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Souleymans Geschichte

Souleymans Geschichte

Ein Film von Boris Lojkine. Ab 19.2. im fsk.

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Souleymane rast mit sei­nem Fahrrad durch die über­füll­ten Strassen von Paris. Der jun­ge Guineer arbei­tet ille­gal als Essenskurier und möch­te in Frankreich Asyl bean­tra­gen. Er hat noch zwei Tage, um sich auf das wich­ti­ge Interview vor­zu­be­rei­ten. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Boris Lojkine schafft mit L’Histoire de Souleymane ein fes­seln­des Drama über Migration und Sans-Papiers in Zeiten der Gig Economy. Abou Sangare wur­de für sei­ne beein­dru­cken­de Darbietung in Cannes als bes­ter Hauptdarsteller ausgezeichnet.

Mit Camille hat­te Lojkine 2019 auf der Piazza Grande die Herzen des Publikums erobert (Prix du Public), bei Hope stand 2014 die Flucht im Vordergrund; bei­de Filme spiel­ten in Subsahara-Afrika. Sein drit­tes Werk nun sie­delt der Franzose mit­ten in Europa und nach der Flucht an: Angekommen in der Metropole, müs­sen sich Souleymane und zahl­rei­che wei­te­re Migrant:innen im Grossstadtdschungel behaup­ten und gleich­zei­tig bewei­sen, dass ihre Flucht aus west­li­cher Perspektive gerecht­fer­tigt ist. Um über die Runden zu kom­men, arbei­tet er für einen Kurierdienst à la Uber Eats und flitzt durch die Strassen und Gassen von Paris. Währenddessen ver­sucht er, sich Dokumente und Geschichten zu beschaf­fen, die ihm hel­fen könn­ten, einen posi­ti­ven Asylentscheid zu bewir­ken. Doch Souleymane radelt gegen die Zeit: Abends darf er den Bus nicht ver­pas­sen, der ihn in eine der Notunterkünfte bringt, die allein in der Region Paris durch­schnitt­lich 120 000 Menschen pro Nacht beher­ber­gen.
Dank der beein­dru­cken­den Leistung von Abou Sangare, einem Laiendarsteller, der selbst undo­ku­men­tiert ist, kata­pul­tiert uns der Regisseur tief in die Realitäten von Migrant:innen, die sich im Limbus nach der Flucht befin­den. Lojkine bleibt ganz nah an sei­ner Figur und folgt ihr durch eine feind­li­che Stadt und eine selbst­be­zo­ge­ne Gesellschaft, die Menschen wie Souleymane immer wei­ter aus­beu­tet. Dieses atem­lo­se Werk, irgend­wo zwi­schen Ken Loachs Sorry We Missed You und Eric Gravels À plein temps, gibt den Gesichtslosen – den Migrantinnen und Kurieren – ein Gesicht, ohne dabei sei­nen Humor oder sei­ne Menschlichkeit zu ver­lie­ren. (Trigon Film)

Credits:

L’Histoire de Souleymane
FR 2024, 93 Min., Französisch, Pular, Maninka OmU
Regie: Boris Lojkine
Kamera: Tristan Galand
Schnitt: Xavier Sirven
mit: Abou Sangare, Nina Meurisse, Alpha Oumar Sow, Emmanuel Yovanie, Younoussa Diallo, Ghislain Mahan, Mamadou Barry, Yaya Diallo, Keita Diallo

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Winter in Sokcho

Ein Film von Koya Kamura. Ab 5.2. im fsk. 

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Eine sen­si­ble und sinn­li­che Verfilmung des Romans von Elisa Shua Dusapin, in der Roschdy Zem die Rolle eines ein­sa­men Comiczeichners spielt, der in einem ver­schnei­ten süd­ko­rea­ni­schen Badeort gestran­det ist.
In Sokcho, einer klei­nen Stadt am Meer in Südkorea, führt die 23-jäh­ri­ge Soo-Ha ein rou­ti­nier­tes Leben zwi­schen den Besuchen bei ihrer Mutter, einer Fischhändlerin, und der Beziehung zu ihrem Freund Jun-oh. Die Ankunft des Franzosen Yan Kerrand in der Pension, in der sie arbei­tet, weckt Fragen über ihre eige­ne Identität. Während der Winter die Stadt betäubt, beob­ach­ten sie sich gegen­sei­tig, prü­fen sich und knüp­fen eine zer­brech­li­che Verbindung.

Credits:

FR 2024, 105 Min., Französisch, Koreanisch, Englisch OmU
Regie: Koya Kamura
Kamera: Élodie Tahtane
Schnitt: Antoine Flandre
mit: Bella Kim & Roschdy Zem

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Father Mother Sister Brother

Ein Film von Jim Jarmusch. Ab 26.2. im fsk. Preview am 1.1.

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Father Mother Sister Brother ist ein behut­sam als Triptychon kom­po­nier­ter Spielfilm. Die drei Geschichten krei­sen um die Beziehungen erwach­se­ner Kinder zu ihren teils distan­zier­ten Eltern und unter­ein­an­der. Jedes der drei Kapitel spielt in der Gegenwart, jedes in einem ande­ren Land: FATHER ist im Nordosten der USA ange­sie­delt, MOTHER in Dublin und SISTER BROTHER in Paris. Es ist eine Reihe von Charakterstudien, ruhig, beob­ach­tend und ohne Wertung – und zugleich eine Komödie, durch­zo­gen von fei­nen Fäden der Melancholie.

Father Mother Sister Brother wur­de bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.

Mit „Father Mother Sister Brother“ folgt Jarmusch nun einem noch weit schlich­te­ren Konzept – und fast scheint es so, als habe sich der Autorenfilmer zwi­schen­zeit­lich Inspiration von einem ande­ren Regisseur geholt: dem hier­zu­lan­de noch immer über­se­he­nen Hong-Sang soo („Right Now, Wrong Then“), der nur des­halb so unglaub­lich pro­duk­tiv sein kann, weil er für sei­ne Filme kaum mehr braucht als sein Stamm-Ensemble, Tisch und Stühle sowie einen Vorrat an Reiswein. Die meis­ter­li­che Observierung sozia­ler Awkwardness, vor allem aber die von Wiederholungen bestimm­te epi­so­dische Struktur von „Father Mother Sister Brother“ erin­nern unwei­ger­lich an das unver­wech­sel­ba­re Dialogkino des Südkoreaners.” Filmstarts

Credits:

US,FR,IT,DE,IR 2025, 101 Min., Englisch OmU
Regie: Jim Jarmuch
Kamera: Frederick Elmes, Yorick Le Saux
Schnitt: Affonso Gonçalves
mit: Tom Waits, Adam Driver, Mayim Bialik, Charlotte Rampling, Cate Blanchett, Vicky Krieps, Sarah Greene, Indya Moore, Luka Sabbat, Françoise Lebrun

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Schwesterherz

Ein Film von Sarah Miro Fischer. Ab 8.1. im fsk.

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Rose und ihr älte­rer Bruder Sam haben eine enge Bindung. Als Sam der Vergewaltigung beschul­digt wird, soll Rose im Rahmen der Ermittlungen gegen ihn aus­sa­gen. Das stellt sowohl die Beziehung der bei­den als auch Roses mora­li­sche Integrität auf die Probe.
Regisseurin Sarah Miro Fischer erkun­det in Schwesterherz eine inni­ge Geschwisterbeziehung. Sie unter­sucht, inwie­fern die Nähe zu einer Person den Blick auf die Realität ver­stel­len kann und wel­che Ereignisse die Kraft haben, auch die engs­ten Bindungen zu zer­stö­ren. In ihrer Arbeit mit den Schauspieler*innen legt sie beson­de­ren Wert auf kör­per­li­chen Ausdruck, um Geschichten auch jen­seits des gespro­che­nen Worts erzäh­len zu können.

Credits:

DE/ES 2025, 96 Min., Deutsch, Englisch OmU
Regie: Sarah Miro Fischer
Kamera: Selma von Polheim Gravesen
Schnitt: Elena Weihe
mit: Marie Bloching, Anton Weil, Proschat Madani, Laura Balzer, Jane Chirwa

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White Snail

Ein Film von Elsa Kremser und Levin Peter. Ab 29.1. im fsk. Am 31.1. mit anschlie­ßen­dem Filmgespräch.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Masha, ein bela­rus­si­sches Model, träumt von einer Karriere in China. Misha arbei­tet in einer Minsker Leichhalle und erweckt die Toten in sei­nen Ölgemälden zum Leben. Die bei­den Außenseiter füh­len sich auf unge­wöhn­li­che Weise von­ein­an­der ange­zo­gen und strei­fen gemein­sam durch die war­men Sommernächte. Misha eröff­net Masha eine unbe­kann­te Welt, die ihr Gefühl von Schönheit und Sterblichkeit auf die Probe stellt. WHITE SNAIL ist die fra­gi­le Liebesgeschichte zwei­er Außenseiter, die erken­nen, dass sie nicht allei­ne auf der Welt sind.

Credits:

DE/AT 2025, 115 Min., Russian, Belarusian, English, Mandarin OmU
Regie: Elsa Kremser, Levin Peter
Kamera: Mikhail Khursevich
Schnitt: Stephan Bechinger
mit: Marya Imbro, Mikhail Senkov

Trailer:
WHITE SNAIL – Offizieller Trailer
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Silent Friend

Ein Film von Ildikó Enyedi. Ab 15.1. im fsk.

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Ein alter Ginkgobaum im bota­ni­schen Garten in Marburg steht im Mittelpunkt die­ses poe­tisch ange­hauch­ten fil­mi­schen Essays. Der Baum ist stil­ler Zeuge drei­er Lebensgeschichten zu unter­schied­li­chen Zeiten. Im Jahr 1908 ver­sucht die ers­te Studentin der Uni Marburg, Grete (Luna Wedler), mit ihrer Kamera ver­bor­ge­ne Naturmuster zu ent­de­cken. 1972 erfährt der Student Hannes (Enzo Brumm) durch die stil­le Begegnung mit einer Geranie eine inne­re Wandlung. Und 2020 reist ein Neurowissenschaftler (Tony Leung Chiu-wai) aus Hongkong an, um ein unge­wöhn­li­ches Experiment an und mit dem Ginkgobaum vor­zu­neh­men. Sein Ziel: Tiefere Einblicke in die mensch­li­che Seele zu erlangen.

In „Silent Friend“ ist es kein mensch­li­cher Charakter, der die ein­zel­nen Elemente mit­ein­an­der ver­bin­det. Es sind die Pflanzen und vor allem der majes­tä­tisch anmu­ten­de, fast 25 Meter hohe Ginkgobaum, der als Bindeglied der drei Episoden fun­giert. Allein die­ser Umstand macht „Silent Friend“ schon rein inhalt­lich unge­wöhn­lich. Der Baum ist stum­mer Zeuge der Zeit, die unauf­hör­lich vor­bei­rinnt und der Leben, die sich vor ihm abspielen.

Überhaupt nimmt Ildikó Enyedi das „Silent“ im Filmtitel mehr als wört­lich. Der ers­te abend­fül­len­de Film der unga­ri­schen Regisseurin und Drehbuchautorin seit vier Jahren ist geprägt von Ruhe, Entschleunigung und einer andäch­ti­gen Aura. Sie erzählt lang­sam und beson­nen. Ergänzend kom­men, pas­send dazu, lan­ge Einstellungen und Kamerafahrten sowie außer­ge­wöhn­li­che Blickwinkel und Perspektiven hin­zu. Wenn Enyedi zwi­schen den Ästen hin­durch­filmt, regel­recht in die Blätter hin­ein­zoomt und ver­schie­de­ner Pflanzen mal aus der Ferne, mal in Close-Ups zeigt, dann kom­men wir der Natur (optisch) auf beson­de­re Weise nah.

Die Kameraarbeit von Gergely Pálos und der gesam­te visu­el­le Stil zäh­len ohne­hin zu den gro­ßen Stärken. Das Besondere: Jede Episode ist in einem ande­ren Filmmaterial (16mm, 35mm, digi­tal) gehal­ten und die Optiken der jewei­li­gen Zeitebenen vari­ie­ren stark. So unter­schei­den sich die Episoden nicht nur inhalt­lich und the­ma­tisch, son­dern eben­so in ihrer Wirkung und sorg­fäl­tig durch­kom­po­nier­ten Ästhetik.

Einige Gemeinsamkeiten zwi­schen den Figuren der lose mit­ein­an­der ver­knüpf­ten Einzelgeschichten gibt es aller­dings durch­aus. Sie alle, von Grete über den Studenten bis hin zum Neurowissenschaftler, stel­len sich fol­gen­de Fragen: Was neh­men Pflanzen wahr? Und wie kann man mit ihnen in Kontakt tre­ten bzw. kom­mu­ni­zie­ren? Die Kernfrage, die Enyedi antreibt, geht noch­mals wei­ter und tie­fer. Sie erforscht in „Silent Friend“ zuvor­derst die Aspekte der (mensch­li­chen) Verbundenheit mit der Natur und wie sich die Wechselwirkungen zwi­schen den Lebewesen genau mani­fes­tie­ren. Die Pflanze als beein­dru­cken­des, sen­si­ti­ves Geschöpf, das dem Menschen Kraft und Halt geben kann – nach der Betrachtung von „Silent Friend“ hallt vor allem die­se Botschaft lan­ge nach.

Ebenso blei­ben die über­zeu­gen­den dar­stel­le­ri­schen Leistungen im Gedächtnis. Allen vor­an Luna Wedler im his­to­ri­schen Erzählstrang und Tony Leung Chiu-wai fas­zi­nie­ren mit fein­füh­li­gen, nuan­cier­ten Performances. Mit wür­de­vol­ler Zurückhaltung agie­ren sie in ihren Rollen und las­sen den Pflanzen Raum für Entfaltung und, im wahrs­ten Sinne, Wachstum.
Björn Schneider | programmkino.de

Credits:

DE/HU/FR 2025, 147 Min., deutsch, eng­li­sche OmU
Regie: Ildikó Enyedi
Kamera: Gergely Pálos
Schnitt: Károly Szala
mit: Tony Leung Chiu-wai, Luna Wedler, Enzo Brumm, Sylvester Groth, Martin Wuttke, Johannes Hegemann, Rainer Bock, Marlene Burow, Léa Seydoux

Trailer:
SILENT FRIEND I HD-Trailer I Ab 22.01.2026 im Kino
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Ein einfacher Unfall

Ein Film von Jafar Panahi. Ab 8.1. im fsk.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Ein ein­fa­cher Unfall, Gewinner der Goldenen Palme von Cannes, ist eine furcht­lo­se Leistung des Filmemachers Jafar Panahi – zugleich hoch­po­li­tisch und zutiefst mensch­lich. Mit uner­bitt­li­cher Klarheit stellt der Film mora­li­sche Fragen nach Wahrheit und Ungewissheit, Rache und Gnade.
Als der Automechaniker Vahid zufäl­lig auf den Mann trifft, der ihn mut­maß­lich im Gefängnis gefol­tert hat, ent­führt er ihn, um Vergeltung zu üben. Doch der ein­zi­ge Hinweis auf Eghbals Identität ist das unver­kenn­ba­re Quietschen sei­ner Beinprothese. Auf der Suche nach Gewissheit wen­det sich Vahid an einen zer­streu­ten Kreis ande­rer, inzwi­schen frei­ge­las­se­ner Opfer. Doch je tie­fer sie in ihre Vergangenheit ein­tau­chen und je mehr ihre unter­schied­li­chen Weltanschauungen auf­ein­an­der­pral­len, des­to grö­ßer wer­den die Zweifel: Ist er es wirk­lich? Und was hie­ße Vergeltung überhaupt?

Die Figuren des Films sind zwar fik­tiv, doch die Geschichten, die sie erzäh­len, basie­ren auf rea­len Ereignissen, die von ech­ten Gefangenen erlebt wur­den. Echt ist auch die Vielfalt die­ser Figuren und ihrer Reaktionen. Einige wer­den sehr gewalt­tä­tig und von Rachegelüsten getrie­ben. Andere wie­der­um ver­su­chen, einen Schritt zurück­zu­tre­ten und über lang­fris­ti­ge Strategien nach­zu­den­ken. Einige waren stark poli­ti­siert – oder wur­den es. Andere waren es über­haupt nicht und wur­den fast zufäl­lig ver­haf­tet. Letzteres trifft auf Vahid, die Hauptfigur, zu: Er war ein Arbeiter, der ein­fach nur sei­nen Lohn ein­for­der­te. Das Regime macht kei­nen Unterschied zwi­schen die­sen Menschen. Jede der ande­ren Figuren reprä­sen­tiert eine der vie­len, mehr oder weni­ger fest orga­ni­sier­ten Oppositionsgruppen. Diese Gruppen gera­ten oft anein­an­der, sogar
hin­ter Gittern. Sie alle sind sich einig, dass sie das Regime ableh­nen, aber dar­über hin­aus gehen die Meinungen aus­ein­an­der. Seit dem Tod von Mahsa Amini und dem Aufkommen von „Frau, Leben, Freiheit” hat sich die Ablehnung des Regimes weit ver­brei­tet. Oft wis­sen die Menschen jedoch nicht, womit sie es erset­zen sol­len. Das sieht man heu­te deut­lich: Zum Beispiel zei­gen sich vie­le Frauen nun ohne Hidschab in der Öffentlichkeit. Eine sol­che Form des mas­si­ven zivi­len Ungehorsams war vor weni­gen Jahren noch undenk­bar. Die Szenen im Film, die mit unver­schlei­er­ten Schauspielerinnen auf der Straße gedreht wur­den, spie­geln jedoch die heu­ti­ge Realität wider. Es sind die ira­ni­schen Frauen, die die­sen Wandel her­bei­ge­führt haben.„
Jafar Panahi

Credits:

Yek tasa­def sadeh یک تصادف ساده,
IR/FR/LU 2025, 102 Min., far­si OmU
Regie: Jafar Panahi
Kamera: Amin Jafari
Schnitt: Amir Etminan
mit: Vahid Mobasseri, Maryam Afshari, Ebrahim Azizi, Hadis Pakbaten

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EIN EINFACHER UNFALL Trailer OmU German | Deutsch
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Der Fremde

Ein Film von François Ozon. Ab 1.1. im fsk.

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François Ozon greift einen Stoff aus den 1940er-Jahren auf: den exis­ten­zia­lis­ti­schen Romanklassiker Der Fremde von Albert Camus. Darin war­tet ein jun­ger Franzose in den 1930er-Jahren in Algerien in einer Gefängniszelle auf sei­ne Hinrichtung, weil er einen Mann getö­tet hat. Ozon ent­fal­tet das Drama um den sei­nem Tod ent­ge­gen­se­hen­den Meursault (Benjamin Voisin) und die in Rückblenden sich ent­fal­ten­den Ereignisse, die zu dem Mord geführt haben, in schwarz-wei­ßen Bildern, die in ihrer fast über­ir­di­schen Schönheit in ihren Bann schla­gen und zugleich Rätsel auf­ge­ben, weil sie in einer selt­sa­men, span­nungs­vol­len Reibung zur Geschichte stehen.

Der Kamerablick, der ein gera­de­zu ero­ti­sches Verhältnis zu der Welt an den Tag legt, scheint ein Widerspruch zu Meursaults Apathie zu sein. Während der jun­ge Mann durch sein Leben treibt, ohne von dem berührt zu wer­den, was er erlebt – vom Tod der Mutter zu Beginn über die Affäre mit einer ihn lie­ben­den jun­gen Frau bis letzt­end­lich zum impul­si­ven Akt der Tötung –, ist der Blick der Kamera umso zuge­neig­ter. Die spar­sam, aber sehr wir­kungs­voll ein­ge­setz­te Musik ver­sucht hart­nä­ckig, Meursaults Kälte gegen­über Menschen und Dingen etwas ent­ge­gen­zu­set­zen. Während es in dem Roman um einen Menschen geht, der nichts wert­schät­zen kann, weil er den Glauben an eine tran­szen­den­te Dimension ver­lo­ren hat und jen­seits der Dinge kei­nen höhe­ren Sinn erken­nen kann, scheint Ozon die­se Materialität durch­aus zu genü­gen, um die Welt zu lie­ben.
Felicitas Kleiner | Filmdienst

Credits:

L’Étranger
FR 2025, 120 Min., fran­zö­si­sche OmU
Regie: François Ozon
Kamera: Manu Dacosse
Schnitt: Clément Selitzki
mit: Benjamin Voisin, Rebecca Marder, Pierre Lottin, Denis Lavant, Swann Arlaud

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Der Fremde – Trailer OmU
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Die jüngste Tochter

Ein Film von Hafsia Herzi. 

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Zu Hause, in den Augen ihrer mus­li­mi­schen Familie, ist die 19-jäh­ri­ge Fatima eine gute Tochter: Sie betet, hat Bestnoten und ein ent­spann­tes Verhältnis zu ihren Eltern und den bei­den älte­ren Schwestern. In der Schule aber raucht sie (obwohl sie Asthma hat) und hängt mit den größ­ten Rabauken ab. Bei den homo­pho­ben Sprüchen ihrer Kumpels ist sie still – obwohl sie selbst längst weiß, dass sie wahr­schein­lich les­bisch ist. Nachdem sich Fatima per Dating-App zum ers­ten Mal mit ande­ren Frauen trifft und dabei Ji-Na (Park Min-ji) ken­nen­lernt, beginnt für sie der lan­ge, stei­ni­ge Weg raus aus dem „Schrank“, der bei Fatima eher ein Kokon ist.

Regisseurin Hafsia Herzis zwei­ter Langfilm DIE JÜNGSTE TOCHTER (frz. La peti­te der­niè­re) basiert auf dem gleich­na­mi­gen auto­fik­tio­na­len Roman der alge­risch-fran­zö­si­schen Autorin Fatima Daas. Die Heldin des Films ist in kei­ner Welt rich­tig zu Hause, wächst auf inmit­ten unauf­lös­ba­rer Widersprüche. So ver­schlos­sen ist sie, dass sie selbst die Zuschauenden stets auf Distanz hält und es ihnen schwer macht, einen rich­ti­gen Zugang zu ihr zu fin­den. Sie lügt ihre Dates und Freund*innen an und hat auf Schritt und Tritt Angst, ent­tarnt zu wer­den. Im Sommer mit ihrer ers­ten gro­ßen Liebe, der im gemein­sa­men Besuch einer CSD-Veranstaltung mün­det, blüht sie erst­mals auf, doch das Glück ist nicht von Dauer.

Herzi erzählt ellip­tisch und in scharf kon­tu­rier­ten Sequenzen von Fatimas Selbstfindung. Der Film ist gespickt mit her­aus­ra­gen­den fil­mi­schen Momenten: das Gespräch mit dem Imam etwa, der ihr vor­be­tet, war­um ihre dis­pa­ra­ten Lebenswelten sich nie ver­ein­ba­ren las­sen wer­den, oder der Versuch, sich gegen­über ihrer lie­be­vol­len Mutter zu outen. Schön, dass die­se Geschichte für ihr les­bi­sches Liebespaar nicht nur Tragik, son­dern auch ein Quäntchen Hoffnung bereithält.

Eva Szulkowsk | indiekino

Credits:

La peti­te der­niè­re
DE/FR 2025, 106 Min., Französisch, Arabisch OmU
Regie: Hafsia Herzi
Kamera: Jérémie Attard
Schnitt: Géraldine Mangenot
mit Nadia Melliti, Ji-Min Park, Aloïse Sauvage, Nemo Schiffman, Sophie Garagnon

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DIE JÜNGSTE TOCHTER | Trailer OmU | Ab 25.12. im Kino!
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