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Curveball

ein Film von Johannes Naber.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Eine wah­re Geschichte. Leider!“ heißt es im Vorspann unheil­schwan­ger. Die Wahrheit will auch
BND-Biowaffenexperte Wolf (Sebastian Blomberg) wis­sen, der sich 1997 im Irak auf die Suche nach Massenvernichtungswaffen macht. Die UN-Mission wird ergeb­nis­los abge­bro­chen, womit auch des Agenten Affäre mit der CIA-Kollegin endet. Zwei Jahre spä­ter wird der Wissenschaftler in die Chefetage der BND-Zentrale zitiert. In einem Asylbewerberheim, so berich­tet Abteilungsleiter Schatz, behaup­te der Iraker Rafid Alwan, er wäre in sei­ner Heimat an der Produktion von Anthrax-Erregern betei­ligt gewe­sen. Mehr noch: Er wüss­te zudem von einem töd­li­chen Unfall mit Biowaffen. Gemeinsam mit Verbindungsoffizier Retzlaff reist Wolf sofort nach Zirndorf, um den ver­meint­li­chen Informanten zu treffen.

Beim Verhör im schä­bi­gen Zimmer der BND-Außenstelle gibt sich der Iraker in Plauderlaune. Für sein Wissen frei­lich for­dert er aus Sicherheitsgründen eine eige­ne Wohnung sowie einen deut­schen Pass. Die Erzählungen des Informanten klin­gen indes eher blu­mig als veri­fi­zier­bar. Eine Blutprobe von Rafid mit Anti-Körpern könn­te den Beweis für Milzbrand-Erreger brin­gen. Doch allein die Amerikaner ver­fü­gen über eine zuver­läs­si­ge Analyse-Technologie. Für Abteilungsleiter Schatz ist das kei­ne Option, schließ­lich will sei­ne Behörde der CIA-Konkurrenz einen „Knaller“ prä­sen­tie­ren.
Mit einer schlich­ten Zeichnung kann Informant „Curveball“ die Agenten doch noch über­zeu­gen: Sie zeigt, wie LKWs als mobi­le Labore ein­ge­setzt wer­den, wes­halb Beweise von den UN-Kontrolleuren nie gefun­den wer­den konn­ten. Beim BND knal­len die Korken, Kanzler Schröder dankt per­sön­lich. Der Katzenjammer ist groß, als ein Satellitenfoto die gan­ze Geschichte als Fälschung entlarvt.

Nach den Terroranschlägen vom 11.September ändert sich die Lage dra­ma­tisch. Den USA kommt der angeb­li­che Beweis sehr gele­gen. Außenminister Colin Powell prä­sen­tiert vor der UN die Fälschung als Grund für einen Angriff auf den Irak – und Joschka Fischer schweigt dazu. Der mitt­ler­wei­le beur­laub­te Wolf ist ent­setzt. „Was gibt dir das Recht, die Fakten zu ver­dre­hen?“ will er von sei­ner CIA-Freundin wis­sen. „Wir machen die Fakten!“ bekommt er als küh­le Antwort.

Wie in der süf­fi­san­ten Kapitalismus-Satire „Die Zeit der Kandidaten“ zeigt Regisseur Naber in die­ser Polit-Posse ein gutes Gespür für gelun­ge­ne Situationskomik und exzel­len­te Dialoge. Sein aber­ma­li­ger Hauptdarsteller Sebastian Blomberg gibt den besorg­ten Biowaffenexperten mit spür­ba­rem Vergnügen. Als nai­ver Tor gerät er unauf­halt­sam unter die Räder von Machtinteressen und Intrigen. Ständig im Zugzwang, kämpft Agent Wolf wie ein Löwe gegen die Lügen. Selbst im Schlafanzug trotzt er wacker Schnee und Eis, um mit einem spek­ta­ku­lä­ren Slaptsick-Einsatz per Schlitten den ent­führ­ten Informanten aus sei­nem gehei­men Versteck zu befreien.

Die Wahrheit löst sich auf und alle fin­den es nor­mal!“, zieht der geknick­te Held frus­triert Bilanz. Für eine smar­te Satire ist die­se Erkenntnis ein gefun­de­nes Fressen. Bei allem Spaß geht der Ernst des Themas nie ver­lo­ren. „Der dama­li­ge Kanzleramtschef ist heu­te Bundespräsident“, mel­det der Nachspann nüch­tern. Für Schauspiel-Star Fahri Yardim ein gelun­ge­ner Einstand als Produzent. Auf den nächs­ten Streich von Johannes Naber kann man nach die­sem Komödien-Coup alle­mal gespannt sein.

Dieter Oßwald | programmkino.de

Credits:

DE 2019, 108 Min.
Regie: Johannes Naber
Kamera: Sten Mende
Schnitt: Anne Jünemann
Darsteller: Sebastian Blomberg, Dar Salim, Virginia Kull, Michael Wittenborn, Thorsten Merten

Trailer:
CURVEBALL | Offizieller Trailer | Ab 9. September im Kino
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Thomas Brasch: Aus meinen Augenfenstern

Im Rahmen des inter­na­tio­na­les lite­ra­tur­fes­ti­val ber­lin [ilb] 2021 zei­gen wir am 12.9. ein Thomas Brasch Programm:

Thomas Brasch [1945–2001] war Dichter, Dramatiker, Autor, Filmschaffender und Übersetzer. In allen Bereichen scho­nungs­los, unkon­ven­tio­nell und unnach­gie­big, gleich­zei­tig fein­füh­lig und sanft. Als Kind jüdisch-kom­mu­nis­ti­scher Eltern wuchs Brasch in der DDR auf, wo sein Vater zum stell­ver­tre­ten­den Kulturminister auf­stieg, wäh­rend er selbst mit sei­ner Kritik an den real­so­zia­lis­ti­schen Verhältnissen aneck­te. 1976 ver­ließ er das Land, um in der BRD sein Schaffen fort­zu­set­zen. Zwischen den 70er und 90er Jahren kon­fron­tier­te er das Publikum scharf­sin­nig und ori­gi­nell mit den Widersprüchen der deut­schen Nachkriegszeit. Seine Werke, dar­un­ter zahl­rei­che Gedichte, der Roman „Vor den Vätern ster­ben die Sohne“ und der Film „Engel aus Eisen“, zeich­nen sich durch eine kla­re Bildsprache und einen „beschwingt aggres­si­ven“ Witz [SZ] aus. Das ilb zeigt in Filmvorführungen, Performances und Lesungen die Facetten sei­nes Schaffens.

U.a. mit Annett Gröschner D, Andreas Kleinert D, Matthias Mücke D. Claus Peymann D [live zuge­schal­tet], Masha Qrella D, Hilde Stark D, Hanns Zischler D und Alexander Polzin, der das Programm der Brasch-Reihe mitgestaltete.


So., 12.09.2021; 12:00 Uhr – fsk Kino [Tickets]

THOMAS BRASCH: AUS MEINEN AUGENFENSTERN
ENGEL AUS EISEN“. FILMVORFUHRUNG

Das Filmdebut des Dramatikers Thomas Brasch, das 1981 im Auftrag des Zweiten Deutschen Fernsehens ent­stand, erhielt im Jahr sei­ner Entstehung den Bayerischen Filmpreis. Erzählt wird die wah­re Geschichte des jugend­li­chen Bandenchefs Werner Gladow, der zur Zeit der Berliner Luftbrücke Raubzuge durch Berlin unter­nahm. Lebensnah demons­triert er Figuren, „in denen sich die Widerspruche und die Verstörung der Menschen nach dem Krieg beson­ders deut­lich zei­gen.“ [Lexikon des inter­na­tio­na­len Films]

Engel aus Eisen

So., 12.09.2021; 14:30 Uhr – fsk Kino [Tickets]

THOMAS BRASCH: AUS MEINEN AUGENFENSTERN
DOMINO“. FILMVORFUHRUNG

Der mit Katharina Thalbach, Bernhard Wicki und Anne Bennent hoch­ka­ra­tig besetz­te Spielfilm von 1982 han­delt von einer jun­gen Theaterschauspielerin, die sich unsi­cher zwi­schen Fiktion und Realität bewegt und nach dem Tod ihres Mentors end­gül­tig den Halt ver­liert. „Die Geschichte die­ser künst­le­ri­schen Identitätskrise ist mit Versatzstucken des Zaubermärchens zu einem viel­schich­ti­gen, ver­track­ten Zeitbild ver­bun­den, zu einem Essay über Realitätsprobleme.“ [Lexikon des inter­na­tio­na­len Films]

Domino

So., 12.09.2021; 16:30 Uhr – fsk Kino [Tickets]

THOMAS BRASCH: AUS MEINEN AUGENFENSTERN
DER PASSAGIERWELCOME TO GERMANY”. FILMVORFUHRUNG

Braschs vier­ter und letz­ter Spielfilm von 1988 mit Tony Curtis in der Hauptrolle han­delt von einem Hollywood-Regisseur, der in Westberlin einen Film dre­hen will, um eige­ne Erlebnisse aus der Nazizeit zu bewäl­ti­gen: 1942 war er einer von 13 jüdi­schen KZ-Häftlingen, die als Statisten für einen anti­se­mi­ti­schen Film aus­ge­wählt wur­den, wobei er den Tod eines Freundes ver­schul­de­te. Der Film beleuch­tet „die Schwierigkeit, die Vergangenheit durch Kunst bewäl­ti­gen zu kön­nen.“ [Lexikon des inter­na­tio­na­len Films]

Der Passagier

So., 12.09.2021; 18:30 Uhr – fsk Kino [Tickets]

THOMAS BRASCH: AUS MEINEN AUGENFENSTERN
CHRISTOPH RÜTER: „BRASCH, DAS WÜNSCHEN UND DAS FÜRCHTEN

Der Dokumentarfilm über Thomas Brasch, der 2011 auf der Berlinale urauf­ge­führt wur­de, stellt eine Montage von hin­ter­las­se­nen Interviews, Selbstgesprächen, pri­va­ten Beobachtungen sowie Archivaufnahmen, Fernsehbeiträgen und Filmausschnitten dar, die sich zu einem künst­le­ri­schen und per­sön­li­chen Porträt des Künstlers fügt. Im Anschluss folgt ein Gespräch über Brasch als Filmemacher mit Christoph Rüter, Joachim von Vietinghoff und Hanns Zischler.

Coup

ein Film von Sven O. Hill.

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Sommer 1988: Ein 22-jäh­ri­ger Bankangestellter, Familienvater, Rocker, raubt sei­ner Bank Millionen. Aber nicht mit Pistole und „Hände hoch“, son­dern indem er eine Sicherheitslücke ent­deckt und mit einem aus­ge­tüf­tel­ten Coup die Beute zur Seite schafft. Mit den geklau­ten Millionen setzt er sich nach Australien ab und weiht erst von dort aus am Telefon sei­ne Lebensgefährtin ein. Sie will aber nicht zu ihm nach­kom­men. Damit hat er nicht gerech­net. Sein Aufenthalt im aus­tra­li­schen Luxushotel wird zum gol­de­nen Käfig.

Der Film erzählt in einem Mix aus Spiel‑, Dokumentar- und Animationsfilm die wah­re und unglaub­li­che Geschichte eines Bankangestellten, beru­hend auf den Original-Interviews. Gewinner des Förderpreis Neues Deutsches Kino bei den Hofer Filmtagen 2019.

Credits:

DE 2019, 81 Min.
Regie & Buch: Sven O. Hill
Kamera: Sven O. Hill
Montage: Sven O. Hill, Hendrik Schmitt
mit: Daniel Michel, Paula Kalenberg, Tomasz Robak, Rocko Schamoni, Laurens Walter, Fabienne Hollweg
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Der Atem des Meeres

 

ein Film von Pieter-Rim de Kroon.

 

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DER ATEM DES MEERES – ein poe­ti­scher Kinodokumentarfilm über das beein­dru­cken­de Universum des größ­ten Marschlandes der Welt: das Wattenmeer. Im Rhythmus von Ebbe und Flut erzählt DER ATEM DES MEERES vom Wattenmeer, von den Menschen und der Natur, die die­se außer­ge­wöhn­li­che Region for­men. Von Den Helder in den Niederlanden über die ost­frie­si­schen Küsten bis nach Skallingen in Dänemark erstreckt sich eine Ansammlung von Inseln und Gemeinden, wovon jede ihren eige­nen Charakter, ihre eige­nen Besonderheiten hat. Doch sie alle gehö­ren zum Wattenmeer, das seit 20 Jahren den Titel UNESCO-Weltnaturerbe trägt.
Ständig wech­seln­des Licht, Nebel, und Wind ver­än­dern die Landschaft und Lebensräume von Seehunden, Krabben und Flundern. Das kom­ple­xe Binnensystem, mit sei­ner ein­zig­ar­ti­gen Flora und Fauna birgt unzäh­li­ge Geschichten und ein­zig­ar­ti­ge Lebensformen, deren Entdeckung DER ATEM DES MEERES erleb­bar macht.
Mal rich­tet sich der Blick auf klei­ne Details, mal auf das gro­ße Ganze. Zugvögel und Touristen, die jedes Jahr kom­men und gehen, die Veränderung der Farbgebung von Watt und Wasser und der fas­zi­nie­ren­de Wechsel der Gezeiten sind ein sich wie­der­ho­len­der Zyklus.
DER ATEM DES MEERES ist ein poe­ti­scher Kinodokumentarfilm, der eine Region vol­ler Gegensätze zeigt. Das Wattenmeer ist geprägt von Stille und Sturm, Leben und Tod und natür­lich vom Ein- und Ausatmen des Meeres, dem bestim­men­den Faktor, nach dem sich alles richtet.

 

 

 

 

Credits:

 

NL/DE 2020, 105 Min.,
Regie: Pieter-Rim de Kroon
Kamera: Victor Dekker
Schnitt: Erik Disselhoff

 

Trailer:

 

 

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Der Masseur

ein Film von Malgorzata Szumowska. 

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In einer anony­men pol­ni­schen Villensiedlung beglückt ein ukrai­ni­scher Masseur sei­ne KundInnen nicht nur mit sei­nen hei­len­den Händen. Er wird zu einer Art Guru für die spi­ri­tu­ell obdach­lo­sen und nicht nur sexu­ell frus­trier­ten Neureichen. Małgorzata Szumowska (DIE MASKE) und Michał Englert erzäh­len von einer pol­ni­schen Gegenwartsgesellschaft, die ihre Identität ver­lo­ren hat. Weltpremiere im Wettbewerb des Filmfestivals von Venedig!

Der Oscarkandidat von Polen für 2021. Die Süddeutsche schreibt dazu: „Man weiß irgend­wann nicht mehr, wor­auf der Film hin­aus will, aber da kann man sich ihm schon nicht mehr entziehen“.

Hypnosekino auf sub­ti­le und humor­vol­le Art und Weise.

Credits:

OT: ŚNIEGU JUŻ NIGDY NIE BĘDZIE – Never Gonna Snow Again
PL/DE 2020, 115 Min., poln. OmU
Regie & Buch: Małgorzata Szumowska & Michał Englert
Kamera: Michał Englert P.S.C.
Schnitt: Jaroslaw Kaminski, Agata Cierniak
mit: Alec Utgoff, Maja Ostaszewska, Agata Kulesza, Lukasz Simlat, Weronika Rosati, Katarzyna Figura, Andrzej Chyra

Trailer:
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Die Dohnal

ein Film von Sabine Derflinger.

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November 1979. Parteitag der SPÖ, Villach, 23 Uhr. Johanna Dohnal gibt ihr ers­tes Interview als Frauenstaatssekretärin. Ein ORF-Journalist kommt gleich zur Sache. „Was ist das für ein Gefühl?“, will er wis­sen. Sie ant­wor­tet schnell und direkt: „Überhaupt kein Gefühl im Moment. Außer, dass es hier sehr heiß ist.“ Doch er lässt nicht locker: Ob sie sich als Frau wie jeder ande­re Staatssekretär auch füh­len wer­de? „Ich weiß über­haupt nicht, wie sich ein Staatssekretär fühlt. Ich glau­be, so wie jeder ande­re Mensch auch. Aber die Frauenfrage ist eine gesell­schafts­po­li­ti­sche und nach mei­ner Auffassung kei­ne Frauenfrage.“

Und damit zeigt die ehe­ma­li­ge, ers­te öster­rei­chi­sche Frauenministerin klar ihren Standpunkt. Sie will sich nicht in eine Ecke drän­gen las­sen. Der Kampf für Frauenrechte ist für sie gleich­be­deu­tend mit dem Kampf für eine Gesellschaft mit mensch­li­chem Antlitz. Als unehe­li­ches Kind einer ledi­gen Mutter arbei­te­te sie sich aus armen Verhältnissen im Nachkriegsösterreich in der sozia­lis­ti­schen Partei hoch. Bei der Grossmutter auf­ge­wach­sen fühl­te sie sich als Außenseiterin. Die Freiheit jen­seits von Normen zu den­ken und zu füh­len, behält sie selbst nach ihrem Aufstieg in der öster­rei­chi­schen Politik bei.

Ihre Bestellung in den 1970er Jahren unter Bruno Kreisky war damals eine Sensation. Ihre früh­zei­ti­ge Abberufung gegen ihren Willen durch die eige­ne Partei eigent­lich ein Skandal. Denn nach sechs­zehn Jahren Regierungstätigkeit hat­te sie ihren Schwung nicht ver­lo­ren. Trotzdem wur­de sie im März 1995 von Kanzler Franz Vranitzky aus dem Amt gedrängt. Geblieben sind ihre Errungenschaften, die heu­te oft­mals wie­der zur Diskussion ste­hen, was den Film zusätz­lich bri­sant macht. Dabei ver­blüfft nach wie vor die Fülle an Initiativen, Gesetzen, Regelungen und Einrichtungen, die direkt auf ihre Initiative zurück­ge­hen. Das reicht von der Einführung der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe über die Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Pension bis zu den ers­ten Frauenhäusern und einem Gesetz gegen sexu­el­le Belästigung am Arbeitsplatz.

Vor dem Hintergrund patri­ar­chal gepräg­ter Machtverhältnisse bün­del­te die femi­nis­ti­sche Visionärin die Kräfte aller öster­rei­chi­schen Frauenorganisationen, von der Katholischen Frauenbewegung bis zur Aktion Unabhängiger Frauen, um öffent­li­chen Druck für gemein­sa­me Anliegen zu erzeu­gen. So setz­te sie die Gründung und dau­er­haf­te Finanzierung der Wiener Frauenhäuser durch. Sabine Derflingers berüh­ren­de Doku spie­gelt das poli­ti­sche Klima des Landes bis hin zum neo­li­be­ra­len Umschwung treff­lich. Mitreißend bebil­dert die Grimme-Preisträgerin den wei­ten Weg den Johanna Dohnal im Kampf gegen alle Widerstände und Männerbünde gehen muss­te. Ein Stück leben­di­ge, inspi­rie­ren­de Frauengeschichte, die den Blick schärft.

Luitgard Koch | programmkino.de

Credits:

AT 2019, 104 Min.,
Regie: Sabine Derflinger
Drehbuch: Sabine Derflinger
Kamera: Christine A. Maier, Eva Testor
Schnitt: Niki Mossböck
mit: Annemarie Aufreiter, Johanna-Helen Dohnal, Ingrid Dohnal, Sonja Ablinger, Ferdinand Lacina, Elfe Semotan, Trautl Brandstaller, Brigitte Ederer, Hanna Herbst, Julia Herr, Käthe Kratz, Alice Schwarzer.

Trailer:
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Gunda

ein Film von Victor Kossakovsky. 

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Gunda ist die Protagonistin die­ses doku­men­ta­ri­schen Triptychons in mil­dem Schwarz-Weiß. Sie küm­mert sich um ihre Kleinen und geht mit ihnen auf Entdeckungsreise, dann zieht sie sich zurück und schöpft Kraft. Vorsichtig nähert sie sich der Kamera. Weiß sie um ihr Schicksal? Was mag sie den­ken? Von uns hal­ten? Gunda ist eines von meh­re­ren hun­dert Millionen Schweinen, die den Planeten bewoh­nen; dazu kom­men noch eine Milliarde Rinder, im Film ver­tre­ten durch zwei anmu­tig muhen­de Kühe, sowie über 20 Milliarden Hühner, hier ein sich durch die Welt tas­ten­des ein­bei­ni­ges Huhn. Im Schlamm wüh­len­de, Fliegen ver­scheu­chen­de und Würmer suchen­de Held*innen – Filmessayist Victor Kossakovsky ist und bleibt rigo­ros: Nach die­sem Film sei Fleischkonsum aus­ge­schlos­sen. Seine Empörung über die igno­ran­te Menschheit im Allgemeinen und die Entwürdigung die­ser Lebewesen im Konkreten lässt er in eine kon­zep­tu­ell mini­ma­lis­ti­sche, visu­ell aber umso ful­mi­nan­te­re Meditation flie­ßen. Gunda ist ein Intimporträt. Eine Intervention in Form der Bescheidenheitsgeste. Ein Film, der den Underdogs majes­tä­ti­sche Größe gibt. Und uns nach­denk­lich macht. Zumindest das.

Credits:

NO/US 2020, 93 Min. ohne Dialog
Regie: Victor Kossakovsky
Buch: Victor Kossakovsky, Ainara Vera
Kamera: Egil Håskjold Larsen, Victor Kossakovsky
Schnitt: Victor Kossakovsky, Ainara Vera


Trailer:
GUNDA | Offizieller Trailer
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Alles ist Eins. Ausser der 0

ein Film von Klaus Maeck und Tanja Schwerdorf.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Sie waren Aktivisten, Spione, Genies im Umgang mit dem Computer: Die Hacker des Chaos Computer Clubs waren die Aufklärer in einer Zeit, in der die Computertechnik für Viele ein Fremdwort war – zumin­dest aber ein Buch mit sie­ben Siegeln, das inmit­ten eines böh­mi­schen Dorfs lag. Die Mitglieder des CCC zeig­ten dar­um auch mit wenig Aufwand, wo die Tücken in der fort­schrei­ten­den com­pu­te­ri­sier­ten Welt lagen. Das Passwort einer Sparkasse errie­ten sie ein­fach, indem sie als ers­tes die Telefonnummer des Benutzers aus­pro­bier­ten. Das Ergebnis war korrekt.

Am Anfang des CCC stand Wau Holland, Deutschlands ers­ter digi­ta­ler Bürgerrechtler. Er grün­de­te den Club, mach­te mit spek­ta­ku­lä­ren Hacks auf sich auf­merk­sam. Er stand für den unge­hin­der­ten sozia­len Austausch mit den Mitteln der Technik, einer Digitalisierung, die Heilsbringer sein konn­te, die aber auch immer mit Gefahren ver­bun­den war, wenn der sozia­le Zusammenhalt der Gesellschaft dadurch unter­mi­niert wurde.

Der Film „Alles ist eins. Außer der 0.“ dringt in die­se Frühzeit des CCC ein, zeich­net dabei aber auch ein Bild der dama­li­gen Republik, in der Hausdurchsuchungen beim Chaos Computer Club statt­fan­den, nach­dem die­ser den deut­schen Geheimdienst, aber auch die ent­spre­chen­den Firmen auf Sicherheitslücken auf­merk­sam machten.

Das ist ein Teil des Films, ein ande­rer ist, dass er zwar von der Vergangenheit erzählt, aber für die Gegenwart wich­tig ist. Weil er zeigt, dass die gro­ßen Fragen unse­rer Gesellschaft schon damals gedacht wur­den – wenn auch die meis­ten die Gedanken von Wau Holland igno­rier­ten. Dabei war es visio­när, was hier gesagt und getan wur­de. Indem die heu­ti­ge Dynamik des Internets vor­weg­ge­nom­men wird, in der Meinung sehr schnell auch zur Waffe wer­den kann – oder man sich durch sie zum Ziel macht.

Die Gesellschaft ist auch wegen der Bestrebungen des CCC offe­ner gewor­den. Nach dem Tschernobyl-Gau waren es die Aktivisten des CCC, die Informationen offen­leg­ten, die offi­zi­el­le Stellen lie­ber ver­schwie­gen. Sie waren es auch, die Desinformation als sol­che ent­tarn­ten. Das macht die Geschichte des CCC auch span­nend wie einen Thriller, mit allem, was dazu gehört. Spionage, Geheimdienste, Mordkomplotte – und das alles in einer sich rasant ändern­den Welt, ande­ren logi­schen Endpunkt wir heu­te leben. Umso wich­ti­ger ist es, den Blick auf die Anfänge zurück­zu­wer­fen, auch, um zu ver­ste­hen, wie wir dort anka­men, wo wir sind. Eine fas­zi­nie­ren­de Geschichtsstunde.

Peter Osteried | programmkino.de

Credits:

Deutschland 2020, 90 Min. dt.O.m.engl.U.
Regie + Drehbuch: Klaus Maeck, Tanja Schwerdorf
Darsteller: Peter Glaser, Wau Holland, Linus Neumann


Trailer:
ALLES IST EINS. AUSSER DER 0. Trailer Deutsch | German (2020)
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Dok-Termin

Unsere Dokfilmwoche, die ins­ge­samt sechs­mal jeweils Ende August statt­fand, ist vor­erst Geschichte. Sie wur­de von uns über­ar­bei­tet, zer­stü­ckelt und neu zusammengesetzt.

Herausgekommen ist Dok-Termin- 12 beson­de­re Dokumentarfilme ver­tei­len sich aufs Jahr. Jedes Werk wird zwei­mal zu sehen sein, im fsk-Kino und in einem wei­te­ren Kino der Indiekino-Gruppe. Gespräche mit den Macher*innen, Diskussionen, Einführungen und was sich sonst zur Unterstützung oder Weiterführung anbie­tet, ergän­zen die Veranstaltungen.

Das Programm ist nicht auf bestimm­te Themen, Formen oder Inhalte ausgerichtet.

Die geplan­ten Filme las­sen Zusammenhänge in neu­em Licht erschei­nen. Die gesam­te Haltung, wie Empathie und Umgang mit Protagonist*innen, der gewähl­te Blickwinkel ent­schei­den über ihre Relevanz. Wir freu­en uns über Angebote zum Dialog, oder die Einladung, beim Zuschauen eige­ne Bilder zu for­men sowie über die essay­is­ti­sche Annäherung an ein Thema.

Besondere und indi­vi­du­el­le Geschichten, die unauf­dring­lich auf einen kom­ple­xen äuße­ren Kosmos

wei­sen, sind gefragt, aber in der Umkehrung auch eine freie und wei­te Erzählung, in der sich der/die Einzelne wie­der­fin­det. Die Filme gehen vom Großen, Weiten ins Detail und las­sen vom Persönlichen, engen Rahmen aufs Allgemeine schlie­ßen, regio­nal wie weltweit. 

Hier die nächs­ten Termine:

#24: ALL THAT BREATHES

12.2.2023 15:00 Uhr
13.2.2023 18:00 Uhr im fsk Kino [Tickets]

#23 SELF-PORTRAIT: FAIRY TALE IN 47KM

29. & 30.1.2023 18:00 im fsk Kino [tickets]

#22 MEIN LEBEN NEIGT SICH GLEICH DEM MOND

8.& 9.1.2023 18:00 fsk Kino [tickets]

#21 A / O

So. 4.12. 18:00 fsk-Kino
Mo. 5.12. 18:00 Sputnik-Kino

#20 PARADIES, PARADIES [indiekino Club]

So. 13.11. 18:00 fsk-Kino
Mo. 14.11. 18:00 Sputnik-Kino

#19 GEOGRAPHIES OF SOLITUDE

So., 23.10. 18:00 fsk-Kino
Mo., 24.10. 19:00 Sputnik-Kino

DokTermin wird rea­li­siert mit Unterstützung aus Mitteln der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa

Der Rausch

ein Film von Thomas Vinterberg.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Ein wis­sen­schaft­li­cher Selbstversuch zur Überprüfung der obsku­ren These eines nor­we­gi­schen Psychologen soll hel­fen, Bewegung in die Welt von vier Freunden, die am glei­chen Gymnasium unter­rich­ten, zurück­zu­brin­gen: der Mensch kom­me mit einem Mangel an Alkohol im Blut zur Welt und sei nur mit einem klei­nen, dafür aber kon­stan­ten Alkoholpegel in der Lage, ein erfolg­rei­ches, erstre­bens­wer­tes Leben zu füh­ren.
Was soll man sagen: das Experiment klappt bes­tens, auch zur Freude und Überraschung Nichteingeweihter über die neue Lockerheit und den Enthusiasmus der Ehemänner, Väter oder Lehrer. Aber natür­lich hat ein Mini-Dauerrausch auch sei­ne Schattenseiten.
Die Tragikkommödie des ehe­ma­li­gen Dogma-Regisseurs Vinterberg (Das Fest) wur­de viel­fach, dar­un­ter mit Europäischen Filmpreisen und dem Oscar®, ausgezeichnet.

Credits:

Druk, DK 2020, 110 Min., dän. OmU,
Regie: Thomas Vinterberg
Kamera: Sturla Brandth Grøvlen
Schnitt: Janus Billeskov Jansen
mit: Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Lars Ranthe, Magnus Millang, Maria Bonnevie


Trailer:
DRUNKANOTHER ROUND – Trailer OVdf [Schweiz]