Am Strand

Ein Film von Dominik Cooke.

Schon ein­mal, 2007, war Saoirse Ronan in der Verfilmung eines Romans von Ian McEwan zu sehen, in „Abbitte“. Da spiel­te sie ein 13-jäh­ri­ges Mädchen, das im Sommer des Jahres 1935 die ero­ti­sche Spannung zwi­schen ihrer älte­ren Schwester und dem Sohn der Haushälterin regis­triert und mit einer fal­schen Beobachtung das Leben der bei­den zer­stört. Ronan ver­lieh die­sem Mädchen eine wun­der­vol­le Ambivalenz: nach­denk­lich, auf­merk­sam und kom­pli­ziert, für ihr Alter viel zu klug und doch unschul­dig, weil ihr die Sexualität der Erwachsenen noch ver­schlos­sen ist. Auch in „Am Strand“ wird es um Sexualität gehen, vor allem um die Angst davor, um Anziehung und Prüderie, um Begierde und Scheu.

Es ist der Sommer 1962. Florence (Saoirse Ronan) und Edward (Billy Howle), bei­de Anfang 20, haben soeben gehei­ra­tet. Nun sit­zen sie in einem lang­wei­li­gen, bie­de­ren Hotel am Chesil Beach in Dorset und essen zu Abend. Eine selt­sa­me Spannung liegt über dem Dinner, die Unterhaltung kommt nicht recht in Gang, man ahnt, dass etwas nicht stimmt. Die bevor­ste­hen­de Hochzeitsnacht legt sich wie Mehltau über die­sen Spätnachmittag. Nun erfährt der Zuschauer in Rückblenden, wie Florence und Edward sich ken­nen gelernt haben, wer sie eigent­lich sind. Florence stammt aus einer rei­chen, kon­ser­va­ti­ven Familie, ihr her­ri­scher Vater ist ein erfolg­rei­cher Geschäftsmann. Edwards Vater hin­ge­gen ist ein­fa­cher Lehrer, sei­ne Mutter ist nach einem Unfall geis­tig behin­dert. Florence spielt in einem Streichquartett meis­ter­haft Violine, Edward will ein­mal Autor wer­den. Zwei Menschen, wie sie unter­schied­li­cher nicht sein könn­ten. Der Liebe tut dies kei­nen Abbruch. Doch als Edward jetzt, im faden Hotelzimmer, Florence unge­schickt auf die Pelle rückt, stürmt die ent­setz­te Braut aus dem Hotel zum Chesil Beach. Der nun fol­gen­den Auseinandersetzung ist Edward nicht gewachsen…

Der Roman ist berühmt für sein Ende, in dem McEwan auf weni­gen Seiten den Rest von Edwards Leben refe­riert. Die Absicht ist klar: Dieser eine Abend am Strand von Chesil war von höchs­ter Bedeutung. Regiedebütant Dominic Cooke fin­det für den Schluss eine ange­neh­me­re Lösung, die den Zuschauer etwas wei­cher auf­fängt. Das ändert aber nichts an der Traurigkeit des Films, denn hier geht vor allem um ver­pass­te Lebenschancen, um falsch geleb­tes Leben und die Reue dar­über. Saoirse Ronan und Billy Howle machen die­ses Bedauern ein­drück­lich deut­lich: zwei Menschen, die noch zu jung sind für das, was an die­sem Abend auf sie zukommt. Besonders Ronan, die sel­ten schö­ner war als in die­sem Film, über­zeugt als eigent­lich selbst­be­wuss­tes Mädchen, das sich wort­reich gegen die kon­ser­va­ti­ven Eltern wehrt und sogar gegen die Atombombe demons­triert, mit Sex aber gar nichts am Hut hat. Die Rückblenden fügen sich naht­los in die Erzählung ein. Jede Szene aus der Vergangenheit offen­bart, dass die bei­den Liebenden sich frü­her woh­ler mit­ein­an­der gefühlt haben als aus­ge­rech­net jetzt, in der Hochzeitsnacht. Natürlich ist dies auch ein Film über das England der frü­hen sech­zi­ger Jahre und die Lustfeindlichkeit, die damals geherrscht haben muss. Miteinander zu schla­fen, die Jungfernschaft zu ver­lie­ren, hat­te für die­se Generation etwas zutiefst Verstörendes, die Eltern waren kei­ne gro­ße Hilfe. Dass nur weni­ge Jahre spä­ter mit der Beatlemania und den Swinging Sixties eine neue Ära der Freiheit begann, wie Cooke am Ende kurz andeu­tet, macht die­se ver­un­glück­te Hochzeitsnacht noch absur­der und beklemmender.
Michael Ranze | programmkino.de

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Credits:
On Chesil Beach
England 2017, 110 Min., engl. OmU
Regie: Dominic Cooke
Kamera: Sean Bobitt
Schnitt: Nick Fenton
Darsteller: Saoirse Ronan, Billy Howle, Anne Marie-Duff, Adrian Scarborough, Emily Watson, Samuel West

Termine:

  • noch kei­ne oder kei­ne mehr 

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