Archiv des Autors: fsk

Poison – Eine Liebesgeschichte

Ein Film von Désirée Nosbusch. 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Während mei­ner Studienzeit sag­te Mel Brooks ein­mal zu mir: „Eine gute Geschichte muss an einem kle­ben blei­ben wie ein Topf Honig. Und wenn man sie nicht los­wird, dann muss man sie erzäh­len. Und das wur­de Poison für mich.“ so die eigent­lich als Schauspielerin bekann­te Regisseurin Desiree Nosbusch. Nachdem sie in dem inter­na­tio­nal erfolg­rei­chen Stück der nie­der­län­di­schen Dramaturgin Lot Vekemans am Theater die weib­li­che Rolle über­nahm, blieb sie genau dar­an kle­ben. Jahre spä­ter ergab sich die Möglichkeit der Verfilmung die­ser Geschichte, die alles hat, „was eine gute Geschichte braucht: Verlust, Trauer, Sucht, Einsamkeit, Liebe, Schuld, Rache, Engagement, Hoffnung und Erlösung – sie stellt all‘ die gro­ßen Fragen, die wir im Leben haben.“
Zwei Menschen, die, erst ein Kind ver­lo­ren haben, dann sich selbst und dann ein­an­der‘ wie Lucas im Film sagt, tref­fen sich nach zehn Jahren erst­mals wie­der, auf dem Friedhof, wo der Sohn begra­ben liegt. Er, Lucas, hat inzwi­schen eine neue Beziehung, für sie, Edith, ist das Trauern auch nach so vie­len Jahren noch essen­zi­ell. Es ist ein her­aus­for­dern­des Zwei-Personen-Spiel, das alle Beteiligten vor und hin­ter der Kamera zu einem weni­ger spek­ta­ku­lä­ren als inten­si­vem Ereignis machen. Tim Roth als Lucas hält sich dies­mal mit der bekann­ten aus­ge­präg­ten Mimik zurück, Trine Dyrholm zeigt mit Edith, dass sie auch ande­re als beherrsch­te und ratio­nal agie­ren­de Frauen geben kann. Zwischen Vorwürfen und Anklagen, Gefühlsausbrüchen und Entschuldigungen, Vorsicht, Distanz und Annäherung wird die eins­ti­ge Verbindung zwi­schen bei­den immer wie­der sicht­bar, aber auch die unüber­wind­bar schei­nen­den Hürden, die dar­an hin­dern, das schreck­li­che Ereignis gemein­sam zu ver­ar­bei­ten.
Ausgezeichnet auf dem 26. Film by the Sea Festival im nie­der­län­di­schen Vlissingen mit dem Film & Literature Award, gewann Poison außerem auf dem 36. Galway Film Fleadh den Peripheral Vision Award.

Credits:

LU/NL/GB 2024, 90 Min., engl. OmU
Regie: Désirée Nosbusch
Kamera: Judith Kaufmann
Schnitt: Michiel Reichwein
mit: Tim Roth, Trine Dyrholm

Trailer:
POISON Trailer (2024) Tim Roth, Drama Movie HD

Im Kino mit deut­schen Untertiteln.

nach oben
Juror #2

Juror #2

Ein Film von Clint Eastwood.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Dies ist kein Spoiler: ein smar­ter jun­ger Mann, bei einem Mordprozess zum Geschworenen (genau, #2) ernannt, erkennt bei der Anklageverlesung, dass er für den Tod der Frau, der hier ver­han­delt wird, unwis­sent­lich ver­ant­wort­lich ist. Hat man die­sen Zufall erst mal geschluckt, kann man sich an einem soli­den, ver­zwick­tem und packen­dem Gerichtsthriller erfreu­en.
Justin, des­sen Frau Ally nach einer Risikoschwangerschaft kurz vor der Geburt steht, wird trotz­dem nicht von der Juroren-Pflicht ent­bun­den. Der Angeklagte im zu ver­han­deln­den Fall der toten Kendall Carter ist ihr Freund, bekannt als gewalt­tä­tig, und in den Augen der meis­ten Geschworenen „White Trash“. Justin, der an dem reg­ne­ri­schen Abend mit dem Auto unter­wegs war und, wie er damals glaub­te, ein Reh ange­fah­ren hat­te, erkennt sofort den tra­gi­schen Zusammenhang. Aus erst spä­ter nach­voll­zieh­ba­ren Gründen kann er aber nicht mehr die Wahrheit sagen. So bleibt ihm nur, die von der Schuld des Angeklagten über­zeug­ten Mitgeschworenen, die alle das Ganze schnell hin­ter sich brin­gen und nach Hause wol­len, umzu­stim­men. Das erin­nert natür­lich an Sidney Lumets Die zwölf Geschworenen, vor allem auch an den, heu­ti­gen Gegebenheiten ange­pass­ten, grup­pen­dy­na­mi­schem Prozess, wird aber u.a. durch den Umstand getoppt, dass Justin sich auf einen schma­len Grad begibt – er darf schließ­lich nicht ins Visier gera­ten.
In den her­vor­ra­gend besetz­ten Hauptrollen sehen wir Nicholas Hoult als sei­nen inne­ren Zwiespalt bekämp­fen­den Justin Kemp und Toni Colette als ehr­gei­zi­ge Staatsanwältin mit dem bemer­kens­wer­ten Namen Faith Killebrew. Es ist der ers­te Film, in dem bei­de seit der Nick-Hornby-Verfilmung About a Boy (2001, mit dem gera­de neu auf­er­stan­de­nen Hugh Grant) zusam­men agie­ren. Die Nebenrolle der toten Kendell Carter beset­ze Eastwood übri­gens mit sei­ner Tochter Francesca.
„Dieser Film ist bei wei­tem stär­ker als die bei­den letz­ten, und wenn sich her­aus­stellt, dass es sein letz­ter Film als Regisseur ist, wie gemun­kelt wird, dann tritt er mit einem Knall ab“
Manohla Dargis | New York Times

Credits:

US 2024, 114 Min., engl. OmU
Regie:
Clint Eastwood
Kamera: Yves Bélanger
Schnitt: Joel Cox, David Cox
mit: Nicholas Hoult, Toni Collette, J.K. Simmons, Zoey Deutch, Kiefer Sutherland, Francesca Eastwood, Chris Messina

Trailer:
nach oben

Soundtrack to a Coup d’Etat

Ein Film von Johan Grimonprez.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Im Grunde ist die­ser Film eine Zumutung: Er ist lang, schnell und wütend, und er ent­hält eine Überfülle an Informationen. Mit einer unglaub­lich umfang­rei­chen Materialsammlung aus Film- und Fernsehbildern, Reportagen, mit geschicht­li­chem und geo­po­li­ti­schem Hintergrundwissen gelingt hier eine Verdichtung der sechs Monate von der Unabhängigkeit Kongos von Belgien bis zur Ermordung des ers­ten Ministerpräsidenten der Demokratischen Republik Kongo, Patrice Lumumba. Im Zuge der Dekolonisierung wuchs die Zahl der Mitgliedsstaaten der UN Anfang der 1960er Jahre schnell aufs drei­fa­che an, wodurch ein Machtverlust der bis­he­ri­gen Mitglieder droh­te. Viele der neu­en Staaten wur­den von sozia­lis­ti­schen Regimen unter­stützt, was die west­li­che Seite nicht hin­neh­men konn­te, zumal wert­vol­le Bodenschätze zur Disposition stan­den. Anhand rasan­ter Bild- und Tonmontagen führt Johan Grimonprez eine hoch­in­ter­es­san­te stra­te­gi­sche Antwort der USA vor. Ein beein­dru­cken­des und span­nen­des Werk, auf­wüh­lend und lei­der immer noch aktuell.

Dieser detail­rei­che und fas­zi­nie­ren­de Film springt zwi­schen Zeitebenen und Kontinenten hin und her. Er zeigt, wie die CIA unwis­sen­de Jazzmusiker (z. B. Louis Armstrong) als Ablenkungsmanöver ein­setzt, um ihre poli­ti­schen Einmischungen in ver­schie­de­nen Ländern zu ver­schlei­ern. Es geht um die unglaub­li­che Andrée Blouin – Frauenrechtsaktivistin, Lumumbas Beraterin und Redenschreiberin … .Es gibt Werbeeinblendungen für iPhones und Teslas, die zei­gen, wie die Bodenschätze der Demokratischen Republik Kongo das Land zu einem begehr­ten Ziel für die Kolonialmächte mach­ten, und die die Vergangenheit mit der aktu­el­len Geschichte ver­knüp­fen. Informativ, gründ­lich recher­chiert, aber nie tro­cken oder didak­tisch, ist dies eine phä­no­me­na­le Leistung von Grimonprez, der auch sein eige­nes Land für sei­ne beschä­men­de Rolle in die­ser trau­ri­gen Geschichte zur Rechenschaft zieht.“
Wendy Ide | The Guardian

Credits:


BE/FR/NL 2024, 150 Min., engl., frz. OmU, 

Regie: Johan Grimonprez
Schnitt: Rik Chaubet

mit: Patrice Lumumba, Louis Armstrong, Andrée Blouin, Nina Simone, Nikita Krutschev, Eisenhower, Fidel Castro, Duke Elligton

Trailer:
Soundtrack to a Coup d’Etat – Official Trailer
nach oben

Filmstunde_23

Ein Film von Jörg Adolph, Edgar Reitz. In Deutsch.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Im Jahr 1968 ver­wan­delt sich ein Klassenzimmer eines Münchner Mädchengymnasiums unter Leitung des jun­gen Edgar Reitz in ein Filmstudio. Die Filmstunde beginnt: der ers­te in der Filmgeschichte doku­men­tier­te Versuch, Filmästhetik als eigen­stän­di­ges Fach zu unter­rich­ten. 2023 wird Edgar Reitz, mitt­ler­wei­le welt­be­rühm­ter Regisseur des Filmepos Heimat, von einer älte­ren Dame ange­spro­chen, die sich als eine der dama­li­gen Schülerinnen zu erken­nen gibt. Sie ver­ab­re­den ein Klassentreffen. Montiert aus einem Dokumentarfilm über das dama­li­ge Projekt, den Super-8-Filmen der Schülerinnen und dem gefilm­ten Wiedersehen im Jahr 2023, ent­steht eine Art Langzeitbelichtung der letz­ten 55 Jahre Filmgeschichte. Zeigt sich die Persönlichkeit der Schülerinnen bereits in den Übungsfilmen? Und was sagen die Damen zur Filmkultur der Gegenwart? Filmstunde_23 ist eine Liebeserklärung an das Filmemachen.

Credits:

DE 2024, 89 Min.,
Regie: Jörg Adolph, Edgar Reitz

Kamera: Matthias Reitz-Zausinger, Markus Schindler, Daniel Schönauer, Thomas Mauch (1968), Dedo Weigert (1968)
Schnitt: Jörg Adolph, Anja Pohl

Trailer:
FILMSTUNDE_23 – Offizieller Trailer
nach oben

Nan Goldin – I Remember Your Face

Ein Film von Sabine Lidl.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Anlässlich der Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie bie­ten wir allen kurz vorm Höhepunkt der Feierlichkeiten eine Erholungspause vom Weihnachtstrubel an:
Nan Goldin ist kei­ne gewöhn­li­che Künstlerin. Für die renom­mier­te Fotografin ver­schmel­zen Privatleben und Beruf voll­stän­dig – auf ihrem Lebensweg por­trä­tiert sie die Menschen, die sie auf die­sem beglei­ten. Goldin trifft in die­sem Dokumentarfilm unter Anderem alte Freunde, und erzählt von ihren wil­den Jahren in Berlin, ihrer Familie und ihrer Sammel-Leidenschaft reli­gi­ös kon­no­tier­ter Kunst. Der Film von Sabine Lidl ent­stand bereits 2013, vor Goldins Oxycodon-Abhängigkeit, die im Film All the Beauty and the Bloodshed the­ma­ti­siert wird, und ist nun erst­mals regu­lär im Kino zu entdecken.

Credits:

DE 2023, 62 Min., engl. OmU
Regie & Kamera: Sabine Lidl

Schnitt: Barbara Gies
mit: Nan Goldin, Clemens Schick, Käthe Kruse, Joachim Sartorius, Piotr Nathan, Christine Fenzl, Guido Costa, Jack Ritchey, Thomas Dupal

Trailer:
NAN GOLDIN – I REMEMBER YOUR FACE | Trailer
nach oben

Tracing Light – Die Magie des Lichts

Ein Film von Thomas Riedelsheimer.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Jeder glaubt zu wis­sen, was Licht ist“, sagt der Quantenphysiker Daniele Faccio. „Aber dann gräbt man ein biss­chen tie­fer und merkt, dass man kei­ne Ahnung hat.“
Tracing Light – Die Magie des Lichts erkun­det in fas­zi­nie­ren­den Bildern und Begegnungen das wohl bedeu­tends­te aller Naturphänomene. Thomas Riedelsheimer, des­sen Filme Rivers and Tides und Touch The Sound wir lie­ben, blickt dies­mal mehr als dort auch auf eine künst­le­ri­sche Herangehensweise an das Wesen des Lichts, die mit der Forschung zusam­men­geht. So bringt er her­aus­ra­gen­de Wissen- schaftler:innen mit Künstler:innen zusam­men, die mit Licht arbei­ten, und sich fra­gen: Was ist Licht als Material? Wie ver­hält es sich in sei­ner rät­sel­haf­ten Doppelgestalt als Welle und Teilchen? Verändert sich Licht, wenn wir es sehen? In wel­chem Verhältnis ste­hen Licht, Raum und Zeit? Wie prägt unse­re Wahrnehmung des Lichts unser Verständnis der Welt?
Im Zusammenspiel mit sei­nen cha­ris­ma­ti­schen Protagonist:innen und der kon­ge­nia­len Filmmusik von Fred Frith (nb – ab 6.3. als WA im Kino: Step across the Border) und Gabby Fluke-Mogul machen Thomas Riedelsheimers fas­zi­nie­ren­de Bilder das Licht in sei­nen unzäh­li­gen Facetten, Erscheinungen und Formen, in all sei­ner Komplexität erfahr­bar.
„Zwischen den Forscherinnen des Max-Planck-Instituts in Erlangen und der ’Extreme Light Group‚ der Universität Glasgow sowie inter­na­tio­nal renom­mier­ten Künstlerinnen wie Ruth Jarman, Joe Gerhardt, Julie Brook, Johannes Brunner und Raimund Ritz ent­wi­ckelt sich ein intel­lek­tu­ell-poe­ti­sches Pingpong-Spiel. In des­sen Verlauf füh­ren die ver­schie­de­nen Perspektiven auf das Thema Licht auf allen Seiten zu Erkenntnissen, die ohne die­ses metho­di­sche Cross-over kaum ent­stan­den wären: von Laserkraft und Farbpigmenten, von schwar­zen Löchern und schwe­ben­den Skulpturen. In kur­zen Momenten mögen Unkundige sogar eine Vorstellung von den gemein­hin als nicht-dar­stell­bar gel­ten­den Regeln der Quantenphysik bekom­men.“
Luc-Carolin Ziemann | Dok-Leipzig (Eröffnungsfilm 2024)

Credits:

DE/GB 2024, 99 Min., engl./dt. Originalfassung mit deut­schen und eng­li­schen Untertiteln
Regie, Kamera, Schnitt: Thomas Riedelsheimer

Musik: Fred Frith, gab­by flu­ke-mogul

Trailer:
nach oben

Die Saat des heiligen Feigenbaums

Ein Film von Mohammad Rasoulof.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Kurz nach­dem Iman zum Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht beför­dert wur­de, erstarkt nach Jina Mahsa Aminis Tod die Protestbewegung im Land. Während er mit dem Druck des neu­en Jobs zu kämp­fen hat, enga­gie­ren sich sei­ne Töchter bei den Protesten. Seine Frau Najmeh wie­der­um ver­sucht ver­zwei­felt, die Familie zusam­men­zu­hal­ten.
Regisseur Mohammad Rasoulof hat viel Zeit sei­nes Lebens in Unfreiheit ver­bracht, im Gefängnis, unter Hausarrest oder mit Ausreiseverbot, dazu kommt das Berufsverbot. Umso erstaun­li­cher ist nicht nur, dass er über­haupt noch dreht, und, dass sei­ne Arbeiten immer direk­ter, gewag­ter wur­den. Während „Iron Island“ von 2005 noch als mehr­deu­ti­ge Allegorie erscheint, und „The White Meadows“ (2009) para­bel­haf­te Fantasie ist, geht der auto­bio­gra­fisch gepräg­te „Goodbye“ (2011), schon wesent­lich direk­ter auf die sub­ver­si­ve staat­li­che Repression ein. Der Thriller „Manuscripts don‘t burn“ (2013) ver­klau­su­liert nichts mehr. Die Geschichte über die Geheimdienst-Morde an Schriftstellern hat sogar einen rea­len Hintergrund. In „A Man of inte­gri­ty“ (2017) geht es um Korruption, der Berlinale-Gewinner „There is no Evil“ ver­knüpft vier per­sön­li­che Schicksale mit den poli­ti­schen Gegebenheiten.
Nach Verhängung einer mehr­jäh­ri­gen Haftstrafe und Peitschenhieben konn­te Rasoulof aus dem Iran flie­hen und „Die Saat des hei­li­gen Feigenbaum“ beim Wettbewerb in Cannes per­sön­lich vor­stel­len. Natürlich steht die Familie, die sich auf­grund der poli­ti­schen Entwicklungen ent­zweit, stell­ver­tre­tend für die ira­ni­sche Gesellschaft, aber die Vorkommnisse sind durch­aus real.
,Die Saat des hei­li­gen Feigenbaums‘ wird Deutschland bei den Oscars ver­tre­ten. Die Jury: der Film ist das Psychogramm der auf Gewalt und Paranoia auf­ge­bau­ten Theokratie des Iran. … Ein meis­ter­haft insze­nier­ter und berüh­rend gespiel­ter Film, der Szenen fin­det, die blei­ben. Die bei­den auf­be­geh­ren­den Töchter ste­hen für die muti­gen Frauen des Iran und ihren auf­op­fe­rungs­vol­len Kampf gegen die Patriarchen ihrer Familien wie ihres Staates. Er ist eine her­aus­ra­gen­de Arbeit eines der gro­ßen Regisseure des Weltkinos, der in Deutschland Schutz gefun­den hat vor staat­li­cher Willkür im Iran. Wir sind sehr froh dar­über, Rasoulof sicher in unse­rem Land zu wissen.

Credits:

IR, DE, FR 2024, 168 Min., far­si OmU
Regie: Mohammad Rasoulof
Kamera: Pooyan Aghababaei
Schnitt: Andrew Bird
mit Missagh Zareh, Soheila Golestani, Mahsa Rostami, Setareh Maleki, Niousha Akhshi

Trailer:
The Seed of the Sacred Fig – Trailer OV/d
nach oben

All we imagine as light

Ein Film von Payal Kapadia.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Es war der ers­te indi­sche Film seit 30 Jahren, der in den Wettbewerb des Filmfestes in Cannes ein­ge­la­den wur­de. In ihrem Spielfilmdebüt the­ma­ti­siert die Dokumentarfilmerin Payal Kapadia die öko­no­mi­schen Ungleichheiten Indiens und nimmt uns mit in die Megacity Mumbai. Hier gilt ihr Blick drei Frauen, die in einem Krankenhaus arbei­ten. Die zurück­hal­ten­de Pflegerin Prabha lebt in ihrer Arbeit, die sie mit Ruhe und Sorgfalt bewäl­tigt. Der ihr zunächst unbe­kann­te Mann, mit dem sie eine arran­gier­ten Ehe ein­ging, ver­ließ sie kurz nach der Trauung Richtung Deutschland, der Arbeit wegen, und hat sich seit­dem nicht mehr gemel­det. Die Wohnung teilt sie sich des­halb seit eini­ger Zeit mit ihrer jün­ge­ren Kollegin Anu. Die ist leb­haft, risi­ko­freu­dig und frisch ver­liebt, in Shiaz, einen Mann mit der fal­schen Religion. Die Schwierigkeiten mit der Familie und die Gerüchteküche im Krankenhaus sor­gen Anu wenig, wohl aber, dass sie mit dem Geliebten nie und nir­gend­wo allein sein kann. Für Prabha hin­ge­gen schwärmt offen­sicht­lich ein Arzt, für sie aber gilt das Ehegelöbnis. Als die Post aller­dings einen Reiskocher aus Deutschland bei ihr ablie­fert, ohne Absender oder Gruß, fragt sie sich schon, was die­se ers­te Nachricht seit drei Jahren bedeu­ten könn­te – viel­leicht ist es doch eine Art Abfindung, ein Vorbote der Trennung?
Die drit­te Frau ist Parvaty, Köchin im Krankenhaus und Prabhas bes­te Freundin. Ihr droht nach dem Tod des Ehemanns der Verlust der Wohnung, denn er hat ihr kei­ne Papiere hin­ter­las­sen, die die Rechte klä­ren. Prabha ver­sucht ihr zu hel­fen, aber sie sind chan­cen­los. Resigniert ver­lässt Parvaty Mumbai und zieht zurück in ihr Heimatdorf. Dort besu­chen sie Prabha und Anu, und die­se Tage wer­den zu einem ganz beson­de­ren Erlebnis.
Trotz der doku­men­ta­ri­schen Sicht und aller Authentizität wirkt „All we ima­gi­ne as Light“ stets wie unwirk­lich und ver­zau­bert, viel­leicht aber auch nur aus west­li­cher Sicht.

Kino, das im bes­ten Sinne den Blick auf ande­re Welten öff­net“ schreibt programmkino.de dazu. Unzweifelhaft ist jedoch, dass er ganz wun­der­bar eine Entwicklung hin zu weib­li­cher Solidarität und immer mehr Selbstbewusstsein aufzeichnet.

Sehnsüchtig such­te man [im Wettbewerb der 77. Filmfestspiele von Cannes] nach einem Film, der sich auf die Schönheit, die ele­men­ta­re Kraft des Kinos ver­ließ. Und er kam dann auch. „All we ima­gi­ne as Light“ von der indi­schen Regisseurin Payal Kapadia folgt drei Frauen, die als Krankenschwestern und Köchin in einem Krankenhaus in Mumbai arbei­ten. Mit einer ruhi­gen Kamera glei­tet man in drei Leben hin­ein. Zwischen Schichtarbeit, Kochen und Einkaufen geht es um die Dinge des Lebens.
„All we ima­gi­ne as Light“ bekam in Cannes den Großen Preis der Jury, und die­ser berüh­ren­de Film, ein wahr­haf­ti­ger Lichtblick, zeigt, was Kino sein kann: Alles, was wir uns als Licht vor­stel­len.“ Katja Nikodemus | Die Zeit

Wettbewerb Cannes Filmfestival 2024. Mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet.

Credits:

IN, FR, NL, LU 2024, 114 Min., Malayalam, Hindi OmU
Regie: Payal Kapadia
Kamera: Rabadir Das
Schnitt: Clément Pinteaux
mit Kani Kusruti, Divya Prabha, Chhaya Kadam, Hridhu Haroon 

Trailer:
nach oben

Black Dog

Ein Film von Guan Hu.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Die Geschichte der lang­sa­men Annäherung zwi­schen zwei Außenseitern, dem eigen­wil­li­gen Lang und einem schwar­zen Hund, wur­de in Cannes die­ses Jahr mit dem Hauptpreis in der Sektion „Un cer­tain regard“ aus­ge­zeich­net. Xin, der Hund, bekam zudem die begehr­te „Dog-Palm“.
Lang saß vie­le Jahre im Gefängnis, jetzt kehrt er in sei­nen Heimatort am Rande der Wüster Gobi zurück. Wir wer­den den Einzelgänger aller­dings noch als völ­lig ver­schie­den ken­nen­ler­nen von dem, was die eige­nen Vorurteile uns dik­tie­ren.
Die Umgebung, in die er zurück­kehrt, ist schwer von Umgestaltung betrof­fen, denn die bedeu­tet fast immer Abriss. Zwar fin­det die Olympiade – der Film spielt 2008 – woan­ders statt, aber auch in den nicht nur im räum­li­chen Sinn fer­nen glit­zern­den Großstädte muss jetzt „auf­ge­räumt“ wer­den. Betroffen davon sind auch die vie­len streu­nen­den Hunde. Ein Tier mit beson­ders schwar­zem Fell ent­wischt den Fängern immer wie­der, da wird ihm die Tollwut ange­dich­tet und ein Preis für ihn aus­ge­setzt. Lang fühlt sich dem wider­spens­ti­gen Wesen ver­wandt und nimmt es, nicht ohne Blessuren zu erlei­den, zu sich. Beide müs­sen nun schau­en, wie es für sie wei­ter­ge­hen kann.
Regisseur Guan Hu zähl­te zusam­men mit u.a. Zhang Yuan, Wang Xiaoshuai, He Jianjun, Jia Zhang-Ke und Yu Le zur soge­nann­ten 6. Generation chi­ne­si­scher Filmemacher*innen, die es sich erlaub­ten, in ihren Filmen auch mit poli­ti­schem Blick das Alltagsleben unge­schönt dar­zu­stel­len. Nach meh­re­ren Großprojekten scheint Black Dog – Weggefährten sein Schritt zurück zu den Anfängen zu sein.
„Auch Black Dog setzt zwar durch­aus hier und da klei­ne Spitzen gegen die offi­zi­el­le Fortschrittsrhetorik Chinas, ist aber ins­ge­samt kein sub­ver­si­ver Film. Indem er das Leid und das Freiheitsbedürfnis der Menschen auf das Leid und das Freiheitsbedürfnis der Tiere über­trägt, wird bei­des erträg­li­cher und uni­ver­sel­ler. Traurige Hundeaugen bli­cken über­all auf der Welt gleich. Später tau­chen außer­dem noch ande­re Tiere auf, Tiger und Schlangen, sowie eine Bauchtänzerin, die ein Auge auf Lang wirft und dem ansons­ten ziem­lich männ­lich domi­nier­ten Film durch­aus gut­tut. Wie man über­haupt Black Dog sei­ne rühr­se­li­ge Schlagseite kei­nes­wegs zum Vorwurf machen muss. Das Kino hat nicht die Pflicht, immer gleich das Regime stür­zen zu wol­len. Manchmal genügt es voll­auf, eine her­zens­war­me – und wirk­lich wun­der­schön foto­gra­fier­te – Ballade von einem Mann und einem Hund zu erzäh­len.“ Lukas Foerster | Die Presse

Cannes 2024 – Un Certain Regard Preis

Credits:

CN 2024, 110 Min., Mandarin OmU
Regie: Guan Hu
Kamera: Gao Weizhe
mit
Eddie Peng, Zhangke Jia, Jing Liang

Trailer:
BLACK DOGWEGGEFÄHRTEN | offi­zi­el­ler Trailer mit Dt. Untertiteln | ab 12. Dezember im Kino
nach oben
The Outrun

The Outrun

Ein Film von Nora Fingscheidt 

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Nach mehr als zehn Jahren kehrt Rona in ihre Heimat auf den ent­le­ge­nen Orkneyinseln zurück. Während sie die ein­zig­ar­ti­ge, raue Landschaft, in der sie auf­ge­wach­sen ist, wie­der­ent­deckt, ver­mi­schen sich ihre Kindheitserinnerungen mit sol­chen aus der letz­ten, von Sucht gepräg­ten Zeit. Ihr dama­li­ger Aufbruch in die Stadt und die fol­gen­den aus­schwei­fen­den Jahre in London mün­de­ten in einem schmerz­haf­ten Absturz. Doch nach und nach wird die Begegnung mit den ver­wun­sche­nen, wind­ge­peitsch­ten Küsten der Inseln zu einer Chance auf ein neu­es Leben.
Nora Fingscheidts Adaption von Amy Liptrots auto­bio­gra­fi­schem Bestseller blickt in erschüt­tern­den Rückblenden auf die Abwärtsspirale, die Rona in London durch­lebt, und auf ihre Zeit in einem stren­gen Entzugsprogramm. Im Zentrum des Films steht jedoch ihre Befreiung von per­sön­li­chen Dämonen durch die Verbindung mit der Natur der Heimat ihrer Kindheit.
„Gerade durch die Verweigerung ein­fa­cher Antworten und die kon­se­quen­te Konzentration auf die Alltäglichkeit des Kampfes sei­ner Protagonistin ent­wi­ckelt The Outrun eine stil­le, aber nach­drück­li­che Kraft. Besonders in den intro­spek­ti­ven Momenten gelingt es Saoirse Ronan, ihrer Figur eine beein­dru­cken­de Menschlichkeit zu ver­lei­hen. Die Hoffnung, die ihre Rona am Ende emp­fin­det, mag klein sein – aber sie ist echt. Und genau dar­in liegt die Stärke die­ses ein­dring­li­chen Porträts eines Heilungsprozesses.“ Arabella Wintermayr | taz

Credits:

GB/DE 2024, 117 Min., engl. OmU
Regie: Nora Fingscheidt
Kamera: Yunus Roy Imer
Schnitt: Stephan Bechinger
mit Saoirse Ronan, Paapa Essiedu, Stephen Dillane, Saskia Reeves, Nabil Elouahabi, Izuka Hoyle, Lauren Lyle 

Trailer:
nach oben