Bildern der ein­ge­stürz­ten Häuser beginnt Das Fest geht wei­ter und ver­or­tet sich dadurch kon­kret in Raum und Zeit, auch wenn sich im Folgenden die Geschichte um fik­ti­ve Figuren ent­wi­ckelt. Die wer­den aller­dings von Schauspielern ver­kör­pert, die schon oft in den Filmen von Robert Guédiguian zu sehen waren, die dadurch fast eben­so wie Einwohner von Marseille wir­ken, wie der Autor und Regisseur selbst zu einer Art Chronist sei­ner Heimatstadt gewor­den ist.
Hauptfigur ist Rosa, Witwe, Mutter von zwei schon erwach­se­nen Söhnen. Als Krankenschwester arbei­tet sie, bald will sie in den Ruhestand gehen, was für eine umtrie­bi­ge, sozi­al enga­gier­te Person wie sie es ist, kaum denk­bar erscheint. Nicht nur im Krankenhaus, auch im Privaten küm­mert sich Rosa eher um ande­re Menschen als um sich selbst … . Aus die­sem Grund kan­di­diert die umtrie­bi­ge Rosa auch bei den bald anste­hen­den Kommunalwahlen, ange­sichts ihrer Beliebtheit im Viertel steht ihrem Einzug in den Stadtrad nichts ent­ge­gen. Doch dann lernt Rosa Alice Vater Henri ken­nen, der gera­de sein klei­nes Buchgeschäft auf­ge­ge­ben hat und sich nun end­gül­tig aus­schließ­lich den schö­nen Dingen des Lebens wid­men möch­te. Zum ers­ten Mal seit sehr lan­ger Zeit spürt Rosa das Bedürfnis, sich mehr um sich selbst zu küm­mern.
Auf dem Papier könn­te man Das Fest geht wei­ter für eine leich­te, harm­lo­se roman­ti­sche Komödie hal­ten, in der ein älte­res Paar ein spä­tes Glück erlebt. Doch auch wenn Robert Guédiguian nicht mit Bildern glei­ßen­der Sonnenuntergänge spart, in denen Marseille traum­haft schön wirkt, hat sein Film auch eine ande­re Ebene. Als aus­ge­wie­se­ner Sozialist hat der inzwi­schen 71jährige Regisseur immer wie­der die Notwendigkeit und Bedeutung von per­sön­li­chem Engagement the­ma­ti­siert, vom gesell­schaft­li­chen Miteinander, von Bürgerinitiativen und leb­haf­ten, laut­star­ken Protesten.“ Michael Meyns

Credits:

Et la fête con­ti­nue ! 
FR/IT 2023, 106 Min., frz. OmU
Regie: Robert Guédiguian
Kamera: Pierre Milon
Schnitt: Bernard Sasia
mit: Ariane Ascaride, Jean-Pierre Darroussin, Gérard Meylan, Lola Naymark, Grégoire Leprince-Ringuet, Robinson Stévenin.

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Caught by the Tides

Caught by the Tides

Ein Film von Jia Zhang-Ke.

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Caught by the tides ist Jia Zhangkes expe­ri­men­tells­ter Film und einer sei­ner bes­ten. Einerseits ist der Film eine Art Coda, eine Wiederholung oder eine Variation von Asche ist rei­nes Weiss (2019). Caught by the tides beginnt, wie der älte­re Film, 2001 in Datong. In bei­den Filmen sind die Hauptfiguren die Tänzerin Qiaoqiao (Tao Zhao) und der Gangster Guo Bin, der aller­dings in Asche von Fan Liao, in Caught by the tides von Zhubin Li gespielt wird. In bei­den Filmen sind sie ein Paar, dann wer­den sie getrennt, und sie sucht ihn eini­ge Jahre spä­ter. Die Parallelen gehen noch wei­ter, aber Asche ist rei­nes Weiss war noch eine Art Neo-Noir, in Caught by the tides ist die Liebesbeziehung aufs extrems­te redu­ziert. Qiao und Bin reden nicht ein ein­zi­ges Mal mit­ein­an­der. Erst in der aller­letz­ten Szene spricht Qiao ein Wort: „Ha!“. Ihre Beziehung im Film besteht nur aus Gesten.
Dafür ist die rei­ne fil­mi­sche Wucht von Caught by the tides noch grö­ßer. Es gibt drei Episoden: 2001 in der Bergarbeiterstadt Datong in Nordchina, 2006 in Fengjie, einer Stadt im Einzugsgebiet des monu­men­ta­len „Drei Schluchten“-Staudamms, die kom­plett umge­sie­delt wur­de, und 2022 in Zhuhai, Südchina und wie­der zurück in Datong, das sich gewal­tig ver­än­dert hat.
Die „drif­ting gene­ra­ti­on“ nennt Jia die Generation sei­ner Hauptfiguren. In den ers­ten zwan­zig Jahren des Jahrhunderts fand in China ein gewal­ti­ger Wandel statt. In Jias Film spie­gelt sich die­ser Wandel. Caught by the tides ist ein Film, der Treibgut sam­melt, Überreste unter­ge­gan­ge­ner Welten und über Bord gewor­fe­ner Traditionen der Gemeinschaft. Der Film ist aber auch eine Feier des wider­stän­di­gen Unkrauts, der Menschen, die ziel­los durch die­se Welt trei­ben. Einige gehen ver­lo­ren, vie­le Abschiede wer­den genom­men, eini­gen gelingt es, eine neue Art von Gemeinschaft zu fin­den, und sei es, wie Qiaoqiao, in einer Laufgruppe, die sich die Stadt und die Straßen auf ihre Art zu eigen macht.“
Tom Dorow | indiekino

Credits:

Feng liu yi dai
CN 2024, 110 Min., chin. OmU
Regie: Jia Zhang-Ke
Kamera:
Yu Lik-Wai, Eric Gautier
Schnitt: Yang Chao, Lin Xudong, Matthieu Laclau
mit: Zhao Tao, Li Zhubin, Pan Jianlin, Lan Zhou

Trailer:
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Oslo Stories: Sehnsucht

Ein Film von Dag Johan Haugerud.

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Am stärks­ten im Fokus steht das freund­li­che Verwischen von Grenzen zwi­schen den Identitäten und Orientierungen im Film Sehnsucht / Sex. Es ist zugleich der lus­tigs­te Teil der Trilogie. Der Film star­tet mit Aufnahmen vom Osloer Umland: Auffahrtstraßen, Industriegebiet, im Gemeindeschwimmbad zie­hen Menschen ihre Bahnen. Dann beginnt ein namen­lo­ser Mann , Schornsteinfeger, Familienvater, Mitte vier­zig, von sei­nem ver­wir­ren­den Traum zu erzäh­len – ein­fach so, beim Mittagessen im Pausenraum.
David Bowie und er, erzählt der Mann, sei­en sich in sei­nem Traum in einer Toilette begeg­net, und Bowie hät­te ihn gemus­tert, als wäre er, der Schornsteinfeger, eine Frau. Die Blicke sei­en nicht abwer­tend gewe­sen, ein­fach nur anders. Nein, eigent­lich sogar ange­nehm.
Sein bes­ter Freund, eben­falls Schornsteinfeger, Familienvater, Mitte vier­zig, hört ihm auf­merk­sam und ver­ständ­nis­voll zu. Dann erzählt er, wie ihm jüngst ein Klient nach geta­ner Arbeit Zeichen gege­ben habe, an ihm inter­es­siert zu sein. Erst habe er gezö­gert, dann hät­ten sie Sex gehabt. »Wie er mich ange­se­hen hat, das habe ich noch nie erlebt«, sagt der Freund. »Als hät­te er Lust auf mich. Regelrecht scham­los.«
Später erzählt der Freund auch sei­ner Ehefrau von dem Sex. Sein Argument: Gerade weil es mit einem Mann gewe­sen sei und er ganz offen dar­über spre­che, habe er sie nicht betro­gen. Doch das sieht die Ehefrau ganz anders….“
Hannah Pilarczyk | Der Spiegel
Und natür­lich besteht auch hier viel Gesprächsbedarf.

Credits:

OT: Sex
DE 2023, 90 Min., norw. OmU
Regie: Dag Johan Haugerud
Kamera: Cecilie Semec
Schnitt: Jens Christian Fodstad
mit: Jan Gunnar Røise, Thorbjørn Harr, Siri Forberg, Birgitte Larsen

Trailer:
Sex Trailer | OIFF 2024
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Oslo Stories: Träume

Ein Film von Dag Johan Haugerud.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Nach Oslo-Stories: Liebe, die­sem Filmjuwel, dass sich bis­her viel zu vie­le haben ent­ge­hen las­sen, kommt hier schon der nächs­te Teil von Dag Johan Haugeruds Oslo-Trilogie ins Kino, und er bringt wert­vol­les Gepäck mit – den Goldenen Bären der letz­ten Berlinale. Die Tradition des Festivals, expli­zit poli­tisch zu lesen­de Filme aus­zu­zeich­nen, wur­de dies­mal unter­bro­chen. Träume ist des­we­gen nicht min­der auf­re­gend.
Die 17-jäh­ri­ge Johanne ver­liebt sich Hals über Kopf in ihre neue Lehrerin. Im spä­te­ren Verlangen, die­se wich­ti­ge Zeit für sich fest­zu­hal­ten, ver­packt sie die Erlebnisse in eine Erzählung. Als erst ihre Mutter, und spä­ter auch ihre Großmutter, eine bekann­te Dichterin, den Text lesen, ist die Aufregung groß. Bewunderung und Stolz, Sorge und sogar Konkurrenzangst wech­seln sich ab, und zwi­schen den Frauen drei­er Generationen gibt es viel Gesprächsbedarf.
Träume ist einer­seits ein sehr ein­fa­cher Film, der eine klei­ne Geschichte ohne dra­ma­ti­sche Wendungen erzählt. Andererseits ist Träume ein sehr kom­ple­xer Film, der auf meh­re­ren klug ver­schach­tel­ten Ebenen dar­über nach­denkt, wie Texte, die Realität, die sie beschrei­ben, und die Menschen, die sie ver­fas­sen oder rezi­pie­ren, mit­ein­an­der ver­bun­den sind, und wie ihre Bedeutungen einer per­ma­nen­ten Veränderung unter­wor­fen sind – je nach­dem wer was wann war­um wo sagt oder hört, oder auch ver­schweigt. Und schließ­lich ist Träume ein sehr freund­li­cher, tröst­li­cher Film, der von Wandelbarkeit erzählt. Wo die meis­ten Filme ver­su­chen, eine mehr­deu­ti­ge und unor­dent­li­che Realität in eine sinn­haf­te Geschichte zu ver­wan­deln, unter­nimmt Träume das Gegenteil. Jede Szene, jede Person, jede Form des Diskurses fügt der Welt, die Träume abbil­det, eine neue Facette hin­zu, macht sie grö­ßer, offe­ner, viel­fäl­ti­ger. Für mich hät­te Träume ein­fach immer wei­ter gehen kön­nen.“ Hendrike Bake | indiekino

Die drei „Oslo-Stories“ bil­den eine ein­zig­ar­ti­ge Filmtrilogie. Liebe (Venedig Wettbewerb 2024), Träume (Berlinale Goldener Bär 2025) und Sehnsucht / Sex (Berlinale Panorama 2024) sind drei jeweils eigen­stän­di­ge Filme mit neu­en Figuren und einer unab­hän­gi­gen Geschichte, und jeder ist ein Ereignis. Getrennt von­ein­an­der wer­fen sie jeweils einen neu­en Blick auf die Dinge, die unser Leben bestim­men. Erzählen von Liebe, Sehnsucht und Träumen, hin­ter­fra­gen Identität, Gender und Sexualität, ent­wer­fen mit fas­zi­nie­ren­den Charakteren und klu­gen Dialogen gewitzt und nah­bar Utopien, wie wir auch zusam­men­le­ben könn­ten. Und Oslo sehen wir aus der Perspektive der Protagonisten: inner­städ­tisch bei Träume, hoch auf den Dächern bei Sehnsucht / Sex und in Liebe wird stän­dig der Oslofjord mit der Fähre überquert.

Goldener Bär – Berlinale 2025

Credits:

NO 2024, 110 Min., nor­we­gi­sche OmU
Regie: Dag Johan Haugerud

Kamera: Cecilie Semec
Schnitt: Jens Christian Fodstad
mit: Ella Øverbye, Selome Emnetu, Ane Dahl Torp, Anne Marit Jacobsen

Trailer:
DREAMS (SEX LOVE) International Trailer

Im Kino mit deut­schen Untertiteln.

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