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Zum Tod meiner Mutter

Ein Film von Jessica Krummacher.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Einfach Sterben ist es nicht. Es ist nicht ein­fach zu ster­ben.
Julianes Mutter ist erst 64 Jahre alt. Sie ist schwer krank und lebt in einem Pflegeheim. Jetzt will sie ster­ben und hört auf zu essen und zu trin­ken. Juliane beglei­tet ihre Mutter dabei. Freunde und Bekannte kom­men zu Besuch. Sie neh­men Abschied. Juliane auch, ganz lang­sam. Das Sterben dau­ert, dabei ist es recht fried­lich, manch­mal pro­vo­zie­rend. Der Ausgang steht bereits fest. Ihre Mutter wird bald nicht mehr da sein, wäh­rend Julianes Leben wei­ter­geht. Sie möch­te ihrer Mutter hel­fen und doch weiß sie, dass sie ihr das Sterben nicht abneh­men kann. Aus Tagen wer­den Wochen. Tochter und Mutter sind sich unend­lich nah, kör­per­lich und geis­tig. Bis etwas sie trennt: der ersehn­te Tod.
Jessica Krummacher erzählt in ihrem zwei­ten Spielfilm vom Sterben, so wie es sich in der Realität ver­hält. Vom Loslassen eines gelieb­ten Menschen. Bis am Ende alles still ist.

Womöglich hat sich noch kein Film so inten­siv und umfas­send mit dem Ableben befasst wie Zum Tod mei­ner Mutter. Mit sei­ner Unfassbarkeit und Alltäglichkeit. Mit der Nähe und Intimität, aber auch dem Befremden, das ein­setzt, wenn ein Mensch, der schon immer da war, weni­ger wird, sich auf­löst und bald ver­schwun­den sein wird. Aber auch mit der Unmöglichkeit, das Sterben zu tei­len, selbst wenn man bis zur Erschöpfung an der Seite ist und dabei in eine ganz eige­ne Daseinsform abdrif­tet. „Es ist unmög­lich, in dein Leid ein­zu­drin­gen“, sagt Juliane ein­mal.
Zum Tod mei­ner Mutter ist aber nicht nur ein Film, der zwei Körper in ihrem Zusammenspiel betrach­tet. Er unter­nimmt auch eine sprach­li­che Annäherung an den Tod. Immer wie­der wird er in Worten umkreist, wird nach einem Ausdruck gesucht, um zu beschrei­ben, was pas­siert und doch nie ganz zu fas­sen ist.“ Esther Buss | Filmdienst
Am Sonntag, 12.6. ist Jessica Krummacher bei uns zu Gast, um über ihren Film zu sprechen.

Credits:

DE 2022, 135 Min., OmenglU,
Buch & Regie: Jessica Krummacher
Kamera: Gerald Kerkletz,
Schnitt: Anne Fabini,
mit: Birte Schnöink, Elsie de Brauw, Christian Löber, Gina Haller, Nicole Johannhanwahr, Thomas Wehling, Susanne Bredehöft u. a.

Trailer:
Zum Tod mei­ner Mutter (offi­zi­el­ler Trailer)
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Axiom

Ein Film von Jöns Jönsson.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Julius ist ein rede­ge­wand­ter jun­ger Museumswärter, der sich all­seits gro­ßer Beliebtheit erfreut. Eines Tages lädt er sei­ne Kolleg*innen zu einem Segeltörn auf dem Boot sei­ner ade­li­gen Familie ein. Die Stimmung kippt. Julius ist nicht der, der er zu sein vor­gibt.
Moritz von Treuenfels ist die per­fek­te Besetzung für die Rolle des char­man­ten jun­gen Mannes, dem man zunächst ger­ne folgt, bevor einem unver­se­hens immer unwoh­ler wird. Denn Julius’ dyna­mi­sche Haltung zum Leben bringt aller­hand Widersprüche mit sich. In sei­nem fein­sin­nig geschrie­be­nen und insze­nier­ten Film über Identität und Sozialverhalten setzt Jöns Jönsson die Idee vom „Fake it till you make it“ der Zerreißprobe aus. Julius beein­druckt mit Weltgewandtheit und Eloquenz, er ver­kör­pert das moder­ne Ideal eines Menschen, der sich selbst stän­dig neu erfin­det. Doch sei­ne Verhaltensmuster ste­hen in Konflikt mit gesell­schaft­li­chen Regeln. Mit einer Flexibilität, ähn­lich der des Protagonisten, erkun­det Axiom die­sen ver­stö­ren­den Widerspruch – ein fas­zi­nie­ren­der Film, der Herz und Verstand erschüt­tert.
„Auf die Idee zu AXIOM kam ich durch eine kur­ze Anekdote, die mir ein Freund vor vie­len Jahren erzählt hat. Ein Bekannter von ihm hat­te einen neu­en Kollegen, der immer etwas Interessantes zu sagen hat­te. Ein cha­ris­ma­ti­scher, sym­pa­thi­scher Typ, mit dem man sich ger­ne befreun­de­te. Eines Tages hat er sei­ne Kolleg*innen zu einem Segelboot ein­ge­la­den, doch der Ausflug fand nie statt. Es hat dann noch etwas gedau­ert, bis sie her­aus­ge­fun­den haben, was mit dem Typen nicht stimm­te.
AXIOM ist ein Film über das Menschsein, wie ich es sehe, zusam­men­ge­fasst in dem Satz “Fake it till you make it”, der für mich sehr tref­fend unser aller Verhalten von der Geburt an cha­rak­te­ri­siert. Die Vorstellung solch einer Person, die auf wider­sprüch­li­che Weise so ver­bun­den mit ihrer Umwelt und doch so iso­liert von ihr ist, hat mich fas­zi­niert und zum Nachdenken bewegt. Dies brach­te mich schließ­lich an einen Punkt, an dem ich jede Art von “wah­rer Identität” voll­stän­dig in Frage stel­len muss­te, ganz im Sinne des Schriftstellers Luigi Pirandello, der vor­schlug, dass wir alle für jede neue Person, die wir tref­fen, eine neue Identität erfin­den.“
Jöns Jönsson

Credits:

DE 2021, 113 Min., dt. OmeU
Regie & Buch: Jöns Jönsson
Kamera: Johannes Louis
Schnitt: Stefan Oliveira-Pita
mit: Moritz von Treuenfels, Ricarda Seifried, Thomas Schubert, Zejhun Demirov, Sebastian Klein, Leo Meier, Ines Marie Westernströer

Trailer:
From: Cineuropa
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France

Ein Film von Bruno Dumont.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Wie wun­der­bar kann man sich über sie aus­tau­schen, was sie tun, wie sie es tun, wie sie sich prä­sen­tie­ren. Watching the Detektive: Die Belustigung oder der Aufreger über öffent­li­che Medienvertreter ist selbst schon zur eige­nen Unterhaltungsform gewor­den. Bruno Dumont ver­sucht sich an der Überdrehung die­ser Entertainment- schrau­be. Lea Seydoux spielt France, eine sehr pro­mi­nen­te Fernsehmoderatorin, die immer dahin geht, „wo es weh­tut“. Das ist wahl­wei­se eine Regierungskonferenz, ein Kriegsgebiet oder eine Seenotrettungsaktion. Immer mit­ten­drin, nah am Sujet, per­fekt in Szene gesetzt zeigt sie der Gemeinde, was die sehen will, Sensation, Aktion und Anteilnahme. Aber der Film geht wei­ter. France de Meure ist immer etwas zu schrill, zu uner­schro­cken, zu schnell, zu beliebt, dabei stets unter­stützt, oder auch getrie­ben, von ihrer, alles mit „geni­al“ kom­men­tie­ren­den Assistentin. Aber nicht alles ist per­fekt. Die Wohnung ist eine rie­si­ge Designer-Gruft, die Ehe nur noch ein lang­wei­li­ger Witz, und ein Unfall schafft es schließ­lich, sie völ­lig aus der Bahn zu wer­fen. Aber aus der Katastrophe erwächst ja immer auch eine neue Chance, sagt jeden­falls das „Positive Denken“.

Das Systemische, von dem die­se Satire zeugt, umfasst die Zuschauerschaften, die als Fans ins Bild tre­ten, eben­so wie die, die im Kino vor dem Film sit­zen. Weil er sich dabei angreif­bar macht, gerät Dumont womög­lich selbst unter die Räder. Das wäre nicht das Schlechteste für eine Farce, die davon erzählt, dass nie­mand über­le­gen ist.“
Frédéric Jaeger | critic.de

Credits:

FR 2021, 133 Min., frz. OmU
Regie: Bruno Dumont
Kamera: David Chambille
Schnitt: Nicolas Bier
Mit: Léa Seydoux, Blanche Garin, Benjamin Biolay, Emanuele Arioli, Gaëtan Amiel, Juliane Köhler, Jawad Zemar

Trailer:
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The United States of America

Ein Film von James Benning.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Wie schön, end­lich wie­der ein neu­er „Benning“.
Es beginnt mit „Heron Bay, Alabama“ und endet mit „Kelly, Wyoming“. dazwi­schen lie­gen wei­te­re 50 Einstellungen, beti­telt mit US-ame­ri­ka­ni­sche Bundesstaaten, ein­schließ­lich Puerto Rico und District of Columbia, die offi­zi­ell kei­ne sind.
Manche der, erwart­bar wun­der­bar kom­po­nier­ten, sta­ti­schen Einstellungen von Landschaft, Städten, Wegen und sons­ti­gen Orten wer­den unter­legt und ergänzt durch Erinnerungen, Songs, zwei poli­ti­schen Reden (u.a. Woody Guthrie, Martin Luther King, Dwight D. Eisenhower, Alicia Keys).
1975 fuhr Benning zusam­men mit Regisseurin Bette Gordon durch die USA, das durch die Windschutzscheibe gefilm­te Werk hieß „The United States of America“. Jetzt wird mit der Neuauflage glei­chen Namens das Bild aktua­li­siert.
„Nicht zuletzt war James Benning immer schon auch ein Spieler und Humorist. In die­sem Film beglückt er sei­ne Fans mit vie­len augen­zwin­kern­den Referenzen und Anspielungen auf frü­he­re Arbeiten. Der größ­ten Spaß, den er sich her­aus­nimmt, ist aber eine gewich­ti­ge Verschiebung im Verständnis des gesam­ten Films aus der Rückschau. Genaueres ver­ra­ten wer­den soll hier aus Spoiling-Gründen nicht. Aber bit­te blei­ben Sie auf­merk­sam bis zum Abspann! Es könn­te sein, dass Sie „The United States of America“ danach gleich ein zwei­tes Mal sehen wol­len.“
Silvia Hallensleben | Der Tagesspiegel

Credits:

USA 2022, 98 Min., eng­li­sche OV (kaum Dialog)
Regie: James Benning

Trailer:
The United States of America | Clip | Berlinale 2022
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Stand up my Beauty

ein Film von Heidi Specogna. Filmgespräch mit Heidi Specogna am So., 22.5.22

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Nardos Wude Tesfaw hat­te Glück. Sie ent­kam dem Schicksal, das gut ein Drittel der Mädchen in Äthiopien trifft und wur­de nicht schon als Kind ver­hei­ra­tet. Statt des­sen schaff­te sie es als Jugendliche, durch Schwerstarbeit auf eige­nen Füßen zu ste­hen und schließ­lich zu machen, was sie kann und und will: Musik. Nardos singt in einem Club in Addis Abeba in der Azmari-Tradition, eine Art gesun­ge­nes Gespräch, und tourt aber auch mit ihrer Band Ethiocolor durch die Welt (und trat z.B. beim Jazz-Fest in Moers auf). Die Sängerin ist wohl bekannt, kann sich und ihre zwei Kinder finan­zi­ell aller­dings gera­de so durch­brin­gen.
Ihr Traum ist es, eige­ne Lieder zu zu schrei­ben, und Texte, die von der Situation der Frauen im Land han­deln, zusam­men mit der Dichterin Gennet in Musik umzu­set­zen. Dazu fährt sie durchs Land und spricht mit vie­len Frauen und Mädchen, die Zwangsverheiratung ist dabei ein zen­tra­les Thema.
Heidi Specogna beglei­tet ihre Reisen fünf Jahre lang, wobei die Grundlage dafür, sagt die Regisseurin, das gegen­sei­ti­ge Vertrauen war, das sich wäh­rend ihrer Recherche auf­ge­bau­te.
Gleichzeitig hält der Film die rasan­ten Entwicklungen in der Mega-Stadt Addis-Abbeba wäh­rend die­ses Zeitraumes fest.
„… Specogna macht kei­ne Bilder über die Köpfe der Frauen hin­weg. Vielmehr unter­läuft sie kon­se­quent jede euro­zen­tri­sche Perspektive, indem die Musik von Nardos den Rhythmus bestimmt, die Bilder sich an Gennets Poesie anschmie­gen und die Montage das Individuell-Biografische ein­fühl­sam mit der gesell­schaft­li­chen Perspektive zu ver­bin­den weiß. „Stand Up My Beauty“ fächert sich auf, lässt Raum für Prozesse, nur um sie im nächs­ten Moment zu Zeitbildern zu ver­dich­ten.“
Sebastian Seidler | Film Bulletin

Credits:

DE/CH 2021, 110 Min., amha­rische OmU
Regie: Heidi Specogna

Kamera: Johann Feindt
Schnitt: Kaya Inan

Trailer:
STAND UP MY BEAUTY – Offizieller Trailer (OV/d)
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Der schlimmste Mensch der Welt

ein Film von Joachim Trier.

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Welchen Weg will ich beruf­lich ein­schla­gen? Was soll ich stu­die­ren? Wann ist die Phase des Ausprobierens abge­schlos­sen? Und wie sieht es mit Partnerschaft und Familienplanung aus? Fragen über Fragen beschäf­ti­gen in Der schlimms­te Mensch der Welt die fast 30-jäh­ri­ge Protagonistin Julie (Renate Reinsve), die, wie uns ein Schnelldurchlauf zu Beginn vor Augen führt, gleich meh­re­re Arbeitsfelder erforscht. Medizin, Psychologie und Fotografie ver­set­zen sie kurz­zei­tig in Begeisterung. Wirklich fest­le­gen kann sich die jun­ge Frau jedoch nicht, jobbt daher zunächst wei­ter in einer Buchhandlung und ist genervt, wenn sie in jedem zwei­ten Gespräch nach ihren Ambitionen gefragt wird. Die Auswahlmöglichkeiten mögen so groß wie nie zuvor sein. Gerade das hemmt aller­dings auch die Entscheidungsfreudigkeit. Zudem spürt sie stän­dig Druck von außen.
Thema sind die­se Dinge nicht zuletzt in ihrer Beziehung mit dem rund 15 Jahre älte­ren Comicautor Aksel (Anders Danielsen Lie), der im Gegensatz zu ihr mit sei­nen pro­vo­kan­ten Arbeiten einen erfolg­rei­chen Karriereweg beschrei­tet. Er selbst fühlt sich in einer Lebensphase ange­kom­men, in der es lang­sam Zeit wird für eine eige­ne Familie. Julie hin­ge­gen glaubt, dafür noch nicht bereit zu sein, möch­te vor­her ande­re Erfahrungen sam­meln und zwei­felt des­halb zuneh­mend an ihrer Partnerschaft.“ Christopher Diekhaus | programmkino.de
„All dies geschieht so sou­ve­rän und klug, so selbst­be­wusst und vol­ler Respekt für Julie und all die Menschen, dass es eine hel­le Freude ist, sich auf die­sen Film und die­ses chao­ti­sche Leben ein­zu­las­sen — was auch, aber nicht aus­schließ­lich an Renate Reinsve liegt, die in der Rolle der Julie eine der viel­leicht bes­ten Entdeckungen der letz­ten Zeit ist. Sie hält die Balance zwi­schen Schönheit und Verunsicherung, zwi­schen Tragik und Komik, Alltagsbanalität und onto­lo­gi­scher Sinnsuche in einem schwan­ken­den Gleichgewicht, wie man ihn auf die­se Weise und dar­über hin­aus als Generationsbeschreibung nur sel­ten im Kino gese­hen hat.“
Joachim Kurz | Kino-zeit

Credits:

VERDENS VERSTE MENNESKE
NO 2021, 128 Min., norw. OmU
Regie: Joachim Trier
Kamera: Kasper Tuxen

Schnitt: Olivier Bugge Coutté
Mit: Renate Reinsve, Anders Danielsen Lie, Herbert Nordrum

Trailer:
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A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe

ein Film von Nicolette Krebitz.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Vor einem Szenelokal in West-Berlin wird eine Schauspielerin über­fal­len. Ein jun­ger Mann rem­pelt sie an, ent­reißt ihr die Handtasche und läuft davon. Die Dame fällt auf die Knie und schaut dem Dieb hin­ter­her. Wenig spä­ter ste­hen sie ein­an­der wie­der gegen­über. Anna (Sophie Rois) und Adrian (Milan Herms). Dieses Mal ist sie sei­ne Lehrerin und soll ihn im Sprechen unter­rich­ten. Adrian ist ein Waisenkind und gilt als schwie­ri­ger Fall. Anna ist Schauspielerin, aber spie­len tut sie schon lan­ge nicht mehr. Beide ste­hen ein Stück neben dem Leben, einen Schritt außer­halb der Gesellschaft. Anna emp­fängt Adrian bei sich zuhau­se. Ihre Wohnung gehört Michel (Udo Kier), ihm gehört das gan­ze Haus. Er ist ihr größ­ter Fan. Bald wer­den die Unterrichtsstunden zu Abendessen, Spaziergängen und gemein­sam gerauch­ten Zigaretten. Und irgend­wann ver­su­chen sie es mit dem Rest der Welt auf­zu­neh­men. Angefeuert von­ein­an­der, aber ohne einen Pfennig, ver­las­sen sie die Stadt. Sie wol­len nach Frankreich, ans Meer…
„Der Ausgangspunkt die­ses Films war eigent­lich mein letz­ter Film. Ich woll­te da wei­ter­ma­chen, wo ich auf­ge­hört hat­te. In WILD hat mich die unmög­li­che Liebesgeschichte vor allem des­we­gen begeis­tert, weil sich die Hauptfigur in der Liebe zum Wolf nicht an Beziehungsbildern ori­en­tie­ren muss­te, die es schon gibt und an denen man ansons­ten nicht vor­bei­kommt.
Während Ania in WILD dafür mit ihrem alten Leben Schluss machen muss­te, ver­su­chen Anna und Adrian es in A E I O U mit der Wirklichkeit auf­zu­neh­men. Sie sind ein rich­ti­ges Paar und machen mehr oder weni­ger ganz nor­ma­le „Paarsachen“. Und trotz­dem sind sie anders als die ande­ren. Anna, weil sie sich gar nicht dar­um schert, irgend­ei­nem Frauenbild zu ent­spre­chen. Und Adrian, weil ihm alles egal ist, so wie er allen egal ist – bis er Anna trifft – und sei­ne Stimme fin­det.
Es ist also eine ganz ähn­li­che Ausgangsposition, wie in WILD, was die Aussichten betrifft, aber etwas sozia­ler und viel­leicht für den ein oder ande­ren freund­li­cher.“ Nicolette Krebitz über ihren Film

Credits:

DE/FR 2022, 104 Min., dt.OmeU
Regie: Nicolette Krebitz
Kamera: Reinhold Vorschneider
Schnitt: Bettina Böhler
mit: Sophie Rois, Udo Kier, Milan Herms, Nicolas Bridet

Trailer:
AEIOU — A Quick Alphabet of Love new clip offi­ci­al from Berlin Film Festival 2022 – 23
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Sun Children

ein Film von Majid Majidi.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Wer sich noch an Filme wie „Kinder des Himmels „Die Farben des Paradieses“ oder „Baran“ erin­nert, weiß, dass die Filme von Majid Majidi stets die Schicksale von Kindern in den Fokus stel­len. Auch sein neu­es Werk hat der ira­ni­sche Regisseur den „152 Millionen Kindern, die welt­weit zur Arbeit gezwun­gen wer­den, in Minen, auf Müllhalden oder in Sweatshops“ gewid­met. Es beginnt rasant, und sofort führt uns der Film die Klassenunterschiede in der Islamischen Republik vor die Augen, wenig sub­til, dafür umso ein­drück­li­cher. Vier Jungen müs­sen in der Tiefgarage einer Luxusmall Autoreifen aus­ge­wähl­ter teu­rer Modelle zwecks Weiterverwendung steh­len. Sie leben auf der Straße oder kom­men aus zer­rüt­te­ten Familien; die ille­ga­le Arbeit für die Autowerkstatt sichert ihr Überleben.
Für den neus­ten Auftrag, den der 12-jäh­ri­ge Ali, der schlaus­te Kopf der Truppe, vom Boss bekommt, muss sich das Quartett in einer Schule ein­schrei­ben. Die heißt „Sun School“ und ist ein schlecht aus­ge­stat­te­tes, spen­den basier­tes Projekt für Straßenkinder, das haupt­säch­lich durch das Engagement ein­zel­ner Lehrer auf­recht gehal­ten wer­den kann. Es könn­te die ein­zi­ge Chance auf ein bes­se­res Leben sein, aber die Jungs haben ande­re Pläne. Sie sol­len einen „Schatz“ heben, der unter dem Gelände ver­bor­gen liegt.
„Nach der Hälfte des Films hat­te ich das Gefühl, eine ziem­lich gute Vorstellung von der Richtung zu haben, in die es geht, aber das stimm­te nicht ganz; Majidi gräbt tie­fer. Dabei legt er eine unter­ir­di­sche Welt frei, in der es kei­ne ein­fa­chen Antworten und nur weni­ge Happy Ends gibt. Mit Energie und Herz, mit einer Tendenz zur Tragödie, arbei­tet sich „Sun Children“ durch den Schlamm und geht umso gestärk­ter dar­aus her­vor. Die Suche ist nur ein Ablenkungsmanöver, der wah­re Schatz ist der Film.“ Xan Brooks | The GuardianWer sich noch an Filme wie „Kinder des Himmels „Die Farben des Paradieses“ oder „Baran“ erin­nert, weiß, dass die Filme von Majid Majidi stets die Schicksale von Kindern in den Fokus stel­len. Auch sein neu­es Werk hat der ira­ni­sche Regisseur den „152 Millionen Kindern, die welt­weit zur Arbeit gezwun­gen wer­den, in Minen, auf Müllhalden oder in Sweatshops“ gewid­met. Es beginnt rasant, und sofort führt uns der Film die Klassenunterschiede in der Islamischen Republik vor die Augen, wenig sub­til, dafür umso ein­drück­li­cher. Vier Jungen müs­sen in der Tiefgarage einer Luxusmall Autoreifen aus­ge­wähl­ter teu­rer Modelle zwecks Weiterverwendung steh­len. Sie leben auf der Straße oder kom­men aus zer­rüt­te­ten Familien; die ille­ga­le Arbeit für die Autowerkstatt sichert ihr Überleben.
Für den neus­ten Auftrag, den der 12-jäh­ri­ge Ali, der schlaus­te Kopf der Truppe, vom Boss bekommt, muss sich das Quartett in einer Schule ein­schrei­ben. Die heißt „Sun School“ und ist ein schlecht aus­ge­stat­te­tes, spen­den basier­tes Projekt für Straßenkinder, das haupt­säch­lich durch das Engagement ein­zel­ner Lehrer auf­recht gehal­ten wer­den kann. Es könn­te die ein­zi­ge Chance auf ein bes­se­res Leben sein, aber die Jungs haben ande­re Pläne. Sie sol­len einen „Schatz“ heben, der unter dem Gelände ver­bor­gen liegt.
„Nach der Hälfte des Films hat­te ich das Gefühl, eine ziem­lich gute Vorstellung von der Richtung zu haben, in die es geht, aber das stimm­te nicht ganz; Majidi gräbt tie­fer. Dabei legt er eine unter­ir­di­sche Welt frei, in der es kei­ne ein­fa­chen Antworten und nur weni­ge Happy Ends gibt. Mit Energie und Herz, mit einer Tendenz zur Tragödie, arbei­tet sich „Sun Children“ durch den Schlamm und geht umso gestärk­ter dar­aus her­vor. Die Suche ist nur ein Ablenkungsmanöver, der wah­re Schatz ist der Film.“
Xan Brooks | The Guardian

Credits:

Khōrshīd
Iran 2020, 99 Min., far­si OmU
Regie: Majid Majidi
Drehbuch: Majid Majidi, Nima Javidi
Darsteller: Rouhollah Zamani, Ali Nasirian, Javad Ezzati, Tannaz Tabatabaie
Kamera: Hooman Behmanesh

Trailer:
Sun Children – Official US Trailer
Im Kino mit deut­schen Untertiteln
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Achtung Berlin 2022

Das Filmfestival Achtung Berlin!, bei dem wir mitt­ler­wei­le zum vier­ten Mal Spielort sind, prä­sen­tiert zwar Produktionen aus Berlin, ist aber nicht an den Ort gebun­den.
Wir begin­nen unse­re Auswahl z.B. auf Usedom, und sehen in ZWISCHENSAISON [Tickets] mit Regisseurin Tina Tripp vier Auszubildenden im Gastgewerbe, zwei Köchen, zwei Servicekräften, bis zur Prüfung über die Schultern. DE 2022, 105 Min., So. 24.4. 18:30
Dann kom­men wir nach Berlin, wo in Florian Hoffmanns Debut-Spielfilm STILLE POST [Tickets] ein Paar ver­zwei­felt ver­sucht, media­le Aufmerksamkeit für die Situation der Kurden in der Türkei und den Krieg gegen sie zu erlan­gen. DE 2021, 94 Min., So. 24.4. 21:00
Ein paar Schritte zurück, und wir sind in einem Bulgarischen Bergdorf. Hier por­trä­tiert Eliza Petkova in MAYOR, SHEPHERD, WIDOW, DRAGON [Tickets] eini­ge der noch ver­blie­be­nen Bewohner, außer­dem gibt es hier auch noch einen Drachen. DE BG 2020, 97 Min., Mo. 25.4. 18:30
Weiter west­lich in Wien bekommt die jun­ge und talen­tier­te fast-Architektin Eva einen begehr­ten Job bei einem Star-Architekten. In RISSE IM FUNDAMENT (Foto oben) [Tickets] erzäh­len Genia Leis und Gerald Sommerauer von ganz all­täg­li­chen Machtspielen und Zuschreibungen, zu denen Eva Position bezie­hen muss. DE 2022, 84 Min., Mo. 25.4. 21:00
In VOR ZEIT [Tickets] macht sich ein alter-Ego von Regisseurin Juliane Henrich in Polen auf die Suche nach Spuren der Vergangenheit und fin­det Hinweise auf Migrations- und Fluchtbewegungen, die auf die Gegenwart zie­len. DE 2021, 80 Min., Di. 26.4. 18:30
Rebeca Ofeks Spielfilm JESSY [Tickets] beruht auf einer eige­nen Erfahrung. Die 13-jäh­ri­ge Jessica lebt allein mit ihrer Mutter in Berlin, als ihr Vater nach 7 Jahren aus dem Knast zurück nach Hause kommt und nichts mehr ist, wie es war. DE 2021 79 Min., Di. 26.4. 21:00
Am Modell sei­ner ehe­ma­li­gen Schule in Brandenburg und der eige­nen Biografie zeigt Christian Bäucker in HEIMATKUNDE [Tickets] ein dif­fe­ren­zier­tes Bild des DDR-Schulsystems und spürt dem Einfluss ost­deut­scher Schulerziehung auf Schülerinnen und Schüler nach.
DE 2021, 89 Min., Mi. 27.4. 18:30
Das Anwerbeabkommen mit der Türkei 1961 brach­te mit den Menschen auch ihre Kultur nach Deutschland. Die Musik war die Verbindung zur „alten“ Heimat, die sich hier im Exil zu neu­en Formen und Verbindungen fand. Cem Kayas Dokumentarfilmessay LIEBE, D‑MARK UND TOD [Tickets], den wir zum Abschluss zei­gen, ist eine Nachhilfestunde in tür­kisch-deut­scher Zeitgeschichte. DE 2022, 96 Min., Mi. 27.4. 21:00
(Bitte beach­ten Sie die Epilepsiewarnung für die­sen Film!)

Sechs Tage unter Strom – Unterwegs in Barcelona

ein Film von Neus Ballús.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Valero (Valero Escolar), Moha (Mohamed Mellali) und Pep (Pep Sarrà) arbei­ten als Installateure in einem Handwerksbetrieb in Barcelona. Immer wenn die Kundschaft ein Problem hat, wer­den sie geru­fen und repa­rie­ren so ziem­lich alles was im Haushalt kaputt­ge­hen kann. Der Marokkaner Moha hat erst vor Kurzem mit dem Job begon­nen und ist noch in der Probezeit, Pep hin­ge­gen steht kurz vor der Rente. Das Miteinander der Drei, die eine Woche lang zusam­men­ar­bei­ten müs­sen, ist nicht immer ein­fach. Denn gera­de Moha muss so man­che Stichelei über sich erge­hen las­sen: von Seiten der Kunden aber vor allem von Valero, der ein Problem mit dem „Neuen“ und aller­lei Vorurteile gegen­über Ausländer zu haben scheint. Können sich die Installateure zusam­men­rau­fen und die Woche überstehen?

Die kata­la­ni­sche Drehbuchautorin und Regisseurin Neus Ballús wirft in ihrem drit­ten abend­fül­len­den Spielfilm einen hei­te­ren, iro­ni­schen Blick auf das von skur­ri­len Ereignissen gepräg­te (Arbeits-)Leben der drei Protagonisten. Authentizität und Glaubwürdigkeit sind ihr ein Anliegen und das erkennt man etwa an der Wahl ihrer Hauptdarsteller. Sie alle sind Laien-Schauspieler und zum Teil auch im ech­ten Leben Installateure bzw. Handwerker. Sie neh­men den Zuschauer mit in ihren Arbeitsalltag, der sie zu den Kunden nach Hause führt. Dort rei­ni­gen sie ver­stopf­te Rohre, mon­tie­ren Schaltungen, instal­lie­ren Überwachungskameras und brin­gen Klimaanlagen wie­der zum Laufen.

Hinter ver­schlos­se­ner Tür erhal­ten sie dar­über hin­aus Einblicke in die Lebensrealität und ‑wirk­lich­keit der unter­schied­lichs­ten Personen. Darunter eine Fotografin, ein Psychiater oder ein Rentner. Mit die­ser Mannigfaltigkeit spie­gelt der Film nicht zuletzt die Vielfalt jener Menschen wie­der, die in den engen Gassen und bun­ten Stadtteilen der kata­la­ni­schen Metropole Barcelona leben. Von (Überlebens-)Künstlern und mit­tel­lo­sen Studenten über Akademiker und Arbeitslose bis hin zum ein­fa­chen Arbeiter. Valero, Moha und Pep tau­chen in den Mikrokosmos ihrer Kunden ein – und mit ihnen der Kinobesucher.

Bei den Kunden kom­men es immer wie­der zu teils höchst bizar­ren, über­aus komi­schen Situationen, etwa wenn die Fotografin den schüch­ter­nen Moha als Model „zweck­ent­frem­det“. Oder bei einem argen­ti­ni­schen Paartherapeuten, der spon­tan eine Analyse der schwie­ri­gen Beziehung zwi­schen Moha und Valero vor­nimmt – wäh­rend gleich­zei­tig sei­ne smar­ten Haushaltsgeräte und moder­nen tech­ni­schen Anlagen außer Kontrolle gera­ten. In all die­sen Momenten ist „Sechs Tage unter Strom“ eher geprägt von einem maka­bren, der­ben Humor, der auf­grund der uner­war­te­ten Ereignisse und dank des Überraschungsmoments jedoch herr­lich funktioniert.

Eher sub­til und poin­tiert geht Ballús bei der Betrachtung des kom­pli­zier­ten Verhältnisses zwi­schen Moha und Valero vor. Man kann dem grob­schläch­ti­gen, wohl­be­lieb­ten Valero trotz sei­ner noto­risch schlech­ten Laune, der Anzüglichkeiten und der teils unan­ge­brach­ten Andeutungen sei­nem neu­en Kollegen gegen­über, nie wirk­lich böse sein. Insgeheim trägt er das Herz am rech­ten Fleck. Außerdem ver­deut­licht Ballús anhand die­ser Figur, dass die Furcht vor dem „Fremden“ (Migranten) und exis­ten­zi­el­len Sorgen auch im wah­ren Leben lei­der oft in Wut, Aggression sowie in von Vorurteilen gepräg­ten Alltagsrassismus münden.

Bei genaue­rer Betrachtung behan­delt „Sechs Tage unter Strom“ zudem sehr geschickt eine gan­ze Fülle an Themen, die die Sorgen und Nöte vor allem der ein­fa­chen, hart arbei­ten­den Menschen wider­spie­geln. Es geht um die spa­ni­sche Wirtschaftskrise, Konkurrenzkämpfe, die hohe regio­na­le Arbeitslosigkeit und die Frage, was eigent­lich nach der Pensionierung kommt.

Björn Schneider | programmkino.de

Credits:

Sis dies cor­rents
ES, FR 2021, 85 Min., span, kata­lan., ber­ber OmU
Regie: Neus Ballús
Kamera: Anna Molins
Schnitt: Neus Ballús, Ariadna Ribas
mit: Mohamed Mellali, Valero Escolar, Pep
Sarrà, Paqui Becerra, Pere Codorniu


Trailer:
SECHS TAGE UNTER STROMUNTERWEGS IN BARCELONA – Trailer OmU German | Deutsch
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