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Dene wos guet geit

Ein Film von Cyril Schäublin.

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Können wir uns noch ohne Zahlen und Ziffern, Nummern, Codes oder Passworte ver­stän­di­gen und über­haupt durchs Leben kom­men? Im Zürich des Films geht da nichts mehr. Permanent wer­den end­lo­se Verschlüsselungen, Preise, PINs, GPS-Daten, Telefon- Policen- und Kontonummern oder ande­re Zahlenkolonnen hin- und her gereicht. Das funk­tio­niert rei­bungs­los, alle Beteiligten agie­ren höf­lich, gesit­tet, ob es sich um die Bewachung eines Gebäudes nach einer Bombendrohung, um Bankgeschäfte, Betrugsversuche oder deren Aufklärung han­delt. Nichts Persönliches kann die­se Welt trü­ben, denn beim kleins­ten Anflug ver­sagt das Gedächtnis ad hoc.

Dene wos guet geit – der Titel kann für nicht-schwei­ze­ri­sche Ohren schnell Assoziationen mit länd­li­chem Lustspiel oder Bauerntheater wecken. Völlig falsch – es han­delt es sich viel­mehr um einen der eigen­wil­ligs­ten Filme, die in letz­ter Zeit hier ins Kino kom­men. Nicht, dass ihm der Humor abgeht; in Fassung einer fast ein­ge­fro­ren wir­ken­den Lakonie bahnt er sich durch die redu­zier­ten, zu nichts füh­ren­den Bewegungen und den mini­ma­len Plot sei­nen Weg. Die lose Handlung sieht so aus: Alice, eine Callcenterangestellte aus Zürich, muss ihren „Kunden“ neue Internetanbieter oder Krankenkassenverträge auf­schwat­zen, mög­lichst „mit Gefühl“, wie ihr Verkaufsleiter anweist. Mit den dadurch qua­si als Beifang erhal­te­nen Informationen ver­sucht sie, ihr Einkommen mit­tels „Enkelintrick“ auf­zu­bes­sern, und das erfolg­reich. Zwei Stadtpolizisten sind ihr aller­dings schon auf den Fersen. Woanders, in der gleich­för­mi­gen Umgebung ist eine Orientierung schwie­rig, muss eben das oben erwähn­te Gebäude gesi­chert wer­den, wobei die sich wie­der­ho­len­den Gespräche des Polizeipersonals über Mobilfon- Internet- und ande­re Tarife die Idee von Kommunikation ad Absurdum füh­ren. Während des Festivals avan­cier­te der Film in Locarno zum Geheimtip, und die Presse äußer­te sich enthusiastisch:

Wann zuletzt haben wir einen so bösen, radi­kal prä­zi­sen und in der Bildsprache so kon­se­quen­ten Schweizer Film gese­hen? Und war­um nur ver­lässt man das Kino so leicht­füs­sig beschwingt und mit einem Schmunzeln im Gesicht, das sich nur noch ver­tieft, wann immer man an den Film zurück­denkt? Cyril Schäublins «Dene wos guet geit» ver­stösst so ziem­lich gegen alles, was man von einem span­nen­den Film erwar­ten kann – und ver­zau­bert genau dadurch.” NZZ

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Credits:

CH 2018, 71 Min., OmU,
Regie & Buch: Cyril Schäublin
Kamera: Silvan Hillmann
Schnitt: Cyril Schäublin, Silvan Hillmann
mit: Sarah Stauffer, Nikolai Bosshardt, Fidel Morf

Termine:

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Trailer:

 

 

Erde

Ein Film von Nikolaus Geyrhalter.

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Jeden Tag ver­schiebt und bewegt unser Planet selbst rie­si­ge Mengen Erde, Schlamm, Gestein und Sedimente durch Wasserströme, Winde und Tektonik – in Tonnen aus­drückt ist das aller­dings nur die Hälfte des­sen, was der Mensch durch Baggern, Bohren und Sprengen im glei­chen Zeitraum schafft. Nikolaus Geyrhalter hat sie­ben teil­wei­se schwer zugäng­li­che Orte in Europa und Nordamerika besucht, wo auf der Oberfläche und dar­un­ter schwer gear­bei­tet wird oder wur­de: den Bau des welt­weit längs­ten Eisenbahntunnels am Brenner, die Marmorsteinbrüche im ita­lie­ni­schen Carrara, wo der Abbau in den letz­ten drei­ßig Jahren auf das Hundertfache gestie­gen ist, der als Atomzwischenlager genutz­te Salzstock in Wolfenbüttel oder das rie­si­ge Ölsandabbaugelände im kana­di­schen Alberta, mit­ten auf dem Gebiet einer First Nation. Von allen Plätzen lie­fert er wun­der­schö­ne und beein­dru­cken­de Bilder, die als Beweis einer Zerstörung zugleich eine gro­ße Beunruhigung in sich tra­gen. Im Zeitalter des Anthropozän, in dem der Mensch der ent­schei­den­de Faktor für die fun­da­men­ta­len Veränderungen des Planeten ist, stel­len sich dazu gewiss Fragen wie: Muss das sein? Wem nutzt es? Wem scha­det es? Dürfen wir das? Was wird der Preis sein? Dass er auch aus­führ­lich zeigt, wie sich eini­ge der dort arbei­ten­den Menschen schlaue Gedanken zu die­sen und ande­ren Fragen, wie die nach dem Wirtschaftssystem oder der Endlichkeit der Ressourcen, stel­len, und ande­re gleich­zei­tig und trotz­dem der Faszination ihrer Arbeit erlie­gen, ist eine wei­te­re beson­de­re Seite des Film.

Die Ökumenische Jury ver­leiht ihren Preis an ERDE für die Beschreibung der Verwüstung unse­res Planeten durch mensch­li­ches Eingreifen – ein drän­gen­des Thema unse­rer Zeit. Dieser Dokumentarfilm zeigt bren­nend schar­fe Bilder von der Zerstörung der Topographie der Erde und eben­so offen­her­zi­ge Gespräche mit Arbeitern, Ingenieuren und Wissenschaftlern. Die Jury hebt beson­ders das Klagelied einer indi­ge­nen Kanadierin für Mutter Erde am Ende des Films her­vor, das uns dazu ein­lädt, unse­re Verantwortung zu reflek­tie­ren.” Aus  der  Begründung  der  Jury –Preis  der  Ökumenischen  Jury,  Berlinale  Forum  2019

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Credits:

AU 2019, 114 Min., Englisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch, Ungarische OmU
Regie, Buch, Kamera: Nikolaus Geyrhalter
Schnitt: Niki Mossböc 

Termine:

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Trailer:

 

 

Das melancholische Mädchen

Ein Film von Susanne Heinrich.

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Und, wor­um geht es in dem Film? Eine häu­fig gestell­te Frage, die aller­dings in die fal­sche Richtung zielt. Bei Filmen (und nicht nur da) ist das Wie ent­schei­den­der als das Was. Eine Geschichte kann völ­lig sim­pel aus­fal­len. Erst wenn die Inszenierung eben­so sche­ma­tisch daher­kommt, wird es lang­wei­lig bis nichts­sa­gend und schlimms­ten­falls bei­des davon. „Das melan­cho­li­sche Mädchen“ führt den Effekt vor: Der Plot ist nicht mal sprung­haft, son­dern letzt­lich nicht vor­han­den. Die halb ver­kopf­te und theo­rie­schwan­ge­re, halb ver­spiel­te Inszenierung macht das Ganze aber zu glei­chen Teilen unter­halt­sam, eigen­wil­lig und interpretierfähig.

Im Mittelpunkt steht das titel­ge­ben­de melan­cho­li­sche Mädchen (pas­send besetzt: Marie Rathscheck), das wie sämt­li­che Figuren – dar­un­ter der Existentialist, die Clubfreundin, der Normalo – namen­los bleibt. Auf der Suche nach einem Übernachtungsplatz streift die selbst­er­nann­te Autorin mit Schreibblockade durch Berlin und trifft ver­schie­de­ne Männer, die sie schnell mit nach Hause beglei­tet und oft unver­mit­telt wie­der sit­zen lässt.

Der Film unter­teilt sich in 15 Episoden, die Titel wie „Feminismus zu ver­kau­fen“, „Die Gewalt der Liebesmärchen“ oder „Objekte der Begierde“ tra­gen. Es geht um Feminismus, die Rolle des Kapitalismus in die­sem Feld und das selbst­be­stimm­te Handeln der Streunerin. „Rambo is a pus­sy,“ lau­tet ein T‑Shirt-Aufdruck; an ande­rer Stelle meint die jun­ge Frau, dass ihr Körper allen ande­ren mehr gehört als ihr selbst. Mit Rosa und Blau setzt Susanne Heinrich leit­mo­ti­visch zwei Farben ins Bild, die qua­si sym­bo­lisch für die Geschlechterfrage ste­hen. Symbolcharakter haben auch die Penisse, die hier mit­un­ter direkt vor der Kameralinse rum­bau­meln. Heinrich wirft herr­lich scham­lo­se und daher unge­wohn­te Blicke auf männ­li­che Körper.

An einer schlüs­si­gen Story zeigt die Filmemacherin der­weil kein Interesse. Jeder Dialog, jeder Frame zwit­schert es her­aus: Je suis ciné­ma! Die Selbstbespiegelung fängt mit der Wahl des 4:3‑Formats an und setzt sich in der sti­li­sier­ten Bildästhetik, dem extro­ver­tier­ten Tondesign und dem geküns­tel­ten Schauspiel fort. Hinzu kom­men Motiv-Dopplungen und Wiederholungen, eine musi­ka­li­sche Trickfilmsequenz oder Retro-Wischblenden à la „Star Wars“. Heinrich hat ihren Schlegel gele­sen und trans­fe­riert des­sen Autonomiepostulat ins Filmische. Die Form pro­du­ziert den Inhalt, bis die Selbstbespiegelung im digi­ta­len Bandsalat abreißt.

Das Bemerkenswerte dar­an ist nicht das Artifizielle, son­dern der Glücksfall, dass der Film kein Stück lang­weilt. Das mit Filmseminarwissen voll­ge­pack­te Debüt ist kein markt­ge­rech­tes Thesengedöns, son­dern zuerst eine auf­ge­weck­te Gesellschaftskomödie mit einer schö­nen Form der Ironie – der vol­len Ironie näm­lich, die nicht nur plump das Gegenteil des Gesagten meint, son­dern gleich­zei­tig auch das Gesagte und man­ches dazwischen.

Christian Horn | programmkino.de

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Credits:

Deutschland 2019, 80 Min., Deutsch mit eng­li­schen Untertiteln
Regie & Buch: Susanne Heinrich
Kamera: Agnesh Pakozdi
Schnitt: Susanne Heinrich, Benjamin Mirguet
mit: Marie Rathscheck, Nicolai Borger, Malte Bündgen, Dax Constantine, Monika Freinberger, Yann Grouhel, Julian Fricker, Nicolo Pasetti

Termine:

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Trailer:

Das melan­cho­li­sche Mädchen – Trailer from Salzgeber & Co. Medien GmbH on Vimeo.

 

 

Burning

Ein Film von Lee Chang-dong,

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Es braucht Zeit, aus einer Kurzgeschichte einen 148-minü­ti­gen guten Film zu machen. Nach sei­nem letz­ten Werk, dem wun­der­ba­ren POETRY, hat sich Lee Chang-dong acht Jahre genom­men, und jetzt kommt der beein­dru­cken­de Nachfolger zu unse­rem Glück tat­säch­lich ins Kino. Die Vorlage, Haruki Murakamis Scheunenabbrennen ist schon genau­so mys­te­ri­ös wie der Palmen-Anwärter im Wettbewerb von Cannes 2018, nur gibt der Film der Geschichte zusätz­lich einen ruhig-lang­sa­men Spannungsaufbau und betö­ren­de Bilder. Jong Su liebt Geschichten von William Faulkner, so sagt er, und will als Schriftsteller in sei­ne Fußstapfen tre­ten. Erstmal aber lebt er von Lieferjobs. Haemi arbei­tet als Gelegenheits-Model und sucht Sinn in ihrem Leben. Als die bei­den sich zufäl­lig über den Weg lau­fen, behaup­tet sie, Klassenkameraden gewe­sen zu sein (er habe sie schlimm gemobbt), er kann sich nicht erin­nern. Die Affäre zwi­schen bei­den jun­gen Leuten ist zu Ende, kaum dass sie begon­nen hat, da Haemi zwecks Sinnsuche nach Kenia reist. Jong Su darf sich der­weil um ihre Katze küm­mern, die er und auch wir trotz der Winzigkeit der Wohnung aller­dings nie zu sehen bekom­men. Zurück aus Afrika hat Haemi den wohl­ha­ben­den, ele­gan­ten und ver­wöhn­ten Ben im Schlepptau, der auch spä­ter immer mit dabei ist. Jong Su, der sich neu­er­dings auch um den Hof des ver­haf­te­ten Vaters küm­mern muss, arran­giert sich trotz sei­ner Eifersucht gezwun­ge­ner­ma­ßen mit dem selt­sa­men Dreiecksverhältnis. Doch Ben ver­hält sich zuneh­mend merk­wür­dig, und eines Tages ist Haemi spur­los ver­schwun­den. Jong Su ver­liert lang­sam den Boden unter den Füßen.

Ein hoch intel­li­gen­tes und geheim­nis­vol­les Puzzlespiel, das mit den sagen­haft kla­ren Bildern von Kameramann Hong Kyung-Pyo nicht nur von Rachefantasien, Neid und sexu­el­ler Frustration erzählt, son­dern auch von der unzu­ver­läs­si­gen Kraft der Fiktion. Burning ist erwach­se­nes Kino. Klug, hin­ter­grün­dig und rät­sel­haft, ver­gleich­bar nur mit Michelangelo Antonionis Meisterwerk Blow Up.“ Patrick Wellinski | 14 films around the world

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Credits:

Beoning
Südkorea 2018, 148 Min., Koreanische OmU
Regie: Lee Chang-dong
Buch: Haruki Murakami, Lee Chang-dong, Jungmi Oh
Kamera: Kyung-Pyo Hong
Schnitt: Da-won Kim, Hyun Kim
mit: Ah-in Yoo, Steven Yeun, Jong-seo Jeon, Joong-ok Lee, Ja-Yeon Ok

Termine:

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Zwischen den Zeilen

Ein Film von Olivier Assayas.

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Tatsächlich, es gibt sie noch, die fran­zö­si­schen Filme ohne Monsieur – Madame – Mademoiselle, Blumennamen oder Lebensmittel im Titel – und sie kön­nen auch anders. Statt es mit dem rech­ten Politikeinschlag so rich­tig lus­tig kra­chen zu las­sen, begnügt sich Regisseur Olivier Assayas mit poin­tiert tref­fen­den Dialogen, und anstel­le eines woh­lig-gefüh­lig-hei­me­li­gen Settings kon­zen­triert sich der Film auf die Verstrickungen und Auseinandersetzungen sei­ner her­vor­ra­gend dar­ge­stell­ten und pro­mi­nent besetz­ten Protagonist*innen: Selena (Juliette Binoche) ist eine bekann­te Schauspielerin, die sich mitt­ler­wei­le auch als Darstellerin in Action-TV-Serien ver­dingt. Ihr Mann Alain (Guillaume Canet) lei­tet einen Pariser Buchverlag, der sich mit der Digitalisierung her­um­schlägt. Leonard (Vincent Macaigne) ist als Schriftsteller, der zumeist sei­ne eige­nen Affären, not­dürf­tig ver­schlüs­selt, in Romane fasst, einer sei­ner lang­jäh­ri­gen Autoren. Seine Frau Valerie (Nora Hamzawi) ist in der Politik, im Büro eines sozia­lis­ti­schen Abgeordneten, tätig. Als im Verlag neu ange­stell­te Fachfrau für alle neu­en Medien ergänzt die jun­ge, smar­te Laure (Christa Théret) die Runde. Man trifft sich, geht aus, ist befreun­det – man­che dabei enger, als ande­re es wis­sen soll­ten. Allen ist jedoch gemein­sam, dass sie sich mit neu­en Entwicklungen in ihrem beruf­li­chen Umfeld aus­ein­an­der­set­zen müssen.

… Absolut nah an der Gegenwart wird hier in einem fort über Twitter, E‑Books, süch­tig­ma­chen­de Serien und Fake News gespro­chen, über den Untergang der Buchkritik, die digi­ta­le Transition und über Dichtung und Wahrheit. Aber Reden ist nicht alles: Mit sanf­ter, melan­cho­li­scher Heiterkeit ent­blößt der Regisseur die Doppelleben sei­ner Helden und zeigt dabei, wie vie­les sich doch auch gleich bleibt, selbst wenn stän­dig von Neuerungen und Umbrüchen die Rede ist.“ (Barbara Schweizerhof | Viennale)

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Credits:

Doubles vies
Frankreich 2018, 107 Min., frz. OmU
Regie +Buch: Olivier Assayas
Kamera: Yorick le Saux
Schnitt. Simon Jacquet
mit: Juliette Binoche, Guillaume Canet, Vincent Macaigne, Nora Hamzawi

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DOUBLES VIES ZWISCHEN DEN ZEILEN von Olivier Assayas – Deutscher Untertitel Trailer

Diamantino

Ein Film von Gabriel Abrantes + Daniel Schmidt.

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Der por­tu­gie­si­sche Fußballstar Diamantino – der Michelangelo des Fußballs – ist in einer Krise, er sieht kei­ne rosa Wolken und kei­ne rie­si­gen Hündchen mehr auf dem Spielfeld, die Magie ist weg und damit auch sei­ne Fußballkraft. Was ist pas­siert? Als er beim Sonnen auf der Yacht ein Flüchtlingsboot ent­deckt, beschließt er, etwas Gutes zu tun und einen jun­gen Mann aus Mosambik zu adop­tie­ren. Doch was Diamantino nicht weiß: der neue Freund ist eigent­lich eine Steuerfahnderin, die under­co­ver Daten sam­melt, um ihn der Geldwäsche und Steuerflucht zu über­füh­ren. Aber auch davon weiß Diamantino nichts, denn über das vie­le Geld und wo es hin­fließt ent­schei­den sei­ne Zwillingsschwestern, für die der Fußballstar nur Kapital ist, das sie gewinn­brin­gend ein­set­zen. – Das mit den rosa Wolken und rie­si­gen Hündchen klingt viel­leicht etwas schräg, alle ande­ren Motive des Films: Fußball und Startum, Steuerflucht, Rechtspopulismus, Wirtschaftskrise sind der Wirklichkeit abgeguckt.

Ein Film, so ver­rückt wie die Gegenwart.“ (critic.de)

Obgleich mit all sei­nen Themen und Andeutung ganz und gar zeit­ge­mäß, atmet der Film den fröh­li­chen und warm­her­zi­gen Geist der Anarchie der 1960er und 1970er Jahre, wie er einem im Gegenwartskino heu­te nur noch sel­ten bis nie begegnet.“
Joachim Kurz, kino-zeit.de

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Credits:

Portugal, Frankreich, Brasilien 2018, 92 Minuten, port. OmU
Regie: Gabriel Abrantes, Daniel Schmidt
Drehbuch: Gabriel Abrantes, Daniel Schmidt
mit: Carla Maciel, Carloto Cotta, Anabela Moreira, Filipe Vargas, Margarida Moreira, Cleo Tavares, Vítor de Almeida, Joana Barrios, Abílio Bejinha, Chico Chapas, Hugo Santos Silva

Termine:

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DIAMANTINO – Trailer

Der Stein zum Leben

Ein Film von Katinka Zeune.

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Ein Zirkuswagen und ein Frachtcontainer die­nen dem Steinmetz Michael Spengler als Werkstatt. Hier emp­fängt er Menschen in Trauer. Gemeinsam gestal­ten sie Grabsteine, die von den Toten erzäh­len. Die Eltern Neustadt haben ihren 2‑jährigen Sohn ver­lo­ren. Im Dialog mit Michael fin­den sie Worte, die ihren Gefühlen Ausdruck ver­lei­hen. Aus Worten wer­den Material und Form. Der rau­schen­de Atem des Kindes soll sich in einem fra­gi­len Kalkstein wider­spie­geln. Hardburg Stolle ist kei­ne Frau der vie­len Worte. Unter Michaels Anleitung schwingt sie beherzt den Hammer, um einen Findling zu spal­ten und spürt eine Kraft, die lan­ge ver­gra­ben war. Familie Jacob ringt um die Essenz aus dem lan­gen Leben des Großvaters. Der Naturverbundene, Lebemann, Patriarch. Wie sieht ein Objekt aus, dass ihn im Kern trifft? Michael hilft ihnen über die Grenzen ihrer Vorstellungskraft hin­aus. Sensibel begeg­net er dem Material und den Menschen und beglei­tet jede Familie auf eige­ne Art auf dem oft mona­te­lan­gen Weg. Schritt für Schritt, Entscheidung für Entscheidung. Der Film erzählt von die­sem mühe­vol­len und inti­men Prozess und zeigt wie die Arbeit am Stein den Tod im wahrs­ten Sinne des Wortes be-greif­ba­rer macht. Die Steine neh­men Form an. Und in den Angehörigen reift ein neu­es Verhältnis zu ihren Toten – und zum Leben.

Mit dem Tod wird man nicht nur am Ende des Lebens kon­fron­tiert, son­dern auch mit­ten im Leben. Meine Mutter ist vor sechs Jahren gestor­ben. Der Tod war mit­ten in mein Leben geplatzt, und ich muss­te einen Weg fin­den, mit dem Verlust umzu­ge­hen. Damals habe ich gemein­sam mit Michael Spengler ein denk­werk für mei­ne Mutter gestal­tet. Der Prozess, den ich dort erlebt habe, und sei­ne Arbeit haben mich sehr beein­druckt. Als der Stein fer­tig war, habe ich ihn gefragt, ob ich einen Film über ihn machen kann.“ Katinka Zeuner

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Credits:

DE 2018, 77 Min., 
Regie & Kamera: Katinka Zeuner 
Schnitt: Anna Pesavento

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Oray

Ein Film von Mehmet Akif Büyükatalay.

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Es gibt wohl kaum ein Thema, was der­art umkämpft und gleich­zei­tig so beharr­lich im öffent­li­chen Interesse zu zir­ku­lie­ren scheint wie der Islam und Muslime. Ich muss­te mich als Muslim hier­zu ver­hal­ten. Als Sohn mus­li­mi­scher Eltern jener ers­ten Generation tür­ki­scher Einwanderer … hat der Islam seit­dem ich den­ken kann einen zen­tra­len Platz in der Regelung unse­res all­täg­li­chen Lebens ein­ge­nom­men. Was in tota­ler Affirmation – als Jugendlicher in der Rolle als Jugendbeauftragter, Prediger und gar als Vorbeter in der Gemeinde – anfing – wur­de spä­ter zur kri­ti­schen Auseinandersetzung und heu­te zu einer fas­zi­nier­ten Distanz und kri­ti­schen Beobachtung, ver­bun­den mit dem Willen, die­se Faszination und Auseinandersetzung mit dem Islam in mei­ne künst­le­ri­sche Arbeit zu trans­por­tie­ren und wei­ter­zu­ge­ben. Der Film ist in sei­ner Handlung nicht auto­bio­gra­fisch.“ (M. Büyükatalay) Oray und Burcu leben in Hagen, sind jung und glück­lich ver­hei­ra­tet. Manchmal jedoch gibt es auch bei ihnen Streit, und ein­mal geht Oray im Zorn so weit, Burcu die isla­mi­sche Scheidungsformel „Talāq“ auf die Mailbox zu schrei­en. Selbst völ­lig ent­setzt dar­über, sucht er als guter Muslim Rat beim ört­li­chen Imam, der eine 3‑monatige Kontaktpause für die rich­ti­ge reli­giö­se Lösung hält. Burcu hält das für Unsinn und kämpft dage­gen an, doch ihr Mann zieht nach Köln, um die Trennung zu ermög­li­chen. In der dor­ti­gen mus­li­mi­schen Gemeinde fühlt er sich gut auf­ge­ho­ben, der zustän­di­ge Imam ist jedoch wesent­lich stren­ger in der Auslegung der Scheidungsformel. Oray, der sei­ne Frau aber grund­sätz­lich nicht ver­las­sen will, zer­reißt es inner­lich. Zwischen eige­nen Ansprüchen, sei­nen neu­en, gläu­bi­gen Freunden, den weni­ger reli­giö­sen ehe­ma­li­gen Studienkollegen und der Liebe zu Burcu ver­fängt er sich in Widersprüche und Selbstzweifel.

Dank sei­ner sen­si­blen Kamera und der poin­tier­ten Dialoge, die stets durch und durch lebens­echt wir­ken, ist Oray ein beacht­li­ches Debüt gewor­den, das neue Blickwinkel und Einsichten ermög­licht ins Lebenswelten, die man sonst nur kli­schee­haft ver­zerrt auf der Leinwand oder im Fernsehen sieht. Ein Glücksfall, wie gesagt.” Joachim Kurz | kino-zeit

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Credits:

DE 2018, dt.türk.,romani OmU, 100 Min.
Regie, Buch: Mehmet Akif Büyükatalay
Kamera: Christian Kochmann
Montage: Denys Darahan
mit:
Zejhun Demirov (Oray)
Deniz Orta (Burcu)
Cem Göktaş (Bilal)
Faris Yüzbaşıoğlu (Tanju)

Termine:

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ORAY – Trailer from Pluto Film on Vimeo.

Klasse Deutsch

Ein Film von Florian Heinzen-Ziob.

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Da ist z.B. Panvera, die sehr ehr­gei­zig und schlau ist, sich vor allem aber auch im Armdrücken nicht vor den ande­ren ver­ste­cken muss, oder Ferdi, mit 15 Jahren der ältes­te Schüler in der Klasse, des­sen Berufswunsch, Automechaniker zu wer­den, wegen sei­ner schu­li­schen Leistungen in wei­te Ferne rückt. Dann gibt es noch Kujtim, der lie­ber schwänzt als zu ler­nen und sei­nen Freund Schach, der Clown, des­sen stän­di­ges Flirten mit allen und jedem ihm kei­ne Zeit lässt, sich auf die Schulaufgaben zu kon­zen­trie­ren. Ein kun­ter­bun­ter Haufen, der zusam­men­ge­hal­ten wird durch Ute Vecchio, der Klassenlehrerin, die ver­sucht inner­halb von zwei Jahren ihren Schüler/innen in der Vorbereitungsklasse Lesen und Schreiben bei­zu­brin­gen, und zwar 5 Stunden am Tag, um sie dann in die Regelschule ent­las­sen zu kön­nen. Neben den Kindern ist sie der Mittelpunkt des Films, um ihre Strenge und ihre Zuneigung dreht sich alles.
Inzwischen gibt es vie­le Dokumentarfilme, die Schulklassen beglei­ten und beob­ach­ten. Als rich­tungs­wei­send könn­te „Sein und Haben“ von Nicolas Philibert ange­se­hen wer­den. „Klasse Deutsch“ hat wie die­ser wun­der­ba­re Momente, so wenn Ute Vecchio an einem schul­frei­en Tag ganz allei­ne das Klassenzimmer streicht. Dann ent­steht ein traum­haf­ter Augenblick, der gleich­zei­tig auf ihr bedings­lo­ses Engagement und das Bedürfnis nach Entschleunigung und Ruhe verweist.
Im Gegensatz zu „Sein und Haben“ ist die­ser Film viel geer­de­ter. Ein Vorwurf von kit­schi­ger Darstellung einer hei­len Welt lie­ße sich wahr­lich nicht auf­recht erhal­ten, was natür­lich schon an dem spe­zi­fi­schen Personal abzu­le­sen ist, aber auch an der Entscheidung, den Film in Schwarzweiß zu dre­hen. In die­sem Fall stellt das kei­ne cine­as­ti­sche Spielerei dar, son­dern lädt deut­lich zu Verallgemeinerungen und Diskursen ein, im Gegensatz zu Farbfilmen, die eher den natu­ra­lis­ti­schen Blick beto­nen. (Indiekino Berlin)

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Credits:

DE 2018, 89 Min., 
Regie & Schnitt: Florian Heinzen-Ziob
Kamera: Enno Endlicher

Termine:

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Trailer:

Klasse Deutsch / TRAILER from Florian Heinzen-Ziob on Vimeo.

Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen

Ein Film von Radu Jude. 

[Credits] [Indiekino Club] [Trailer]

Das selbst­be­wuss­te Zitat stammt von Mihai Antonescu, der zuerst als Justiz- und Propagandaminister, spä­ter dann als Außenminister und Vizepräsident der faschis­ti­schen Regierung in Rumänien für den rumä­ni­schen Anteil am Holocaust mit­ver­ant­wort­lich war, wo bis 1944 über 300.000 Juden und 20.000 Roma depor­tiert und ermor­det wurden.

Radu Jude stellt schon mit dem Titel klar, dass er sei­nen Film als def­ti­ge Inszenierung gegen die Verdrängung der Vergangenheit ver­steht. Die Schauspielerin Ioana Iacob tritt vor die Kamera und wünscht den ZuschauerInnen viel Spaß, dann schlüpft sie in die Rolle der Theaterregisseurin Mariana Marin, die ein Reenactment des Massakers an der jüdi­schen Bevölkerung von Odessa 1941 probt. Auf dem Gelände eines Militärmuseums, zwi­schen aus­ge­stell­ten Waffen und Uniformen. Auf dem Freigelände ros­ten Panzer vor sich hin, dazwi­schen wuseln die Akteure in Uniform, die Kulturfunktionäre, die den Tabubruch fürch­ten, die Techniker mit prak­ti­schen Problemen. Und alle ande­ren. Radu Judes bis­her bes­ter Film ver­schmilzt die­sen Bienenschwarm mit einer Reise zwi­schen Vergangenheit und Zukunft zu einer ful­mi­nan­ten Groteske. Je län­ger die Vergangenheit ver­gan­gen ist, des­to grö­ßer die Gefahr der Wiederholung, weil sie weder ver­gan­gen ist noch reflek­tiert wurde.

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Credits:

RO, BG, DE, FR 2018, 140 Min.,
rum.OmU
Regie, Buch: Radu Jude
Kamera: Marius Panduru
Schnitt: Cătălin Cristuţiu
mit: Ioana Iacob, Alexandru Dabija, Alex Bogdan

Termine:

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Trailer: