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All eure Gesichter

Ein Film von Jeanne Herry.

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Was pas­siert mit mir, wenn ich über­fal­len, beraubt oder bedroht wer­de?
Verbrechensopfer auch „min­der­schwe­rer“ Taten lei­den oft noch lan­ge danach am Geschehenen. Die Täter hin­ge­gen machen sich oft kei­ne Vorstellungen davon, was sie anrich­ten. Das Instrument der „Restorativen Justiz“ bzw. des „Täter – Opfer – Ausgleichs“ bringt Täter und Opfer ähn­li­cher Delikte zusam­men. Ziel ist es, auf der einen Seite Erleichterung zu brin­gen, und denen auf der ande­ren Empathie zu ver­mit­teln, also aktiv gemein­sam an der Lösung und Bereinigung der Folgewirkungen die­ser Straftat zu arbei­ten. Die Teilnahme an den Treffen ist abso­lut frei­wil­lig und erfor­dert viel Vorbereitung von allen Seiten. Da es in die­sem geschütz­ten Rahmen um sehr per­sön­li­che Dinge geht und es viel Mut braucht, am Verfahren teil­zu­neh­men, ist doku­men­ta­ri­sches Arbeiten natür­lich aus­ge­schlos­sen. So war genau­es­te Recherche der Regisseurin von­nö­ten, um die fil­mi­schen Prozesse zu ent­wi­ckeln und aus­zu­ar­bei­ten.
Mittels eines her­aus­ra­gen­den Ensembles erzählt „All eure Gesichter“ ver­dich­tet von zwei die­ser Begegnungen, von Wut, Angst, Hilflosigkeit und Hoffnung, Schweigen und der erlö­sen­den Kraft der Worte, von Einsicht, Misstrauen und Vertrauen, von unge­ahn­ten Gemeinsamkeiten und manch­mal auch von ech­ter Wiedergutmachung.
„Die opfer­ori­en­tier­te Justiz wur­de zu einem sehr inter­es­san­ten Feld; der idea­le Rahmen, um einen star­ken Film zu schrei­ben, bei dem viel auf dem Spiel steht, psy­cho­lo­gi­sche Actionszenen, Raum für Dialoge; alles, was ich mag.“ sagt Jeanne Herry über ihre Beweggründe, und über die rea­len Projekte „Diese Begegnungen öff­nen die Türen der Vorstellungskraft. Es ist wie bei einem guten Buch oder einem guten Film: Wir schaf­fen Raum für ande­re, für die Subjektivität der ande­ren, für inne­re Welten, die wir nicht ken­nen oder gut verstehen…“

Credits:

Je ver­rai tou­jours vos visa­ges, FR 2023, 118 Min., frz. OmU, Regie: Jeanne Herry, Kamera: Nicolas Loir, mit: Adèle Exarchopoulos, Dali Benssalah, Leïla Bekhti, Birane Ba, Anne Benoît, Elodie Bouchez, MiouMiou, Gilles Lellouche

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The Old Oak

Ein Film von Ken Loach.

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TJ Ballantyne ist Betreiber des Pubs The Old Oak in einer ehe­ma­li­gen Grubenstadt in Nordengland, wo nicht nur der Ausverkauf leer­ste­hen­der Häuser (damit der Werteverfall aller Immobilien) an aus­wär­ti­ge Investoren die Gemüter umtreibt. Die Schließungen sozia­ler Einrichtungen und Geschäfte, die Arbeits- und Aussichtslosigkeit machen den Menschen zu schaf­fen. Als eine Gruppe syri­scher Geflüchteter im Ort unter­ge­bracht wird, wird es nicht als Chance für neu­en Möglichkeiten gese­hen, son­dern als Gefahr. Zusammen mit der jun­gen Fotografin Yara, deren Vater wohl in Syrien ver­misst wird, ver­sucht TJ, gegen alle Anfeindungen ein soli­da­ri­sches, alle ein­schlie­ßen­des Netzwerk auf­zu­bau­en. Dass er für eine gemein­sa­me Kantine das unge­nutz­te Hinterzimmer des Pubs her­rich­tet, zuvor aber eine geplan­te Versammlung gegen die „Fremden“ dort unter­sagt hat, bringt sei­ne Stammgäste zunächst gegen ihn auf.
In ihrer klei­nen Utopie zei­gen Loach und sein Autor Laverty ein­mal mehr die Zusammenhänge und Auswirkungen einer rein aufs Ökonomische gerich­te­ten Politik auf. Für alle, denen das Ende zu posi­tiv ist, gibt es einen Trost: die Geschichte hat sich, so oder so ähn­lich, tat­säch­lich ereig­net.
„Loachs [und Lavertys] Anliegen ist klar: Syrische Flüchtlinge und eng­li­sche Arbeiter ste­hen auf der­sel­ben Stufe. Sie alle sind Unterdrückte und Opfer, ent­we­der von Kriegen oder Marktinteressen. Flüchtlinge zu has­sen, ihnen gar die Schuld an den eige­nen Problemen zu geben, nur weil die Boulevard-Medien dazu ansta­cheln, hat des­halb kei­nen Sinn. Loach plä­diert des­halb für Selbsthilfe. Die Kantine im „Old Oak“ ist so etwas wie eine prag­ma­ti­sche Lösung im Kleinen, ohne staat­li­che Vorgaben oder Hilfe. Hier begeg­nen sich frem­de Menschen, um Vorurteile abzu­bau­en und sich gegen­sei­tig bei ihren Problemen zu hel­fen. Wer gemein­sam isst, ver­steht sich bes­ser.
Das steht im wun­der­ba­ren Gegensatz zur aktu­el­len Politik, die vor unkon­trol­lier­ten Flüchtlingsströmen warnt – und dar­um kon­se­quen­ter­wei­se in die­sem Film gar nicht vor­kommt.“
Michael Ranze | Filmdienst

Credits:

GB/FR/BE 2023, 113 Min., engl. OmU
Regie: Ken Loach
Drehbuch: Paul Laverty
Kamera: Robbie Ryan
Schnitt: Jonathan Morris
mit: Dave Turner, Ebla Mari, Debbie Honeywood, Reuben Bainbridge

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OmU!

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Fremont

Ein Film von Babak Jalali.

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Das Kino kann ein Glückskeks sein“ 
Daniel Nehm | Die Zeit
„In ihrer afgha­ni­schen Heimat arbei­te­te Donya [Anaita Wali Zada, tat­säch­lich vor Jahren von dort geflo­hen] als Übersetzerin für die ame­ri­ka­ni­schen Besatzer, nun lebt sie in Fremont, einer klei­nen Schlafstadt in der Nähe von San Francisco. Unspektakulär läuft das Leben hier ab, tags­über arbei­tet Donya in einer Fabrik, in der Glückskekse her­ge­stellt wer­den, … nachts lei­det sie an Schlaflosigkeit. Kein dra­ma­ti­sches Trauma plagt sie – so wie die gesam­ten 90 Minuten des Films betont undra­ma­tisch ablau­fen – doch immer wie­der fragt sich Donya, war­um gera­de sie über­lebt hat, wäh­rend so vie­le Menschen im Krieg star­ben. Warum lebt sie ein zwar beschei­de­nes, aber doch ange­neh­mes Leben, war­um hat­te sie soviel Glück?
Als idea­le Metapher auf dem Weg zur Erkenntnis funk­tio­nie­ren dabei die Glückskekse, jenes leicht süße Gebäck, in des­sen Inneren sich eine mehr oder weni­ger sin­ni­ge Lebensweisheit befin­det. Nicht zu prä­zi­se, aber auch nicht zu vage soll die­se sein, erklärt ihr Chef Donya, nicht zu opti­mis­tisch, aber auch nicht pes­si­mis­tisch. Eine schwie­ri­ge Balance also, die auch Babak Jalalis Film erfolg­reich hält: Irgendwo zwi­schen Komödie und Drama bewegt sich „Fremont“, in einer Welt der klei­nen, genau­en Beobachtungen, vol­ler lako­ni­scher Momente, mit lebens­na­hen Figuren, die Empathie aus­lö­sen und die man ger­ne beob­ach­tet. Das ange­sichts die­ses Tonfalls und beson­ders der ruhi­gen, im klas­si­schen 4:3 Format kadrier­ten Bilder unwei­ger­lich Vergleiche zu Jim Jarmusch wach wer­den ist kein Vorwurf, im Gegenteil: Mit sei­nem vier­ten Film „Fremont“ ist Babak Jalali ein bemer­kens­wer­tes Kleinod gelun­gen, voll von ganz eige­nen Charakteren und klei­nen, wah­ren Lebensweisheiten.“
Michael Meyns | programmkino.de

Auch wenn es die­se Inhaltsangabe nicht gleich ver­mu­ten lässt, han­delt es sich bei „Fremont“ von dem ira­nisch-stäm­mi­gen, in London leben­den Regisseur Babak Jalali um eine leicht­fü­ßi­ge, intel­li­gen­te Komödie, in der am lau­fen­den Band wit­zi­ge Dinge pas­sie­ren, die die Hauptfigur sto­isch hin­nimmt. Ganz egal, ob Donya sich mit ihren Nachbarn unter­hält, sich über die Leidenschaft eines Restaurantbesitzers für Soap Operas wun­dert oder die Blind-Date-Erfahrungen einer Kollegin mit anhö­ren muss: Jalali fin­det stets lako­ni­sche, prä­zi­se geschrie­be­ne Dialoge und Situationen, die auf sei­ne Vorbilder, Jim Jarmusch und natür­lich Aki Kaurismäki, ver­wei­sen.” Filmdienst

Credits:

US 2023, 91 Min., engl.-farsi–kantonesische OmU
Regie & Schnitt: Babak Jalali
Kamera: Laura Valladao
mit Anaita Wali Zada, Hilda Schmelling, Jeremy Allen White, Avis See-tho 

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Blackberry

BlackBerry

Ein Film von Matt Johnson.

[Credits] [Tickets & Termine] [Trailer]

Zwei unglei­che Unternehmer – der hoch­in­tel­li­gen­te Innovator Mike Lazaridis und der knall­har­te Geschäftsmann Jim Balsillie – tun sich zusam­men. Mit einem Gerät, das der eine erfun­den hat und der ande­re ver­mark­tet, haben sie inner­halb von zehn Jahren welt­weit Erfolg. Es nennt sich BlackBerry und revo­lu­tio­niert die Art, wie die Welt arbei­tet, spielt und kom­mu­ni­ziert. Aber gera­de als das BlackBerry zu neu­en Höhenflügen ansetzt, beginnt es im Nebel der Smartphone-Kriege, Managementkrisen und Ablenkungsmanöver schon wie­der die Orientierung zu ver­lie­ren, was schließ­lich zum Zusammenbruch eines der erfolg­reichs­ten Unternehmen in der Geschichte der Technologie- und Geschäftswelt führt.
Johnsons frü­he­re Werke (The Dirties, Operation Avalanche) zei­gen Filmfreaks, die getrie­ben sind von der Idee, selbst mit der Kamera etwas auf Film zu ban­nen, das in Wirklichkeit unglaub­lich, wenn nicht unmög­lich erscheint. Seine Geschichten han­deln von schein­bar unschein­ba­ren Menschen, die etwas errei­chen wol­len, das bis­her noch nie­man­dem gelun­gen ist. Mit dem ihm eige­nen, bei­ßen­den Humor ver­blüfft er uns die­ses Mal mit der Story von zwei Kanadiern, die zwi­schen gemein­sa­men Filmabenden ein Werkzeug erfan­den, das aus unse­rem Leben nicht mehr weg­zu­den­ken ist.

Dank einer nost­al­gisch-iro­ni­schen 90er und 00er Ästhetik, der per­ma­nen­ten Gegenüberstellung von Geek-Kultur und Corporate Warfare und unzäh­li­gen Film‑, Game- und Pop/Rock-Zitaten gelingt Johnson dabei eine Tragikomödie, die sich wie­sel­flink zwi­schen Wayne’s World, The Social Network und Wallstreet bewegt.„
Sennhausers Film Blog

Credits:

CA 2023, 121 Min., engl. OmU
Regie: Matt Johnson
Kamera: Jared Raab
Schnitt:Curt Lobb
mit Jay Baruchel, Glenn Howerton, Matt Johnson, Cary Elwes, Saul Rubinek, Michael Ironside, Rich Sommer, Sungwon Cho, Michelle Giroux, Mark Critch

Trailer:

OmU!

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THERE IS A STONE

There is a Stone

Ein Film von Tatsunari Ota.

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Eine zufäl­li­ge Begegnung am Fluss, ein flüch­ti­ges Zusammensein, ein Tag Auszeit – Tatsunari Otas Film erkun­det eine Welt ohne Produktivität und fin­det Freude an Müßiggang und Verspieltheit – wun­der­schön in sei­ner Beiläufigkeit, über­ra­schend in Details.
Eine jun­ge Frau recher­chiert für ein neu­es Reiseprojekt. Von der Burg, die sie sucht, ist jedoch außer einer Hinweistafel nichts mehr zu fin­den. Auf dem Weg zurück zur Bahn kommt sie an ein Flussbett und ent­deckt auf der ande­ren Seite einen Mann, der geschickt Steine übers Wasser sprin­gen lässt. Nach anfäng­li­cher Unsicherheit spa­zie­ren sie zusam­men am Fluss ent­lang, und als er ver­schie­de­ne Spiele vor­schlägt, ver­gisst sie all­mäh­lich Arbeit und Zeit. Beide ver­tie­fen sich in die Suche nach ihren „Lieblingssteinen”, jon­glie­ren mit Ästen und ver­brin­gen Zeit mit­ein­an­der, als wären sie wie­der Kinder. Doch als die Sonne unter­geht, geht die Zeit, die sie gemein­sam ver­bracht haben, zu Ende.
Vertändelt man sei­ne Zeit beim Schauen eines Films, der sei­nen Blick auf das Vertändeln von Zeit, das Spiel, und schein­bar unnüt­zes Tun rich­tet?
John Berra von Screen-Daily meint, ganz sicher nicht:
„Die Aufnahmen des Kameramanns Yuji Fukaya sind gera­de­zu hyp­no­ti­sie­rend. Er nutzt die Academy Ratio, um ein Gefühl der Abgeschlossenheit in der länd­li­chen Umgebung zu erzeu­gen. … Obwohl eine Reihe von ange­mes­sen zurück­hal­ten­den Arrangements des Komponisten Shu Oh spar­sam ein­ge­setzt wird, besteht die Hauptbegleitung in Naru Sakamotos Sounddesign, das das sanf­te Plätschern des Baches und ande­re natür­li­che Elemente mit trance­ar­ti­ger Wirkung unter­streicht.
An Ogawa und Tsuchi Kano sind in ihren namen­lo­sen Rollen völ­lig unge­küns­telt und stel­len ein Paar sehn­süch­ti­ger, aber vor­sich­ti­ger Seelen dar, ohne dass es einer Hintergrundgeschichte bedarf. Diese flüch­ti­ge Freundschaft hat einen ganz eige­nen Rhythmus, aber wer sich dar­auf ein­lässt, wird in There Is A Stone einen loh­nen­den Ausflug fin­den, der aus dem schein­bar Alltäglichen behut­sam beson­ders ech­te Momente herausholt.“

Credits:

Ishi ga aru – 石がある
Jp 2022, 104 Min., japan. OmU
Regie: Tatsunari Ota
Kamera: Yuji Fukaya
Schnitt: Keiko Okawa
mit:An Ogawa, Tsuchi Kanou

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The Quiet Girl

Ein Film von Colm Bairéad.

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Das beein­dru­cken­de Debut des Iren Colm Bairéad ist ein ruhi­ger, ein stil­ler Film. Zurückhaltend wie sei­ne Hauptfigur, die neun­jäh­ri­ge Cáit, lebt vom genau­en Hinschauen, Spüren, von vor­sich­ti­gem Herantasten. Zu Beginn ver­steckt sie sich vor ihren Geschwistern im hohen Gras, und wird von der Kamera ent­deckt.
In den 80-er Jahren war Armut in der Republik Irland kein Fremdwort, und auch der Hof von Cáits Familie ist unr­e­ta­bel. Man lebt beengt, der Vater ver­spielt und ver­trinkt das weni­ge Geld, die Mutter ver­nach­läs­sigt fast zwangs­läu­fig die Kinderschar. Als sie erneut ein Kind erwar­tet, wird aus­sor­tiert, und das fami­li­en­un­kon­for­me Mädchen zeit­wei­se bei einem ent­fernt ver­wand­ten Ehepaar unter­ge­bracht. Seán und Eibhlín sind ver­gleichs­wei­se wohl­ha­bend und kön­nen die Kleine gut auf­neh­men. Während Eibhín sich rüh­rend um Cáit küm­mert, ver­hält sich Seán zunächst abwei­send und unfreund­lich.
Dass sich dies grund­le­gend ändert, ist qua­si film­ge­mäß vor­be­stimmt, doch die Annäherung von Kind und Ersatzvater wird auf eine sel­ten schö­ne und undra­ma­ti­sche Weise gezeigt. Kleine Gesten, Blicke und Ermunterungen zeu­gen von zuneh­men­der Vertrautheit, wenn es auch in die­ser Familie Geheimnisse gibt.
„ … Diese Cáit mag nicht viel spre­chen. Dafür aber nimmt sie mit allen Sinnen wahr, auf­merk­sam und sen­si­bel. Und der Film tut es mit ihr. Colm Bairéad lässt die Kamera zu einem Sinnesorgan des künf­ti­gen Erinnerns wer­den; er erzählt ohne die übli­chen dra­ma­tur­gi­schen Konflikte, sucht nie das gro­ße Drama. Wohltuend ist das und unauf­dring­lich. Das ist auch das bes­te Adjektiv, um die­sen Film zu beschrei­ben – nichts drängt sich auf, alles ist inwen­di­ges Erleben.
… Cáit sol­le sich nicht ob ihrer Schweigsamkeit sor­gen, sagt Séan ein­mal am Strand zu ihr; zu vie­le Menschen wür­den die Chance ver­pas­sen, nichts zu sagen, und dabei viel kaputt machen. Dasselbe gilt auch für vie­le Filme, die es ver­pas­sen, mit den Bildern zu erzäh­len, und statt­des­sen alles zer­re­den. Das Debüt von Colm Bairéad fin­det dar­in sei­ne eige­ne meis­ter­haf­te Form.“
Sebastian Seidler | Filmdienst

Credits:

An Cailín Ciúin
IR 2022, 95 Min., gälisch, eng­li­sche OmU
Regie: Colm Bairéad
Kamera: Kate McCullough
Schnitt: John Murphy
mit: Carrie Crowley, Andrew Bennett, Catherine Clinch

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Monster im Kopf

Ein Film von Christina Ebelt. 

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Hochschwanger sitzt Sandra im Gefängnis und kämpft ener­gisch dar­um, dass ihr Kind auch nach der Geburt bei ihr bleibt. Doch die Sozialarbeiterin und das Jugendamt sind skep­tisch, ob sie ihr das zutrau­en. Sie befürch­ten, wenn Sandra unter Druck gerät, fällt sie in alte Muster zurück und hat sich nicht im Griff. Erst durch geschickt in die Erzählung ein­ge­wo­be­ne Rückblenden erfah­ren wir, wie es über­haupt so weit kom­men konn­te.” (Filmfest München)
Das Impulsive, die Unberechenbarkeit und die Gewaltausbrüche der Hauptfigur machen es nicht leicht, einen Zugang zur Hauptperson zu fin­den, was aber genau die Intention des Films ist: Nicht durch eili­ge Schuldzuweisungen die Ambiguität der Protagonistin zu unter­lau­fen. Eine Figur voll­stän­dig ver­ste­hen zu kön­nen, viel­leicht auch beu­gen zu wol­len, wird in den bes­ten Momenten zurecht wider­spro­chen. So bleibt immer ein Rest in der Schwebe und wir dür­fen uns nur ein wenig nähern, was aber aus­reicht, um letzt­lich ein gro­ßes Mitgefühl zu erzeugen. 

Credits:

DE 2023, 94 Min.
Regie: Christina Ebelt
Kamera: Bernhard Keller
Schnitt: Florian Riedel
mit Franziska Hartmann, Slavko Popadić, Martina Eitner-Acheampong

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MONSTER IM KOPF – Offizieller Trailer
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Totem

Tótem

Ein Film von Lila Avilés. 

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In ihrem zwei­ten Film ver­lässt Lila Avilés die engen Hotelzimmer ihres Debüts „The Chambermaid”, aber der Zusammenhang zwi­schen mensch­li­chen Beziehungen und Innenräumen bleibt Thema. Schauplatz ist ein gro­ßes Haus, in dem Familie und Freund*innen ein zwei­fa­ches Ritual bege­hen: Der Maler und jun­ge Vater Tona hat Geburtstag, und da es wohl sein letz­ter ist, wird zugleich Abschied gefei­ert. Entsprechend hat auch der Film zwei Seelen: Hinter der Hektik und Spontaneität beim Vorbereiten und Feiern tut sich jene archa­isch-spi­ri­tu­el­le Tiefendimension auf, die im Titel anklingt. Tonas geschwäch­ter Körper bleibt zunächst unsicht­bar. Im schüt­zen­den Zimmer sam­melt er Kraft für die Zeremonie, bei der er die gan­ze Liebe und Zuneigung erfährt, die er für sei­ne letz­te Reise braucht. So sorg­sam wie der Patriarch sei­ne gelieb­ten Bonsaibäumchen gestal­tet Avilés ihre fil­mi­sche Miniatur, hilft Handlungslinien und Gefühlen auf den rich­ti­gen Weg, schnei­det Nebensächliches und Überflüssiges weg. Der Film berei­tet den Weggang eines Menschen vor, ist aber vol­ler Lebenszeichen und ‑for­men: Tiere, Insekten, Pflanzen und ein Defilee wun­der­ba­rer Menschen, ver­eint in der Kraft des Miteinanders.

Wie der Betrachter auf den ver­schie­de­nen Elementen und Details eines gro­ßen Gemäldes aus frü­he­ren Zeiten ver­weilt und dann den Blick wei­ter­zie­hen lässt, so erfasst auch der Film auf ruhi­ge und bedäch­ti­ge Weise die­se Familie in ihrer unge­wöhn­li­chen Situation, stellt mal den einen, mal die ande­re in den Mittelpunkt und wech­selt dann in den Nebenraum, nimmt eine ande­re Perspektive ein. Das gelingt. Ist span­nend und kurz­wei­lig. Denn als Zuschauer:in zeich­net man die­ses Familienportrait im Kopf nach, macht sich nach und nach ein Bild von jedem Einzelnen und der Familie als Ganzem. Dabei schweift der fil­mi­sche Blick auch ab und ent­wirft ganz neben­bei ganz unge­wöhn­li­che, aber groß­ar­ti­ge Kinobilder, die er durch das zurück­ge­nom­me­ne Sounddesign ein­mal mehr wir­ken lässt. ..” Verena Schmöller | kino-zeit.de

Credits:

MX DK FR 2023 95 Minuten
spa­ni­sche OmU (deut­sche und eng­li­sche Untertitel)
Regie, Buch: Lila Avilés
Kamera: Diego Tenorio
Schnitt: Omar Guzmán
mit: Naíma Sentíes
Monserrat Marañon
Marisol Gasé
Saori Gurza
Teresita Sánchez

Trailer:
TÓTEM – offi­zi­el­ler Kinotrailer – ab 09.11. im Kino
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Notes on a Summer

Ein Film von Diego Llorente.

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Die „Kurzen Notizen eines Sommers“ – es wird viel per SMS kom­mu­ni­ziert – han­deln von der Mitt-Zwanzigerin Marta, Universitätsangestellte in Madrid. Sie gera­de mit ihrem Freund Leo zusam­men­ge­zo­gen und fährt anschlie­ßend für einen kur­zen Urlaub zurück in ihren Heimatort an die Atlantikküste im Norden Spaniens. So schön die Gegend dort ist, so abge­hängt ist sie öko­no­misch. Während die Hauptstadt für einen siche­ren Arbeitsplatz und eine sta­bi­le Beziehung steht, erscheint der jun­gen Frau Asturien als eine Art ver­lo­re­nes Paradies, wo sie sich zusam­men mit den Freundinnen zurück in die Teenager-Zeit bea­men kann. Dazu kommt dann noch die Begegnung mit mit ihrem Exfreund Pablo, dem sie einst den Laufpass gab. Das mög­li­che Abenteuer mit ihm reizt sie, und so wird die Beziehung, unver­bind­lich natür­lich, reak­ti­viert. Aber zur Hochzeit von Martas Freundin ist auch Leo ein­ge­la­den.
Es ist eine ein­fa­che, uni­ver­sel­le Geschichte, die uns Diego Llorente hier in klei­nen Alltagsvignetten anbie­tet, unauf­ge­regt mit Rohmerschem Touch und bewun­derns­wert natür­lich erzählt und gespielt.
Ein som­mer­li­cher Film über Lust und Liebe und Entscheidungen, die man tref­fen
muss (oder auch nicht).

Credits:

ES 2023, 83 Min., span. OmU
Regie: Diego Llorente
Kamera: Adrián Hernandez
Schnitt: Diego Llorente
mit: Katia Borlado, Antonio Araque, Álvaro Quintana, Rocío Suáre

Trailer:
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Das Versprechen – Architekt BV Doshi

Ein Film von Jan Schmidt-Garre.

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Balkrishna Doshi ist 1927 gebo­ren, aber er war der jüngs­te Architekt der Welt. Alles, wor­über jun­ge Architekten heu­te dis­ku­tie­ren, setz­te er schon vor Jahrzehnten um.

Seit den 60er Jahren bau­te er nach­hal­tig: mit loka­len Materialien, ener­gie­spa­rend, mit natür­li­cher Klimatisierung.

Seit den 80er Jahren bau­te er sozi­al: kos­ten­güns­ti­ge Siedlungen, die von den Slum-Bewohnern der indi­schen Großstädte wei­ter­ent­wi­ckelt wur­den und ihnen den sozia­len Aufstieg ermöglichten.

2018 erhielt er dafür den Nobelpreis der Architektur, den Pritzker Architecture Prize.

Im Januar 2023 ver­starb BV Doshi hoch­be­tagt „als ein glück­li­cher Mensch“, wie Regisseur Jan Schmidt-Garre schreibt.

Ein ein­fühl­sa­mes Portrait eines gro­ßen Architekten, das die inni­ge Verbindung von Mensch und gebau­ter Umwelt beleuch­tet, die im Zentrum von Doshis Schaffen steht. Keiner der übli­chen Starchitecture-Filme, son­dern ein Blick auf den Menschen und auf das Indien, die Doshis Bauten geprägt haben.“

Credits:

Das Versprechen – Architekt BV Doshi
D 2023, 90 Min., engl. OmU
Regie: Jan Schmidt-Garre
Kamera: Diethard Prengel
Schnitt: Sarah. J. Levine

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