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Systemsprenger

Ein Film von Nora Fingscheidt.

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Bernadette oder Benni, wie sie genannt wer­den will, ein zar­tes Mädchen mit unge­stü­mer Energie, ist ein „Systemsprenger“. So nennt man Kinder, die radi­kal jede Regel bre­chen, Strukturen kon­se­quent ver­wei­gern und nach und nach durch alle Raster der deut­schen Kinder- und Jugendhilfe fal­len. Wo immer die Neunjährige auf­ge­nom­men wird, fliegt sie schon nach kur­zer Zeit wie­der raus. Und genau dar­auf hat sie es abge­se­hen, denn sie sehnt sich danach, wie­der bei ihrer Mutter zu leben. Einer Frau, die maß­los über­for­dert ist von der Unberechenbarkeit ihrer eige­nen Tochter.
Nach ihrem mehr­fach preis­ge­krön­ten Drehbuch insze­niert Nora Fingscheidt ein inten­si­ves Drama über die unbän­di­ge Sehnsucht eines Kindes nach Liebe und Geborgenheit und das dar­in lie­gen­de Gewaltpotenzial. Zugleich beschreibt der Film die uner­müd­li­chen Versuche von Erzieher*innen und Psycholog*innen, mit Respekt, Vertrauen und Zuversicht eine Perspektive für sol­che Kinder zu schaf­fen, die durch ihre unvor­her­seh­ba­ren Ausbrüche ande­re und sich selbst zu zer­stö­ren drohen.

Berlinale 2019. Silberner Bär – Alfred Bauer Preis

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Credits:

DE 2019, 113 Min.
Regie, Buch: Nora Fingscheidt
Kamera: Yunus Roy Imer
Schnitt: Stephan Bechinger, Julia Kovalenko
mit: Helena Zengel, Albrecht Schuch, Gabriela Maria Schmeide, Lisa Hagmeister, Melanie Straub

Termine:

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Trailer:

SYSTEMSPRENGER – Trailer

 

 

Ein Licht zwischen den Wolken

Ein Film von Robert Budina.

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Der schweig­sa­me, from­me Besnik ist Ziegenhirt. Er lebt allein mit sei­nem tod­kran­ken Vater, den er pflegt. Hier, in der unzu­gäng­li­chen Bergregion Albaniens, scheint die Zeit ste­hen geblie­ben. Viele jun­ge Leute sind fort­ge­gan­gen, es gibt nur weni­ge Kinder und vie­le alte Leute. Muslime, so wie Besnik, Katholiken und ortho­do­xe Christen leben auf engs­tem Raum zusam­men. Unterschiedliche Religionen gibt es auch in der eige­nen Familie. Besnik selbst hat­te eine katho­li­sche Mutter, sei­ne Geschwister sind Muslime oder ortho­dox, und sein Vater gehört einer vier­ten Religion an, die eigent­lich kei­ne ist, aber die es in Albanien immer noch gibt: dem Kommunismus. Die alten Plakate von Enver Hodscha und Co. hän­gen wie vor 50 Jahren in sei­nem Zimmer.

Beim Besuch der klei­nen Dorfmoschee ent­deckt Besnik einen Riss, hin­ter dem sich ein altes Fresko mit einer Heiligendarstellung ver­birgt. Für Besnik ist das kein Problem, aber damit steht er ziem­lich allei­ne. Eine Kunsthistorikerin aus der Stadt sorgt für Aufklärung und fri­schen Wind im Dörfchen, was die Gemüter zusätz­lich in Wallung ver­setzt. Während das gan­ze Dorf davon auf­ge­rüt­telt wird, dass die Moschee frü­her eine Kirche war, sieht sich Besnik wach­sen­den Problemen in sei­ner Familie gegen­über, denn in Erwartung des Todes sei­nes Vaters fin­den sich die ver­streut leben­den Geschwister mit ihren Kindern ein. Und bald muss der arg­lo­se Bresnik erken­nen, dass sie vor allem von Gier getrie­ben den Weg in die Heimat gefun­den haben. Es geht um das Erbe sei­nes Vaters.

Robert Budina bringt sei­ne kom­ple­xe Geschichte mit den vie­len aktu­el­len Bezügen in atem­sto­ckend schö­nen Bildern, in denen sanf­te Farben domi­nie­ren, auf die Leinwand. Die wil­de Berglandschaft beein­druckt dabei durch die pure, raue Natur, die von der Kamera (Marius Panduru) kon­ge­ni­al ein­ge­fan­gen wird. Seine Bilder sind oft sta­tisch, es gibt vie­le ruhi­ge, lan­ge Einstellungen, wenig Fahrten. Manche Außenaufnahmen wir­ken kom­po­niert wie Opernkulissen: ein Feuer, dar­an sit­zen Besnik und Vilma, die Kunsthistorikerin. Hinter ihnen die majes­tä­ti­schen Berggipfel. Offenbar wur­de sehr viel mit natür­li­chem Licht gedreht, wenig mit Kunstlicht. Die Innenaufnahmen erin­nern an Rembrandt-Gemälde in ihren war­men, dunk­len Farben, die das Elend und die Armut der Bewohner ein biss­chen ver­de­cken. Hier gibt es kei­ne rei­chen Leute, und das Erbe des Vaters ist ein schä­bi­ges altes Haus, so wie auch die übri­gen Häuser. An die klei­ne Dorfmoschee klam­mert sich ein bei­na­he bemit­lei­dens­wer­tes, schie­fes Minarettchen. Doch Robert Budina fei­ert hier kei­ne Ethno-Party mit idyl­li­schen Postkartenaufnahmen – sei­ne Darstellung ist in ihrem Realismus mehr Anklage als Nostalgie.

Nur wenig Inhalt läuft über die spar­sa­men Dialoge. Die dis­kre­te Absurdität der Story lässt dabei Raum für einen ganz fei­nen Humor, der von dem kon­ge­nia­len Hauptdarsteller Arben Bajraktaraj eben­so fes­selnd und anrüh­rend ver­mit­telt wird wie die gesam­te Persönlichkeit des Ziegenhirten Besnik. Der schein­bar harm­lo­se, from­me Naturbursche, der sei­ne Gebete am liebs­ten allein auf einer Bergwiese ver­rich­tet, ent­puppt sich immer mehr als ein­zig Gerechter zwi­schen Egoisten, Lügnern und Heuchlern, die nichts ande­res im Kopf haben, als sich gegen­ein­an­der aus­zu­spie­len und ihren eige­nen Vorteil zu suchen. Die Religion wird dabei als Ausrede benutzt, um die Unterschiede zu ver­tie­fen und das eige­ne Fehlverhalten zu rechtfertigen.

Als zwei Gläser mit Rotwein und Cola ver­wech­selt wer­den, kann der Familienkrach gera­de noch ver­mie­den wer­den. Doch bald geht ein Riss durch die Familie, man sitzt an unter­schied­li­chen Tischen. Und zwi­schen ihnen Besnik, der das alles nicht ver­steht. Sein Verständnis für Gott wird gelei­tet von der Liebe zur Natur und zu den Menschen. Er scheint weder Gier noch Leidenschaft zu ken­nen – was ihn zu dem gemacht hat, der er ist, wird im Film dis­kret ange­spro­chen. Besnik setzt sich dafür ein, dass die Moschee zumin­dest zeit­wei­lig für die Christen zugäng­lich gemacht wird. Doch damit macht er sich bei fast allen im Dorf sehr unbe­liebt, was sei­ne Position inner­halb der Familie noch wei­ter schwächt. Er ist für sie der zurück­ge­blie­be­ne Hinterwäldler, der klein­ge­hal­ten wer­den muss, damit er nicht gefähr­lich wird – der Prophet gilt nichts im eige­nen Lande. Regisseur Robert Budina kon­zen­triert sich auf die­se Figur des Besnik, auf sei­ne inne­re Welt und sei­ne Gefühle. Damit erschafft er eine uni­ver­sell gül­ti­ge Geschichte in einer Bildsprache, die gleich­zei­tig schön und berüh­rend ist.

Gaby Sikorsk | programmkino.dei

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Credits:

Streha mes reve
AL 2018, 84 Min., alban. OmU
Regie und Buch: Robert Budina
Kamera: Marius Panduru
Schnitt: Ștefan Tatu 
mit: Arben Bajraktaraj, Esela Pysqyli, Irena Cahani, Bruno Shllaku, Osman Ahmeti, Muzbaidin Qamili, Helga Boshnjaku, Suela Bako, Rubin Boshnjaku

Termine:

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Trailer:

A SHELTER AMONG THE CLOUDS – Trailer from Pluto Film on Vimeo.

Im Kino mit deut­schen Untertiteln.

Gelobt sei Gott

Ein Film von François Ozon.

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Die katho­li­sche Kirche inter­es­siert sich seit eini­ger Zeit gezwun­ge­ner­ma­ßen für die Aufarbeitung ihrer Missbrauchsgeschichte, die weit zurück­reicht. Schon 400 AD wur­de Priestern die Drittehe verboten,1139 war dann kom­plett Schluß mit Frauen. Danach impro­vi­sier­te man, z.B. mit dem Konkubinat (zu hohe Geldstrafen). Gerne aber auch im Bereich der Pädophilie, denn es han­delt sich bei der K.K. schließ­lich bis heu­te um eine rei­ne Männerbastion. Das Thema erle­dig­te sich dann die­ses Jahr wie von selbst. Ex Papst Benedikt von Bayern konn­te die 68er als die Schuldigen ent­lar­ven. Scheiterhaufen wur­den errich­tet, bis jemand vor­sich­tig dar­auf hin­wies, dass 68er Bashing längst ille­gal ist.

Trotz der Bräsigkeit und Starrheit der K.K., die des­halb eigent­lich wenig guten Stoff bie­tet, hat François Ozon einen enorm reflek­tier­ten, intel­li­gen­ten Film gemacht, weil er einen gläu­bi­gen Christen katho­li­scher Konfession in den Mittelpunkt von „Grâce à Dieu“ stellt, mit Melvil Poupaud per­fekt besetzt. Ozon über­trägt eine tat­säch­li­che Geschichte in einen Spielfilm, nicht um sich abzu­si­chern (nach einer wah­ren Geschichte), son­dern weil eine wei­te­re Dramatisierung weder mög­lich noch nötig ist. Dadurch gewinnt der schmerz­haf­te Gang durch die Katakomben der Kirche auf der Suche nach nur einem Würdenträger, der Würde besitzt und das Versprechen, für Aufklärung und Gerechtigkeit zu sor­gen, ein­löst, eine Allgemeingültigkeit. So funk­tio­nie­ren Machtapparate immer und über­all, egal in wel­cher Größe oder Farbe. Verweigern, Verharren, Vertuschen, bis ins höchs­te Amt. Ozon hat trotz­dem eine opti­mis­ti­sche Geschichte geschrie­ben, die den Widerstand von unten gegen die Missstände von oben aus­lo­tet. Die erzählt, wie eini­ge Menschen den Mut auf­brin­gen, durch einen eiser­nen Vorhang gehen zu wol­len und ihr Beispiel ande­re über­zeugt, eben­falls die Grenzen zu ignorieren.

La majo­ri­té des faits, grâce à Dieu, sont pre­scrits, mais cer­ta­ins peut-être pas”

Ein Großteil der Taten ist, Gott sei Dank, ver­jährt, aber man­che viel­leicht nicht.“

(Kardinal Philippe Barbarin anno 2016)

Stained glass win­dows keep the cold outside
While the hypo­cri­tes hide inside
With the lies of sta­tu­es in their minds
Where the Christian reli­gi­on made them blind
Where they hide
And prey to the God of a bitch spel­led back­wards is dog“

(PIL, Religion II)

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Credits:

Grâce à Dieu
FR 2019, 137 Min., frz. OmU

Regie, Buch: François Ozon
Kamera: Manu Dacosse
Schnitt: Laure Gardette
mit: Melvil Poupaud, Denis Ménochet, Swann Arlaud, Éric Caravaca, François Marthouret, Bernard Verley, Martine Erhel 

 

Termine:

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GRACE A DIEU (Official Trailer, Französisch/deutsch)

Wajib

Ein Film von Annemarie Jacir.

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Ein Tag in Nazareth im Winter. Zwei Männer, Abu Shadi und sein Sohn Shadi (gespielt von Mohammad und Saleh Bakri, die auch im wirk­li­chen Leben Vater und Sohn sind) fah­ren kreuz und quer durch die Gassen. Hunderte von Einladungen müs­sen sie an nahe Verwandte, ent­fern­te Verwandte, Freunde, Freundinnen und ande­re, denen sie ver­pflich­tet sind, ver­tei­len. Tochter bzw. Schwester Amal wird hei­ra­ten, und die per­sön­li­che Übergabe ist Tradition.
Shadi arbei­tet als Architekt in Rom und ist mit der Tochter eines hoch­ran­gi­gen PLO-Aktivisten liiert. Seinem eher unpo­li­ti­schem Vater, der ange­se­he­ne Lehrer steht kurz vor sei­ner Pensionierung ist das unan­ge­nehm. Er möch­te, dass Shadi zurück­kommt, und auch, dass er eine ande­re Frau, z.B. eine aus der Heimat, fin­det. So preist er unter­wegs unent­wegt die Vorteile diver­ser Cousinen oder ande­rer Frauen, wäh­rend Shadi sich über den bau­li­chen Zustand der alten Gebäude und die klei­nen Geschmacklosigkeiten sei­ner Bewohner auf­regt. Entlang der vie­len Zwischenstopps und Stippvisiten, wo ihnen oft nicht nur Tee, son­dern ger­ne auch Hochprozentiges auf­ge­nö­tigt wird, tun sich mehr und mehr Gräben zwi­schen den bei­den auf. Dann erreicht sie die Nachricht, dass die Mutter der Braut, die lan­ge schon im Ausland lebt, nicht zur Hochzeit kom­men wird.

Der Film kreist um die Feier einer Familie, die längst zer­bro­chen ist, und por­trä­tiert dabei den Mikrokosmos christ­li­cher Palästinenser in Nazareth, eine klei­ne Welt mit vie­len Traditionen und weni­gen Bewegungsmöglichkei­ten. Die anrüh­ren­de Vater-Sohn-Geschichte der paläs­ti­nen­si­schen Regisseurin Annemarie Jacir wahrt die Balance zwi­schen der Tragödie mensch­li­cher Einsamkeit und fei­ner Situationskomik, zwi­schen poli­ti­scher Bestandsaufnahme, eth­no­gra­phi­scher Studie und dem kul­tur­über­grei­fen­den Konflikt zwi­schen Söhnen und Vätern.” Wolfgang Harmsdorf, Filmdienst
WAJIB ist Palästinas offi­zi­el­ler Kandidat für den Oscar für den bes­ten inter­na­tio­na­len Film

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Credits:

PS/FR/DE/CO/NO/QA/AE 2017, 96 min,  Arabisch mit deut­schen Untertiteln
Regie & Buch: Annemarie Jacir 
Kamera: Antoine Héberlé 
Schnitt: Jacques Comets 
mit: Mohammad Bakri, Saleh Bakri, Maria Zreik

Termine:

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Trailer:

WAJIB – ein Film von Annemarie Jacir (dt Trailer) – (واجب – فيلم ل ان ماري جاسر (إعلان الفيلم

Der Glanz der Unsichtbaren

Ein Film von Louis-Julien Petit.

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Vor dem Tor zum Tageszentrum für woh­nungs- und obdach­los gewor­de­ne Frauen tum­melt sich jeden Morgen viel Prominenz: Lady Di steht neben Edith Piaf und Salma Hayek drängt Ciccolina an die Seite. Ihren rich­ti­gen Namen brau­chen die hier Wartenden nicht anzu­ge­ben, ein selbst­ge­wähl­tes Alias reicht, und so wird aus Aïchi halt Vanessa Paradis und statt Stéphanie steht dort Françoise Hardy. Dafür spie­len eini­ge der Darstellerinnen sich selbst, und die weni­gen Profis pas­sen gut zwi­schen die Laien, die aus eige­ner Erfahrung wis­sen, wen und was sie hier spielen.
Für den Regisseur war das Buch „Sur la rou­te des Invisibles“ von Claire Lajeunie der Funke, der das Filmprojekt zum Leben erweck­te. Dort ent­deck­te er neben der geschil­der­ten Brutalität des Milieus und dra­ma­ti­scher Lebenswege eben­so tra­gik­ko­mi­sche Momente und weit kom­ple­xe­re Geschichten als erwar­tet. Trotz des ers­ten Impulses, ein ankla­gen­des doku­men­ta­ri­sches Drama zu insze­nie­ren, ent­schied er sich, sei­ne Protagonistinnen, die betrof­fe­nen Frauen genau so wie die Sozialarbeiterinnen, in einen Kampf zu schi­cken, gegen Bürokratie und Vorturteile, Ungerechtigkeit und die aus­weg­los schei­nen­de Situation, in einen Kampf auf ihre eige­ne Art, sub­til, soli­da­risch, mit Humor und Prinzipien. So wur­de aus dem har­ten Stoff eine Sozialkomödie a lá Stephen Frears: „Die Komödie erschien mir als das geeig­ne­te Genre, um die Verbindung zwi­schen dem Publikum und die­sem Thema her­zu­stel­len, mit dem man sich eigent­lich nicht beschäf­ti­gen will. Draußen auf der Straße senkt man den Blick, aus Ohnmacht oder Angst, aber im Kino sieht man die­se Frauen an, und lacht mit ihnen.“ Regisseur Louis-Julien Petit
„Les Invisibles“ wur­de in sei­ner Heimat über­ra­schend zum Hit an der Kinokasse, trotz sei­nes unpo­pu­lä­ren Themas: „Ein Ensemblefilm. Ein Film über Frauen. Ein Film, in dem man lacht und weint. In Frankreich hat „Der Glanz der Unsichtbaren“ weit über eine Million Zuschauer erreicht: Eine Sensation” IL FATTO QUOTIDIANO

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Credits:

Les Invisibles
FR 2019, 102 Min., frz. OmU
Regie und Buch: Louis-Julien Petit
nach dem Buch von Claire Lajeunie „Sur La Route Des Invisibles, Femmes Dans La Rue“
Kamera: DAVID CHAMBILLE
Schnitt: ANTOINE VAREILLE & NATHAN DELANNOY
mit: Audrey Lamy, Corinne Masiero, Noémie Lvovsky, Déborah Lukumuena, Sarah Suco, Brigitte Sy, Pablo Pauly, Quentin Faure u.a.

Termine:

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Trailer:

DER GLANZ DER UNSICHTBAREN – offi­zi­el­ler Trailer (OmU-Version) – ab 10. Oktober im Kino

Weitermachen Sanssouci

Ein Film von Max Linz.

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Dem Institut für Kybernetik und Simulationsforschung droht die Schließung – so das Ausgangsszenario die­ser Satire über die Verwandlung des Universitätsbetriebs in eine tur­bo­ka­pi­ta­lis­ti­sche Forschungsmaschinerie. Phoebe Phaidon nimmt als hoch­qua­li­fi­zier­te Nachwuchswissenschaftlerin wie­der ein­mal einen befris­te­ten Lehrauftrag an. Mit ihren noch nicht ganz ver­blass­ten Idealen als pro­gres­si­ve Klimaforscherin agiert sie zwi­schen den frus­trier­ten, aber kampf­be­rei­ten Studierenden, die die Bibliothek beset­zen. Auf der ande­ren Seite: der eta­blier­te Lehrkörper, beim Überlebenswillen im Drittmittelbeschaffungssumpf zu eit­len Zynikern ver­kom­men, die sich vor kei­ner noch so gro­tes­ken Verrenkung im Evaluierungswahnsinn scheu­en. Max Linz kom­po­niert sei­nen Film mit fei­nem Gespür für Berliner Befindlichkeiten, städ­ti­sche Kulissen, Bürodekor und aka­de­mi­sche Kostüme. Und mit Lust an der Überzeichnung der deka­den­ten Uni-Sprache, die ihre Reizwörter wie Köder in der Verhaltensforschung benutzt. Am Ende ent­wi­ckelt sich der Film fast zu einem Musical – der Ohrwurm „Warum kann es hier nicht schön sein, war­um wer­den wir nicht froh?“ könn­te zu einer post­ka­pi­ta­lis­ti­schen Revolutionshymne werden.

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Credits:

DE 2019, 80 Min.
Regie: Max Linz
Kamera: Carlos Andrés López
Schnitt: Bernd Euscher, René Frölke
Mit: Sarah Ralfs, Sophie Rois, Philipp Hauß, Bernd Moss, Maryam Zaree, Bastian Trost, Leonie Jenning, Luis Krawen, Martha von Mechow, Max Wagner, Anna Papenburg, Olga Lystsova, Kerstin Grassmann, Jean Chaize, Friedrich Liechstenstein

Termine:

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Trailer (Ausschnitt):

WEITERMACHEN SANSSOUCI – Trailer

Insel der hungrigen Geister

Ein Film von Gabrielle Brady.

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Vor der Küste Indonesiens liegt die von Australien ver­wal­te­te, rund 2000 Einwohner zäh­len­de Weihnachtsinsel, deren Gebiet zur Hälfte als Nationalpark aus­ge­wie­sen ist. Die Millionen dort leben­den Krabben bege­ben sich jähr­lich auf die Reise aus dem Inneren des Dschungels zum Meer, ein vom Vollmond seit Urzeiten bestimm­tes Naturspektakel.

Auf die­sem para­die­si­schen Eiland hat die aus­tra­li­sche Regierung ein soge­nann­tes „Detention Center“-Lager errich­tet, das nur der Abschreckung dient. Hier sind die Asylsuchenden qua­si recht­los und ver­lie­ren ihre letz­ten Hoffnungen. Die Traumatherapeutin Poh Lin Lee ver­sucht, ihre ver­letz­ten Seelen zu hei­len, oder zumin­dest vor wei­te­rem Schaden zu bewahren.

Die ursprüng­lich aus China stam­men­den Einheimischen ver­an­stal­ten jedes Jahr ihre „Hungry Ghost“ Rituale. Sie brin­gen Opfergaben, um die ein­sa­men Seelen derer, die ohne Begräbnis star­ben, zu besänf­ti­gen. Von ihnen heißt es, sie irr­ten auf der Suche nach einer Heimat des Nachts durch den Dschungel.

Dem hybri­den Film gelingt es, das unsicht­ba­re Zusammenspiel von Traum und Trauma zu erfas­sen. Licht und Schatten, Farben und Geräusche, stil­les Lauschen und ein­dring­li­che Beobachtungen erzäh­len auf unmit­tel­ba­re Weise, wozu Menschen fähig sind. Sie errich­ten Orte der Verzweiflung, wo selbst die Helfer*innen an ihrer Hilflosigkeit zu zer­bre­chen dro­hen. Während Poh-Lin beob­ach­tet, wie sich der Zustand ihrer Klienten rapi­de ver­schlech­tert, wer­den ihrer Arbeit immer mehr Steine in den Weg gelegt.

» „Hybrid docu­men­ta­ry“ nennt Brady das Genre, in dem sie hier die Grenzen eines Paradieses erkun­det, das für Asylsuchende eine rea­le Hölle wur­de. … Die Traumatherapeutin Poh Lin Lee, von deren Arbeit mit Geflüchteten der Film so berüh­rend erzählt, ist eine Freundin der Regisseurin. Was auf den ers­ten Blick aus­sieht wie eine bril­lant insze­nier­te, krab­ben­rei­che Fiktion, ist tat­säch­lich fast zur Gänze aus doku­men­ta­ri­schem Material montiert.«
Robert Weixlbaumer / Viennale

 

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Credits:

DE/GB/AU 2018, 94 Min., eng­li­sche OmU
Regie und Buch: Gabrielle Brady
Kamera: Michael Latham
Schnitt: Katharina Fiedler

Termine:

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Trailer:

Island of the Hungry Ghosts Trailer

Im Kino mit deut­schen Untertiteln.

 

 

Heute oder Morgen

Ein Film von Thomas-Moritz Helm.

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Sommer in Berlin. Niels (Maximilian Hildebrandt) und Maria (Paula Knüpling) sind ein Paar, ver­su­chen sich aber an offe­nen Beziehungsformen, gehen mit wech­seln­den Partnern ins Bett, mal allein, mal auch zusam­men. Sie schla­gen sich mit Nebenjobs durchs Leben, hän­gen rum, rau­chen Gras und genie­ßen ihr Leben und ihre Freiheit.

Bis eines Tages die Engländerin Chloe (Tala Gouveia) in ihrem Leben auf­taucht und alles ver­än­dert. Anfangs als poten­ti­el­ler Partner für einen Dreier im Gespräch, ent­wi­ckelt sich zwi­schen Maria und Chloe bald etwas, dass über rein kör­per­li­che Anziehung hin­aus­geht. Zunehmend ent­frem­det sich Maria von Niels, beginnt ihr Lebensmodell zu hin­ter­fra­gen. Währenddessen agiert Niels immer besitz­ergrei­fen­der, ver­sucht Maria zu kon­trol­lie­ren und sorgt damit erst recht dafür, dass ihr einst zu viel­ver­spre­chend und pro­gres­siv wir­ken­des Lebensmodell an sei­ne Grenzen stößt, spä­tes­tens dann, als Chloe plötz­lich schwan­ger ist.

Man könn­te klei­ne Festivals mit Debütfilmen oder Filmhochschulabschlussfilmen fül­len, die meis­ten in Berlin spie­lend, man­che auch in Köln oder ande­ren deut­schen Großstädten, die sich mit unter­schied­li­chen Formen unkon­ven­tio­nel­ler Beziehungsmodellen beschäf­ti­gen. Der Eröffnungsfilm der Perspektive Deutsches Kino, „easy love“ ist so ein Film, „Voll Rita“ oder „Kim hat einen Penis“ mag man dazu­zäh­len, ganz gewiss aber Thomas-Moritz Helms „Heute oder Morgen“.

Anders als etwa „easy love“ mit sei­nem semi­do­ku­men­ta­ri­schen Ansatz oder „Kim hat einen Penis“ mit sei­ner fast schon phan­tas­ti­schen Geschichte, bewegt sich Thomas-Moritz Helm im rea­lis­ti­schen, natu­ra­lis­ti­schen Bereich. In zurück­hal­ten­den, ruhi­gen Bildern beob­ach­tet er das Paar, das bald zu einem Trio wird, spitzt die Situation lang­sam zu, wobei das Externe stets unwich­ti­ger bleibt als das Interne. Während Niels ange­sichts der Gefühlsverwirrungen zuneh­mend gereizt agiert, sich in macho­haf­te Posen flüch­tet, immer mehr Mühe hat, sich als der sou­ve­rä­ne Typ zu zei­gen, als der er sich sieht, zieht sich Maria immer mehr zurück.

Gerade als Chloe gesteht, dass sie schwan­ger ist, ver­mut­lich von Niels, beginnt sie ihr Beziehungsmodell zu hin­ter­fra­gen. Zu dritt ein Kind auf­zu­zie­hen, scheint eine logi­sche Weiterentwicklung zu sein, doch ob Chloe da mit­ma­chen möch­te ist eine ande­re Frage.

Die Egozentrik einer Generation, die mit dem Gefühl auf­ge­wach­sen ist, stets im Mittelpunkt zu ste­hen, wird hier por­trä­tiert. Ohne Rücksicht auf Verluste zu leben, den eige­nen Wünschen zu fol­gen, sich wenig Gedanken über das Danach zu machen: So leben Niels und Maria, in die­ser Blase haben sie es sich gemüt­lich gemacht, in ihr ste­cken sie auch am Ende eines Films noch fest, der ohne deut­lich zu wer­ten und kri­ti­sie­ren, doch die Grenzen eines Lebensmodells auf­zeigt, das ganz auf der Idee von Freiheit basiert.

Michael Meyns | programmkino.de

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Credits:

DE 2018, 93 Min.
Regie & Buch: Thomas-Moritz Helm
Kamera: Stefan Neuberger
Schnitt: Elena Weihe
Darsteller: Paula Knüpling, Maximilian Hildebrandt, Tala Gouveia, Roland Bonjour, Nora Decker, Carrie Getman

Termine:

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Heute oder mor­gen Trailer Deutsch | German [HD]

Familia Sumergida – Die untergegangene Familie

Ein Film von Maria Alché.

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Fremd und eigen­ar­tig wird Marcelas Welt nach dem Tod ihrer Schwester Rina. Sie fühlt sich in ihrem eige­nen Haus ver­lo­ren. Auch scheint ihre Beziehung zu ihrem Mann und ihren Kindern zu lei­den. Als Nacho, ein jun­ger Freund ihrer Tochter, uner­war­tet vor­bei­kommt, geht sie mit ihm auf einen Spaziergang und end­lich kann sie reden. Aber wie­der zu Hause, beginnt sie immer mehr, Gespräche mit Verwandten aus einer ande­ren Dimension zu füh­ren. Marcela, gut ver­hei­ra­tet, Mutter drei­er halb­wüch­si­ger Kinder, muss den Hausstand ihrer plötz­lich ver­stor­be­nen Schwester Rina in Buenos Aires auf­lö­sen: Strickwaren, Zimmerpflanzen, Bücher, Pelzmäntel und Möbel, Fotografien und Briefe. Erinnerungen. Mit einem Mal sit­zen die Geister alter Tanten und Onkel in Marcelas Wohnzimmer, strei­fen Schemen der Vergangenheit durch ihre Gegenwart und lösen sie auf: Vielerlei wäre nun mög­lich, eine Affäre viel­leicht? In der Trauer ent­rückt sich dem Menschen die Wirklichkeit, ein Verlust ver­än­dert die Welt – mit siche­rer Hand fängt die Schauspielerin, Fotografin und Filmemacherin Alché in ihrem Langfilmdebüt einen Schwebezustand ein.

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Credits:

AR/BR/DE/NO 2018, 91 Min., span. OmU
Regie & Buch: Maria Alché
Kamera: Hélène Louvart 
Schnitt: Livia Serpa 
mit: Mercedes Morán, Marcelo Subiotto,
Esteban Bigliardi, Diego Vélazquez

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Trailer Die unter­ge­gan­ge­ne Familie Familia sum­er­gi­da dt Uts final

 

 

Prélude

Ein Film von Sabrina Sarabi.

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Da ist der deut­sche Wunderknabe“ wird der 19-jäh­ri­ge David von sei­nem Kommilitonen Walter begrüßt, gera­de ein­ge­trof­fen an sei­nem neu­en Zuhause. Die bei­den wer­den in mehr­fa­cher Hinsicht Konkurrenten wer­den, beim Klavierstudium wie bei der Liebe. Walter ist extro­ver­tiert und ver­sucht, die Situation mit über­heb­li­chem Witz zu meis­tern. Der eher in sich gekehr­te David, der als gro­ßes und viel­ver­spre­chen­des Talent gilt, wird jedoch zuneh­mend zu sei­nem eige­nen Feind. Dazu trägt auch die berech­nend-süf­fi­san­te Art sei­ner kom­pe­ten­ten Lehrerin bei, die ihre Schüler enorm her­aus­for­dert und undurch­sich­tig zwi­schen auto­ri­tär und behut­sam pen­delnd agiert. Ehrgeizig sind alle, die Studierenden am Musikkonservatorium, die Lehrenden, die einen Ruf zu ver­lie­ren haben und die Talentscouts, die nur die Besten aus­su­chen dür­fen. Dem eige­nen und äuße­ren Leistungsdruck sind nicht alle der jun­gen Musiker*innen gewach­sen. Es bau­en sich zwar Freundschaften in der ein­ge­grenz­ten Campusgemeinschaft auf, Konkurrenzdenken ist jedoch gefragt und wird, hier bei­spiels­wei­se über die Auswahl für ein begehr­tes Stipendium in New York, vor­sätz­lich geför­dert. Auch das Leben in den kalt aus­ge­stat­te­ten Räumen der Lehranstalt erscheint unge­müt­lich, unter­stri­chen von den Geräuschen – dem Knarren der Stufen, Quietschen der Türen und vom ewi­gen Ping-Pong im Hof.

Wie die Triller, die David in atem­be­rau­bend geschnit­te­nen Sequenzen in der Mitte des Films sto­isch übt und die sich zu einem Score vol­ler trei­ben­der Rhythmik und ener­vie­ren­der Monotonie aus­brei­ten, ist Sabrina Sarabis Spielfilmdebüt Prélude ein Werk vol­ler Musikalität und extrem rhyth­misch kom­po­niert. Die Musikstücke, das stak­ka­to­haf­te Klacken des Tischtennisballs, der vor Davids Wohnung von Walter mit beses­se­ner Inbrunst gespielt wird … — all das erzeugt einen nicht nur musi­ka­li­schen Sog, son­dern gibt dem ruhi­gen Drama, das bis­wei­len eher an einen Psychothriller der bedäch­ti­gen Art erin­nert, auch dra­ma­tur­gisch Drive und Tempo. … eine Studie über Vereinsamung und nicht nur musi­ka­li­sche Obsessionen, unter­drück­te Wut und offen­sicht­li­che Versagensangst, über Abhängigkeitsverhältnisse und deren Folgen.“ Joachim Kurz | kino-zeit

 

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Credits:

DE 2019, 95 min.
Buch und Regie: Sabrina Sarabi
Kamera: Max Preiss
Schnitt: Hannah Schwegel, Jan von Rimscha
mit: Louis Hofmann, Liv Lisa Fries, Johannes Nussbaum, Ursina Lardi, Jenny Schily, Saskia Rosendahl

Termine:

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Trailer:

PRÉLUDE | Offizieller Trailer