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Madame

Ein Film von Stéphane Riethauser .

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Madame – das ist Caroline, die Grossmutter von Stéphane Riethauser. Eine alte Dame, die ab den ers­ten Aufnahmen ahnen lässt, dass sich hin­ter ihrer koket­ten Frisur und den bour­geoi­sen Manieren eine sel­te­ne Charakterstärke ver­birgt. Im Mittelpunkt des Films steht ihre Beziehung: Ein dop­pel­tes Selbstporträt, in dem die Matriarchin und ihr Filme machen­der, schwu­ler Enkel sich ein­an­der anver­trau­en. Das üppi­ge Familienarchiv stellt nicht nur das Material einer (fas­zi­nie­ren­den) Familiensaga, son­dern bil­det vor allem das Mittel für eine neue Form des Dialogs zwi­schen dem Filmemacher und sich selbst, mit sei­ner Grossmutter und mit der bür­ger­li­chen Gesellschaft, in der er auf­ge­wach­sen ist. Aus die­sen Bildern und Konfrontationen schöpft der Film sei­ne sub­ver­si­ve Kraft, indem er die Geschlechterklischees, die jeden in einer Rolle gefan­gen hal­ten, mit einer not­wen­di­gen Aufrichtigkeit dekon­stru­iert. Angefangen bei den von Stéphane als Kind gedreh­ten Super-8-Kurzfilmen, deren zen­tra­les Thema die Huldigung des Männlichkeitswahn war, bis hin zu die­sem Film bie­tet er uns die Möglichkeit, den Werdegang eines Mannes zu ver­fol­gen, der es wie einst auch sei­ne Ahnin ver­stand, sich aus den Fesseln einer patri­ar­cha­li­schen Gesellschaft zu befreien.
Céline Guénot

Credits:

CH 2019, 93 Min., frz. OmU
Regie, Buch & Kamera: Stéphane Riethauser 
Schnitt: Natali Barrey

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Trailer:

 

MADAME (offi­zi­el­ler Trailer/DEU UT) from Stéphane Riethauser on Vimeo.

Living the light – Die Bilderwelten des Robby Müller

Ein Film von Claire Pijman.

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Robby Müller (1940–2018) war eine Lichtgestalt, nur anders, als man die­ses Wort gemein­hin ver­steht. Er hät­te gut einen der wei­sen und wort­kar­gen Indianer in Jim Jarmuschs Spätwestern „Dead Man“ dar­stel­len kön­nen. Das ging nur nicht, weil er für die­sen Film als Director of Photography fun­gier­te und dort wie in rund 70 ande­ren Meisterwerken des inter­na­tio­na­len Autorenkinos sein spe­zi­el­les, einer­seits fest und wie gemalt, aber zugleich durch­schei­nend und flir­rend sich geben­des Licht auf die Leinwand zauberte.

Über Jahrzehnte führ­te der Kameramann ein Videotagebuch, das die Filmemacherin Claire Pijman bereits für die gro­ße Ausstellung „Master of Light“ im Amsterdamer Filmmuseum EYE auf­ar­bei­te­te und wel­ches sie nun in ihrem eige­nen Film „Living the Light“ als zen­tra­len Bildfundus nutzt. Über einer Sequenz zwi­schen Dennis Hopper und Nicholas Ray aus Wim Wenders’ „Der ame­ri­ka­ni­sche Freund“ erzählt die Kamerakollegin Agnès Godard, dass Meisterschaft für sie erst dar­in zum Ausdruck kommt, wenn sich die Grandezza einer Kameraarbeit in den Szenen sel­ber zum Verschwinden gebracht hat, weil sie wie selbst­ver­ständ­lich dar­in ent­hal­ten ist. Seltsam, dass man Robby Müllers Bilder fast immer auch zu hören glaubt. In „Living the Light“ wird die­ser Eindruck for­ciert durch fein impro­vi­sier­te Soundscapes von Jim Jarmusch und Carter Logan.

Ralph Eue | Dok Leipzig

LIVING THE LIGHT ist nicht nur eine inter­es­san­te Biographie und span­nen­der Lehrfilm in Sachen Kameraarbeit, Lichtsetzung etc., son­dern auch sehr anre­gend. Beim Schauen bekommt man gro­ße Lust auf Filme, bei denen ROBBY MÜLLER Kameramann war. Deshalb zei­gen wir eine Auswahl an den fol­gen­den Wochenend- und Feiertag-Nachmittagen:

ALICE IN DEN STÄDTEN von Wim Wenders
BRD 1973/1974, 112 Min. Format: 16mm blow up 35mm schwarz-weiß, 4K Scan und 2K Restaurierung 2014, 2K DCP R.: Wim Wenders D.: Rüdiger Vogler, Yella Rottländer, Lisa Kreuzer

Der Journalist Phillip Winter will eine Story über Amerika schrei­ben, bekommt aber außer einer Serie von Polaroids nichts auf die Reihe und tritt ent­täuscht die Heimreise nach Deutschland an. Dabei läßt er sich wider­wil­lig dar­auf ein, die klei­ne Alice (Yella Rottländer) für eine kur­ze Zeit in sei­ne Obhut zu neh­men. Die dann fol­gen­de unfrei­wil­li­ge gemein­sa­me Odyssee von New York über Amsterdam nach Wuppertal und durch das Ruhrgebiet gestal­tet sich zunächst schwie­rig, sind doch bei­de Reisende gleich lau­nisch und eigensinnig.

DOWN BY LAW von Jim Jarmusch
USA 1986 106 Min. engl. OmU
R., B.: Jim Jarmusch
D.: John Lurie, Tom Waits, Roberto Benigni
Drei sehr unter­schied­li­che Männer, Roberto Benigni auf der einen, Tom Waits (der übri­gens gera­de 70 wur­de) und John Lurie auf der ande­ren Seite, pral­len im rus­ti­ka­len Landgefängnis im Süden auf­ein­an­der. Obwohl sie sich nicht aus­ste­hen kön­nen, was Benigni wegen sei­ner stän­di­gen Quassellei nicht merkt, bre­chen sie gemein­sam aus und pad­deln durch die male­ri­sche Sumpflandschaft Louisianas in die Freiheit.

DANCER IN THE DARK von Lars von Trier
DK SE FIN 2000 139 Min. OmU (eng­li­sche OV mit dt. Untertiteln)
R., B.: Lars von Trier
D.: Björk (auch Musik), Catherine Deneuve, David Morse, Peter Stormare

Der letz­te Teil sei­ner Trologie über „tra­gi­sche Frauengestalten, die sich für ande­re auf­op­fern und deren Liebe nicht davon abhängt wie sie – vom Schicksal oder von den Menschen – behan­delt wer­den“ (von Trier) wur­de in Cannes mit der Goldenen Palme aus­ge­zeich­net, wor­an neben der Kamera die unge­wöhn­li­che Musical-Form und die eben­falls dort aus­ge­zeich­ne­te Hauptdarstellerin Björk sicher­lich einen gro­ßen Anteil hatten.

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Credits:

NL DE 2018 86 Min. OmU (Engl., Niederl., Franz. mit deut­schen Untertiteln)
Regie : Claire Pijman
Kamera : Robby Muller, Claire Pijman 
Schnitt: Katharina Wartena
Music: Squrl (Jim Jarmusch and Carter Logan)

offi­zi­el­le Webseite (engl.) livingthelight.nl

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Termine Filme Robby Müller:

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Living the Light – die Bilderwelten des Robby Müller / Trailer from Chromosom Film on Vimeo.

 

Havelland Fontane

Ein Film von Bernhard Sallmann.

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Mit Havelland Fontane schließt Bernhard Sallmann sei­ne 2016 begon­ne­ne vier­tei­li­ge Serie zu Theodor Fontanes (1819−1898) Reisereportagen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ ab. Während die ers­ten drei Filme Erkundungen des länd­li­chen Raums sind, ist in Havelland Fontane auch die Verschmelzung einer Flusslandschaft mit dem Großraum Berlin-Potsdam ein zen­tra­les Thema. Fontane legt die Grundlagen der Entstehung der Mark frei und schil­dert das Ringen der natur­re­li­giö­sen wen­di­schen Kultur mit der aus dem Westen andrän­gen­den christ­li­chen im 12. Jahrhundert. Er schil­dert dabei an vie-len Beispielen die Austauschverhältnisse der Mark mit der rasch wach­sen­den Großstadt. In den gemäl­de­haf­ten und lang ver­wei­len­den Tableaus ent­steht ein Resonanzraum, der Zeiten, Orte und ver­blüf­fen­de Geschichten amalgamiert.

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Credits:

DE 2019, 109 Min., 
Regie, Kamera: Bernhard Sallmann

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Die Sehnsucht der Schwestern Gusmão

Ein Film von Karim Aïnouz.

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Rio de Janeiro, 1950. Die unzer­trenn­li­chen Schwestern Eurídice und Guida sind vol­ler Träume: Eurídice will Konzertpianistin wer­den, Guida träumt von Liebe und Freiheit. Doch in der Enge des kon­ser­va­ti­ven Elternhauses ist kein Platz für sol­che Pläne. Vater Manoel schaut sich viel­mehr nach viel­ver­spre­chen­den poten­ti­el­len Ehemännern für sei­ne Töchter um. Doch Guida, unsterb- lich ver­liebt in den Seemann Yorgos, geht mit ihm heim­lich nach Griechenland. Als sie Monate spä­ter zurück­kehrt, ver­las­sen und schwan­ger, weist ihr Manoel die Tür. Er lässt sie glau­ben, Eurídice sei zum Klavierstudium nach Wien gegan­gen und wol­le kei­nen Kontakt mehr zu Guida. So leben die Schwestern über Jahre in Rio, ohne von­ein­an­der zu wis­sen. Jede kämpft für sich dar­um, ein eige­nes, selbst­be­stimm­tes Leben zu haben. Eurídice ver­folgt ihren Traum der Musik- kar­rie­re gegen alle Widerstände wei­ter, auch als sie längst ver­hei­ra­tet und Mutter ist, wäh­rend sich Guida mit Hilfe ihrer Nachbarin Filomena lang­sam so etwas wie ein eige­nes Zuhause auf- baut. Was ihnen Kraft gibt, ist die nie ver­sie­gen­de Hoffnung, sich eines Tages wiederzufinden.

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Credits:

A Vida Invisível De Eurídice Gusmão
BR/DE 2019, 139 Min., por­tu­gi­schi­sche OmU
Regie: Karim Aïnouz
Kamera: Hélène Louvart
Schnitt: Heike Parplies
mit:
Fernanda Montenegro
Carol Duarte
António Fonseca
Gregório Duvivier
Júlia Stockler

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Jam

Ein Film von Sabu.

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JAM ist eine schwarz­hu­mo­ri­ge Komödie und erzählt im klas­si­schen SABU-Stil drei Geschichten, die zu einem ful­mi­nan­ten und aber­wit­zi­gen Finale ver­wo­ben wer­den: Hiroshi ist Schlagersänger und vor allem bei Damen mitt­le­ren Alters beliebt. Takeru ver­dient sein Geld als Chauffeur. Seine Freundin Misaki ist schwer krank und liegt im Sterben. Tetsuo ist frisch aus dem Gefängnis ent­las­sen. Als er sei­nen Punker-Kumpel Tamaki besucht, begrüßt die­ser ihn mit einem Fausthieb. SABU lässt die drei Leben sei­ner unwis­sen­den Protagonisten wie Schnellzüge auf­ein­an­der zu rasen.

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Credits:

JP 2018, 90 Min., jap. OmU
Regie: Sabu
Buch: Sabu

mit:Sho Aoyagi, Keita Machida, Nobuyuki Suzuki

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Mishima

Ein Film von Paul Schrader.

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Durch die Wiederaufführung des für Cannes frisch digi­ta­li­sier­tem Director‘s Cut des Regisseurs und Taxi-Driver-Autors Paul Schrader (zuletzt bei uns mit First Reformed) kön­nen wir uns ein neu­es Bild machen von sei­nem 1985 gedreh­ten fünf­ten Spielfilm. Damals war es ein Flop an der Kinokasse, war das Werk doch zu unkon­ven­tio­nell, zu eigen­wil­lig und viel­schich­tig. Das Biopic über Leben und vor allem Tod des berühm­ten, aber auch schrä­gen japa­ni­schen Schriftstellers Yukio Mishima, der sich in sei­nem Streben nach abso­lu­ter Schönheit in einen faschis­to­iden Ästhetizismus und einen Kult der Gewalt ver­stieg und schließ­lich 1970 ritu­el­len Selbstmord beging, ist „ein wich­ti­ger Versuch über das schwie­ri­ge Verhältnis zwi­schen Kunst und Leben, Ästhetik und Moral“ sagt das Lexikon des inter­na­tio­na­len Films.

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Credits:

JP/US 1985, 121 Min., Regie: Paul Schrader, mit: Ken Ogata, Masayuki Shionoya, Hiroshi Mikami, Junya Fukuda

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19. Französische Filmwoche Berlin

Wir freu­en uns sehr, die­ses Jahr Partnerkino der fran­zö­si­schen Filmwoche Berlin zu sein.

In unse­rem aus­ge­such­tem Programm fin­den sich bekann­te Namen wie Agnes Vardas, deren letz­ten Film und Berlinale-Beitrag VARDA PAR AGNÈS wir zei­gen (Sa., 20:00), oder der Eröffnungsfilm von Venedig von Cannes-Gewinner Kore-Eda, LA VÉRITÉ, der erst­mals außer­halb Japans dreh­te, dafür mit Catherine Deneuve und Juliette Binoche (Di., 3.12., 20:00 Uhr). Auch Catherine Corsini ist kei­ne Unbekannte, dies­mal setzt sie mit UN AMOUR IMPOSSIBLE (So., 1.12., 20:15) einen Bestseller in Szene. Ihre Hauptdarstellerin Virginie Efira hat bei uns am Sonntag ein Doppel: in SIBYL, Justine Triets Wettbewerbsbeitrag von Cannes, spielt sie eine Autorin und Psychotherapeutin.

Besuch bekom­men wir von zwei recht neu­en Gesichtern in der Filmwelt: Claire Burger (Party Girl) stellt C’EST ÇA L’AMOUR, eine Scheidungsgeschichte mit Bouli Lanners vor (29.12., 20:00), und Stéphane Batut sei­ne Geist-Geschichte VIF-ARGENT / DER FLÜSSIGE SPIEGEL, der in Cannes in der span­nen­den Nebenreihe ACID sei­ne Premiere hat­te (2.12. 20:00)

Eröffnet wird „unse­re“ Filmwoche mit dem Dokumentarfilm über Leidenschaft für Klänge und Geräusche, L’ESPRIT DES LIEUX (28.12., 20:00), abschlie­ßen wer­den wir mit dem neus­ten Film der mit ihren Filmen bei uns gern gese­he­nen Mia Hansen-Løve (Un amour de jeu­nesse, L’avenir), MAYA, der einem Fotoreporter, der gera­de aus Geiselhaft befreit wur­de, nach Goa folgt (4.12. 20:00). Alle Filme lau­fen in der franz. Originalfassung mit deut­schen oder eng­li­chen Untertiteln.

Einige Werke haben 2020 regu­lä­re Starts, u.a. VARDA PAR AGNÈS, LA VÉRITÉ, VIF-ARGENT, SIBYL, und auch der Eröffnungsfilm LES MISERABLES (unter dem dt.Titel DIE WÜTENDEN) wird bei uns im Januar zu sehen sein.

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Alles was Du willst

Ein Film von Francesco Bruni.

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Alzheimerpatienten ist zwar kein neu­er Drehbucheinfall, erhält sei­ne Glaubwürdigkeit aber durch den per­sön­li­chen Hintergrund des Regisseurs.

Der 22-jäh­ri­ge Alessandro hat sein Studium abge­bro­chen. Am liebs­ten hängt er mit Freunden auf der Piazza ab, wo sie vom gro­ßen Geld träu­men, da wird er ver­don­nert, einen Betreuungsjob anzu­neh­men. „Alzheimer – ist das anste­ckend?“ ist sei­ne ers­te abweh­ren­de Reaktion, aber irgend­wie rau­fen sich der jun­ge Nichtsnutz und der demen­te Dichter zusam­men, und sei es beim gemein­sa­men Fußballabend. Als der alte Mann einen ver­gra­be­nen Schatz erwähnt, ent­wi­ckelt Alessandro plötz­lich uner­war­te­te Initiative.

»Geschichten, wie die­ser Film sie erzählt, bege­ben sich auf heik­les Terrain: Es ist ver­mint mit Vorhersehbarem. Originalität stellt zwar einen will­kom­me­nen Mehrwert da, aber zählt noch zur Pflicht. Die Kür hin­ge­gen besteht in einer auf­rich­ti­gen Liebe zu den Figuren, die die­se Geschichte bevöl­kern. Wie Francesco Bruni sie bewäl­tigt, ist ein sach­tes Wunder.« Gerhard Midding | epd Film

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Credits:

Tutto quello che vuoi
Italien 2017, 106 Min., ital. OmU
Regie: Francesco Bruni
Kamera: Arnaldo Catinari
Schnitt: Cecilia Zanuso 
mit: Andrea Carpenzano, Giuliano Montaldo, Donatella Finocchiaro

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Trailer „Alles was du willst”

Angelo

Ein Film von Markus Schleinzer. Markus Schleinzer ist am 28.11. zu Gast im fsk-Kino

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Ihr ers­ter gro­ßer Sieg auf dem Weg, Mensch zu wer­den.“ lobt die Comtess den Jungen nach sei­nem Flötenvortrag, und sie meint das durch­aus aner­ken­nend. Der Junge, den sie auf­zieht, dem sie Manieren und Kuschen bei­bringt und eine sprach­lich-musi­ka­li­sche Ausbildung zukom­men lässt, wur­de vor­her nach ihrem Wunsch auf den Namen Angelo getauft, und noch frü­her mit vie­len ande­ren Leidensgenossen aus sei­ner afri­ka­ni­schen Heimat ver­schleppt, um in Europa ver­kauft zu wer­den. Der jetzt Angelo genann­te kommt im Höfischen unter, wo er als „edler Wilder“ durch­ge­reicht wird. Schlau genug jedoch zu erken­nen, dass es ihn als Sklave viel schlim­mer hät­te tref­fen kön­nen, lässt er vie­les über sich erge­hen, schweigt bei Tafel, hört zu und lernt. Schließlich nutzt er die Lust an der Exotik sei­nes Publikums, des­sen Projektionsfigur er per­fekt ver­kör­pert, zu sei­nem Vorteil, ver­in­ner­licht aber nach und nach sei­nen Stand als „Hofmohr“. Zudem ist ihm natür­lich kei­ner­lei Abweichung von den Erwartungen und Regeln erlaubt. Nachdem die heim­li­che Heirat mit einer wei­ßen Angestellten auf­fliegt, beraubt man ihm sei­ner Privilegien und ent­lässt ihn in die „Freiheit“, wo er durch sei­ne Hautfarbe immer als Außenseiter wahr­ge­nom­men wer­den wird.

Lose ange­lehnt als die Geschichte von Angelo Soliman (1721–1796), der es in Wien als Vorzeigeobjekt zu eini­ger Bekanntheit brach­te, hat Schleinzer (Michael) eine klu­ge Auseinandersetzung mit Kolonialismus und den Folgen geschaf­fen. In kunst­vol­len Tableaus erzählt er von den vie­len Facetten des euro­zen­tri­schen Rassismus und über­führt die fal­sche soge­nann­te Toleranz. Das Schicksal von Angelo Soliman wird damit stell­ver­tre­tend für den Umgang Europas mit ‚dem Anderen‘. Ein hoch­ak­tu­el­ler Stoff, der hier in einer kunst­fer­ti­gen und ana­ly­tisch schar­fen Bilderwelt auf­geht und ein wei­te­rer Beweis für die außer­ge­wöhn­li­che Eigensinnigkeit des öster­rei­chi­schen Kinos.

 

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Credits:

AT/LU 2018, 111 Min., fran­zö­sisch-deut­sche OmU-Fassung
Regie: Markus Schleinzer
Kamera: Gerald Kerkletz
Schnitt: Pia Dumont
mit: Makita Samba, Alba Rohrwacher, Larisa Faber, Kenny Nzogang, Lukas Miko

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Was gewesen wäre

Ein Film von Florian Koerner von Gustorf.

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Paul und Astrid woll­ten ein roman­ti­sches Wochenende in Ungarn ver­brin­gen. Doch als Astrid in einem ande­ren Hotelgast ihre Jugendliebe wie­der­erkennt, wird die Pärchenreise zu Trip in die Vergangenheit.

WAS GEWESEN WÄRE ist eine kom­ple­xe Ost-West-Geschichte, die vor­sich­tig Gegenwart und Vergangenheit ver­flicht und ein Gefühl dafür ver­mit­telt, wie viel­fäl­tig die Wendeerfahrungen sind und wie vie­le Geschichten aus die­ser Zeit noch uner­zählt. Die Gegenwart spielt in Budapest. Paul (Ronald Zehrfeld) und Astrid (Christiane Paul), bei­de Mitte 40 und seit ein paar Monaten ein Paar, ver­brin­gen dort einen Städteurlaub im Grand Hotel. Für Astrid ist es eine Reise in die Vergangenheit – seit ihrer Ausreise damals aus der DDR über Ungarn in die BRD hat sie die Stadt nicht mehr gese­hen – und für bei­de die Gelegenheit, ein­an­der bes­ser ken­nen­zu­ler­nen. Das war jeden­falls Pauls Idee, doch als Astrid in einem ande­ren Hotelgast ihre Jugendliebe Julius (Sebastian Hülk) wie­der­erkennt, ist die Vergangenheit auf ein­mal prä­sen­ter als geplant. Astrid drif­tet immer wie­der in schö­ne und schmerz­haf­te Erinnerungen ab, und mit Astrid erin­nert sich auch der Film zurück – an eine Party am See, den Ausreiseantrag der bes­ten Freundin, die On-Off Liebesgeschichte mit Julius und den Bruch, der lose Enden hin­ter­las­sen hat. Dass Regisseur Florian Koerner von Gustorf die meis­ten von Christian Petzolds Filmen pro­du­ziert hat, merkt man sei­nem Regiedebüt vor allem an der etwas sprö­den, melan­cho­li­schen Tonlage und den blau-grau­en Alltagsfarben an. Dessen Faible für die Überhöhungen des Genrekinos teilt er dage­gen nicht. Stattdessen erzäh­len von Gustorf und Gregor Sander, der das Drehbuch zu sei­nem eige­nen Roman ver­fass­te, sehr dif­fe­ren­ziert von erwach­se­nen Menschen, die vor­sich­tig, mit Brüchen, Sackgassen, Umwegen und Missverständnissen eine Gegenwart navi­gie­ren, in der die jewei­li­gen Vorgeschichten wie Untiefen im Unsichtbaren prä­sent sind und erst­mal kar­to­gra­fiert wer­den müssen.

Toni Ohms | indiekino

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Credits:

DE 2019, 90 Min.,
Regie: Florian Koerner von Gustorf
Kamera: Reinhold Vorschneider
Schnitt: Mona Bräuer
mit: Christiane Paul, Ronald Zehrfeld, Sebastian Hülk

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Trailer:

WAS GEWESEN WÄRE – Trailer HD