Ein Film von Hirokazu Kore-eda.
Vater Osamu und Sohn Shota sind beim Einkauf im Supermarkt, eine Einkaufsliste wird abgearbeitet:
Shampoo, Nudeln, Gemüse … Eigentlich nichts Besonderes, sieht man davon ab, dass die Güter heimlich direkt in ihren Taschen landen, ohne Umweg über die Kasse.
Shoplifters (dt. Titel: Familienbande) heißt der Film dann auch und handelt von einer Familie, die sich unter anderem mit Diebstählen über Wasser hält. Eine Familie? Der Struktur nach schon, Vater, Mutter, zwei Kinder, Großmutter, aber schnell fällt auf, dass die Verbindungen weniger Verwandtschaft als Solidargemeinschaft sind. Die fünf leben in dem winzigen Haus, das der „Großmutter“ gehört. Mit prekärer Arbeit und kleineren Gaunereien schlagen sich alle so eben durch. Osamu jobbt auf dem Bau, so viel es geht, und Nobuyo in der Wäscherei. Aki arbeitet in einer Peep-Show und Oma Hatsue besucht gelegentlich den Sohn ihres Exmannes, von dem sie etwas Geld bekommt.
Die Filme des Regisseurs Kore-Eda Hirokazu sind geprägt von Empathie und haben „einen unverwechselbaren Stil und eine unverwechselbare Tonlage: sehr zart und zugleich sehr naturalistisch und realistisch. Der Regisseur beobachtet genau und erzählt präzise, und er beschönigt nichts, erfindet kein Happy End, wo eines in der Wirklichkeit wenig wahrscheinlich wäre. Zugleich sieht er Wärme und Licht, wo ein flüchtiger Blick vielleicht nur Kummer, Streit oder Armut sehen würde.“
Nach gelungenem Coup, gut gelaunt auf dem Nachhauseweg, fällt ihnen ein kleines Mädchen auf, das einsam draußen auf einem kalten Balkon sitzt. Osamu nimmt sie mit, und als die Familie Misshandlungsspuren entdeckt, steht fest: Yuri gehört ab jetzt einfach dazu. Als ihre jungen Eltern nach langer Zeit eine Vermisstenanzeige aufgeben, da ist die Kleine schon fest im Alltag integriert – inklusive Diebstahlausbildung durch Shota.
„Aus vielen kleinen virtuos inszenierten Alltagsszenen – niemand arbeitet so gut mit Kindern wie Kore-Eda – setzt sich nach und nach ein sanftes Porträt einer liebenswerten Gemeinschaft zusammen, in der alle mit ihren Eigenarten ihren Platz haben. Aber es wird auch deutlich, wie sehr Geld – oder der Mangel an Geld – den Alltag bestimmt. … Er [der Regisseur] hat eine ziemlich klare Meinung, wer hier wen ausbeutet: Wenn Osamu nach einem Arbeitsunfall kein Geld bekommt oder wenn der Chef Nobuyo und ihre Kollegin zu sich zitiert, ihnen eröffnet, dass er klarerweise die Leute mit dem höchsten Gehalt zuerst entlassen muss, und sie dann auffordert, untereinander auszumachen, wer gehen muss, wird deutlich, dass die Betrügereien der Arbeiter und Arbeiterinnen, der Ladendiebe und Herumstreicherinnen schlimmstenfalls Notwehr sind. Dass es ständig um Geld geht, ist Schuld des Systems, nicht der Menschen, die um ihre Existenz kämpfen.“
Nach sieben Filmen im Wettbewerb von Cannes und etlichen Auszeichnungen hat Kore-Eda Hirokazu sie endlich – und hochverdient – für SHOPLIFTERS bekommen, die Goldene Palme. Was aber hielt den sonst so prestigeliebenden japanischen Premier Shinzō Abe davon ab, ihm zu gratulieren? War es die „falsche“ Familienkonstellation? Das thematisieren prekärer Lebensverhältnisse im heutigen Japan? Die Verteidigung von solidarischem Handeln? Die Tatsache, dass die Held*innen im Film Diebe sind? Ist er zu wahrhaftig? Oder war es doch „nur“ die Teilnahme Kore-Edas an einer Demonstration gegen ein neues Militär-Auslandseinsatz-Gesetz? Regisseur Kore-Eda bekam jedenfalls keinen Glückwunsch, die Japaner hingegen bescherten ihm einen Riesenerfolg an der Kinokasse.
Zitate: Hendrike Bake | indiekino Berlin
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Manbiki kazoku
Japan 2018, 121 Min., jap. OmU
Regie & Schnitt: Hirokazu Kore-eda
Kamera: Kondo Ryuto
mit: Lily Franky, Sakura Ando, Mayu Matsuoka, Kilin Kiki, Kairi Jyo
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Termine:
- noch keine oder keine mehr
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