Suzanne ist 16 Jahre alt und scheint nicht mehr in ihre bequeme kleine Welt zu passen. Eines Tages fällt ihr auf dem Schulweg ein gut aussehender Mann auf, er gefällt ihr, obwohl (oder weil?) er sichtbar älter ist als sie. Eine Liebesgeschichte, es ist ihre erste, beginnt.
Zweifellos beeinflusst durch das Kino von Maurice Pialat, dem Regisseur, der das Gefühlschaos in Teenagern vielleicht am besten erfasst hat, erweckt Lindon – die Tochter von Sandrine Kiberlain und Vincent Lindon ist hier Regisseurin, Autorin und Hauptdarstellerin in einem – die schüchterne junge Frau, die zu klug für ihr Alter ist, mit einer berührenden und zarten Darstellung zum Leben.
Fern (einfühlsam verkörpert von Frances McDormand) nimmt uns an der Hand auf ihrer Reise durch die USA, ins NOMADLAND. Gezwungen, in ihrem Transporter zu leben, hält sie sich mit saisonalen Gelegenheitsjobs über Wasser. Mal zusammen mit Gleichgesinnten, die wie sie in einer von Rezession gebeutelten Welt keinen Platz mehr finden. Dann wieder ist sie alleine unterwegs in den schier unendlichen Weiten Nordamerikas. Begleitet von der Schönheit der Landschaft. Dicht gefolgt aber auch von der Einsamkeit. Und all jenen Problemen, die ein Leben auf der Straße – nicht ohne Obdach zwar, doch ohne Haus – mit sich bringt. (Tobias Greslehner)
Nomadland
Nomadland
Credits:
USA 2020, 108 Min., engl. OmU, Regie: Chloé Zhao Kamera: Joshua James Richards Schnitt: Chloé Zhao mit: Frances McDormand, David Strathairn, Linda May, Swankie, Bob Wells
Hollywoodregisseur Orson Welles steht unter Druck. Sein Filmprojekt CITIZENKANE muss so rasch wie möglich abgeschlossen werden, doch das Drehbuch bereitet ihm Sorgen. Kurzerhand engagiert er den in Hollywood als „Drehbuchreparateur“ bekannten Autor Mank, um mit ihm zusammenzuarbeiten. Der Arbeitsprozess verläuft allerdings alles andere als reibungslos. Meinungsverschiedenheiten sind an der Tagesordnung und das skandalös-notorische Verhalten des alkohol- und spielsüchtigen Mank sorgen für Tumulte vor und hinter den Kulissen.
Regisseur David Fincher (FIGHTCLUB, GONEGIRL) erzählt die turbulente Entstehungsgeschichte von Orson Welles‘ filmischem Meisterwerk CITIZENKANE aus der Sicht des Drehbuchautors Herman J. Mankiewicz. Der jahrelange Streit zwischen dem Filmvisionär Orson Welles und dem unterschätzten Mankiewicz über die Urheberschaft des oscargekrönten Drehbuchs ist ebenso legendär wie der Film selbst.
Gedreht im Stil des Film Noir erweckt Fincher die Goldene Ära Hollywoods authentisch und stilecht wieder zum Leben und verleiht gleichzeitig neue Einblicke in die legendäre Zeit der Studiokinos. Mit hochkarätigen Schauspieler*innen wie Gary Oldman und Amanda Seyfried besetzt, gewann der Film bei der diesjährigen Oscarverleihung den Preis für die beste Kamera und für das beste Szenenbild.
Mank
Credits:
US 2020, 131 Min., engl. OmU Regie: David Fincher Kamera: Erik Messerschmidt mit: Gary Oldman Amanda Seyfried Lily Collins Tom Pelphrey Charles Dance Tuppance Middleton
Eine Reise entlang der Oder und der Neiße, entlang der deutsch polnischen Grenze. Begegnungen auf beiden Seiten der Flüsse. Erkundungen. Geschichten vom Rand – doch aus der Mitte Europas. Arbeit, Heimat, Liebe. Menschen, ihre Geschichte und ihre Landschaft. Im Süden Niederschlesien – dort, wo Polen Deutschland und Tschechien einander treffen, in der Mitte das flache Land an der Oder, im Norden, das Stettiner Haff. Eine Reise im Grenzland. Bewegungen und Geschichten im Grenzland zwischen Polen und Deutschland – mit seinem neuen Film knüpft Andreas Voigt thematisch an seine Arbeit „Grenzland – Eine Reise“ von 1992 an.
Grenzland
Credits:
DE 2020, 100 Min., Buch & Regie: Andreas Voigt Kamera: Marcus Lenz, Maurice Wilkerling Schnitt: Ina Tangermann
Als Lehrerin hat die bosnische Muslimin Aida (Jasna Ðuriči) vor Beginn des Jugoslawienkriegs gearbeitet, lebte mit Mann und zwei Söhnen in Srebrenica, gemeinsam mit Serben und anderen Ethnien, wie es im Vielvölkerstaat Jugoslawien Jahrzehntelang üblich war. Doch der Krieg hat aus Nachbarn Feinde gemacht, die Stadt steht unter Beschuss der bosnisch-serbischen Truppen unter ihrem Anführer Ratko Mladić (Boris Isaković), Gerüchte von Vergewaltigungen und Morden an der Zivilbevölkerung machen die Runde. Aida selbst ist nicht in Gefahr, sie arbeitet für die Blauhelme der UNPROFOR-Truppen als Übersetzerin, doch ihr Mann Nihad (Izudin Bajrović) und die beiden Söhne Hamidja (Boris Ler) und Ejo (Dino Bajrović) sind außerhalb der UN-Anlage, wo sich tausende Menschen unter der sengenden Sonne versammelt haben und Einlass begehren.
Im Inneren ahnt der niederländische Kommandant Karremans (Johan Heldenbergh), dass die Absprache, die er mit Mladić getroffen hat, nur Augenwischerei war: Der Zivilbevölkerung freies Geleit zu geben und nur Soldaten in Gewahrsam zu nehmen war die Vereinbarung, doch der Aufmarsch an schwer bewaffneten serbischen Soldaten lässt keinen Zweifel daran, was passieren wird. Mit zunehmender Verzweiflung versucht Aida Karremans davon zu überzeugen, zumindest ihre Familie zu retten, doch dem Kommandanten sind die Hände gebunden. Und so nehmen die Ereignisse ihren Lauf, an deren Ende über 8000 Tote stehen, ermordet im schlimmsten Massaker der europäischen Nachkriegsgeschichte.
Gleich mit ihrem Debütfilm „Grbavica“ hatte die bosnische Regisseurin Jasmila Žbanić 2006 den Goldenen Bären gewonnen, ein Film, in dem sie sich mit den psychologischen Folgen des Jugoslawienkrieges beschäftigt hatte. Das sie mit „Quo Vadis, Aida?“ in die Zeit des Krieges zurückkehrt und sich mit einem der am ausführlichsten dokumentierten Ereignisse des Krieges beschäftigt mag daher überraschen. Neue Einblicke in das Massaker kann es nicht geben, die Frage von Tätern und Opfern ist klar beantwortet, das Versagen der internationalen Gemeinschaft ausführlich dokumentiert. Zwischentöne gibt es dann auch bei Žbanić kaum: Wenn Aida auf der serbischen Seite einen ehemaligen Schüler entdeckt, scheint für kurze Momente die Frage aufzukommen, wie aus einst freundlichen Bekannten Gegner auf Leben und Tod werden können, doch schnell wird diese Ambivalenz beiseite gewischt. Etwas einfach macht es sich Žbanić oft, wenn sie die serbischen Truppen als waffenstarrende, glatzköpfige Muskelprotze schildert, die schon aus der Ferne wie blutrünstige Mörder aussehen, denen in Gestalt der kaum volljährig wirkenden holländischen Blauhelmtruppen, oft ohne Gewehr, dafür in kurzen Hosen kleine Jungs gegenüberstehen, die eher wie Pfadfinder wirken.
Einerseits bestätigt Žbanić dadurch die Klischees des Jugoslawienkrieges, andererseits kann es gerade im Fall des Massakers von Srebrenica keine Frage über Schuld und Unschuld geben. Die Komplexität der Ursachen des Krieges, die Verbrechen, die von allen Seiten begangen wurden, spielen in „Quo Vadis, Aida?“ jedoch keine Rolle, Jasmila Žbanić geht es nur darum, ein Ereignis in fast dokumentarischer Manier darzustellen. Ein Ziel, das ihr fraglos auch eindrucksvoll gelingt.
Michael Meyns
Quo Vadis, Aida?
Credits:
BA/AU/PL/DE/RO/FR/NO/TK/NL 2020, 104 Min. Regie & Buch: Jasmila Žbanić Kamera: Christine A. Maier Schnitt: Jarosław Kamiński Darsteller: Jasna Đuričić, Izudin Bajrović, Boris Ler, Dino Bajrović, Boris Isaković. Johan Heldenbergh, Raymond Thiry
Das Landleben wird immer gefragter, dabei werden die Schwierigkeiten, mit denen Gemeinden dort zu kämpfen haben, immer größer. Exemplarisch zeigt der Film drei Dörfer und drei Versuche, sie Leben zu lassen: eine Bürgermeisterin verklagt das Land Sachsen, weil die örtliche Schule geschlossen werden soll, eine Bäuerin setzt sich gegen die Agrarkonzentration zur Wehr, und ein Dorf möchte seinen Sternenhimmel vor Lichtverschmutzung retten. »Mein Film will nicht die altbekannten Klischees vom ländlichen Niedergang bedienen. Es geht um Persönlichkeiten, die sich mit Leidenschaft und Humor in einer Umgebung behaupten, die ihnen viel Einsatz abverlangt und manchmal verzweifeln lässt. Ihrem Blick in die Welt will der Film folgen und dabei ein gesell-schaftliches Phänomen, das uns überall in Europa betrifft, aus einer neuen, ungewöhnlichen Perspektive erfahrbar machen.« Gesa Hollerbach
Credits:
DE 2019, 93 Min., Buch und Regie: Gesa Hollerbach, Schnitt: Carina Mergens, Kamera: Jennifer Günther
Der Film porträtiert das Schicksal mehrerer Jugendlicher, die sehr früh – oft schon im Alter von 11, 12 oder 13 Jahren – entschieden haben, von zu Hause wegzugehen und für eine bestimmte Zeit oder dauerhaft auf der Straßezu leben: Sunny, Toni, Krümel, JJ, Stöpsel, Soja und Za.
Menschen also, von denen jeder einzelne mittlerweile auch schon neun Leben gelebt haben könnte. Versehen mit seelischen und körperlichen Beschädigungen. Doch trotz dieser Zerstörungen gibt es bei ihnen eine enorme Kraft, Talente und Fähigkeiten zu entdecken. Dieser Reichtum an persönlichen Möglichkeiten steht im Mittelpunkt des Films.
Die Lebensumstände der Jugendlichen auf der Straße werden deshalb auch nicht dokumentiert, sondern sie werden von ihnen in freier Wahl erzählt oder auch nicht. So kommen sehr persönliche, mitreissende und berührende Zeugnisse zustande.
Um den Fokus auf ihre Persönlichkeiten zu legen, erzählen sie vor neutralem Hintergrund im Studio von ihren Leben. Einige haben ihre Musikinstrumente mitgebracht und spielen spontan, andere zeigen Fotos oder andere künstlerische Arbeiten. So entstehen filmische Porträts wie in einer Ausstellung, einem Kunstraum.
Vorurteile und Klischeevorstellungen über „Penner“ und „Punks“ lösen sich auf. Die Jugendlichen werden in ihrer bewundernswerten Einmaligkeit erkennbar.
Und sie werden zu Stars – zu Recht.
9 Leben
[nbsp] Credits:
Deutschland 2010 Regie: Maria Speth Drehbuch: Maria Speth Kamera: Reinhold Vorschneider Schnitt: Maria Speth
In der Kunstwerkstatt Mosaik in Berlin arbeiten Künstler*innen mit Behinderung an ihren Werken. Sabine Herpich beobachtet sie bei der Arbeit und richtet den Blick auf die Institution selbst, auf die Abläufe, das Personal, die Räumlichkeiten. Ihr gelingt es, nicht die Behinderung der Menschen ins Zentrum zu stellen, sondern die künstlerische Arbeit. Um diese herum formiert sich die Institution und wird so primär als Institution für die Kunst und nicht als Institution für Menschen mit Behinderung sichtbar. Die Idee von Kunst wird ganzheitlich, beinhaltet die Menschen, die sie machen, wie auch die Orte, an denen sie erzeugt wird, meint das Sehen der Werke, das Sprechen über sie, meint aber auch: Kunst als Arbeit, mit Arbeitszeiten und Gehalt. Die Filmemacherin selbst ist nicht unsichtbar. Sie fragt die Künstler*innen nach ihren Gedanken, Ideen, Vorgehensweisen. In der Begegnung der Künstler*innen vor der Kamera mit dem Blick der Filmemacherin entsteht eine erhöhte Aufmerksamkeit und Sensibilität – für die Gestimmtheiten der Werke, ihrer Schöpfer*innen und Betrachter*innen, wie auch für die behutsame, nicht schüchterne, genaue, sich nicht verschließende Form dieses Films über Kunst. (Alejandro Bachmann, Berlinale Forum)
Mit: Adolf Beutler, Suzy van Zehlendorf, Gabriele Beer, Till Kalischer, Nina Pfannenstiel u. a.
Regie, Kamera, Montage: Sabine Herpich O‑Ton Schnitt, Mischung: Marilyn Janssen Color Grading: Florian Lampersberger Titel- und Plakatgestaltung: Ulrike Damm Produktion: Sabine Herpich, Tobias Büchner
Freigegeben ohne Altersbeschränkunge (FSK Prüfkarte: pdf)
Berlin, 1931: Ein Ort zwischen Untermiete und Unterwelt, wo Bordelle Ateliers sind, Nazis auf den Straßen pöbeln und man in Babelsberg vom „psychologischen Film“ träumt. Das Leben brodelt, die Gesellschaft gärt, korrodiert. Solange er noch Arbeit hat, verfasst der promovierte Germanist Jakob Fabian tagsüber Werbetexte, nachts zieht er mit Stephan Labude durch die schrägen Etablissements der Stadt. Während sein Freund – er wird später bekennen, „in den Fächern Leben und Beruf“ versagt zu haben – ein Draufgänger in Sachen Kommunismus und Sex ist, bleibt Fabian nüchtern und distanziert. Er wartet auf den „Sieg der Anständigkeit“, ohne recht daran zu glauben. Nur die Liebe zu Cornelia lässt ihn an seinem ironischen Fatalismus zweifeln. Sie wird zum Lichtblick in seinem zerrinnenden Leben. Erich Kästners tieftraurigen autobiografischen „Fabian“ – einen der bedeutendsten Romane der Weimarer Republik – aus seinem Schattendasein zu holen, ist bei allen Parallelen zum vermaledeiten Heute eine Herausforderung. Dominik Graf meistert sie kongenial: spitzfindig pointiert sein Stil, kaltschnäuzig flott, und doch von schweigsamer Melancholie. Ein Film wie eine Diskokugel, die sich langsam dreht. Über den Zusammenhang von Geschlechtsverkehr und leerem Kühlschrank – und den Zerfall des Traums vom Glück.
Fabian oder Der Gang vor die Hunde
Credits:
DE 2021, 176 Min., Regie: Dominik Graf Kamera: Hanno Lentz Schnitt: Claudia Wolscht mit Tom Schilling, Saskia Rosendahl, Albrecht Schuch, Meret Becker, Michael Wittenborn
Ein Haus mit Pool, inmitten eines akkurat geschnittenen grünen Rasens, Wald drumherum, ein Mann, ein Mädchen: trotz des etwas unwirklichen Eindrucks des Settings, der Tonspur und der Beziehung zwischen den beiden dauert es eine kleine Weile, bis sich diese Künstlichkeit mit einem aha-Effekt erklärt. Die Kleine, Ellie, – sie nennt den Mann Papa – ist weniger lebendig, als sie scheinen soll. Erinnerung soll sie lernen, und vieles andere, dazu ist sie da. Schwer erklärbar, aber sie entzieht sich dem und wird als „er“ den nächsten Ersatz-und Trost-Job annehmen. Sich mit Verlusten abzufinden, ist die Sache der realen Menschen nicht mehr. Man kann ja jetzt anders. So ist es die Geschichte einer Maschine und der Geister, die wir alle in uns tragen. “ … maximal produktive Verstörung, ein audiovisuelles Ereignis, streng, flirrend, in alle Richtungen offen. Nicht die Technik, verkörpert durch Ellie, ist pervers, sondern der Mensch, der sich nach Reinactments, nach einem Leben in der Fiktion, sehnt. Auf Ellies Pullover steht: Nature is the future.“ Jens Balkenborg | epd-Film Im ENCOUNTERS Wettbewerb der Berlinale 2020 wurde THETROUBLEWITHBEINGBORN mit dem SPEZIALPREISDERJURY ausgezeichnet.
Credits:
AU/DE 2020, 94 Min., Regie: Sandra Wollner Kamera: Timm Kröger Schnitt: Hannes Bruun mit Lena Watson, Dominik Warta, Ingrid Burkhard, Jana McKinnon
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