Ein Film von Stéphane Brizé.
Der zeitgenössische Arbeitslose Thierry in Stephan Brizes kurz vor Ein Leben entstandenem Film Der Wert des Menschen (2015) und die junge Adlige Jeanne aus dem 19. Jahrhundert in Ein Leben haben auf den ersten Blick nichts miteinander gemein. Genauer hingeschaut entdeckt man jedoch, dass sich beide z.B. lange den von ihnen geforderten Anpassungen verweigern, da sie mit ihrer eigener Grundhaltung kollidieren, ohne offensiv zu rebellieren. Jeanne blickt auf die Welt auch noch dann ohne Hintergedanken, als sich ihre Umgebung schon lange und wie es üblich ist beim Älterwerden, von Ehrlichkeit und Vertrauen verabschiedet hat. Das kann man dumm nennen, aber auch als besonders schön ansehen.
Das Romandebüt von Guy de Maupassant von 1883 folgt der Geschichte einer jungen Frau aus wohlhabenden Haus, die einen verarmten jungen Vicomte Hals über Kopf aus romantischen Gefühlen heraus heiratet, aber schon bald von ihm betrogen und belogen wird. Der Film erzählt im Rhythmus der Jahreszeiten und konzentriert sich voll und ganz auf seine Heldin. Dabei reduziert er die Handlung zugunsten von Stimmungen, Blicken, Gesten, Geräuschen, Bildern und verzichtet auf eine konventionelle Dramaturgie, ohne das dramatische Wesentliche aus den Augen zu verlieren: ein Frauenleben, hier im 19. Jahrhundert, die Enge in jeder Beziehung, die Enttäuschungen, die traditionellen gültigen Verhaltensmuster, die Ausweglosigkeit.
„Ein Leben ist ein Kostümfilm, der das Genre souverän unterläuft und weiß, dass man einer literarischen Vorlage nur gerecht wird, wenn man sie unzimperlich einer filmischen „Lesung“ unterwirft. Was in diesem Fall heißt: Alles, was der Roman an Drama, auch an mörderischem, kinematografisch saftig offeriert, wird just nicht gezeigt.“
Matin Walder | filmbulletin
Credits:
F/B 2016, 119 Min., franz. OmU
Regie: Stéphane Brizé, Kamera: Antoine Héberlé
Schnitt: Anne Klotz
mit:Judith Chemla, Jean-Pierre Darroussin, Yolande Moreau, Swann Arlaud
Termine:
- noch keine oder keine mehr