Quo Vadis, Aida?

ein Film von Jasmila Žbanić.

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Als Lehrerin hat die bos­ni­sche Muslimin Aida (Jasna Ðuriči) vor Beginn des Jugoslawienkriegs gear­bei­tet, leb­te mit Mann und zwei Söhnen in Srebrenica, gemein­sam mit Serben und ande­ren Ethnien, wie es im Vielvölkerstaat Jugoslawien Jahrzehntelang üblich war. Doch der Krieg hat aus Nachbarn Feinde gemacht, die Stadt steht unter Beschuss der bos­nisch-ser­bi­schen Truppen unter ihrem Anführer Ratko Mladić (Boris Isaković), Gerüchte von Vergewaltigungen und Morden an der Zivilbevölkerung machen die Runde. Aida selbst ist nicht in Gefahr, sie arbei­tet für die Blauhelme der UNPROFOR-Truppen als Übersetzerin, doch ihr Mann Nihad (Izudin Bajrović) und die bei­den Söhne Hamidja (Boris Ler) und Ejo (Dino Bajrović) sind außer­halb der UN-Anlage, wo sich tau­sen­de Menschen unter der sen­gen­den Sonne ver­sam­melt haben und Einlass begehren.

Im Inneren ahnt der nie­der­län­di­sche Kommandant Karremans (Johan Heldenbergh), dass die Absprache, die er mit Mladić getrof­fen hat, nur Augenwischerei war: Der Zivilbevölkerung frei­es Geleit zu geben und nur Soldaten in Gewahrsam zu neh­men war die Vereinbarung, doch der Aufmarsch an schwer bewaff­ne­ten ser­bi­schen Soldaten lässt kei­nen Zweifel dar­an, was pas­sie­ren wird. Mit zuneh­men­der Verzweiflung ver­sucht Aida Karremans davon zu über­zeu­gen, zumin­dest ihre Familie zu ret­ten, doch dem Kommandanten sind die Hände gebun­den. Und so neh­men die Ereignisse ihren Lauf, an deren Ende über 8000 Tote ste­hen, ermor­det im schlimms­ten Massaker der euro­päi­schen Nachkriegsgeschichte.

Gleich mit ihrem Debütfilm „Grbavica“ hat­te die bos­ni­sche Regisseurin Jasmila Žbanić 2006 den Goldenen Bären gewon­nen, ein Film, in dem sie sich mit den psy­cho­lo­gi­schen Folgen des Jugoslawienkrieges beschäf­tigt hat­te. Das sie mit „Quo Vadis, Aida?“ in die Zeit des Krieges zurück­kehrt und sich mit einem der am aus­führ­lichs­ten doku­men­tier­ten Ereignisse des Krieges beschäf­tigt mag daher über­ra­schen. Neue Einblicke in das Massaker kann es nicht geben, die Frage von Tätern und Opfern ist klar beant­wor­tet, das Versagen der inter­na­tio­na­len Gemeinschaft aus­führ­lich doku­men­tiert.
Zwischentöne gibt es dann auch bei Žbanić kaum: Wenn Aida auf der ser­bi­schen Seite einen ehe­ma­li­gen Schüler ent­deckt, scheint für kur­ze Momente die Frage auf­zu­kom­men, wie aus einst freund­li­chen Bekannten Gegner auf Leben und Tod wer­den kön­nen, doch schnell wird die­se Ambivalenz bei­sei­te gewischt. Etwas ein­fach macht es sich Žbanić oft, wenn sie die ser­bi­schen Truppen als waf­fen­star­ren­de, glatz­köp­fi­ge Muskelprotze schil­dert, die schon aus der Ferne wie blut­rüns­ti­ge Mörder aus­se­hen, denen in Gestalt der kaum voll­jäh­rig wir­ken­den hol­län­di­schen Blauhelmtruppen, oft ohne Gewehr, dafür in kur­zen Hosen klei­ne Jungs gegen­über­ste­hen, die eher wie Pfadfinder wirken.

Einerseits bestä­tigt Žbanić dadurch die Klischees des Jugoslawienkrieges, ande­rer­seits kann es gera­de im Fall des Massakers von Srebrenica kei­ne Frage über Schuld und Unschuld geben. Die Komplexität der Ursachen des Krieges, die Verbrechen, die von allen Seiten began­gen wur­den, spie­len in „Quo Vadis, Aida?“ jedoch kei­ne Rolle, Jasmila Žbanić geht es nur dar­um, ein Ereignis in fast doku­men­ta­ri­scher Manier dar­zu­stel­len. Ein Ziel, das ihr frag­los auch ein­drucks­voll gelingt.

Michael Meyns


Credits:

BA/AU/PL/DE/RO/FR/NO/TK/NL 2020, 104 Min.
Regie & Buch: Jasmila Žbanić
Kamera: Christine A. Maier
Schnitt: Jarosław Kamiński
Darsteller: Jasna Đuričić, Izudin Bajrović, Boris Ler, Dino Bajrović, Boris Isaković. Johan Heldenbergh, Raymond Thiry


Trailer:
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